Paraplegiker 1/2009
Paraplegiker 1/2009
Paraplegiker 1/2009
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1/<strong>2009</strong><br />
27. Jahrgang<br />
PARA<br />
Humanis Verlag für Gesundheit GmbH • Silcherstrasse 15 • D-67591 Mölsheim<br />
Deutsche Post AG • Entgelt bezahlt • ZKZ D 05475 • ISSN 0723-5070<br />
plegiker<br />
Zeitschrift für Menschen mit Körperbehinderung<br />
Jetzt<br />
vereint<br />
mit
Von Menschen gemacht<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
vor Ihnen liegt das erste Heft des paraplegikers,<br />
das im HUMANIS Verlag erscheint. Letzterer gehört<br />
seit fast drei Jahren zur Fördergemeinschaft der<br />
Querschnittgelähmten – die von Anfang an (1982<br />
!) Herausgeber der seinerzeit ersten professionell<br />
gemachten Behindertenzeitschrift in Deutschland<br />
gewesen ist. Lange hat es gedauert, doch jetzt ist<br />
alles so beieinander, wie wir es uns schon immer<br />
gewünscht haben. Jetzt gilt es nach vorn zu schauen,<br />
ein gutes Heft zu machen, das die Interessen<br />
der Betroffenen darstellt und angenehm zu lesen<br />
ist. Wir hoffen mit der vorliegenden Ausgabe auf<br />
dem richtigen Weg zu sein. Über Bestätigung und<br />
Kritik freuen wir uns, denn der „neue para“ soll wieder<br />
ganz dicht am Ohr seiner Leserinnen und Leser<br />
sein, auch derjenigen, die bisher die Zeitschrift „B“<br />
bezogen haben.<br />
Unser Herausgeber, die Fördergemeinschaft der<br />
Querschnittgelähmten (FGQ) ist ein Selbsthilfeverein,<br />
der jenseits großer Verbände und aufgeblasener<br />
Strukturen seinen Weg in die Jetztzeit gemacht hat.<br />
Schon immer war neben der Information der Mitglieder<br />
die soziale Arbeit seine wichtigste Aufgabe:<br />
Mitglieder zu beraten und in Not geratenen Menschen<br />
mit einer Querschnittlähmung nach Möglichkeit<br />
mit den begrenzten Mitteln der FGQ auch dann<br />
zu helfen, wenn sie durch die Maschen des immer<br />
löchriger werdenden sozialen Netzes fallen. Es lässt<br />
doch tief blicken, dass in letzter Zeit tatsächlich von<br />
Not leidenden Banken die Rede war, aber selten<br />
von Menschen. Ist doch nicht zu fassen…<br />
Diese Art von Zynismus ist unsere Sache nicht. Klar<br />
lässt sich aus der Betroffenensituation heraus auch<br />
schon einmal ein wenig spötteln, das gehört dazu.<br />
Bei uns fi nden Sie das z.B. unter Glosse, Karikatur,<br />
aber auch Kultur-Berichten. So nimmt z.B. der querschnittgelähmte<br />
Rockmusiker Mike Al Becker (S.60)<br />
kein Blatt vor den Mund. Mit behindertem Leben<br />
und Alltag werden wir uns schwerpunktmäßig befassen,<br />
das ist es doch, worum es eigentlich geht.<br />
Der Bestandsaufnahme folgt natürlich der Service.<br />
ABOTELEFON (0 62 43) 900 704<br />
Welches Auto, welches Hilfsmittel, welche rechtliche<br />
Vorschrift oder gerichtliche Entscheidung hilft<br />
bei einem bestimmten Problem weiter.<br />
Gelegentlich wird es nicht bei Tipps bleiben. Kritik<br />
muss schon mal sein, gerade in unseren Larifari-<br />
Zeiten, in denen alle immer nur spitzenmäßig drauf<br />
sein sollen und „Problem“ zum Unwort geworden<br />
ist. Das bringt uns nichts. Konfl ikte verschweigen ist<br />
falsch, Missstände müssen beim Namen genannt<br />
werden (z.B. im „Silbernen Sparschwein“, S.41).<br />
Menschen müssen lernen was ihre Rechte sind und<br />
wie sie dazu kommen, deshalb werden sozialrechtliche<br />
Infos immer ihren Platz im Heft haben.<br />
Existentiell für eine Zeitschrift ist die Qualität ihrer<br />
Autoren/innen. Wir freuen uns sehr, dass wir so<br />
viele qualifi zierte von ihnen für die Mitarbeit an diesem<br />
Projekt gewinnen konnten. Die meisten von<br />
ihnen werden Ihnen bekannt vorkommen, der eine<br />
oder die andere wird immer mal wieder frischen<br />
Wind hereinbringen. Zwei Menschen möchte ich<br />
mit Namen nennen: Klaus Schwarz hat bereits für<br />
die erste Ausgabe 1982 geschrieben und ich bin<br />
besonders stolz, dass er auch in dieser Ausgabe<br />
wieder vertreten ist (S.20). Mein Freund und Kollege<br />
Arndt Krödel hat lange Jahre den para redaktionell<br />
betreut und wird uns ab sofort regelmäßig mit<br />
Nachrichten aus Forschung und Medizin versorgen<br />
(S.46).<br />
Die Beiträge der Leserinnen und Leser sind uns<br />
sehr wichtig, deshalb wird das Heft ab dieser Ausgabe<br />
mit ihnen beginnen. Wenn Sie etwas zu sagen<br />
haben, lassen Sie es uns alle wissen. Wir brauchen<br />
dieses Sprachrohr und wollen es immer wieder<br />
neu lebendig gestalten. Es wäre schön, wenn Sie<br />
uns dabei helfen.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
Ihr<br />
editorial<br />
Hinweis<br />
in eigenerSache:<br />
Humanisverlag<br />
ist auf der<br />
REHAB-Karlsruhe<br />
vom 7. – 9. Mai<br />
Halle 1 • Stand A52<br />
vertreten.<br />
PARAPLEGIKER 1/09 3
inhalt<br />
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editorial<br />
Von Menschen gemacht<br />
leserforum<br />
bericht<br />
„Helping Hands“ in den USA:<br />
Kapuzineraffen als Assistenten<br />
Studentenwohnanlage in Regensburg:<br />
Barrierefrei wohnen und studieren<br />
unterwegs<br />
Urlaub mit dem E-Rolli<br />
Flug nach Berlin:<br />
Abenteuerreise<br />
Weserradweg mit dem E-Handbike:<br />
Von Bad Karlshafen nach Bremerhaven<br />
Werdum:<br />
Nordseewind<br />
markt<br />
Genießerland für alle:<br />
Baden-Württemberg<br />
REHAB <strong>2009</strong> in Karlsruhe:<br />
Marktplatz der Neuheiten<br />
Neue Beschichtung für hydrophile Kathetersysteme<br />
Cranberry + Kürbis + Vitamin C für eine<br />
gesunde Blase<br />
Urlaub ohne Hindernisse im Dünenhof<br />
Ferienhotel<br />
Individueller Bungalow von<br />
Haas Fertigbau<br />
Wohngemeinschaft für beatmete<br />
Menschen in Düsseldorf<br />
ALTEC-Rollstuhlrampe überwindet<br />
Schwellen<br />
Inkontinenzaufklärung für Kinder und<br />
Jugendliche<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
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62<br />
69<br />
menschen<br />
Speedy-Chef Rolf Kuhlmann<br />
tödlich verunglückt<br />
meinung<br />
Arrogantes Klassendenken:<br />
Seien wir doch mal ehrlich!<br />
q – querschnitt spezial<br />
Das silberne Sparschwein:<br />
Helfen Stoma-Patienten<br />
Deutschland „aus der Krise“?<br />
Stimmungsbilder aus der Unfallklinik:<br />
Der ganz normale Beziehungsstress<br />
Medizin & Forschung:<br />
„ReWalkTM“-Gehapparat –<br />
Alternative zum Rollstuhl?<br />
Patientenaufruf für klinische Studie:<br />
Motorisches Training für inkomplett<br />
Querschnittgelähmte<br />
13. bis 16. Mai in Halle:<br />
DMGP-Kongress<br />
Umfrage „Barrierefreier Tourismus“<br />
Neues aus „Meck-Pomm“:<br />
Querschnittgelähmtenzentrum<br />
BDH-Klinik Greifswald<br />
Zusammenarbeit beschlossen:<br />
„<strong>Paraplegiker</strong>“ und „Radio4Handicaps“<br />
Neues Zeitschriften-Archiv<br />
Bundesverdienstkreuz für<br />
Winfried Kolibius<br />
kultur<br />
Karikaturen von Barbara Früchtel<br />
Rolli-Rocker Mike Al Becker live:<br />
Normal ist das nicht<br />
Kunst kennt keine Behinderung<br />
bauen & wohnen<br />
Barrierefrei Planen – Bauen – Wohnen<br />
Neue Messe und professionelle<br />
Beratungsangebote
Seite 26<br />
Seite 46<br />
Seite 74<br />
Seite 16<br />
Seite 64<br />
Seite 84<br />
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sport<br />
Querschnittgelähmter Gewichtheber:<br />
Marios persönlicher Rekord<br />
Eine Patientin berichtet:<br />
Rollstuhlbasketballturnier in Herdecke<br />
freizeit<br />
Ferngelenkte Modelle (1):<br />
Flugzeug, Auto oder Schiff?<br />
glosse<br />
Selbst und Ständig<br />
kleinanzeigen<br />
technik<br />
Infrarotplatte:<br />
Sonne unterm Schreibtisch<br />
Mercedes E 220 CDI:<br />
Praktisch, sparsam, sicher<br />
info<br />
Bundessozialgericht:<br />
Urteile zum „Kraftknoten“<br />
HUMANIS Zeitschriften<br />
umweltfreundlicher:<br />
Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft<br />
abo<br />
impressum<br />
der Firma:<br />
media medizintechnik,<br />
Seite 60In dieser Ausgabe finden Sie eine Beilage<br />
sowie eine Beilage der Firma:<br />
Heimberatungsservice<br />
Titelfoto: www.handicapbildagentur.de<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
inhalt inhalt<br />
5
leserforum<br />
Vom Bachelor zum<br />
Master trotz Reformen-Chaos!<br />
Für viele ist ein<br />
Studium nur mit<br />
„Nachteilsausgleich“<br />
möglich.<br />
6<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Clemens Schwan, Cölbe:<br />
Der Beitrag „Im Reformen-Chaos stecken bleiben?“ (paraplegiker<br />
3/08, S. 34-35) befasst sich mit einem brisanten Thema. Der Bologna-<br />
Prozess ist zunächst unumkehrbar, gleichwohl ist er an den Belangen<br />
der behinderten wie auch der nicht behinderten Studierenden vorbei<br />
strukturiert – der vehement zunehmende Beratungs- und Unterstützungsbedarf<br />
belegt das mit dramatisch steigenden Zahlen: 25 % aller<br />
Studierenden fühlen sich überfordert!<br />
Der Weg aus dem Chaos<br />
ist für den behinderten<br />
Studenten so schmal wie<br />
mühsam. Nicht unbedingt<br />
Voraussetzung, aber außerordentlich<br />
hilfreich ist der<br />
– immer noch wenig geliebte<br />
– Schwerbehindertenausweis,<br />
mindestens mit einem<br />
GdB von 50 % und/oder<br />
ein studienbezogenes fachärztliches<br />
Attest, aus dem<br />
nachvollziehbar sein muss,<br />
in welcher Weise die Auswirkungen<br />
der jeweiligen<br />
Behinderung benachteiligende Folgen<br />
auf den Studienverlauf haben (größerer<br />
Zeitaufwand für Pflege, schnelle Ermüdung,<br />
Notwendigkeit von Ruhephasen,<br />
Erfordernis von Studienhelfern, Einfluss<br />
von Medikamenten). Sie öffnen das Tor<br />
zu einem „Nachteilsausgleich“ aus dem<br />
Spektrum der so genannten „nachteilsausgleichenden<br />
Modifikationen bestehender<br />
Studien- und Prüfungsordnungen“.<br />
Der Nachteilsausgleich ist die derzeit wirksamste<br />
Mehrzweckwaffe zur Sprengung<br />
des Panzers, den die modularisierte Studiengangstruktur<br />
in ihrer dichten, stundenplanartigen<br />
Gestaltung und Abfolge von<br />
Leistungseinheiten darstellt. Die „Schlagkraft“<br />
des Nachteilsausgleichs erklärt sich<br />
aus der langen Zeitspanne, in der er sich<br />
inhaltlich entwickelt und differenziert hat,<br />
basierend auf dem Grundgesetz sowie<br />
dem erstmals im Hochschulrahmengesetzes<br />
formulierten Auftrag, „dass behinderte<br />
Studierende in ihrem Studium nicht<br />
benachteiligt werden“ (§ 2 Abs. 4) und<br />
„dass die Prüfungsordnungen die besonderen<br />
Belange behinderter Studierender<br />
zur Wahrung der Chancengleichheit berücksichtigen.<br />
(§ 16). Mit Beschluss des<br />
Akkreditierungsrats am 8.10.2007, der damit<br />
Empfehlungen des „Bündnisses Barrierefreies<br />
Studium“ aufgreift, und mit Zustimmung<br />
der KMK am 13.12.2007 gilt nun<br />
seit Januar 2008, dass Studiengänge nur<br />
dann akkreditiert werden, wenn die Prüfungsordnungen<br />
die besonderen Belange<br />
behinderter Studierender im Studium und<br />
bei Prüfungen explizit berücksichtigen.<br />
Der Kriterienkatalog regelt für die Durchführung<br />
des Studiengangs (Kriterium 5):<br />
„Die Belange von Studierenden mit Behinderung<br />
werden berücksichtigt.“ Für das<br />
„Prüfungssystem“ (Kriterium 6) wird festgelegt:<br />
„Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich<br />
für behinderte Studierende hinsichtlich<br />
zeitlicher und formaler Vorgaben im<br />
Studium sowie bei allen abschließenden<br />
oder studienbegleitenden Leistungsnachweisen<br />
und im Rahmen von Eignungsfeststellungsverfahren<br />
ist sichergestellt.“<br />
Verbindliche Vereinbarungen<br />
Der „Nachteilsausgleich“ kommt einem<br />
Rechtsanspruch des behinderten Studierenden<br />
gleich, der nicht auf den „good
