II - CCA Monatsblatt
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Kultur Kultur<br />
Robert Brockmann “Tan lejos del mar”<br />
Plural Editores, La Paz 2012<br />
Dies ist nun schon der zweite Brockmann, nach “El general y sus<br />
presidentes”. Dieses Mal geht es darum, wie Bolivien im Konflikt mit<br />
Paraguay 1928/29 plötzlich in die Weltgeschichte eintrat - und auch gleich<br />
wieder aus ihr abtrat.<br />
Dabei hat auch “Tan lejos del mar” einen Deutschlandbezug: Das Buch<br />
entstand, weil dem Autor ein Konvolut an Zeitungsausschnitten in die<br />
Hände fiel, die Ernesto Fricke Lemoine in den Jahren 1928/29 gesammelt<br />
hatte, als er an der bolivianischen Botschaft in Berlin arbeitete. Fricke ist<br />
der Erbauer der deutschen Residenz in La Paz, so wie sie heute steht.<br />
Die Zeitungsartikel beschreiben den ersten Chaco-Konflikt, als am 5.<br />
Dezember 1928 das bolivianische Fort Vanguardia (ein paar Hütten) von<br />
der paraguayischen Armee erobert und niedergebrannt wurde, woraufhin<br />
die Bolivianer am 14. Dezember in Revanche das paraguayische Fort<br />
Boquerón (noch unbedeutender) eroberten. Brockmann fragt sich, warum<br />
damals in Europa so viel Interesse an diesem kleinen, entlegenen Konflikt<br />
in Lateinamerika bestand. Über diese Recherchen entstand das Buch.<br />
Es geht um die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als der Völkerbund<br />
gegründet wurde. Der am 27. August 1928 unterzeichnete Briand-<br />
Kellogg Pakt wollte für immer den (Angriffs-) Krieg als Mittel der<br />
Politik “verbieten”. Kurz nach dessen Unterzeichnung, und während<br />
der Beratungen im US-Senat über die Ratifizierung, wollten nun zwei<br />
lateinamerikanische Kleinstaaten partout Krieg führen und damit<br />
alle Hoffnungen auf ein friedliches Miteinander der Völker zunichte<br />
machen. Immerhin gelang es nach zweiwöchigem Zittern, den Konflikt<br />
der Panamerikanischen Konferenz zur Vermittlung zuzuschieben, und<br />
damit die Autorität des Völkerbunds und des Pakts zu retten. Es wurde<br />
eine Untersuchungskommission entsandt, die den Status quo ante wieder<br />
herstellte.<br />
Die Episode ist interessant, weil sie zeigt, wie der damalige bolivianische<br />
Präsident Hernando Siles dem enormen Druck der Straße (20.000<br />
Menschen auf der Plaza Murillo) und seiner Gegner (Salamanca, Saavedra)<br />
widerstand, die einen Krieg forderten (und ein paar Jahre später auch<br />
erhalten sollten). Er beruhigte die Lage, indem er symbolisch Boquerón<br />
erobern ließ, sich aber dann zu Verhandlungen bereit erklärte. Brockmann<br />
geht auch der Frage nach, warum Bolivien, obwohl Gründungsmitglied<br />
des Völkerbunds, damals keinen Botschafter in Genf hatte. Bolivien hatte<br />
sich enttäuscht von der Organisation abgewandt, nachdem Ex-Präsident<br />
Ismael Montes (Botschafter in Genf) und später Félix Avelino Aramayo<br />
1921/22 erfolglos den Meereszugang von Chile hatten erstreiten wollen.<br />
Sehr interessant ist dabei, dass Chile 1926 sogar bereit war, die sog.<br />
Kellogg-Formel zu akzeptieren, nach der Arica und Tacna (damals noch<br />
chilenisch) an Bolivien gehen sollten. Dies scheiterte aber an Peru.<br />
Brockmann schreibt als Journalist einfach gut. Es gelingt ihm erneut,<br />
ein interessantes und wenig bekanntes Kapitel bolivianischer Geschichte<br />
anschaulich zu präsentieren.<br />
Philipp Schauer<br />
Boliviens Schokoladenseiten 74<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 2/2012 <strong>Monatsblatt</strong> 2/2012<br />
75<br />
Boliviens Schokoladenseiten