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II - CCA Monatsblatt

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Beginnen möchte ich mit Coco Velasquez:<br />

Leute Leute<br />

Gelebt habe ich mit meinen Ehemann, Wulf Killmann, und meiner<br />

Tochter Hannah in einem Holzhaus in Obrajes, auf dem Velascoto- Hügel.<br />

Ein Harry- Potter- Haus, wie es Christian, der Sohn unseres Kanzlers, einmal<br />

genannt hat. Coco Velasquez hat es vor ca. 35 Jahre gebaut. Schon der<br />

Treppenaufgang ist lesens- und sehenswert: auf den Stufen sind Reime des<br />

spanischen Romantikers Gustavo Adolfo Béquer verewigt. Romantische<br />

Poesie fordert zum Innehalten und zum Nachdenken auf. Schweift der<br />

Blick von den Stufen auf die Mauer, trifft er auf bunte Wandbilder, die<br />

Häuseransichten zeigen, Menschen, die Geschichte geschrieben haben,<br />

natürlich auch Coco, und dann die nationale Kultgruppe Los Kjarkas, die<br />

mit Beethoven musiziert. Sind die 60 Stufen bewältigt, befindet man sich<br />

in einem ewig blühenden Garten - mit Rosen, Jasmin, Kakteen, Ginster,<br />

Kapuzinerkresse, Obstbäumen und aromatischem Eukalyptus. Kolibris<br />

und Papageien suchen den Garten gerne wegen seiner Blüten und tumbos<br />

auf. Enge und verschlungene Pfade laden zu einem kleinen, aber feinen<br />

Spaziergang ein.<br />

Ein Haus, das mit der Zeit und seinen Bewohnern gewachsen ist und<br />

viele Überraschungen bereit hält. Coco hat Holz, Türen, Fensterrahmen,<br />

Verzierungen und vieles mehr aus Abbruchhäusern gesammelt und<br />

diese Stücke in der Außen- und Innenarchitektur des Hauses verarbeitet.<br />

Dominant ist das Holz Pinus taeda, das seit 1880 nach Bolivien importiert<br />

wurde und als Ballast auf den Schiffen diente, die, nachdem sie Guano und<br />

Salpeter nach Europa geliefert hatten, nach Südamerika zurückkehrten.<br />

Auf den Holzböden sind Muster eingebrannt, so dass sie wie Teppiche<br />

wirken. Das Dach ist mit glasierten Ziegeln bedeckt, die an die kolonialen<br />

Zeiten erinnern, geziert von kleinen freundlichen Keramikstieren, deren<br />

Aufgabe es ist, Unheil von dem Holzhaus abzuwenden. Es ist ein Haus für<br />

gute und schlechte Zeiten. Dankbar bin ich Elvira Tejada, die es für uns<br />

gefunden hat und der Familie Velasquez, die mich wie ein Mitglied in ihre<br />

über viele Länder verstreute Familie aufgenommen hat.<br />

David Sea:<br />

Dieser junge Künstler aus El Alto hat die Wandbilder des Treppenaufganges<br />

erneuert und seine eigenen Ideen hinzugefügt. In einerAusstellung unbekannter<br />

bolivianischer Künstler in der Villa Serena war ich von einem seiner<br />

Frauenakte beeindruckt. Ich erwarb das Gemälde und lernte ihn später (im<br />

Café Alexander an der Plaza Avarroa) persönlich kennen. So bescheiden er ist<br />

- so künstlerisch begabt. Es war der Beginn einer Freundschaft, die mit vielen<br />

Begegnungen und kreativen Ideen verbunden ist. Anlässlich des Besuches<br />

von Minister Dirk Niebel (BMZ) bereicherte er eine Runde mit Vertretern<br />

der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, indem er deren Namensschilder<br />

mit Motiven aus der Tiwanaku-Kultur bemalte. Mit seiner Ausbildungsstätte,<br />

Escuela Municipal del Arte, führten wir einen Künstlerwettbewerb zum Thema<br />

„Klimawandel und Ernährungssicherung“ in Bolivien durch. Daraus entstand<br />

der Jahreskalender 2011 der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. In<br />

meinem Gepäck nehme ich einige seiner Werke mit: Porträts meiner beiden<br />

Kinder Hannah und Felix, den Cerro Rico, dreifach Frida Kahlo, ein auf<br />

getrockneten Blättern gemaltes Bauernmädchen und David von Michelangelo<br />

- und einiges mehr. Die in seinen Werken porträtierten Menschen werden ein<br />

Leben lang für mich lebendig bleiben.<br />

Und dann die vielen Wanderungen mit Juan Carlos Salazar,<br />

überzeugter Umweltaktivist und Abenteurernatur, der viele Geschichten<br />

über Landschaften, Ruinen und die einsam lebenden Menschen erzählen<br />

kann. Entlang wenig bekannter Inkawege hat er uns zu atemberaubenden<br />

Gebirgen und spektakulären Landschaften des Landes geführt. Die<br />

Kordillere von Quimsa Cruz, Gletscherseen, das Toro- Toro- Gebirge,<br />

präinkaische Bauten bei Conchamarca, Terrassenanlagen auf dem Weg in<br />

die Berge bei Moco Moco und die Puya-Raimondi-Kakteen bei der Mina<br />

de Haciento de Araca. Hinter dem Coca- kauenden Juan Carlos her zu<br />

trotten; die eigene Grenzen spüren; dem Himmel nahe sein; in eiskalter<br />

Luft im Zelt zu übernachten, um sich in der Morgendämmerung wieder auf<br />

den Weg zu machen – all dies möchte ich nicht missen. Ebenso die vielen<br />

Heilpflanzen und heilende Erde, die ich am Wegesrand kennenlernte. Juan<br />

Carlos hat Recht: wer nicht wandert – auch wenn es keine Wege mehr gibtlernt<br />

nicht das ganze Bolivien (Bolivia profunda) kennen.<br />

Diesen außergewöhnlichen Menschen und vielen anderen, denen ich<br />

in Bolivien begegnen durfte, gilt mein Dank und ich nehme sie in meinem<br />

Herzen auf meinem weiteren Lebensweg mit. Es sind außergewöhnliche<br />

Momente, die ich mit ihnen geteilt habe. In turbulenten Zeiten komplexen<br />

politischen und gesellschaftlichen Wandels sind es Menschen voller<br />

Authentizität, die ihr Land lieben und durch ihren subjektiven Blick auf<br />

die Realität beeindrucken.<br />

Ludgera Klemp<br />

Boliviens Schokoladenseiten 88<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 2/2012 <strong>Monatsblatt</strong> 2/2012<br />

89<br />

Boliviens Schokoladenseiten

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