will“ seines Dozenten hoffen muss, sondern<br />
eine klare Regelung einfordern<br />
und vereinbaren kann bzw. muss. Die<br />
Gestaltung des Nachteilsausgleichs ist<br />
absichtlich offen gehalten. Sie ist, in gegenseitiger<br />
Absprache, eine individuelle,<br />
verbindliche vertragliche Vereinbarung<br />
zwischen dem Studierenden und dem Leiter<br />
der jeweiligen Veranstaltung. Wirksam<br />
ist dieser „Vertrag“ nur mit Unterschriften<br />
der Vertragspartner und dem Stempel des<br />
Prüfungsamtes des zugehörigen Fachbereichs.<br />
Bleibt noch das Dekanat des Fachbereichs<br />
zu nennen, das im Zweifelsfall in<br />
eine Lösung einzubeziehen ist oder diese<br />
auch befördern kann.<br />
Jede „andere“ Form einer Prüfung ist<br />
gültig, auf die sich der Studierende und<br />
sein Dozent oder der Prüfungsausschussvorsitzende<br />
sich in gegenseitigem Einverständnis<br />
einigen. Eine derartige Regelung<br />
darf nicht zur Bevorzugung des behinderten,<br />
aber auch nicht zur Benachteiligung<br />
des nicht behinderten Kommilitonen führen.<br />
Die Grenzlinie, die es zu wahren gilt,<br />
ist die Gleichwertigkeit der Prüfung. Nachteilsausgleichende<br />
Modifikationen gewährleisten<br />
die Chancengleichheit behinderter<br />
Studierender und sie sind in keinem<br />
Fall Prüfungserleichterungen!<br />
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Frühzeitig und hartnäckig<br />
Sobald erkennbar ist, welche Neigungen<br />
und Interessen eine mögliche Studienausrichtung<br />
andeuten – das kann also schon<br />
lange vor dem Ende der Schulzeit der Fall<br />
sein – ist die erste Informationsplattform<br />
das Internet, und da sind es die Homepages<br />
der einzelnen Hochschulen und der<br />
Fachbereiche, aus deren Angaben sich<br />
entnehmen lässt, an welcher Uni entsprechende<br />
Studiengänge angeboten werden.<br />
Neben den meistens sehr ausführlichen<br />
Modul-Katalogen, in denen sehr kompakt<br />
Inhalte, Voraussetzungen und Ziele der<br />
einzelnen Module beschrieben werden,<br />
sind die Studienordnung und die jeweilige<br />
Prüfungsordnung die wichtigste Pflichtlektüre,<br />
weil nur sie wie eine detaillierte<br />
Wanderkarte den direkten und risikofreien<br />
Weg zum Ziel beschreiben.<br />
Es liegt einmal mehr am behinderten Studenten,<br />
die Kontakte so früh wie möglich<br />
herzustellen, zuerst zum Behindertenbeauftragten<br />
der Hochschule, Der Kontakt<br />
zum Dozenten einer Veranstaltung sollte<br />
erfolgen, sobald abzusehen ist, wer welche<br />
Veranstaltung betreut, also schon beim<br />
Durcharbeiten des Modulkatalogs oder<br />
seiner Kommentierung vor dem Semes-<br />
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leserforum<br />
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leserforum<br />
Clemens Schwan,<br />
Beauftragter für<br />
behinderte Studierende<br />
an der Uni Marburg.<br />
8<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
terbeginn, dann bei der Strukturierung<br />
des Stundenplans, in der Fachstudienberatung<br />
oder in den vor dem Semesterbeginn<br />
laufenden Orientierungseinheiten<br />
der Fachbereiche, spätestens aber vor<br />
oder nach der ersten Veranstaltung des<br />
ersten oder des neuen Semesters. Hierbei<br />
ist erbarmungslose Hartnäckigkeit gefordert.<br />
Wer zaudert, hat schon verloren.<br />
Im Gespräch sollte der behinderte Studierende<br />
so offen wie ihm möglich seine<br />
Situation aufzeigen, die Probleme benennen,<br />
die sich daraus für seine Studienorganisation<br />
und die praktische Durchführung<br />
des Studiums<br />
ergeben, und dann weitestgehend<br />
Alternativen<br />
aufzeigen, die im Rahmen<br />
des Nachteilsausgleichs<br />
seine Chancengleichheit<br />
im Studium<br />
sicherstellen und das<br />
Ablegen gleichwertiger<br />
Prüfungsleistungen in<br />
anderer als der vorgesehenen<br />
Form ermöglichen.<br />
Jeder Behindertenbeauftragte wird<br />
eine solche Vorgehensweise unterstützen<br />
und bei Schwierigkeiten die Anliegen des<br />
behinderten Studierenden moderieren<br />
und vermitteln. Wenn alle Stricke reißen<br />
sollten, bleibt nur die Einbeziehung des<br />
Verwaltungs- oder des Sozialgerichts.<br />
Grenzen des Entgegenkommens<br />
Wenn, wie im „paraplegiker“ 3/2008 beschrieben,<br />
ein Prüfungsamt es ablehnt,<br />
„einen Teil der vier Prüfungen zu verschieben“,<br />
dann ist das in der Regel ein Sachproblem<br />
und keine Willkür. Was bedeutet<br />
das „Verschieben einer Prüfung“ für die<br />
Organisation einer Uni? Für jede verschobene<br />
Prüfung muss der Dozent eine zweite<br />
und gleichwertige Klausur konzipieren,<br />
es muss ein freier Raum vorhanden sein<br />
und es muss eine Aufsichtsperson für die<br />
Nachfrist frei sein. Das Gleiche gilt für das<br />
Teilen einer Prüfung oder beim Tausch<br />
einer schriftlichen in eine mündliche Prüfung<br />
und umgekehrt oder bei einer Zeit-<br />
zugabe von 50 % oder bei der Zulassung<br />
eines (fachfremden) Schreibhelfers.<br />
Kurzfristig können diese Nachteilsausgleiche<br />
nur ganz vereinzelt eingelöst werden,<br />
weil es durch die Mehrzahl der Veranstaltungen<br />
weder freie Räume noch freies<br />
Personal gibt. Die Macht des Faktischen<br />
erfordert auch hier ein möglichst frühzeitiges<br />
Aktivwerden des behinderten Studierenden<br />
– an einer Uni wie Marburg ist<br />
dies so offensichtlich wie unumgänglich:<br />
wenn von 30 schwerstbehinderten Rolli-Studenten<br />
und 150 blinden Kommilitonen<br />
nur jeder dritte eine nachteilsausgleichende<br />
Modifikation einfordert, geht das<br />
nicht ohne generalstabsmäßige Vorausplanung<br />
und Abstimmung. Die räumliche<br />
Aus- und Überlastung der meisten Hochschulen<br />
macht es in vergleichbarer Weise<br />
unmöglich, eine ganze Veranstaltung nach<br />
Semesterbeginn noch in barrierefreie<br />
Räumlichkeiten zu verlegen.<br />
Teilzeitstudium?<br />
Die Fülle der in einem Studiensemester<br />
zu belegenden und mit Prüfung oder Testat<br />
abzuschließenden Module können die<br />
wenigsten behinderten Studierenden bewältigen.<br />
Inzwischen haben sie auch leider<br />
schon viel zu viele Leidensgenossen<br />
unter den nicht behinderten Kommilitonen.<br />
Ein Teilzeitstudium aber ist für den<br />
behinderten Studierenden wegen seines<br />
Anspruchs auf Nachteilsausgleich nicht<br />
wirklich vorgesehen.<br />
Gleichwohl gibt es vom „Hessischen Wissenschaftsministerium“<br />
Bestrebungen,<br />
das Teilzeitstudium zu stärken. In konkreten<br />
mehrjährigen Modellversuchen an<br />
hessischen Hochschulen soll erprobt werden,<br />
wie die Studiensituation der Teilzeitstudierenden<br />
so verbessert werden kann,<br />
dass das Studium zum Beispiel auch mit<br />
einer Krankheit oder Behinderung gut und<br />
zeitnah abgeschlossen werden kann. So<br />
positiv sich dieses Projekt anhört, so penibel<br />
ist im Interesse der schwer behinderten<br />
Studierenden darauf zu achten, dass nicht<br />
etwa ein „Behinderten-Studium“ entsteht,
leserforum<br />
Clemens Schwan,<br />
Beauftragter für<br />
behinderte Studierende<br />
an der Uni Marburg.<br />
8<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
terbeginn, dann bei der Strukturierung<br />
des Stundenplans, in der Fachstudienberatung<br />
oder in den vor dem Semesterbeginn<br />
laufenden Orientierungseinheiten<br />
der Fachbereiche, spätestens aber vor<br />
oder nach der ersten Veranstaltung des<br />
ersten oder des neuen Semesters. Hierbei<br />
ist erbarmungslose Hartnäckigkeit gefordert.<br />
Wer zaudert, hat schon verloren.<br />
Im Gespräch sollte der behinderte Studierende<br />
so offen wie ihm möglich seine<br />
Situation aufzeigen, die Probleme benennen,<br />
die sich daraus für seine Studienorganisation<br />
und die praktische Durchführung<br />
des Studiums<br />
ergeben, und dann weitestgehend<br />
Alternativen<br />
aufzeigen, die im Rahmen<br />
des Nachteilsausgleichs<br />
seine Chancengleichheit<br />
im Studium<br />
sicherstellen und das<br />
Ablegen gleichwertiger<br />
Prüfungsleistungen in<br />
anderer als der vorgesehenen<br />
Form ermöglichen.<br />
Jeder Behindertenbeauftragte wird<br />
eine solche Vorgehensweise unterstützen<br />
und bei Schwierigkeiten die Anliegen des<br />
behinderten Studierenden moderieren<br />
und vermitteln. Wenn alle Stricke reißen<br />
sollten, bleibt nur die Einbeziehung des<br />
Verwaltungs- oder des Sozialgerichts.<br />
Grenzen des Entgegenkommens<br />
Wenn, wie im „paraplegiker“ 3/2008 beschrieben,<br />
ein Prüfungsamt es ablehnt,<br />
„einen Teil der vier Prüfungen zu verschieben“,<br />
dann ist das in der Regel ein Sachproblem<br />
und keine Willkür. Was bedeutet<br />
das „Verschieben einer Prüfung“ für die<br />
Organisation einer Uni? Für jede verschobene<br />
Prüfung muss der Dozent eine zweite<br />
und gleichwertige Klausur konzipieren,<br />
es muss ein freier Raum vorhanden sein<br />
und es muss eine Aufsichtsperson für die<br />
Nachfrist frei sein. Das Gleiche gilt für das<br />
Teilen einer Prüfung oder beim Tausch<br />
einer schriftlichen in eine mündliche Prüfung<br />
und umgekehrt oder bei einer Zeit-<br />
zugabe von 50 % oder bei der Zulassung<br />
eines (fachfremden) Schreibhelfers.<br />
Kurzfristig können diese Nachteilsausgleiche<br />
nur ganz vereinzelt eingelöst werden,<br />
weil es durch die Mehrzahl der Veranstaltungen<br />
weder freie Räume noch freies<br />
Personal gibt. Die Macht des Faktischen<br />
erfordert auch hier ein möglichst frühzeitiges<br />
Aktivwerden des behinderten Studierenden<br />
– an einer Uni wie Marburg ist<br />
dies so offensichtlich wie unumgänglich:<br />
wenn von 30 schwerstbehinderten Rolli-Studenten<br />
und 150 blinden Kommilitonen<br />
nur jeder dritte eine nachteilsausgleichende<br />
Modifikation einfordert, geht das<br />
nicht ohne generalstabsmäßige Vorausplanung<br />
und Abstimmung. Die räumliche<br />
Aus- und Überlastung der meisten Hochschulen<br />
macht es in vergleichbarer Weise<br />
unmöglich, eine ganze Veranstaltung nach<br />
Semesterbeginn noch in barrierefreie<br />
Räumlichkeiten zu verlegen.<br />
Teilzeitstudium?<br />
Die Fülle der in einem Studiensemester<br />
zu belegenden und mit Prüfung oder Testat<br />
abzuschließenden Module können die<br />
wenigsten behinderten Studierenden bewältigen.<br />
Inzwischen haben sie auch leider<br />
schon viel zu viele Leidensgenossen<br />
unter den nicht behinderten Kommilitonen.<br />
Ein Teilzeitstudium aber ist für den<br />
behinderten Studierenden wegen seines<br />
Anspruchs auf Nachteilsausgleich nicht<br />
wirklich vorgesehen.<br />
Gleichwohl gibt es vom „Hessischen Wissenschaftsministerium“<br />
Bestrebungen,<br />
das Teilzeitstudium zu stärken. In konkreten<br />
mehrjährigen Modellversuchen an<br />
hessischen Hochschulen soll erprobt werden,<br />
wie die Studiensituation der Teilzeitstudierenden<br />
so verbessert werden kann,<br />
dass das Studium zum Beispiel auch mit<br />
einer Krankheit oder Behinderung gut und<br />
zeitnah abgeschlossen werden kann. So<br />
positiv sich dieses Projekt anhört, so penibel<br />
ist im Interesse der schwer behinderten<br />
Studierenden darauf zu achten, dass nicht<br />
etwa ein „Behinderten-Studium“ entsteht,
leserforum<br />
Auch die Notrutsche<br />
im Marburger Konrad-Biesalski-Haus<br />
ist<br />
„behindertengerecht“.<br />
10<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
das schnell die Abwertung<br />
„zweite Wahl“ riskiert, weil<br />
„die gleichwertigen Leistungen<br />
in anderer Form“ aus<br />
dem „Nachteilsausgleich“<br />
vielleicht doch als „Erleichterungen<br />
im Studium“ interpretiert<br />
werden könnten.<br />
Zielvereinbarungen und<br />
