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Im Lande der Minäer<br />
Channo wischt sich den Schweiß aus den Augen.<br />
Sein Atem fliegt. Nur gut, daß hier auf der Paßhöhe<br />
ein frischer Wind weht. Doch die Helle ist<br />
unerträglich. Nach Luft ringend blickt Channo<br />
zurück. Fast fühlt er sich an die Heimat erinnert:<br />
So ähnlich ist es, wenn ich vom Kamm des Libanon<br />
nach Tyrus hinabblicke, denkt er, der Steilabfall<br />
des Gebirges, unmerklich übergehend in<br />
Hügelland, ein Grüngürtel von Gärten vor dem<br />
blauen Meer. Nein, der Grüngürtel fehlt hier.<br />
Schmal nur, verdämmernd im Dunst der Küste,<br />
ein Saum von fahlem Olivgrün. Du bist eben<br />
nicht in der Heimat, Channo, sondern hier in der<br />
Fremde, im Lande der Minäer.<br />
Mit den Augen verfolgt Channo den Weg, den sie<br />
heraufgestiegen sind. Nichts für einen Seemann!<br />
Glut, Hitze, Durst. Nicht einmal das Reiten schuf<br />
Erleichterung. Diese Höckertiere schaukeln<br />
schlimmer als ein Nachen auf grober See. Nun ja,<br />
wir haben es geschafft, nun geht es wieder abwärts.<br />
130<br />
Eine Oase, unter wiegenden Palmen ein sprudelnder<br />
Quell. Hier werden wir einen Tag ruhen?<br />
Ich bin einverstanden, wir haben eine Rast verdient.<br />
Channo staunt. Eine heiße Quelle gibt es<br />
hier, sogar mehrere? Quellen, in denen Kranke<br />
Heilung finden? Nun, warum sollen nicht auch<br />
wir ein Bad hier nehmen? Nötig wäre es: Staub<br />
und Schweiß kämen herunter.<br />
Schade, daß sie so bald weiterziehen mußten. Der<br />
Abstieg in das tief eingeschnittene Wadi, das die<br />
Führer Hazamareth nannten, war fast noch beschwerlicher<br />
als der Aufstieg zum Paß. Doch<br />
dann sind sie am Ziel: Ein Paradies in der Wüste<br />
von Stein, ein Gottesgarten, in dem frische Wasser<br />
sprudeln; grüne Palmen, weiße Paläste, gelber<br />
Sand, stahlblauer Himmel.<br />
Im Prunksaal der Königin <strong>—</strong> Channo kann es<br />
kaum fassen. Er streckt sich auf dem schwellenden<br />
Polster. Fremdartige Musik schwebt durch<br />
die Halle. Die Königin dort auf ihrem Thron: Elfenbein<br />
schimmert, goldgefaßte Edelsteine blitzen,<br />
ein Bild wie in einem Märchen.<br />
Sie hat anmutig den Kopf geneigt, lauscht dem,<br />
was Adoniram, vom Dolmetscher übersetzt, erzählt.<br />
Wo hat dieser Jude nur die höfische Art gelernt?<br />
Ganz unbemerkt hat ersieh in den Vordergrund<br />
gespielt. Unauffällig hat er die Aufmerksamkeit<br />
der Königin auf sich gezogen. Sie verschwendet<br />
keinen Blick mehr auf Channo oder<br />
seine Großen. Sie hört nur noch diesem Juden zu.<br />
Channo ist von den ungewohnten Mühen des<br />
Marsches zu erschöpft, um sich ärgern zu können.<br />
Er ist nur verwundert über diesen Adoniram.<br />
Channo schüttelt, ohne es zu merken, den<br />
Kopf. Da habe ich diese Juden immer für halbe<br />
Barbaren gehalten; und<strong>—</strong>beim Baal!<strong>—</strong>sie waren