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Ein Tempel der Todesgöttin Hathor<br />
Es ist noch Nacht, als wir die Archäologen abfahren<br />
hören. Sie wollen bei Sonnenaufgang vor<br />
Ort sein, um die Morgenkühle zu nutzen. Wir<br />
selber machen uns erst nach dem Frühstück auf<br />
den Weg. Ein Linienbus bringt uns hinaus zum<br />
Kupferbergwerk Timna. Mächtige Abraumhalden,<br />
grün schimmernde Schlemmteiche und<br />
dazu der Lärm eines Pochwerks. „Professor Rothenberg?"<br />
Ja, der sei im Morgendämmer hier<br />
gewesen, doch gleich wieder weggefahren. Ob<br />
wir zu Fuß zu den Ausgrabungen gelangen<br />
könnten? Der Pförtner lächelt mitleidig. Das sei<br />
zu weit, und finden würden wir die Plätze auch<br />
nicht. Nein, wir müßten uns schon gedulden, bis<br />
uns jemand abhole.<br />
Wir gedulden uns! Nichts geschieht, die Hitze<br />
steigt, die Stimmung sinkt. Schon mehrmals hat<br />
die technische Zeichnerin, in deren Arbeitsraum<br />
man uns verfrachtete, auf die Uhr geschaut.<br />
Jetzt schüttelt sie den Kopf, sagt in fließendem<br />
Deutsch: „Da ist wohl etwas schiefgegangen!<br />
Ich werde Sie an Ort und Stelle bringen."<br />
Das zierliche Persönchen sprüht vor<br />
Energie. „Ich nehme einen Geländewagen, und<br />
dann fahren wir!" Wir stellen uns vor; sie, mit<br />
charmantem Lächeln: „Ich heiße Tal und<br />
stamme aus Litauen. Mit meinem Mann bin ich<br />
schon vor vielen Jahren nach Israel gekommen.<br />
Sie können mich bei meinem Vornamen Betteke<br />
nennen. Das ist hier so üblich."<br />
Und dann geht es über Stock und Stein. Betteke<br />
fährt wie der Teufel, hinter uns eine Schleppe<br />
von Staub. Aus der wabernden Glut steigen<br />
„Die Säulen Salomos" empor, rotglühende Felsen,<br />
verwittert von der Hitze des Tages und der<br />
Kälte der Nacht, abgehobelt und geglättet vom<br />
16<br />
wirbelnden Sand. An ihrem Fuß tauchen jetzt<br />
aus dem rötlichen Staub junge Leute auf, bekannte<br />
Gesichter von gestern abend. Eine kräftige<br />
Gestalt erhebt sich von einem Stein,<br />
schwenkt ein Zeichenheft: Dr. Weisgerber.<br />
„Sie haben hergefunden?" Er scheint es für<br />
selbstverständlich zu halten. Professor Rothenberg?<br />
Nein, der habe sich hier heute noch nicht<br />
blicken lassen. Na ja, ein Mißverständnis. Doch<br />
nun sind wir hier!<br />
Weisgerber bemerkt meinen fragenden Blick.<br />
„Nicht von Salomo, was wir da aufzeichnen, älter;<br />
offenbar ein Heiligtum der Todesgöttin Hathor,<br />
von Ägyptern im 12. oder 13. Jahrhundert<br />
erbaut."<br />
Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Doch<br />
jetzt zu den Stollen!" Er wendet sich an Betteke.<br />
„Halten Sie sich immer hinter mir, es gibt von<br />
hier ab keinen Weg mehr."<br />
Es geht in westlicher Richtung in eine Schlucht<br />
hinein. Rotgebänderte Felsen wuchten rechts<br />
empor, erinnern an Helgoland, nur höher. Vor<br />
uns schwankt Weisgerbers Wagen durch ein tief<br />
eingefressenes Bachbett. Rundgerollte Kiesel<br />
zeigen, daß hier Wasser strömt, wenn es droben<br />
im Hochland einmal geregnet hat. Doch jetzt ist<br />
alles trocken. Und wir immer hinter Weisgerber<br />
her, durch fliegenden Sand und mühlenden<br />
Staub - ohrenbetäubenden Lärm! Dann ist es<br />
plötzlich still. Ist das Weisgerbers Gesicht? Rotgegerbt<br />
ist es vom Staub. Ich wische mir über die<br />
Stirn, der Ärmel ist naß und rotbraun.<br />
„Wir sind an Ort und Stelle." Weisgerber steigt<br />
über schneeweißen Sand in eine Schlucht hinab.<br />
Kein Windhauch, die Hitze ist mörderisch. Und