Individuallösungen<br />
Was bleibt und an der Uni<br />
Marburg ebenfalls praktiziert<br />
wird, ist die individuelle<br />
Strukturierung des betreffenden<br />
BA-Studienganges<br />
in einer oder mehreren Zielvereinbarungen,<br />
die in mehreren<br />
Gesprächsrunden und<br />
im Zusammenwirken von<br />
Professoren, behindertem Studenten und<br />
den Behindertenbeauftragten entwickelt<br />
werden. So sieht beispielsweise der BA-<br />
Studiengang BWL vor, dass nach dem 2.<br />
Fachsemester 30 Leistungspunkte (ECTS)<br />
und nach dem 3. Fachsemester 60 Punkte<br />
erreicht sein müssen. Die Zielvereinbarung<br />
erlaubt nun 30 Punkte erst nach<br />
dem 3. Fachsemester und 60 Punkte nach<br />
dem 5. Fachsemester oder auch früher.<br />
Über die Ausgestaltung der Zielvereinbarungen<br />
für die zweite Hälfte des BWL-Studiums<br />
BA wird rechtzeitig in einer zweiten<br />
Gesprächsrunde diskutiert werden. Der<br />
Preis solcher Zeitregelungen ist für den<br />
behinderten Studierenden leider oft der<br />
Verlust zur Studien-Bezugsgruppe wie zu<br />
Kommilitonen der ersten beiden Semester.<br />
Eine sehr viel weitergehende Anwendung<br />
des Nachteilsausgleichs haben das<br />
Dekanat und der Fachbereich „Chemie“<br />
realisiert, indem sie für einen E-Rolli fahrenden<br />
Kommilitonen den Diplom-Studiengang<br />
(alte Version) als „Zuguckikum“<br />
organisieren (vgl. paraplegiker 4/07): der<br />
Rolli-Chemiker war in den ersten beiden<br />
Semestern in eine Arbeitsgruppe aus vier<br />
ausgesuchten Kommilitonen integriert,<br />
die sämtliche praktischen Arbeitsanteile<br />
auf Anweisungen hin ausführen. Sie bilden<br />
zugleich eine aus Mitteln der Hochschulhilfe<br />
nach § 54 Abs. 1 Nr. 2. SGB XII<br />
bezahlte Studienhelfer-Gruppe, so dass<br />
dem Fachbereich – das war die Bedingung<br />
– keine zusätzliche Kosten für Arbeitsplatzassistenz<br />
entstehen und die Fußgänger-Chemiker<br />
am Monatsende bis zu 240<br />
€ mehr in der Tasche haben. Eine zweite<br />
Augen-Dusche auf E-Rolli-Augenhöhe<br />
und eine labornahe Toilette mit Schiebetür<br />
waren die baulichen Erfordernisse. Die<br />
ersten Kontakte zum Behindertenbeauftragten<br />
gehen auch bei diesem Beispiel<br />
zurück in die Zeit des letzten Schuljahrs.<br />
Verlängerte Studienzeiten und<br />
BAföG<br />
Die Studienförderungshöchstdauer nach<br />
BAföG liegt für den BA-Abschluss bei<br />
sechs Semester, weitere vier Semester<br />
Förderung stehen bis zum Studienabschluss<br />
durch den Master zur Verfügung.<br />
Nicht wenige BAföG-Ämter blasen zu<br />
einer regelrechten Teufelsaustreibung,<br />
wenn diese Studienzeiten überschritten<br />
werden. Hier hilft nur eines: Ruhe bewahren<br />
und Verbündete aktivieren. Der<br />
stärkste Verbündete ist das Gesetz selbst<br />
mit seinem dafür maßgeblichen § 15 Abs.<br />
3, Nr.5 BAföG und der dazu gehörenden<br />
Verwaltungsrichtlinie: § 15 Abs: 3 Nr. 5<br />
BAföG legt eindeutig fest: „Über die Förderungshöchstdauer<br />
hinaus wird für eine<br />
angemessene Zeit Ausbildungsförderung<br />
geleistet, wenn sie (…) 5. infolge einer Behinderung<br />
(…) überschritten worden ist.<br />
Die zugehörige Verwaltungsrichtlinie klärt<br />
den Begriff „einer angemessenen Zeit“<br />
ganz exakt: „Angemessen ist eine Zeit,<br />
wenn sie dem Zeitverlust entspricht, der<br />
durch den die Überschreitung der Förderungs-Höchstdauer<br />
rechtfertigenden<br />
Grund entstanden ist.“ Und zwei Beispiele<br />
liefert sie für ganz begriffsstutzige<br />
Sachbearbeiter auch noch: „Angemessen<br />
ist immer die Zeit der Überschreitung, die<br />
von einer zuständigen Stelle vorgeschrieben<br />
wird, z. B. die Anordnung eines Prüfungsgremiums,<br />
(oder) nach nicht bestan-
dener Abschlussprüfung eine festgesetzte<br />
Anzahl von Studienhalbjahren zu wiederholen.“<br />
Dazu zählen selbstverständlich auch<br />
alle Zusatzzeiten und/oder Zeitverlängerungen,<br />
die in einem Nachteilsausgleich<br />
vereinbart wurden oder enthalten sind<br />
ebenso wie Studienzeiten oder Studienverlaufserweiterungen,<br />
wie sie in einer<br />
individuellen Zielvereinbarung formuliert<br />
und genehmigt worden sind. Alle diese<br />
Zeiten, die „ursächlich“ sind für eine<br />
Studienzeitverlängerung, sind „behinderungsbedingt<br />
zusätzliche Studienzeiten“,<br />
die – ganz wichtig - als „Voll“-Darlehen zu<br />
fördern sind. Dass das jeweils zuständige<br />
Amt für Ausbildung wenig erfreut bis sehr<br />
unfreundlich auf deren Beantragung reagiert,<br />
gehört leider immer noch zum Tagesgeschäft<br />
der Mehrzahl der behinderten<br />
BAföG-Bezieher. (Siehe hierzu „Studenten<br />
rechnen mit Bafög-Ämtern ab“ in SPIEGEL<br />
ONLINE vom 6.2.09; www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,druck-603528,00).<br />
Das „Logbuch“<br />
Sehr hilfreich ist das Führen eines „Logbuchs“<br />
der behinderungsbedingt auftretenden<br />
Zeiten von Anfang des Studiums<br />
an. Darin hält der behinderte Studierende<br />
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INTERNATIONAL<br />
®<br />
alle Zeiten fest, die sein Studium ursächlich<br />
verlängern: Erkrankungstage, die vom<br />
Arzt verschrieben worden sind, zwischenzeitliche<br />
Kliniks- oder Reha-Aufenthalte,<br />
attestierte Erholungszeiten, Kuren und<br />
Aufenthalte zum Auftrainieren, jede vom<br />
Dozenten autorisierte Verlängerung einer<br />
Vor- oder Bearbeitungszeit von Testaten,<br />
schriftlichen oder mündlichen Prüfungen,<br />
Wiederholungsprüfungen, Verlängerungszeiten<br />
der schriftlichen Examensarbeiten<br />
und der Vorbereitungszeiten auf mündliche<br />
Prüfungen, zusätzlich gewährte<br />
Zeiten zwischen einer Abfolge von Prüfungen.<br />
Ergänzen lässt sich dieses Logbuch über<br />
ein Rund um die Uhr Pflege-Stundenbuch,<br />
in dem minutiös aufgeführt wird, welche<br />
personellen Hilfen im Bereich der Pflege,<br />
der Alltagsgestaltung und der Studienhilfe<br />
erforderlich sind. In einer Dokumentation<br />
von zwei bis drei Wochen lassen sich dann<br />
sehr genau die Zeiten nachvollziehen, die<br />
durchschnittlich pro Woche ebenfalls ursächlich<br />
sind für eine verlängerte Studienzeit.<br />
Die überörtlichen Sozialhilfeträger<br />
Ebenfalls wenig freundlich fallen oft<br />
die Reaktionen des jeweils zuständigen<br />
15. Internationale Fachmesse für Rehabilitation,<br />
Pflege, Prävention und Integration<br />
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leserforum
leserforum<br />
12<br />
Bevorzugtes<br />
Beratungsthema:<br />
Kfz-Hilfe bis hin<br />
zum eigenen Pkw.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
überörtlichen Sozialhilfeträgers aus, der<br />
Hochschulhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe<br />
leistet, wenn der behinderte<br />
Studierende für diese behinderungsbedingt<br />
zusätzlichen Monate oder Semester<br />
die Übernahme der Kosten beantragt,<br />
nicht ganz unverständlich, wenn man berücksichtigt,<br />
dass da sehr schnell Beträge<br />
jenseits von 20 000 € pro Semester anfallen.<br />
Dabei ist es heute schon schwer genug,<br />
den jeweiligen überörtlichen Kostenträger<br />
zu motivieren, nach erfolgreichem „Bachelor“<br />
(Note: befriedigend) die weiteren<br />
Semester für den anschließenden „Master“<br />
zu finanzieren, zumal die Reformer<br />
etwas übereifrig das Fähnchen des „berufsqualifizierenden<br />
ersten Abschlusses“<br />
an den BA geheftet<br />
haben, womit<br />
aus Kostenträgersicht<br />
dem Gesetz<br />
zur Finanzierung<br />
einer angemessenenAusbildung<br />
Genüge getan<br />
ist. Zum Glück<br />
siegt letztlich oft<br />
die Einsicht, dass<br />
die bestmögliche<br />
Ausbildung gleichermaßen<br />
auch<br />
die größte Aussicht<br />
für eine spätere berufliche Tätigkeit<br />
eines schwer behinderten Absolventen<br />
bedeutet.<br />
Ergebnis und Ausblick<br />
„Bachelor und Master. Das neue Studium<br />
– flexibel und international.“ Das war der<br />
Titel einer Broschüre der Hochschulrektorenkonferenz<br />
für die Hochschulreform.<br />
Viel zu viele Studierende hat die schöne<br />
neue Studienwelt bereits ins Straucheln<br />
gebracht. Der Apparat reagiert träge. Bei<br />
der Akkreditierung neuer Studiengänge<br />
werden die Bedürfnisse aller Studierenden<br />
sehr viel mehr berücksichtigt werden<br />
müssen.<br />
Die Mitarbeiter vieler Studiengänge ahnen<br />
nicht, welche „Knüppel“ die drei Kriterien<br />
des Akkreditierungsrates sein könnten,<br />
wenn sie konsequent eingesetzt werden.<br />
Die Konsequenzen reichen schließlich<br />
bis zu „roten Karte“ für nicht wenige<br />
Studiengänge. Die Umsetzung liegt ganz<br />
entscheidend in der Initiative des behinderten<br />
Studierenden. Er muss sich der<br />
Schlagkraft dieses „Knüppels“ bewusst<br />
sein. Trotz allem hilft auch hier die Formel<br />
„Kompromiss statt Konfrontation“ meistens<br />
weiter. Viele Studiengänge, die in<br />
alten, gar denkmalgeschützten Institutsgebäuden<br />
zum Teil seit Jahrhunderten festgewachsen<br />
sind, lassen sich nicht „mal so<br />
auf die Schnelle“ in barrierefreie Institute<br />
verlegen. In dieser Umbruchphase heute<br />
sind die Behindertenbeauftragten der einzelnen<br />
Hochschulen einmal mehr die zentralen<br />
Ansprech-Partner und Wegbegleiter<br />
des behinderten Studenten.<br />
Sie sind als neutrale Experten die Personen,<br />
die ohne Angst vor Repressalien<br />
mit Fachbereichen, Dozenten, Prüfungsamt,<br />
Dekanat, Kostenträgern und BAföG-Amt<br />
verhandeln können, dabei die<br />
Interessen des behinderten Studierenden<br />
moderieren und im Zusammenwirken mit<br />
ihm durchsetzen. Der möglichst frühzeitige<br />
Kontakt zu ihnen wie zu den Hochschulangehörigen<br />
und den Hochschulorganen<br />
sollte verhindern können, dass<br />
behinderte Studierende – besonders die<br />
mit hohem Assistenzbedarf für Pflege und<br />
Studienhilfe – im Reform-Chaos stecken<br />
bleiben. Der Weg vom Bachelor zum Master<br />
ist beschwerlich. Die Anstrengungen<br />
aber lohnen sich, denn je hochgradiger<br />
die Ausbildung ist und je besser die Noten<br />
der Abschlussbewertung ausfallen umso<br />
größer sind die Aussichten für eine angemessene<br />
und gut bezahlte Berufstätigkeit.<br />
Kontakt:<br />
Clemens Schwan, Dipl.-Päd.<br />
Beauftragter für behinderte Studierende<br />
an der Philipps-Universität Marburg<br />
SBS - Servicestelle für behinderte<br />
Studierende<br />
Biegenstr. 12, 35032 Marburg
tel 0 64 21-2 82 61 86 (10-12.30 h)<br />
eMail<br />
schwan@verwaltung.uni-marburg.de<br />
www.uni-marburg.de/studium/behinderte<br />
Text: Clemens Schwan<br />
Fotos: M. Ali-Tani, C. Schwan<br />
Peter Hartmann,<br />
Murnau:<br />
Park-<br />
Probleme<br />
Unser Leser hat Probleme mit<br />
dem Ordnungsamt, das nicht<br />
akzeptieren will, dass er bei Winterwetter<br />
auf dem geräumigen<br />
Gehsteig direkt vor seinem Friseur<br />
parkt, wozu es seiner Ansicht<br />
nach keine Alternative gibt:<br />
„Anliegend einige Ausdrucke der EU- Bestimmungen<br />
bezüglich Parkerleichterung<br />
für Behinderte. Hier gibt es aber eine<br />
„schwammige“ Formulierung in Punkt<br />
1: ‚…auf Straßen und Zonen parken wo<br />
sonst Parken verboten ist’.<br />
Darf man als Rollstuhlfahrer hier parken?<br />
Ich gehe davon aus, dass ich dann auch<br />
auf einem Gehsteig parken darf, wenn ich<br />
niemand behindere. Das Ordnungsamt<br />
sagt jedoch Nein, grundsätzlich sei Parken<br />
auf Gehsteigen verboten.<br />
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leserforum<br />
Hier geht es nicht um ein „Knöllchen„<br />
sondern um Grundsätzliches. Denn wenn<br />
ich das Knöllchen bezahle und das nächste<br />
Mal wieder an der gleichen Stelle parke<br />
