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Um das Kap der Guten Hoffnung<br />
Ich sagte es schon: Die Phantasie hat uns in<br />
Fahrt gebracht. Aber nicht nur sie, auch der<br />
Monsun. Zwar liest man allenthalben, erst im<br />
vorchristlichen Jahrhundert sei die Existenz des<br />
Monsuns entdeckt worden, doch: Sollten die der<br />
See und dem Wind so eng verbundenen Seefahrer<br />
früherer Zeit wirklich nicht bemerkt haben,<br />
daß im Indischen Ozean der Wind jahreszeitlich<br />
wechselt? Inder und Araber der Bronzezeit<br />
müßten mit Blindheit - oder mit Dummheit -<br />
geschlagen gewesen sein, wäre ihnen dieser<br />
Windwechsel nicht aufgefallen, sie, die mit der<br />
Natur und ihren ursprünglichen Kräften lebten.<br />
Er sprang ihnen ja förmlich ins Gesicht, mit<br />
Böen und Regenschauern bis hin zu Sturmstößen.<br />
Nein, sobald der Mensch es wagte, sich von<br />
der Küste zu lösen und über freie See sein Ziel<br />
anzusteuern, muß er diesen regelmäßigen Wind,<br />
auf den Verlaß war, genutzt haben. Und hatte er<br />
das Wagnis der offenen See das erste Mal erfolgreich<br />
gemeistert, so wird er es immer wieder getan<br />
haben. Nichts ist gefährlicher für ein rahgetakeltes<br />
Segelschiff, das nur begrenzt an den<br />
Wind gehen kann, als eine Küste in Lee. Nur<br />
die, die das Meer nicht kennen, fürchten die offene<br />
See; der Seemann weiß, wie gut es ist, noch<br />
hundert Seemeilen bis zum nächsten Land zu<br />
haben.<br />
Es ist den Phöniziern zuzutrauen, daß sie den<br />
Monsun genutzt haben, wie es vor ihnen die<br />
Ägypter schon taten, so, wie es an den Küsten<br />
des Indischen Ozeans seit alters her Brauch war.<br />
Aber: Das ist Hypothese, beweisbar erst, wenn<br />
uns eine schriftliche Kunde aus jener Zeit davon<br />
Zeugnis gibt. Keine Hypothese aber ist, wenn<br />
die Sonne „im Norden steht". Hier bewegen wir<br />
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uns auf dem festen Boden der Historie. Unser<br />
Gewährsmann heißt Herodot. Er ist um 490 v.<br />
Chr. in Halikarnassos geboren, ein Mann mit<br />
großem Unternehmungsgeist, der sich in jungen<br />
Jahren am Sturz des Tyrannen Lygdamis beteiligt<br />
hat. Später bereist er Ägypten und Mesopotamien,<br />
lernt die afrikanische Mittelmeerküste<br />
und die Nordküste des Schwarzen Meeres kennen<br />
und „erfährt" so die damalige Welt zwischen<br />
Persischem Golf im Osten und Sizilien-Italien<br />
im Westen.<br />
In seinem großartigen Geschichtswerk schildert<br />
er auch die von ihm besuchten Länder, Völker<br />
und ihre Sitten <strong>—</strong> ein ungeheures Geschichtswerk<br />
mit einer Fülle von Details, aufgelockert<br />
durch eingestreute Anekdoten und Stories, das<br />
erste große Geschichtswerk der Weltgeschichte;<br />
ganz offensichtlich muß es ein hinreißendes<br />
Buch gewesen sein. Selbst die sonst eher hochnäsigen<br />
Athener zollten ihm lautstarken Beifall,<br />
als er seine erste Vorlesung daraus hielt.<br />
In diesem Buch erzählt Herodot nun, daß ägyptische<br />
Schiffe auf Weisung des Pharao Necho II<br />
(609-594 v.Chr.) Afrika umfahren haben:<br />
„Afrikas Gestalt zeigt schon, daß es <strong>—</strong> abgesehen<br />
von dem an Asien grenzenden Teil <strong>—</strong> auf allen<br />
Seiten vom Meer umströmt ist. Als erster hat<br />
das, soviel ich weiß, der Pharao Necho von<br />
Ägypten bewiesen. Nachdem er die Arbeit an<br />
dem Kanal, der den Nil mit dem Roten Meer<br />
verbinden sollte, eingestellt hatte, rüstete er<br />
eine Expedition aus und gab ihr den Auftrag,<br />
um Afrika herum durch die Säulen des Herakles<br />
zurück ins Mittelmeer zu fahren und so wieder<br />
nach Ägypten zu kommen. Die Phönizier bra-