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Das Rätsel um den Pferdehandel<br />
Über einen weiteren Einnahmeposten in Salomos<br />
Staatshaushalt sind die Gelehrten geteilter<br />
Meinung. In 1. Könige 10 wird berichtet:<br />
Man bezog die Pferde für Salomo aus Ägypten und Koë; die<br />
Händler des Königs kauften sie in Koë. Ein Wagen, der aus<br />
Ägypten kam, kostete sechshundert und ein Pferd hundertfünfzig<br />
Silberschekel. Ebenso trieb man Handel mit allen<br />
hetitischen und aramäischen Königen.<br />
(1. Kön. 10,28-29)<br />
Das sieht zunächst einfach aus. Salomo importiert<br />
Wagen <strong>—</strong> gemeint sind sicher Kampfwagen<br />
- und Pferde aus Ägypten und Koë, um sie sodann<br />
in die nördlichen Reiche zu exportieren.<br />
Daß er das nur tut, weil er dabei gut verdient,<br />
versteht sich von selbst und wird deshalb gar<br />
nicht erst erwähnt. Pferdezucht in Ägypten?<br />
Jawohl, die hat es gegeben. Und zwar seit der<br />
Hyksoszeit. Diese Hirtenkönige hatten ihre<br />
Siege den überlegenen Kampfwagengeschwadern<br />
zu verdanken, mit denen sie in den Vorderen<br />
Orient und das Nilland einbrachen. Sie haben<br />
fast zwei Jahrhunderte hindurch - von etwa<br />
1700 bis 1500 v. Chr. - in Ägypten geherrscht.<br />
In dieser Zeit entstanden Gestüte, aus denen<br />
sich die Kampfwagengespanne rekrutierten.<br />
Soweit stimmt der historische Hintergrund.<br />
Aber Fragen kommen uns, wenn wir an die<br />
Länder denken, in die Salomo Pferde und Wagen<br />
dann exportiert haben soll: die Reiche der<br />
Hetiter und Aramäer. Das alte, glanzvolle<br />
Reich der Hetiter ist dahin. Es zerbrach unter<br />
dem Ansturm der Nordvölker. Gemeint sind<br />
hier also wohl die hetitischen Nachfolgestaaten<br />
in Kleinasien. Aber gerade in diesen Gebieten<br />
selbst blühte die Pferdezucht. Pferde nach Kili-<br />
kien zu exportieren, hieße „Eulen nach Athen"<br />
tragen.<br />
Man hat daher versucht, das „Koë" als „Que"<br />
zu lesen, was Kilikien bedeutete. Aber wozu<br />
dann dort Pferde kaufen und - wieder dorthin<br />
zurückverkaufen? Wir stehen hier vor einem<br />
Dilemma.<br />
Als ich darüber nachdachte, fiel mir die Zeit<br />
nach dem 1. September 1939, als der Krieg ausbrach,<br />
ein. Eingezogen zur sogenannten leichten<br />
Artillerie, hatten wir Pferde, vom Acker in<br />
die Kasernen geholt, zu Gespannen einzufahren.<br />
Je sechs im Gespann hatten die Haubitzen<br />
zu ziehen. Die Pferde schlugen und bissen um<br />
sich, daß man ständig auf der Hut sein mußte. Es<br />
dauerte Wochen, bis die Tiere „eingefahren"<br />
waren und taten, was man von ihnen verlangte.<br />
Wenn ich mir jene Zeit ins Gedächtnis rufe,<br />
kommt mir eine mögliche Lösung des Rätsels in<br />
den Sinn. Da kauft Salomo - zusammen mit den<br />
in Ägypten in großer Serie hergestellten<br />
Kampfwagen - Jungpferde. Von seinen Berufssoldaten<br />
läßt er diese Jungtiere so weit ausbilden,<br />
daß sie als Gespanne ruhig vor dem Wagen<br />
gehen. Später verkauft er sie als voll ausgebildete<br />
und einsatzfähige Gespanne an die Nordreiche<br />
weiter. Ein Doppeleffekt: Die Soldaten<br />
haben Arbeit (in der Friedenszeit) und: Der<br />
Säckel des Königs füllt sich durch den Verkauf<br />
der Gespanne. Darüber hinaus behält Salomo so<br />
die Rüstung des Aramäerkönigs Rezon unter<br />
Kontrolle.<br />
Ich meine, dies sei eine Möglichkeit, den sonst<br />
schwer begreifbaren Bericht über Pferdeimport<br />
und -export zu verstehen.<br />
86 Abb. S. 87: Pferderelief