um zum Friseur zu gelangen, trete ich eine<br />
Lawine los: Erhöhtes Bußgeld, Idiotentest<br />
beim MPI, möglicherweise Punkte in<br />
Flensburg, weil Wiederholungstäter, usw.<br />
Andererseits gibt es im Umkreis von 300<br />
Metern, am Berg und im Winter (!), keine<br />
Parkmöglichkeit für Behinderte. Beim drit-<br />
Christian Holz, Kissingen:<br />
Wasser! Oder:<br />
Der Feuerwehrmann<br />
Auch unterwegs –<br />
immer cool bleiben!<br />
14<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
ten Mal bin ich dann den Führerschein los.<br />
Kann mir jemand sagen, ob es dazu evtl.<br />
Urteile gibt? Dann bitte ich um Auskunft.<br />
Mit freundlichen Grüßen.<br />
Kontakt:<br />
Peter Hartmann Dipl. Ing. (FH)<br />
Pechmannstraße 5<br />
82418 Murnau<br />
tel 0 88 41-82 02<br />
eMail ph0884182024672@t-online.de<br />
Vorbemerkung der Redaktion: Wir glauben, dass der Alltag behinderter<br />
Menschen viel bunter ist als eine Sammlung von Tipps aus Medizin<br />
und Sozialrecht. Dazu gehören auch schräge Erfahrungen, wie sie unser<br />
Leser hier schildert…<br />
Als Mitglied des Städtischen Behindertenbeirats<br />
und dessen Fraktion Mobilität<br />
interessierte mich der Umbau des Kissinger<br />
Bahnhofs bei Augsburg enorm. Im<br />
Vorbeifahren war mir an diesem Bahnhof<br />
schon mehrmals eine zur Benutzung<br />
einladende Rampe aufgefallen und<br />
der Bahnsteig selbst war 96 cm hoch.<br />
Jahrzehnte lang hatten wir uns mit den<br />
höchsten BAHN-Menschen bis hinauf<br />
zu Ministern um barrierenfreie BAHN-<br />
Anlagen gekloppt. Jetzt endlich wurden<br />
diese Realität. Und diese Realität wollte<br />
ich unbedingt erleben. Außerdem malte<br />
ich mir das Verlassen des Zugs ohne<br />
das umständliche Heranfahren eines Affenkäfigs<br />
von Hydraulikeinsteighilfe und<br />
ohne dass ich beim Hinausheben aus der<br />
Karre stürzte schier wie eine Erfahrung<br />
der dritten Art aus.<br />
Nachdem ich nach dem Kissinger Bahnhof<br />
auch noch den pittoresken Nachbarort<br />
Mering mit Rokoko-Kirche besichtigt<br />
und zudem ein Naturschutzgebiet mit<br />
halsbrecherischen Wegen erkundet hatte,<br />
dachte ich ans Antreten des Heimwegs,<br />
allerdings von einem weiteren Bahnhof,<br />
und zwar Althegnenberg, denn den<br />
Kissinger hatte ich nun ja schon gesehen.<br />
Damit jedoch begann meine Erkundungstour,<br />
sich zu einem weiteren Stunt<br />
zu entwickeln: Um auf die Bundesstraße<br />
nach Althegnenberg zu gelangen, musste<br />
ich nämlich auf die Südseite des Bahnkörpers<br />
wechseln. Eine aus der Ferne erspähte<br />
Unterführung schien das zunächst<br />
sogar zu gestatten, doch als ich vor dieser<br />
stand, wurde mir mulmig: Sie stand voll<br />
Regenwasser und bei Durchfahren hätten<br />
die Motoren Wasser geschluckt. Die<br />
Folge wäre ein Kurzschluss mit dem Ausfall<br />
aller Fahrfunktionen gewesen – Ende<br />
eines Traums.<br />
Mit schwindendem Stromvorrat musste<br />
ich also auf einem x Kilometer langen<br />
Umweg zum Althegnenberger Bahnhof
fahren! Hektisch gurkte ich durch mehrere<br />
aus dem Dorferneuerungsprogramm<br />
verschönerte Käffer, fraß ich mich auf<br />
einem Sportfest durch das üppige Kuchenangebot,<br />
doch alle Sorge war umsonst<br />
gewesen, der Stromvorrat hatte<br />
ausgereicht, ich gelangte nach Althegnenberg<br />
und hätte mit dem Zug heimfahren<br />
können. Bei dessen Eintreffen aber<br />
trat die vermieden geglaubte Katastrophe<br />
doch noch ein: Die Hubbühne des Zugs<br />
funktionierte nicht, der nächste Zug wäre<br />
erst am nächsten Tag gefahren, Niemand<br />
wollte meine 120-kg-Karre in den Zug heben<br />
und ich befand mich mit kläglichen<br />
Stromresten 30 km vor München!<br />
Ich gurkte also weiter, die Akkuwarnlampe<br />
blinkte auf, das Warnpiepen setzte ein<br />
und die Motorleistung ließ nach, obwohl<br />
ich den Steuerhebel am Anschlag hielt<br />
und dabei wohl fast verbog. Ich kriegte<br />
die Panik, denn schon stellte ich mir eine<br />
Übernachtung im Freien vor, dass ich dabei<br />
von wabernden Mückenschwärmen<br />
zerstochen und von streunenden Dorfkötern<br />
angefallen würde, sich Fledermäuse<br />
in meinen Haaren verkrallten und ich in<br />
meinen Ausscheidungen vor mich hin<br />
stänke, danach aber noch immer nicht<br />
daheim wäre. Noch aber saß ich nicht in<br />
der K... Unter dem Druck der dräuenden<br />
Ereignisse fragte ich unerschrocken den<br />
nächstbesten Dorfbewohner, ob er bereit<br />
sei, mich mit seinem Auto zum nächsten<br />
S-Bahnhof, wo alle 20 min verlässlich<br />
barrierenfreie Züge fahren, zu bringen.<br />
Ohne zu überlegen willigte dieser Dorfbewohner<br />
ein. Der Grund: Ich war zufällig<br />
an einen Feuerwehrmann geraten<br />
und der hatte schließlich schon ganz andere<br />
Katastrophen als die nun vor ihm<br />
stehende erlebt! Mit Unterstützung seines<br />
Nachbarn verlud er meinen E-Bock in<br />
seinen Geländewagen und keine 20 min<br />
später schon befand ich mich im S-Bahnzug<br />
auf der Rückfahrt nach München!<br />
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ericht<br />
Kapuzineraffen als Assistenten<br />
16<br />
„Helping Hands“ in den USA:<br />
Die katzengroßen Kapuzineraffen aus Südamerika gelten als sehr<br />
intelligent, robust, von Natur aus hilfsbereit, und sie benutzen<br />
Werkzeuge: Diese Eigenschaften der fl inken Gesellen mit dem Greifschwanz<br />
macht sich eine Non-Profi t-Organisation in Boston, USA,<br />
zunutze: Spezialistinnen der „Helping Hands Inc.“ trainieren die Affen<br />
in aufwändigen Dressurprogrammen, damit sie Querschnittgelähmten<br />
und anderen Schwerbehinderten im Alltag buchstäblich zur Hand gehen.<br />
Das Ganze ist als eine Dauerpartnerschaft von Mensch und Affe<br />
angelegt und für den Empfängerhaushalt fast kostenlos.<br />
Bei der Ausbildung:<br />
Affe mit Trainerin. ideo-Clips des Vereins bzw. eines Nach<br />
Vrichtensenders<br />
zeigen die Affen mit dem<br />
graubraunen Mönchskutten-Fell beim Training<br />
und in der Wohnung ihres behinderten<br />
Partners: Mit rastlosen Bewegungen<br />
erklettern sie den Rollstuhl, den Partner,<br />
den Tisch, um auf kurze, freundliche Anweisung<br />
hin Dinge zu apportieren oder<br />
gelähmte Gliedmaßen in eine gewünschte<br />
Position zu bringen. Geschickt setzen sie ihrem<br />
Partner die Brille auf, reichen ihm eine<br />
Fernbedienung oder bereiten eine Trinkfl<br />
asche vor, indem sie sie aufschrauben<br />
und einen Schlauch hineinstecken, den sie<br />
dem Durstigen an den Mund setzen. Komplexere<br />
Aufgaben an technischen Geräten<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
macht ihnen „ihr“ Mensch vor, indem er<br />
schrittweise mit einem Laserpointer z.B.<br />
auf die Tasten eines Telefons oder CD-Players<br />
zeigt. Manche dieser quicklebendigen<br />
Helferlein können sogar die Mikrowelle<br />
bedienen oder die Waschmaschine. Und<br />
wenn die Aufgabe gelöst ist, gibt’s vom<br />
Partner ein Lob mit Streicheln oder gar<br />
einen Fingerhut voll Leckeres. Die Mutter<br />
eines Epileptikers und Tetraplegikers berichtet,<br />
dass Kapuziner-Äffi n „Kasey“ wild<br />
Alarm schreit, wenn ihr erwachsener Sohn<br />
einmal ohnmächtig wird.<br />
Doch längst nicht jeder Behinderten-Haushalt<br />
eignet sich dazu, einen „Monkey Helper“<br />
aufzunehmen. So muss der Rollifahrer<br />
zumindest sprechen und Autorität als<br />
„Alphatier“ geben können, und es dürfen<br />
keine kleinen Kinder dort leben, um Unfälle<br />
durch Missverständnisse und Konfl ikte<br />
zu vermeiden. Noch viel wichtiger als die<br />
Handreichungen ist den Empfängern die<br />
soziale Komponente, die der Kapuziner mit<br />
sich bringt. Insbesondere die gegenseitige<br />
Zuneigung und der Körperkontakt beim<br />
Streicheln und Spielen. Der Affe wird als<br />
ein Freund empfunden, der allerdings viel<br />
Aufmerksamkeit und dauernde Zuwendung<br />
braucht, wie ein dreijähriges Kind.<br />
„Kasey führt mich aus der Trostlosigkeit<br />
und Einsamkeit meiner Situation heraus<br />
und lenkt mich vom seelischen und körperlichen<br />
Schmerz ab“, lobt Ned Sullivan,<br />
Tetraplegiker aus Boston.
Ein Monkey Helper kann und soll natürlich<br />
keine Pfl egefachkraft ersetzen. Doch<br />
verhilft der Affe seinem Partner zu mehr<br />
Selbstständigkeit. Und: „Hilfe von einem<br />
Tier anzunehmen, nimmt auch das Konfl<br />
iktpotenzial mit einer Pfl egeperson“, sagt<br />
Dr. Wolfgang Neumann, Psychotherapeut<br />
in Bielefeld und selbst Rollifahrer, „dass<br />
man der Boss wird, oder dass man die Pfl egeperson<br />
nicht mag und dennoch von ihr<br />
abhängig ist.“<br />
Aufwand<br />
Für die Masse der rund 200 000 gelähmten<br />
Menschen in den USA stellt das Bostoner<br />
Modell von Helping Hands Inc. leider keine<br />
Hilfe dar, denn der Aufwand um ihre Affen<br />
ist riesig: Die Kapuziner werden von Hand<br />
aufgezogen und stammen aus einer eigenen<br />
Zuchtgruppe in einem Zoo. Noch im<br />
Kindesalter kommen die Tiere einzeln in<br />
einen normalen Pfl ege-Haushalt, und zwar<br />
für fünf bis zehn Jahre (!), also bis nach der<br />
Pubertät. So vermeidet man später aggressive<br />
Konfl ikte um die Rangordnung im Behinderten-Haushalt.<br />
Dort lernen die Affen,<br />
sich (unfall-)frei in einem Menschen-Haushalt<br />
zu bewegen. Sie sollen stubenrein werden<br />
(sie tragen aber offenbar fast immer<br />
Windeln) und sich an ein tägliches Bad gewöhnen<br />
– denn zu ihrem natürlichen Verhalten<br />
gehört, sich mit Urin einzureiben.<br />
Anzeige<br />
Für das spezielle dreijährige Training bei<br />
Helping Hands muss der Pfl egehaushalt<br />
sein Tier wieder an die Organisation abgeben<br />
– für immer. Der ausgebildete Kapuziner<br />
kommt dann auf Anfrage in einen<br />
geeigneten Behinderten-Haushalt. Für<br />
dieses „Placement“ ist eine Woche zur Eingewöhnung<br />
vorgesehen, wobei Mensch<br />
und Affe unter Aufsicht ihre individuellen<br />
Bedürfnisse aufeinander abzustimmen lernen.<br />
Zugleich wird so geprüft, ob der Affe<br />
und sein Partner zusammenpassen. Nach<br />
bericht
ericht<br />
Gehaubte Kapuziner<br />
(Cebus apella) im<br />
Allwetterzoo Münster.<br />
Am rechten Bildrand<br />
mit „Elvis-Tolle“:<br />
der Banden-Chef.<br />
18<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
der Helfer-Phase – im Schnitt ca. sieben<br />
bis zehn Jahre bei einer Person, insgesamt<br />
zehn bis 20 Jahre – werden die Tiere<br />
zurückgenommen und, wenn möglich,<br />
erneut als Haustiere an geeignete Interessenten<br />
abgegeben.<br />
Laut Cheftrainerin Allison Payne umfasst<br />
das Programm seit Bestehen insgesamt<br />
über 190 Kapuzineraffen. Derzeit würden<br />
30 Affen ihr Training am „Monkey College“<br />
abschließen. In der 30 jährigen Geschichte<br />
des Vereins haben USA-weit rund<br />
120 Behinderte einen „Monkey Helper“<br />
in Anspruch genommen. Der Verein lebt<br />
nach eigenen Angaben nur von Spenden<br />
und Sponsorengeldern. Die Vermittlung<br />
und Haltung der Affen sei für die Patienten<br />
kostenlos. Die Tiere würden nur an<br />
ausgewählte Haushalte bzw. Personen<br />
abgegeben. „Derzeit haben wir 43 Affen<br />
bei Behinderten und weitere 70 bei Pflegehaushalten“,<br />
bilanziert Andrea Rothfelder,<br />
die aus Bayern stammende Kommunikationschefin<br />
von Helping Hands Inc.<br />
Die Ausgaben für die Platzierung eines Affen<br />
belaufen sich, über dessen gesamte<br />
Lebensspanne von 30 bis 40 Jahren gesehen,<br />
auf ungefähr 35 000 US-Dollar (ca. 27<br />
000 €), erklärt Megan Talbert, Geschäftsführerin<br />
von Helping Hands. Davon schla-<br />
gen die Kosten für das eigentliche „Placement“,<br />
also die Eingewöhnungswoche im<br />
Haushalt des Behinderten, die Ausrüstung,<br />
