II - CCA Monatsblatt
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Kultur Kultur<br />
1995 wird er durch den Deutschen Bundestag in diesem Amt für weitere<br />
fünf Jahre bestätigt. In Interviews wendet er sich gegen den Wunsch, „die<br />
Vergangenheit ruhen zu lassen“. Ein Ende der Beschäftigung mit der<br />
DDR-Vergangenheit läuft seiner Meinung nach auf eine „Verabredung<br />
des allgemeinen Vergessens“ hinaus. Im Jahr 2000 beendet Gauck seinen<br />
Dienst, da er nach zweimal fünf Jahren nicht wieder gewählt werden kann;<br />
Marianne Birthler wird neue Bundesbeauftragte für die Unterlagen des<br />
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.<br />
Obwohl Gauck von 2000 bis 2012 kein öffentliches Amt innehat, ist<br />
er als Redner, Moderator, Mitglied politisch tätiger Organisationen weiter<br />
aktiv, schreibt, spricht in der Öffentlichkeit. Er erhält zahlreiche nationale<br />
und internationale Auszeichnungen. 2009 veröffentlicht er zusammen mit<br />
Helga Hirsch seine Erinnerungen unter dem Titel „Winter im Sommer –<br />
Frühling im Herbst“ (als Taschenbuch im Pantheon-Verlag, 9. Aufl. 2011).<br />
Nach dem unerwarteten Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler<br />
(CDU) wird Joachim Gauck von SPD und Bündnis 90/Die Grünen als<br />
Kandidat für das Bundespräsidentenamt nominiert, was vor allem in<br />
der Bevölkerung auf breite Zustimmung stößt. Dennoch setzt sich der<br />
niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, der Kandidat von<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel, im dritten Wahlgang gegen Gauck<br />
durch. Nachdem Wulff jedoch im Februar 2012 wegen zahlreicher<br />
Korruptionsvorwürfe zurücktritt und sich schließlich auch die FDP in einer<br />
Art Handstreich für die Unterstützung Gaucks als Kandidaten entscheidet,<br />
wird dieser schließlich von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, FDP und CDU/<br />
CSU gemeinsam nominiert und am 18. März 2012, dem 22. Jahrestag der<br />
ersten freien Volkskammerwahlen, mit einer Mehrheit von 991 (von 1.228)<br />
Stimmen durch die Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt.<br />
JOACHIM GAUCK<br />
Joachim Gauck ist eine Persönlichkeit, die dem Bürger und Zuhörer<br />
erst einmal Respekt abverlangt, aber gerade wegen seiner ausgeprägten<br />
Meinungen und Lebensüberzeugungen viele Menschen zu stören imstande<br />
ist. Über wenige Politiker unserer Tage kann man so viel Gutes und so viel<br />
Kritisches - vielleicht überhaupt: so viel - sagen. Angefangen bei seinem<br />
Markenzeichen, dem unbedingten, stets wiederholten Bekenntnis zur<br />
Freiheit des Einzelnen - bei dem vielen das Bekenntnis zur Gerechtigkeit<br />
(andere Lesart: Gleichheit) zu kurz zu kommen scheint. Andererseits<br />
wegen seiner Ablehnung, sich politisch verorten zu lassen – er sehe sich<br />
als „links, grün und konservativ“, sprich: als Joachim Gauck eben.<br />
Seine Fähigkeit, einprägsam und analytisch präzise zu formulieren, gibt<br />
offenbar vielen Deutschen das Gefühl, dass nach den schwierigen letzten<br />
Jahren das Amt des Bundespräsidenten nun wieder die Würde zurückerhält,<br />
die sich der Bundesbürger davon erhofft (und die aufgrund seiner allein<br />
repräsentativen Funktion wohl das einzige ist, was dieses Amt auszeichnen<br />
kann). Andererseits ist die sonst eigentlich nur Popstars zuteilwerdende<br />
Begeisterung, die Gauck beispielsweise bei seinem Besuch in Baden-<br />
Württemberg im April entgegenschlug, sicherlich auch Balsam auf der<br />
Seele eines Bundespräsidenten, von dem selbst alte Weggenossen sagen,<br />
dass er niemals ganz frei von Eitelkeit gewesen sei.<br />
Aufmerksamkeit rief Gauck hervor, als er seine für Mai geplante<br />
Teilnahme an einem Präsidententreffen in Jalta (Ukraine) unter Verweis auf<br />
das Vorgehen der ukrainischen Regierung im Fall Timoschenko ablehnte.<br />
In der Presse ausführlich erwähnt wurde auch seine Einladung zum “Tag<br />
der Befreiung” in die Niederlande, wo er betonte, man müsse “gemeinsam<br />
die Befreiung vom nationalsozialistischen Joch” feiern.<br />
Stets stand und Gauck unter besonders kritischer Beobachtung seitens<br />
der Öffentlichkeit – was sagt er, sagt er zu viel, zu wenig, wie füllt er<br />
seine Rolle als Bundespräsident aus? Die zahlreichen Debatten um das<br />
Amt während der vergangenen zwei Jahre haben sicherlich zu einem<br />
geführt: Die Ansprüche an Verhalten und Auftreten des Staatsoberhauptes<br />
sind gestiegen. Gesichert scheint zudem: Langweilig wird es mit Joachim<br />
Gauck vorerst nicht werden.<br />
Die Redaktion<br />
*„Der Spiegel“ nach der Wahl Gaucks im März 2012<br />
Boliviens Schokoladenseiten 44<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 2/2012 <strong>Monatsblatt</strong> 2/2012<br />
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