wie z.B. der Käfig, sowie die dauerhafte<br />
Begleitung des Haushalts mittels Telefon-<br />
Beratung, Hausbesuchen, Veterinärterminen<br />
u.a. mit umgerechnet ca. 11 500 € zu<br />
Buche. Der Rest bezieht sich auf die Haltung<br />
und das Training bei Helping Hands<br />
und den Pflegefamilien. Was sich erst als<br />
großer Batzen Geld ausnimmt, ist beim näheren<br />
Betrachten um ein Vielfaches billiger<br />
als bspw. ein ambulanter Pflegedienst, der<br />
morgens und abends bei der Toilette hilft<br />
und sicherlich jeden Monat 1 000 € kostet.<br />
Affen in Deutschland?<br />
In Deutschland scheint es solche „Affen-<br />
Partnerschaften“ nach dem Modell der<br />
Helping Hands bislang nicht zu geben. Jedenfalls<br />
war das Thema für fast alle Angesprochenen<br />
neu, ob Behinderte, Behörden<br />
oder Behindertenorganisationen. Lediglich<br />
ein paar Affenexperten aus Forschung und<br />
Zoos wussten davon.<br />
Anfragen beim Bundesamt für Naturschutz,<br />
beim Bundesministerium für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
und bei einem kommunalen Veterinäramt<br />
– all diese Stellen sind für die Haltung von<br />
„Wildtieren“ zuständig – haben die berühmte<br />
Radio Eriwan-Antwort ergeben:<br />
Ja, im Prinzip dürfen in Deutschland Kapuzineraffen<br />
aus Nachzuchten gehandelt und<br />
privat gehalten werden. Aber: Die artgerechte<br />
Haltung sieht für Kapuzineraffen je<br />
ein zimmergroßes Innen- und ein Außengehege<br />
(mind. je 16 qm) vor. Darüber hinaus<br />
müssen es mindestens drei Tiere als<br />
Sozialverband sein, und Tier und Mensch<br />
müssen bestimmte Hygienevorschriften<br />
erfüllen. Das alles würde vom örtlichen Veterinäramt<br />
kontrolliert.<br />
Für das amerikanische Modell der Helping<br />
Hands Inc. bedeuten diese Vorschriften das<br />
juristische Aus in Deutschland. Denn die<br />
Einzelhaltung ausschließlich in der Wohnung<br />
ist nicht artgerecht. Immerhin lässt<br />
Dr. Hans Helmut Jostmeyer vom Veterinär
amt Bielefeld großes Verständnis durchblicken: „Ich bin grundsätzlich<br />
sehr offen für die Tierhaltung im erweiterten Therapiebereich.<br />
Für eine Genehmigung wäre zwar die artgerechte Haltung maßgeblich,<br />
aber es wäre auch der Zweck der Haltung zu berücksichtigen,<br />
und wenn möglich, in eine Genehmigung zu bringen.“<br />
Zoologen und Tierpfleger lehnen das Bostoner Modell übrigens<br />
strikt ab. Aus ihrer Sicht ist es ethisch nicht vertretbar, ein soziales<br />
und hochmobiles Wesen wie den Kapuzineraffen so zu einem Kunstwesen<br />
zu vereinzeln: Zu diskutieren wäre also: Darf man einen Akrobaten<br />
behindern, um einem Gelähmten mehr Freiheit zu bringen?<br />
Text: Martin Bopp<br />
Fotos: Bopp (1), © 2006 by Tom Kates photography<br />
Links und Adressen zum Thema:<br />
Affen als Begleittiere für Behinderte:<br />
Helping Hands Inc. Monkey Helpers for the Disabled, Megan<br />
Talbert, Andrea Rothfelder, 541 Cambridge Street, Boston MA<br />
O2134, mail@monkeyhelpers.org, www.monkeyhelpers.org<br />
MonkeyHelpers Video aufYou Tube: http://www.youtube.com/<br />
watch?v=jo4g2aKscaQ<br />
Paralyzed Veterans of America (PVA):<br />
Managing Personal Assistants – a Consumer Guide (Handbuch<br />
für Behinderte zur Auswahl geeigneter Helfer (engl.):<br />
ob Menschen im Pflegedienst, Hunde oder Affen…,<br />
PDF-Version (70 S.; 1 MB), ISBN 0-929819-11-X, www.pva.<br />
org/site/PageServer?pagename=pubs_main >> publications >><br />
Advocacy and Accessibility<br />
http://www.pva.org/site/News2?page=NewsArticle&id=8115<br />
Kapuzineraffen – die Arten, ihre Verbreitung, Lebensweise und<br />
Gefährdung:<br />
Bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kapuzineraffen<br />
Kapuzineraffen im Zoo:<br />
Allwetterzoo Münster, Gehaubter Kapuziner, www.allwetterzoo.de<br />
Apenheul Appeldoorn (NL), mit großen Freigehegen, die Affen<br />
leben in naturnaher Umgebung: www.apenheul.nl (Gelbbrust-<br />
und Weißschulter-Kapuziner)<br />
Zoo Köln; Gelbbrust-Kapuziner: www.zoo-koeln.de/index.php<br />
Wilhelm Busch: Fipps der Affe:<br />
http://gutenberg.spiegel.de/wbusch/fipps/fipps.xml<br />
Anzeige
unterwegs<br />
20<br />
Die Bäderbrücke,<br />
auch zum Angeln<br />
geeignet.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Ich bin seit 58 Jahren ein „<strong>Paraplegiker</strong>“. Bis vor fünf Jahren<br />
war Reisen kein Problem. Die einzigen Voraussetzungen, die ich<br />
an eine geeignete Unterkunft stellen musste: die Türen mussten<br />
mindestens 65 cm breit und die Toilette erreichbar sein.<br />
So konnte ich mit Hilfe meiner Frau nicht nur mehrmals die drei<br />
skandinavischen Länder bis hinauf in das ganz im Norden von<br />
Norwegen gelegene Kirkenes kennen lernen, sondern auch z.B.<br />
Frankreich bis hinunter an die Mittelmeerküste.<br />
Dann riss bei einem Übersetzen von der<br />
Toilette in den Rolli die Sehne im rechten<br />
Schultergelenk. Damit folgte dann<br />
zwangsweise der Wechsel in den E-Stuhl.<br />
Von nun an waren die als „rollstuhlgeeignet“<br />
bezeichneten Unterkünfte zu 99<br />
Prozent nicht mehr geeignet. „Na und?“<br />
werden Tetraplegiker zu recht sagen – das<br />
Problem habe ich von Anfang an. Und<br />
dessen ungeachtet: Als E-Rollstuhl fahrender<br />
„Para“ hat man doch noch in paar<br />
kleine Probleme weniger, so dass Reisen<br />
nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.<br />
Das Suchen nach geeigneten<br />
Häusern oder Orten<br />
ist zwar mühsam,<br />
kann aber durchaus<br />
auch erfolgreich sein.<br />
Als besonders behindertenfreundlichempfi<br />
nde ich die „neuen“<br />
Bundesländer. Und da<br />
habe ich das Ostseebad<br />
Kühlungsborn kennen<br />
und schätzen gelernt.<br />
Eine wunderschöne,<br />
breite, dicht am Ostseestrand<br />
entlang führende<br />
kilometerlange Uferpromenade.<br />
Die weit<br />
in die Ostsee hineinragende<br />
Seebrücke hat<br />
wie selbstverständlich<br />
Rampen. Direkt von der<br />
Promenade abzweigend<br />
gibt es für Behinderte und Rolli-Fahrer einen<br />
eigenen ins Wasser hinein führenden<br />
Badesteg mit einem Seitensteg, von dem<br />
aus man den Sandstrand und mehrere<br />
Strandkörbe erreichen kann.<br />
Gut recherchiert<br />
2008 war in Kühlungsborn sogar ein<br />
Riesenrad aufgebaut mit zwei Kabinen<br />
für Rollstuhlnutzer. Sehr freundliches<br />
und kräftiges Personal half uns über die<br />
Schwellen. So konnten wir Kühlungsborn
Anzeige<br />
Unser „Stammquartier“.<br />
Leider nicht ganz billig.<br />
auch einmal aus der Vogelperspektive<br />
genießen.<br />
Im Unterkunftsverzeichnis sind mehrere<br />
Hotels genannt, die das Rollstuhlsymbol<br />
in ihre Anzeige eingesetzt haben.<br />
Da beginnt dann die individuelle<br />
Suche. Wir übernachten immer im<br />
„Ringhotel Strandblick“. Es verfügt<br />
unterwegs<br />
Blick auf die<br />
Promenade in<br />
Kühlungsborn.
unterwegs<br />
Direkt an einer DLRG-<br />
Station: eigens für<br />
Behinderte und Rollifahrer<br />
gebauter Badesteg.<br />
22<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
leider nur über ein spezielles Zimmer für<br />
„Rollis“, das allerdings auch weit im Voraus<br />
ausgebucht ist, hat aber auch einige<br />
andere Zimmer, die man bei einigen Einschränkungen<br />
durchaus als „geeignet“<br />
bezeichnen kann. Der Vorteil: Hilfsmittel<br />
wie Duschstuhl, Bettgalgen und Lifter kann<br />
man sich beim Bergmann REHA-SERVICE<br />
in Rostock (tel 03 81-76 88 600) zu vertretbaren<br />
Preisen leihen.<br />
Eine gute Quelle für Infos ist wie so oft<br />
das Internet. Oder man bestellt sich Prospekte<br />
von Fremdenverkehrsverbänden,<br />
um sie auszuwerten. Besonders ausführlich<br />
ist der Prospekt von Sachsen. Achten<br />
Sie aber darauf, dass Sie den Spezialprospekt<br />
für Behinderte „Sachsen Barrierefrei“<br />
bestellen. ich habe selten eine<br />
so gut recherchierte Arbeit gesehen. Der<br />
Hauptkatalog enthält dagegen nur wenige<br />
nützliche Hinweise. (tel 03 51-49 17 00,<br />
www.sachsen-tourismus.de)<br />
Weitere Angebote<br />
Die Fürst-Donnersmark-Stiftung, Berlin,<br />
hat zum Beispiel ein sehr schönes und<br />
großes Haus nur für Behinderte und deren<br />
Angehörige in Rheinsberg am See<br />
(tel 03 39 31-34 40, www.hausrheinsberg.<br />
de). Ein zweites Haus der Stiftung mit<br />
dem Schwerpunkt<br />
Wellness wurde im<br />
letzten Jahr in 29549<br />
Bad Bevensen in Niedersachsen<br />
eröffnet.<br />
(tel 0 58 21-95 90)<br />
Ein privater Anbieter<br />
in Deutschland: Otto<br />
Käser im Allgäu: tel<br />
0 83 23-71 39, www.<br />
immenstadt.com/<br />
kaeser/. Und unter<br />
www.rollstuhl-urlaub.de<br />
fi ndet man<br />
weitere Angebote im<br />
Internet.<br />
Für Freunde organisierter<br />
Reisen für Behinderte<br />
bietet sich die „rfb-Touristik“ in<br />
Mönchengladbach mit der gesamte Palette<br />
der Reisebranche an. (tel 0 21 66-6<br />
18 90 20, www.rfb-touristik.de)<br />
Aber warum nicht einmal mal auch im<br />
Ausland nach einem Quartier suchen?<br />
Vielleicht nicht nur für Norddeutsche interessant<br />
ist Dänemark und hier besonders<br />
Jütland mit seinen unendlich langen<br />
Sandstränden mit geräumigen und<br />
großzügig gebauten Ferienhäusern. Ein<br />
deutscher Anbieter: „Sonne und Strand“<br />
in Flensburg, tel 04 61-1 44 20 20, oder<br />
direkt beim dänischem Vermittler im Internet<br />
unter www.Dancenter.de.<br />
Diese Daten können und sollen natürlich<br />
keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />
erheben, sondern zeigen, dass es Möglichkeiten<br />
gibt, auch mit diesen Vorausetzungen<br />
Urlaub zu machen, einmal den<br />
Alltag zu vergessen. Wagen Sie es doch<br />
einfach auch mal. Es lohnt sich.<br />
Text: Klaus Schwarz<br />
Fotos: Waltraud Schwarz
Bad Bevensen:<br />
Der Kurpark von Bad Bevensen lädt zu<br />
schönen Spaziergängen ein, die Stadt<br />
mit ihren Fachwerkhäusern will entdeckt<br />
werden und auch Ausflüge in die Umgebung<br />
versprechen viel Abwechslung. Im<br />
Gästehaus Bad Bevensen der Fürst Donnersmarck-Stiftung<br />
findet man eine komfortable,<br />
barrierefreie Unterkunft, in der<br />
man es sich richtig gut gehen lassen kann.<br />
Ob es die gute Küche des Hauses ist, die<br />
ansprechenden Zimmer, die gemütlichen<br />
Aufenthaltsräume oder die Kaminbar –<br />
hier ist für einen angenehmen Urlaub alles<br />
gut vorbereitet.<br />
Das Haus ist komplett barrierefrei für Rollstuhlfahrer<br />
gestaltet und entspricht den<br />
Bedürfnissen von Menschen mit Körperbehinderung.<br />
Ganz neu ist das Vital-Zentrum<br />
mit Bio-Sauna, Sauna, Dampfbad,<br />
Entspannungsräumen und Gymnastikraum.<br />
Hier kann man in ansprechendem<br />
Ambiente entspannen und etwas für die<br />
Gesundheit tun. Dazu bietet die Physiotherapiepraxis<br />
ein fachlich fundiertes Spektrum<br />
verschiedener Gesundheitsanwendungen.<br />
Ob es eine physiotherapeutische<br />
Behandlung nach Bobath ist, eine manuelle<br />
Therapie, eine Wohlfühlmassage oder<br />
Wärmebehandlungen – hier ist man immer<br />
in guten Händen. Vielseitige Entspannungs-<br />
und Aktivitätsprogramme sorgen<br />
für Wohlbefinden. Ärztliche Versorgung<br />
markt<br />
Wenn die Tage wieder länger werden<br />
und der Frühling kommt, wächst die<br />
Lust auf Urlaub. Die Kurstadt Bad<br />
Bevensen in der Lüneburger Heide<br />
bietet beste Voraussetzungen für einen<br />
erholsamen, aber auch abwechslungsreichen<br />
Frühlingsurlaub. Bunte<br />
Wälder, Felder und Heideflächen,<br />
grüne Wiesen- und Auetäler prägen<br />
die südlich von Lüneburg gelegene<br />
Landschaft und laden zum Entspannen<br />
und Durchatmen ein.<br />
Barrierefrei in der Lüneburger Heide<br />
im Haus rundet<br />
das Angebot des<br />
Vital-Zentrums ab.<br />
Zu einem erholsamen<br />
Urlaub gehören<br />
auch ausgedehnteSpaziergänge<br />
und -fahrten<br />
im angrenzenden<br />
Wald. Ein rollstuhlgerechterRundweg<br />
bietet auch den<br />
Gästen, die nicht<br />
so mobil sind, die<br />
Möglichkeit zu einemwunderschönen<br />
Naturerlebnis.<br />
Und wenn man<br />
dann vom Spaziergang<br />
zurück ins<br />
Gästehaus kommt,<br />
kann man dort in<br />
der gemütlichen<br />
Kaminbar bei einem<br />
guten Glas Wein entspannen und<br />
den Tag ausklingen lassen.<br />
Weitere Infos unter<br />
www.gaestehaus-bad-bevensen.de<br />
oder tel. unter 0 58 21-95 90.<br />
PARAPLEGIKER 1/09 23
unterwegs<br />
Abenteuerreise<br />
24<br />
Früher, als Bonn noch Bundeshauptstadt und<br />
Berlin nur eine große Stadt war, bin ich häufi g samt<br />
Rollstuhl nach Berlin gefl ogen. Morgens hin und<br />
abends wieder zurück, manchmal sogar „standby“,<br />
also ganz ohne Reservierung. Damals gab es noch<br />
keine Billigfl üge, aber auch noch keinen 11. September<br />
und keinen Touristenboom in der Hauptstadt.<br />
Letzten Dienstag musste ich wieder mal nach Berlin<br />
und weil ich am nächsten Tag einen Termin hatte,<br />
am gleichen Tag auch wieder zurück.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Flug nach Berlin:<br />
Vorspiel: Im Internet zahle ich nur 109 € für<br />
Hin- und Rückfl ug, rund ein Drittel vom<br />
früheren Preis. Weil ich noch nie mit Air<br />
Berlin gefl ogen war oute ich mich vorsichtshalber<br />
per E-Mail als Rollstuhlfahrer.<br />
Etliche Mails und eine Woche später<br />
ist klar, ich bin ein „Charly“, einer der im<br />
Rollstuhl sitzt und nicht laufen kann. Eine<br />
„geänderte zweite Rechnung“ ersetzt die<br />
Bestätigung aus dem Internet.<br />
Die Hinreise: Auf dem Flughafen Köln/<br />
Bonn wurden die Behindertenparkplätze<br />
direkt neben dem Eingang zur Abfl ughalle<br />
„wegen Missbrauch“ abgeschafft. Jetzt<br />
gibt es im Parkhaus auf Ebene 4 mehr<br />
Behindertenparkplätze als ich jemals vorher<br />
an einem Platz gesehen habe. Leider<br />
war von den ca. 50 bis 60 Plätzen in vier<br />
Reihen keiner frei. Nachdem ich mich auf<br />
einem normalen Parkplatz aus dem Auto<br />
gezwängt hatte bin ich durch eine der Parkreihen<br />
zum Aufzug gerollt und konnte nur<br />
ein halbes Dutzend blaue Parkausweise<br />
entdecken... Andere Rollstuhlfahrer sah<br />
ich während der ganzen Reise überhaupt<br />
nicht.<br />
Barsche Befehle<br />
Check-in: „Sie können nicht laufen? Hier<br />
steht aber etwas anderes. Wir bestellen<br />
aber die Hilfe für Sie und sagen auch in<br />
Berlin Bescheid. Für Ihren Rückfl ug heute<br />
Abend ändern wir den Flug auch auf Char-<br />
ly“ Im Flugzeug durfte ich dann nicht – wie<br />
ausnahmslos bei allen Flügen seit meinem<br />
Unfall – am Gang sitzen bleiben. Barsch<br />
und mit Feldwebelstimme wurde mir klar<br />
gemacht, dass ich „aus versicherungsrechtlichen<br />
Gründen“ zwei Plätze weiter<br />
am Fenster sitzen müsse. Selbst das Angebot<br />
einer freundlichen Sitznachbarin, mit<br />
mir den Platz zu tauschen, wurde nicht erlaubt.<br />
Später habe ich dann erfahren, dass<br />
ich den Fensterplatz nur hatte, weil die netten<br />
Leute am Check-in mir etwas Gutes tun<br />
wollten.<br />
In Berlin-Tegel konnte ich wie gewohnt<br />
direkt am Flugzeug in meinen eigenen<br />
Rollstuhl umsteigen. Praktisch wäre es gewesen,<br />
mit einem Rollstuhltaxi ohne Umsetzen<br />
zur Besprechung zu fahren. Aber<br />
weit gefehlt. Was in Köln, Frankfurt oder<br />
Koblenz möglich ist, in der Millionenstadt<br />
blieben die Anrufe der hilfsbereiten Dame<br />
von der Flughafeninformation bei 6 großen<br />
Taxizentralen ohne Erfolg - und die Linienbusse<br />
mit Rollisymbol fuhren nicht<br />
zu meinem Ziel. (Auch bei der späteren<br />
Rückfahrt zum Flughafen blieb mir diese<br />
Bequemlichkeit verwehrt.)<br />
Die Rückreise: Überfl üssig zu erwähnen,<br />
dass ich gefragt wurde „Was, Sie können<br />
nicht laufen?“ Den Tipp, mich in Zukunft<br />
direkt bei der Buchung als „Charly“ anzumelden<br />
habe ich dann gerne zur Kenntnis<br />
genommen. Mein Wunsch, meinen Rollstuhl<br />
als „Cabin Luggage“ zu befördern<br />
wurde allerdings entweder überhört oder<br />
nicht verstanden. (Nur so ist man sicher,<br />
dass später auch der eigene Rollstuhl am<br />
Flugsteig bereitsteht.) Gegen den Fensterplatz<br />
habe ich schon gar nicht mehr protestiert.<br />
Zur Geisterstunde zuhause<br />
Laut wurde ich erst wieder als in Köln weder<br />
mein Rollstuhl da war noch das extra<br />
schmale Gegenstück, mit dem man durch<br />
die Sitzreihen gefahren wird. Fünfundzwanzig<br />
Minuten später – das Flugpersonal<br />
hätte schon längst Feierabend gehabt<br />
und die Reinigungstruppe war schon bei
der Arbeit – ging es weiter. Mein Rollstuhl<br />
war immer noch nicht da, sondern<br />
als „Sperrgepäck“ irgendwo in der Ankunftshalle.<br />
Das sei Vorschrift erklärten<br />
mir die Zivis von DRK. Welche Vorschrift<br />
das genau war wussten sie aber auch<br />
nicht. Stattdessen saß ich dann – wieder<br />
„aus versicherungsrechtlichen Gründen“<br />
– in einem zweiten fl ughafeneigenen Rollstuhl,<br />
dessen Fußstützen bei einer Körpergröße<br />
von ca. 1,60 m gepasst hätten. Nur<br />
bin ich 1,86 m. Kein Wunder, dass ich mit<br />
ausgestreckten Beinen, weißen Polsterkissen<br />
unter den Waden und total verärgerter<br />
Miene auf dem langen Weg zum eigenen<br />
Rolli alle Blicke auf mich zog. Mein Rollstuhl<br />
stand dann mutterseelenallein in der<br />
Gepäckhalle.<br />
Alle Mitreisenden aus Berlin waren schon<br />
auf dem Nachhauseweg. Ich noch lange<br />
nicht. Denn ich hatte den Hinweisschildern<br />
vertraut, dass man die Parkgebühren auch<br />
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per Kreditkarte bezahlen könnte. „Dazu<br />
müssen Sie die Karte schon bei der Einfahrt<br />
einschieben“ erfuhr ich „Aber mit<br />
dem Schwerbehindertenausweis parken<br />
Sie hier kostenlos“. Der wurde dann fotokopiert,<br />
ein Formular wurde ausgefüllt und<br />
vom Kassierer und mir unterzeichnet ehe<br />
mir ein „Ersatzticket für eine kostenlose<br />
Ausfahrt“ ausgehändigt wurde. Zur Geisterstunde<br />
war ich endlich zuhause und alles<br />
Gespenstische, das mir den Tag über<br />
widerfahren war, ließ ich draußen vor der<br />
Tür.<br />
Wäre Bonn noch Bundeshauptstadt hätte<br />
ich mich ins Auto gesetzt und eine Stunde<br />
später dort die Bundesbehindertenbeauftragte<br />
getroffen. Ihr werde ich meinen Bericht<br />
über eine Abenteuerreise in die Bundeshauptstadt<br />
auch zuschicken.<br />
Text: Herbert Müller<br />
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unterwegs<br />
26<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Weserradweg mit dem E-Handbike:<br />
Seit ich im Rolli sitze, hatte ich immer schon den<br />
Wunsch, wie früher als Fußgänger wieder Mehrtagestouren<br />
mit dem Rad zu machen. Der Weserradweg<br />
ist landschaftlich sehr schön und trotzdem topographisch<br />
machbar. Einzig auf dem ersten Stück von Hannoverisch<br />
Münden nach Bad Karlshafen gibt es nennenswerte Steigungen.<br />
Deshalb hatten wir uns dazu entschlossen,<br />
unsere Tour erst in Bad Karlshafen zu beginnen.<br />
Die Rückfahrt wollten wir mit dem Zug<br />
bewerkstelligen. Allerdings ist das vom<br />
Zielort Cuxhaven aus nicht ganz so einfach.<br />
Unser Ziel war deshalb Bremerhaven.<br />
Durch diese beiden Änderungen<br />
verkürzte sich die geplante Strecke von<br />
520 km auf ca. 430 km, die wir in acht<br />
Fahrtagen absolvieren wollten.<br />
Eine gewissenhafte Vorbereitung einer<br />
Tour mit dem Rolli ist extrem wichtig.<br />
Speziell auf die Übernachtungen haben<br />
wir großen Wert gelegt und ich habe<br />
mir viel Mühe bei der Auswahl der Hotels<br />
gegeben. Dies hat sich auch wirklich<br />
ausgezahlt und so hatten wir fast ausschließlich<br />
einigermaßen rollitaugliche<br />
Unterkünfte. Wie schon bei vergangenen<br />
Touren hat Gerd die Etappen im Computer<br />
geplant und die Strecken und Hotels<br />
auf ein GPS-Gerät übertragen. So entfiel<br />
das allabendliche Suchen des Hotels.<br />
Auch die teilweise doch etwas mangelhafte<br />
Beschilderung des Radwegs ließ<br />
uns dank des Navis kalt.<br />
Ich habe meinen vollgummibereiften<br />
Meyra X2 in Kombination mit dem Stricker<br />
Handbike SmartDrive (elektromotorische<br />
Unterstützung) benutzt. Zur<br />
Erweiterung der Reichweite hatten wir<br />
insgesamt drei Sätze Akkus (insgesamt<br />
also sechs Akkus a 6V/9Ah) dabei, wovon<br />
wir den dritten Satz aber nie brauchten.<br />
Um den allabendlichen Ladeprozess<br />
zu beschleunigen, haben wir uns ein<br />
zweites Ladegerät besorgt. So konnten<br />
wir vier Akkus gleichzeitig aufladen und<br />
mussten nachts nicht zum Umstöpseln<br />
aufstehen.<br />
Gerd war mit einem Mountainbike unterwegs.<br />
Den Gepäcktransport bewerk
stelligten wir mit einem einspurigen<br />
Anhänger, der bis zur maximalen Zuladung<br />
von 34 kg beladen war (den<br />
Großteil des Gewichts stellten die Akkus).<br />
Verpackt war alles in einer wasserdichten<br />
Tasche. Zusätzlich hatte Gerd<br />
noch einen kleinen Rucksack für häufig<br />
benötigte Dinge (Kamera, Werkzeug,<br />
etc.) auf dem Rücken.<br />
1) Bad Karlshafen – Holzminden<br />
(39,5 km, 61 hm, 2:11h)<br />
Anzeige<br />
www.wolturnus.de<br />
(hm= Höhenmeter, h=Fahrtzeit; Anm.<br />
d.Red.) Von Bad Karlshafen aus ging es<br />
zunächst auf der rechten Seite der Weser<br />
abwärts, bei strahlendem Sonnenschein<br />
und 35°C. Vor Beverungen mussten wir<br />
die Weser überqueren. Da das per Fußgänger-Fähre<br />
mit dem Handbike und<br />
dem Fahrrad mit Anhänger ziemlich umständlich<br />
ist, haben wir uns für die Überquerung<br />
per Brücke entschieden. Über<br />
Höxter ging’s nach Holzminden und wir<br />
erreichten unser Domizil, das Gasthaus<br />
<br />
unterwegs
unterwegs<br />
28<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
„Hellers Krug“ in Holzminden, gegen 17<br />
Uhr. Unser Zimmer war im Erdgeschoss<br />
und barrierefrei zu befahren. Die Dusche<br />
war nicht befahrbar. Haltegriffe waren<br />
ebenfalls nicht vorhanden.<br />
2) Holzminden – Hessisch Oldendorf<br />
(68,6 km, 75 hm, 3:50h)<br />
Die Königsetappe. Noch nie zuvor hatten<br />
wir eine so lange Strecke gefahren,<br />
und so waren wir sehr gespannt, ob alles<br />
wie geplant funktionieren würde. Die<br />
Strecke verlief den ganzen Tag auf der<br />
rechten Weserseite. Ab Bodenwerder,<br />
der Heimatstadt von Baron Münchhausen,<br />
beglückte uns die Sonne wieder<br />
und so stiegen die Temperaturen schnell<br />
auf über 35°C. Weiter ging’s nach Hameln.<br />
Kurz vor Hameln stand nach 45<br />
km der erste Akkuwechsel. Das war unser<br />
persönlicher Rekord. Noch nie hatte<br />
ein Satz Akkus so lange gehalten, und so<br />
waren wir jetzt auch sicher, die Strecke<br />
bis Hessisch Oldendorf zu schaffen. Hameln<br />
hat eine sehr schöne Altstadt, die<br />
allerdings fast komplett mit wenig rollifreundlichem<br />
Kopfsteinpflaster bestückt<br />
ist. Trotzdem ist die Innenstadt natürlich<br />
eine Besichtigung wert. Die Hilfe<br />
eines Fußgängers ist aber eine Erleichterung…<br />
Weiter ging’s dann nach Hessisch<br />
Oldendorf. Dort haben wir privat<br />
bei Verwandten übernachtet.<br />
3) Hessisch Oldendorf – Minden<br />
(62,4 km, 94 hm, 3:35h)<br />
Auf dem Weg nach Rinteln sichteten<br />
wir entlang der Strecke einige Störche.<br />
Um die Altstadt von Rinteln zu erkunden,<br />
verschlossen wir unsere Habseligkeiten<br />
in der Fußgängerzone. Vor Uffeln<br />
entschieden wir uns für eine alternative<br />
Wegführung, die nicht über die Höhen<br />
führt, sondern im Wesertal bleibt, über<br />
eine wenig befahrene Autostraße. In Uffeln<br />
trifft diese Umgehung wieder auf<br />
den offiziellen Weserradweg. Weiter<br />
ging’s zur Porta Westfalica. Hier endet<br />
das Weserbergland und es beginnt die<br />
norddeutsche Tiefebene. Das wuchtige<br />
Kaiser-Wilhelm-Denkmal bewacht den<br />
Durchbruch der Weser durch den Felsriegel<br />
des Weser Berglands. In Minden<br />
machten wir uns auf zur Stadtbesichtigung.<br />
Wie immer: Kopfsteinpflaster,<br />
soweit das Auge reicht. Aber auch eine<br />
schöne Altstadt. Nach der obligatorischen<br />
Apfelschorle fuhren wir dann<br />
weiter zu unserem Hotel. Dabei kamen<br />
wir am Wassersstraßenkreuz Weser-<br />
Mittellandkanal vorbei, das größte seiner<br />
Art in Europa.. Hier führt der Mittellandkanal<br />
auf einer eindrucksvollen<br />
Überführung über die Weser. Die beiden<br />
Wasserstraßen sind mit einer Schacht-<br />
schleuse miteinander verbunden und so<br />
ist es möglich die Schiffe 14 Höhenmeter<br />
von der Weser in den Mittellandkanal<br />
zu heben.<br />
4) Minden – Nienburg<br />
(59,9 km, 47 hm, 3:28h)<br />
Der Radweg verlief zunächst direkt an<br />
der Weser entlang, bis er kurz vor Ptershagen<br />
auf eine stillgelegte Bahntrasse<br />
abbiegt. Hier führt der Weserradweg<br />
entlang des Mühlenradwegs und so<br />
kann man hier einige Windmühlen am<br />
Wegesrand entdecken. Von Petershagen<br />
führt der Radweg weiter auf der still-
gelegten Bahntrasse. Über Felder und<br />
Wirtschaftswege mit teilweise recht<br />
übler Oberfläche fuhren wir vorbei an<br />
alten Scheunendörfern nach Nienburg,<br />
wo wir gut durchgeschüttelt ankamen.<br />
Für die Nacht hatte ich die Weserkate in<br />
Nienburg gebucht. Der hübsche Altbau<br />
befindet sich sehr zentral in der Altstadt,<br />
die Rückseite direkt am Fluss. Entgegen<br />
unserer Erwartungen kamen wir aber<br />
auch hier sehr gut zurecht. Das Zimmer<br />
war geräumig und nach etwas Möbelrücken<br />
bot es auch genügend Platz für<br />
den Rolli. Zur Dusche ging’s zwar über<br />
den Flur, aber sie war ebenfalls befahrbar<br />
und weitgehend<br />
rolligerecht. Einzig die<br />
Stufe am Hauseingang<br />
könnte man bemängeln.<br />
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50 cm Hub,<br />
schwebend,<br />
mit gerader<br />
und<br />
neigbarer Platte<br />
5) Nienburg –<br />
Verden<br />
(56,2 km, 55 hm,<br />
3:18h)<br />
Auch heute waren die<br />
Wege nicht besser als<br />
am Vortag, und die<br />
Einkehrmöglichkeiten<br />
auch etwas knapp.<br />
Nach Bücken wurden<br />
die Wege zunächst etwas<br />
besser. Die Hitze<br />
wurde aber immer un-<br />
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erträglicher, und so waren wir froh, als<br />
wir den Dom von Verden am Horizont<br />
auftauchen sahen. In Verden sind wir<br />
dann direkt zum Hotel gefahren, das ca.<br />
3 km außerhalb liegt. Der Niedersachsenhof<br />
kann ebenfalls getrost als rollitauglich<br />
bezeichnet werden, ist aber relativ<br />
teuer. Verden gilt als die Stadt der<br />
Pferde und so verwundert der immer<br />
präsente Geruch nach Pferdemist, der<br />
unterwegs<br />
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Altstadt-Pension „Weserkate“,<br />
Lange Straße 1,<br />
31582 Nienburg,<br />
tel 0 50 21-92 49 06<br />
Hotel Niedersachsenhof,<br />
Lindhooper Straße 97,<br />
27283 Verden,<br />
tel 0 42 31-6 66-0<br />
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28203 Bremen,<br />
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Elsfleth: privat<br />
30<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
wie eine Glocke über der Stadt liegt, nur<br />
im ersten Moment.<br />
6) Verden – Bremen<br />
(56,2 km, 55 hm, 3:25h)<br />
Wir bahnten uns unseren Weg durch<br />
die vielen Baustellen in Verden bis zum<br />
Schleusenkanal. Von dem sieht man leider<br />
nicht viel, weil zwischen Kanal und<br />
Radweg ein Damm verläuft. In Baden erfuhren<br />
wir an einer kurzen aber steilen<br />
Rampe wieder mal die Traktionsgrenzen<br />
des frontgetriebenen Handbikegespanns.<br />
Mit vereinten Kräften haben wir’s dann<br />
aber doch geschafft und weiter ging’s<br />
nach Achim. Dank GPS war unser Hotel,<br />
das Ibis in Bremen, schnell gefunden.<br />
Das Zimmer war, speziell betreffend der<br />
sanitären Anlagen rollifreundlich, wenn<br />
auch relativ klein. Nach dem Duschen<br />
machten wir uns gespannt auf Entdeckungsreise<br />
in die Stadt. Rathaus, Roland<br />
und Bremer Stadtmusikanten standen<br />
auf dem Programm, bevor wir die Weserpromenade<br />
Schlachte, die bekannte<br />
Fressmeile von Bremen, direkt am Ufer<br />
der Weser aufsuchten.<br />
7) Bremen – Elsfleth<br />
(43,4 km, 45 hm, 2:42h )<br />
Erleichtert, die apokalyptisch anmutende<br />
Industrielandschaft um Bremen<br />
endlich hinter uns gelassen zu haben,<br />
fuhren wir dann entlang der Hunte<br />
durch langsam wieder grüner werdende<br />
Landschaften. Da in unserem Führer<br />
(Bikeline) die Eisenbahnbrücke vor Elsfleth<br />
als eng und für Gespanne unpassierbar<br />
beschreiben war, entschlossen<br />
wir uns, die Alternativroute über die<br />
Huntesperre zu nehmen. Leider ist diese<br />
allerdings nur zur vollen Stunde jeweils<br />
für ein paar Minuten passierbar,<br />
die restliche Zeit hat die Schifffahrt Vorrang.<br />
Wir kamen um kurz nach 15 Uhr<br />
dort an und sahen gerade noch, wie die<br />
Brücke hochgeklappt wurde. Nach einer<br />
Stunde endlich konnten wir die Hunte<br />
überqueren und schon ein paar Minuten<br />
später kamen wir bei einer Freundin<br />
in Elsfleth an, wo wir übernachteten.<br />
8) Elsfleth – Bremerhaven<br />
(41,1 km, 38 hm, 2:33h)<br />
Zunächst ging<br />
es entlang der<br />
Weser auf ausnahmsweise<br />
recht guten Wegen<br />
nach Brake.<br />
Der Weg von<br />
Brake zur Weserfähre<br />
in Blexen<br />
gibt leider recht<br />
wenig Gelegenheit,<br />
die Weser<br />
zu sehen, da er<br />
entweder weit<br />
entfernt von der<br />
Weser verläuft<br />
oder durch einen<br />
Deich von<br />
dieser getrennt<br />
ist. Die Weserfähre<br />
in Blexen<br />
verkehrt alle 20<br />
Minuten. Diesmal<br />
hatten wir
Glück und konnten ohne anzuhalten auf<br />
die Fähre rollen. Gleich danach ging<br />
es auch schon los. Rollstuhlfahrer mit<br />
dem Eintrag „aG“ im Ausweis fahren<br />
übrigens gratis, genauso wie eine Begleitperson<br />
samt Fahrrad. Von der Weserfähre<br />
hat man einen schönen Blick<br />
auf das Wahrzeichen von Bremerhaven,<br />
die riesigen Verladekräne. Drüben angekommen<br />
sind wir gleich zum Bahnhof<br />
gefahren, weil unsere Rückreise noch an<br />
diesem Tag stattfinden sollte.<br />
Die Rückreise<br />
Dreimal umsteigen war angesagt, einer<br />
der geplanten Anschlüsse war recht<br />
knapp, genug Anlass zur Sorge also.<br />
Ich hatte von zu Hause aus die Verbindungen,<br />
wo möglich, reserviert und die<br />
Umsteigehilfe der DB gebucht. Das Einsteigen<br />
hat in Bremerhaven, per mobiler<br />
Hubrampe, super geklappt. Auch in Bremen<br />
war das Umsteigen kein Problem.<br />
Ebenso ging das dann in Hannover und<br />
in Göttingen, und Gerd musste sich nur<br />
um Gepäck und Fahrrad kümmern. In<br />
Bad Karlshafen kamen wir planmäßig<br />
an. Dort gab es zwar keinen Umsteigeservice,<br />
aber der Lokführer der Bimmelbahn<br />
hat uns beim Aussteigen geholfen.<br />
Fazit: Die Übernachtungsmöglichkeiten<br />
unterwegs waren allesamt rollifreundlich.<br />
Landschaftlich ist die Strecke bis<br />
zur Porta Westfalica sehr abwechslungsreich.<br />
In der norddeutschen Tiefebene<br />
ist das Landschaftsbild dann etwas eintönig.<br />
Die Beschilderung des Radwegs<br />
ist an manchen Abzweigen nicht vollständig<br />
und auch nicht einheitlich. Insgesamt:<br />
Eine tolle und erlebnisreiche<br />
Tour!<br />
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Text & Fotos:<br />
Britta Wittmacher<br />
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Dank der speziell entwickelten Fahrschiene bleibt ihre Treppe in ganzer Breite frei. Der<br />
Einbau kann in Mehrfamilienhäusern, engen Treppenhäusern, über mehrere Etagen<br />
erfolgen. Haltestellen sind frei wählbar. Die Bedienung erfolgt auch bei eingeschränkter<br />
Mobilität durch den Benutzer oder Begleitperson. Fernsteuerbar ohne Kabelmontage.<br />
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Studierende d. Hochschule<br />
Dr. Wilhelm Bomke,<br />
tel 09 41-943-1068<br />
eMail: wilhelm.bomke@verwaltung.fh-regensburg.de<br />
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32<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Studentenwohnanlage in Regensburg:<br />
Die studentische Wohnanlage Ludwig-Thoma-Straße 15-17 liegt in<br />
unmittelbarer Nähe der Universität und Fachhochschule Regensburg<br />
(Standorte Seyboth- und Galgenbergstraße). Sie besteht aus 258 Einzel-<br />
und 10 Doppelapartments; davon sind 25 Einzel- und 3 Doppelapartments<br />
für Mobilitätsbehinderte nutzbar.<br />
Die barrierefreien Zimmer befinden sich im<br />
1976 fertig gestellten zweiten Bauabschnitt,<br />
der einschließlich Tiefgarage mit dem Rollstuhl<br />
befahrbar ist. Die Zimmer sind etwa<br />
19 qm groß und ausgestattet mit: Bett (auf<br />
Wunsch Pflegebett), Schreibtisch, Schrank<br />
mit Schiebe- bzw. Falttür, Bücherregal, Rollschrank<br />
unter dem Schreibtisch, Telefon<br />
(auf Wunsch), Kabel-TV und Haustüröffner,<br />
Nasszelle mit Waschbecken, speziellem<br />
WC, das auch als Duschsitz dient, verstellbarem<br />
Spiegel und Rufanlage, Balkon, PC-<br />
Anschluss im Zimmer mit direkter Verbindung<br />
zum Rechenzentrum der Universität<br />
(Internetanschluss). Auf jedem Stockwerk<br />
befindet sich eine mit unterfahrbaren Möbeln<br />
ausgestattete Küche, die zugleich<br />
auch als Aufenthaltsraum genutzt wird.<br />
Sie ist mit zwei Elektroherden, Spüle, Kühlschrank,<br />
Einbauschränken, Tischen und<br />
Stühlen eingerichtet. Auf Wunsch kann in<br />
der Tiefgarage, die über Lift zugänglich ist,<br />
ein KfZ-Stellplatz gemietet werden (Preis €<br />
20,-/Monat).<br />
Das Pflege- und Assistenzangebot in der<br />
Wohnanlage macht auch für (schwer-) behinderte<br />
junge Erwachsene mit Hochschulzugangsberechtigung<br />
ein Studium realisierbar.<br />
Das Pflege- und Assistenzteam ist<br />
rund um die Uhr präsent. Hilfe ist in fünf<br />
verschiedenen Hilfebedarfsgruppen abrufbar;<br />
die Kosten betragen pro Tag zwischen<br />
51,36 und 167,57 € inklusive Mietkosten. Um<br />
die notwenige Mobilität am Studienort zu<br />
Regensburg bietet<br />
einiges für behinderte<br />
Studierende.<br />
gewährleisten, stehen zwei Fahrzeuge zur<br />
Verfügung. Ambulante Dienste in Regensburg<br />
bieten ergänzend Hilfen im Rahmen<br />
von Studienassistenz an. Da bei der Unterstützung<br />
der Studierenden nicht der pflegerische<br />
Aspekt im Vordergrund steht, können<br />
die Leistungen auf Antrag im Rahmen der<br />
Eingliederungshilfe übernommen werden.<br />
Kostenträger ist meist der jeweils zuständige<br />
überörtliche Sozialhilfeträger.<br />
Die Universität und die Hochschule Regensburg<br />
(Standorte Seyboth- und Galgenbergstraße)<br />
sind moderne Campus-Hochschulen.<br />
Sie sind barrierefrei gestaltet – Aufzüge<br />
und Rampen ermöglichen mobilitätsbehinderten<br />
Studierenden die Hörsäle, Seminarräume,<br />
Bibliotheken, Mensa und Cafeterien<br />
weitestgehend ohne fremde Hilfe zu nutzen.<br />
Bewerbungsschluss für das Wintersemester<br />
ist der 15. Juli, für das Sommersemester der<br />
1. Februar; eine erste Kontaktaufnahme ca.<br />
sechs bis zwölf Monate vor Studienbeginn<br />
ist empfehlenswert!
Baden-Württemberg<br />
Baden-Württemberg<br />
barrierefrei erleben –<br />
das bedeutet unter anderem auch,<br />
verborgene Naturschätze in den Naturparks<br />
des Südwestens zu entdecken. Beispielsweise den<br />
Heilkräuterlehrpfad in Hüfingen, der entlang der rollstuhlgerechten<br />
Wege zeigt, dass gegen fast alles ein Kräutlein gewachsen<br />
ist. Oder den Teuchelwald bei Freudenstadt, in dem man – zu Fuß oder mit dem<br />
Rollstuhl – mit Schwarzwald-Guide Margot Laufer auf Entdeckungstour gehen kann.<br />
Schloss Ludwigsburg in der Abenddämmerung.<br />
Wer genauer wissen will, was der Naturpark<br />
Südschwarzwald zu bieten hat,<br />
sollte mit der Feldbergbahn auf den<br />
höchsten Berg im Schwarzwald fahren.<br />
Dort erwartet ihn im Haus der Natur eine<br />
faszinierende 3D-Schau über das Naturschutzgebiet.<br />
Ein rollstuhltauglicher<br />
Holzsteg führt vom Haus der Natur direkt<br />
in den Feldberggarten.<br />
Von der Natur zur Kultur: Auch <strong>2009</strong> locken<br />
wieder zahlreiche Ausstellungen<br />
und Veranstaltungen nach Baden-Württemberg.<br />
Mit Konzerten, Führungen und<br />
Musiktheater feiert zum Beispiel die Barockstadt<br />
Ludwigsburg ihr 300 jähriges<br />
Jubiläum und den 250 sten Geburtstag<br />
Friedrich Schillers. Im barrierefreien Mercedes-Benz<br />
Museum in Stuttgart können<br />
Fans des Motorsports die Geschichte der<br />
Silberpfeile hautnah erleben. Und im<br />
Herbst präsentiert die Kunsthalle Würth<br />
in Schwäbisch-Hall eine umfassende<br />
Werkschau des Surrealisten Max Ernst.<br />
Zum Erkunden des Genießerlandes Baden-Württemberg<br />
sollte man etwas Zeit<br />
mitbringen – für erholsame Tage und<br />
Nächte sorgen zahlreiche behinderten-<br />
Genießerland für alle:<br />
gerechte Unterkünfte: FamilienfreundlicheFerienwohnungen,<br />
Jugendherbergen,<br />
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Bodensee, Sternehotels,<br />
Pensionen und integrative<br />
Betriebe wie das Hofgut<br />
Himmelreich in Kirchzarten<br />
oder das Hotel Restaurant<br />
Anne-Sophie in Künzelsau<br />
sind ideale Ausgangspunkte<br />
für eine Entdeckungstour<br />
durch das Land.<br />
Weitere Informationen und Tipps zu<br />
barrierefreien Reisen im Genießerland<br />
Baden-Württemberg finden Sie in der<br />
neuen Broschüre „Baden-Württemberg<br />
Barrierefrei erleben“ und im Internet unter<br />
www.tourismus-bw.de.<br />
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Natur erleben<br />
im Naturpark<br />
Südschwarzwald.<br />
PARAPLEGIKER 1/09 33
unterwegs<br />
34<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Werdum:<br />
Es war an einem der Drei-D-Tage (Dauerregen, düster, depressiv)<br />
im Spätherbst, als ich wieder einmal am Schreibtisch in meinem<br />
warmen Büro keine Lust auf Nichts verspürte. Man kennt das ja:<br />
Erst kommt man nicht aus dem Bett, dann reicht der Kaffee noch<br />
nicht einmal um wach zu werden und schließlich regnet es auch<br />
noch auf dem Weg zum Auto; die Hose wieder total nass, da<br />
war der Tag endgültig gelaufen.<br />
Die Nordsee<br />
liegt vor der Tür
Ich zwang mich wenigstens meinen Beratungstermin<br />
zu bewältigen und anschließend<br />
die Mails zu lesen. Alle wollten<br />
wieder etwas von mir. Nach dem Motto:<br />
Wenn Dir keiner hilft dann wenigstens<br />
die Beratungsstelle. Dazwischen fand<br />
ich dann auch die neusten Urlaubsgrüße<br />
von der Nordseeküste. Weihnachten<br />
an der Nordsee, da könnte ich mir auch<br />
etwas Besseres vorstellen, dachte ich.<br />
Wobei mir dabei dann doch wieder die<br />
vielen schönen Urlaube einfi elen, die wir<br />
früher an der Ostfriesischen Küste mit<br />
den Kindern verbracht hatten.<br />
Werdum, der einzige Luftkurort mit dem<br />
guten Watt’n Bier aus der eigenen Küsten-Brauerei<br />
und garantiertem Familienanschluss<br />
an die 700-Seelen-Gemeinde;<br />
angefangen beim Bürgermeister bis hin<br />
zum „Kalle“ (Karl-Heinz Ockenga – der<br />
Mann für alle Fälle!). Kalle war nicht nur<br />
Hausmeister für unsere Ferienwohnung<br />
sondern auch einer der treibenden Aktivisten<br />
im Heimatverein und vor allem<br />
war er (ist er bestimmt immer noch) der<br />
Fahrer der namensgleichen Straßeneisenbahn,<br />
dem „Rasenden Kalle“.<br />
Trifft man sich nicht bei einem der zahlreichen<br />
Feste rund um die Küstenbrauerei,<br />
dann beim Brotbacken an der Mühle,<br />
beim „Moin“ auf dem Weg zum Brötchenholen<br />
oder abends im Freesenkroog<br />
bei einem Köm. Na ja, es war schon<br />
richtig schön dort. Wenn man bedenkt,<br />
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was sich die Einheimischen alles einfallen<br />
lassen, um den Urlaubsgästen etwas<br />
zu bieten; vom „Gästebosseln“ über die<br />
Wattwanderungen mit Würmerpulen bis<br />
zum klassischen „Spiel ohne Grenzen“<br />
auf dem Dorfplatz, Schmierseifenbaden<br />
garantiert.<br />
Diese Zeit war vorbei, denn wir wollten<br />
schließlich im Urlaub auch mal was an-<br />
deres sehen, obwohl es in Werdum in all<br />
den Jahren richtig schön erholsam war.<br />
Die Kinder konnte man unbedenklich<br />
laufen lassen ohne zu befürchten, dass<br />
sie sich verlaufen oder unter die Räder<br />
kommen könnten. Sie fanden auf dem<br />
Sportplatz ziemlich schnell Anschluss an<br />
unterwegs<br />
Haus Werdum.
unterwegs<br />
Minigolf gibt’s auch.<br />
36<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
die Dorfjugend und freundeten sich mit<br />
anderen Urlauberkindern an.<br />
Krabbenpulen nur mit Vertrag<br />
Und dann die vielen Fahrten mit unseren<br />
Rädern. Merlin mit seinem geliehenen<br />
Moutainbike, Valentin mit seinem Kettwiesel-Liegerad<br />
und ich mit meinem<br />
Handbike. Ausgebaute Fahrradwege<br />
ohne Steigungen sind für mich als Frei-<br />
zeithandbiker im fortgeschrittenen Jugendalter<br />
genau das richtige, um längere<br />
Fahrten als „Letzter“ in der Kette<br />
unbeschadet zu überstehen. Mal kurz<br />
eben rüber nach Esens zum Eisessen<br />
oder nach Neuharlingersiel in den Hafen<br />
zum Matjesessen oder Krabbenpulen.<br />
Wer die Dinger wirklich fangfrisch mit<br />
Panzer vom Kutter günstig erwirbt, um<br />
ein unvergessliches Urlaubserlebnis zu<br />
genießen, sollte mit der Familie vorher<br />
vertraglich festhalten, dass auch wirklich<br />
alle anschließend mitpulen oder andernfalls<br />
gleich ein paar Meter weiter im Laden<br />
der Fischereigenossenschaft essfertige<br />
kaufen. Der Urlaub in einem Dorf wie<br />
Werdum ist für Stadtmenschen in jedem<br />
Fall interessant, aber auch die Landbevölkerung<br />
kann hier noch einige Wunder<br />
erleben. Denn wer denkt, dass man hier<br />
morgens ebenfalls vom Hahn geweckt<br />
wird, der irrt sich gewaltig. In Werdum<br />
hat diesen Job der Esel aus dem Haustierpark<br />
übernommen.<br />
Die schönen Erinnerungen trösteten<br />
mich an diesem trüben Tag. Schließlich<br />
war es irgendwie Nachmittag geworden,<br />
da klingelte hoffentlich zum letzten<br />
Mal das Telefon. „Hallo hier ist Harald,<br />
wie geht es Dir denn so?“. Er merkte<br />
wohl schnell, dass ich ihn nicht gleich<br />
erkannt hatte und sagte, „Harald Vogt<br />
aus Werdum, Harry!“. Mensch, dachte<br />
ich mir, das ist ja ein Zufall. Gerade<br />
noch war ich in Gedanken in Werdum.<br />
Harald war der Vermieter unserer behindertengerechten<br />
Ferienwohnung, mit<br />
dem wir uns in den Jahren gut verstanden<br />
hatten. Nach einem längeren Gespräch<br />
über „Gott und die Welt“ kamen<br />
wir natürlich auf das Wetter und damit<br />
auf mein Stimmungstief. Harald meinte<br />
daraufhin: „Dann setz dich in dein Auto<br />
und komm morgen übers Wochenende<br />
hoch!“. Nach kurzem Zögern, sagte ich:<br />
„OK, mittags bin ich da!“.<br />
Dialyse und Doppeldecker<br />
Alles war wie früher; die Windmühle,<br />
der Haustierpark, die Minigolfanlage,<br />
die Tennisplätze, die alte Wasserburg,<br />
unverändert. Eins aber war neu, das<br />
„Haus Werdum“, als größtes Projekt<br />
von Harald Vogt. Ein durch und durch<br />
rollstuhlgerechtes Haus mit Ferienwohnungen<br />
und allen Annehmlichkeiten,<br />
die man als schwerstbehinderter, pflegeabhängiger<br />
Urlaubsgast so benötigt.<br />
Neben höhenverstellbaren Betten, niedrigen<br />
Fenstergriffen, riesigem Rollibad<br />
gibt es auch eine behindertengerechte<br />
Telefonanlage mit Anschluss an einen<br />
Notdienst, eine Pflege- und Dialysestation.<br />
Im Erdgeschoss befindet sich sogar<br />
eine Praxis für Kurmittelanwendungen.<br />
Selbstverständlich auch abgestimmt<br />
auf behinderte Gäste im Elektrorolli, damit<br />
sich auch jeder einmal intensiv von<br />
Alexandra durchkneten lassen kann.<br />
Nachmittags, in der Küche von Harald<br />
und Andrea, als es draußen schon dunkel<br />
wurde, erzählten sie mir beim Kaffee,<br />
was sie sich für die nächste Saison an<br />
Gästeangeboten überlegt hatten. Nicht
zuletzt, um mich wieder einmal für einen<br />
Sommer in Werdum zu begeistern. Es<br />
dauerte nicht lange, da war es mir spätestens<br />
bei den ideenreichen Schwärmereien<br />
von Harald klar, dass ich in jedem<br />
Fall wieder in Werdum landen werde. Als<br />
besondere Attraktion hatte er nämlich<br />
geführte Handbiketouren ausgearbeitet<br />
und wollte meine Meinung dazu hören.<br />
Ich fand es sofort toll, insbesondere fand<br />
ich die Tour zum Jagdgeschwader Manfred<br />
von Richthofen nach Wittmund, mit<br />
Besuch des Hangars mit den alten Maschinen<br />
des „Roten Barons“ spannend.<br />
Das wirklich Schöne an diesem Haus ist<br />
es, dass sich hier nicht nur die so ge-<br />
Anzeige<br />
nannten aktiven<br />
Rollis erholen können,<br />
sondern auch<br />
diejenigen, die<br />
nicht aus eigenem<br />
Vermögen ihre Unternehmungen<br />
gestalten können. Für sie<br />
besteht sogar die Möglichkeit, sich von<br />
zu Hause abholen zu lassen.<br />
Es war schön an diesem Wochenende,<br />
der Nordseewind hatte meinen Kopf<br />
und meine Lunge wieder mal gereinigt.<br />
Zum Abschied fuhr ich noch einmal nach<br />
Neuharlingersiel, um mir die neue rolligerechte<br />
Hafenzufahrt anzusehen. Nun<br />
kann man auch bequem im Rollstuhl auf<br />
die Deichmauer und dort den Rundgang<br />
beginnen. Noch ein Grund mehr, der für<br />
einen Urlaub in Werdum spricht…<br />
Text: Harry Baus<br />
Fotos: privat, Anbieter<br />
Radtouren<br />
bieten sich an.<br />
unterwegs<br />
Alles über<br />
Haus Werdum:<br />
Familie Vogt<br />
Olde-Reent-Straße 10<br />
26427 Werdum<br />
tel 0 49 74-91 47 18<br />
eMail:<br />
info@haus-werdum.de<br />
www.haus-werdum.eu<br />
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<br />
bj <strong>2009</strong>
menschen<br />
Speedy-Chef<br />
Rolf Kuhlmann<br />
tödlich verunglückt<br />
Die Nachricht löste Mitte Januar bei vielen Freunden,<br />
Bekannten und Geschäftspartnern tiefe Betroffenheit aus:<br />
Speedy-Gründer Rolf Kuhlmann ist tot. Man mochte zunächst<br />
nicht glauben, dass dieser präsente, quirlige<br />
und durchaus auch kantige Unternehmer aus Delbrück<br />
im östlichen Westfalen nicht mehr unter uns ist.<br />
38<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Der nüchterne Polizei-Bericht zum Unfall vom 16.<br />
Januar: „Rollstuhlfahrer bei Zusammenstoß mit<br />
Unimog schwer verletzt – Autofahrer hatte den<br />
Rollstuhl offenbar übersehen.<br />
Ein Rollstuhlfahrer ist am Donnerstagnachmittag<br />
bei einem Verkehrsunfall in Delbrück schwer verletzt<br />
worden. Gegen 14.20 Uhr hatte ein 39 jähriger<br />
Unimogfahrer den Bösendamm in Fahrtrichtung<br />
Lippstädter Straße befahren. Beim Abbiegen<br />
nach rechts auf die Lippstädter Straße kollidierte<br />
der Unimog mit einem Rollstuhlfahrer, der von<br />
rechts kommend, den gemeinsamen Geh- und<br />
Radweg entlang der Lippstädter Straße benutzt<br />
hatte. Durch den Zusammenstoß wurde der Rollstuhl<br />
auf die Fahrbahn der Lippstädter Straße<br />
geschoben. Der 46 jährige Rollstuhlfahrer stürzte<br />
zu Boden und zog sich schwere Verletzungen zu.<br />
Er wurde nach notärztlicher Erstversorgung mit<br />
einem Rettungswagen zunächst in ein Paderborner<br />
Krankenhaus gebracht und später in eine Spezialklinik<br />
nach Bielefeld verlegt.“<br />
Am 18. Januar dann die schlimme Ergänzung:<br />
„Rollstuhlfahrer erliegt seinen schweren Verletzungen.<br />
Ein Rollstuhlfahrer, der am Donnerstag bei einem<br />
Unfall in Delbrück schwer verletzt worden war, ist<br />
am Samstag in einer Spezialklinik in Bielefeld verstorben.“<br />
(Der Rest der Meldung wiederholt den<br />
Text der ersten Meldung.)<br />
Polizei-Pressesprecher Michael Biermann von der<br />
Kreispolizeibehörde Paderborn ergänzt auf unsere<br />
telefonische Anfrage, dass der Unfall von Polizei<br />
und DEKRA untersucht worden ist und der Fahrer<br />
Speedy-Gründer und -Chef<br />
Rolf Kuhlmann.<br />
des Unimog mit einer Anklage wegen fahrlässiger<br />
Tötung rechnen muss.<br />
Erfolg mit Rädern<br />
Rolf Kuhlmann war gelernter Dachdecker. Nach<br />
einem Wege-Unfall mit dem Motorrad im Jahr<br />
1980 mit Halswirbel-Bruch und der Konsequenz<br />
hoher Lähmung konnte der damals 18 jährige<br />
seinen Beruf natürlich nicht mehr ausüben. Er<br />
schulte zum Kaufmann um, hatte dann aber keine<br />
Möglichkeit, einen qualifizierten Arbeitsplatz<br />
zu finden und machte sich deshalb selbstständig.<br />
Zunächst baute er gemeinsam mit seinem Vater<br />
Günther Kuhlmann die „Gesellschaft für Wärme-,<br />
Kälte- und Klimatechnik“ auf, die heute sein jüngerer<br />
Bruder Fred Kuhlmann führt. Nachdem er in<br />
diesem Unternehmen keine neuen Herausforderungen<br />
mehr sah, entwickelte Rolf Kuhlmann mit<br />
seinem Freund Meinolf Kersting ein Rollstuhl-Vorspann-Bike<br />
mit einer genial einfachen Verbindung<br />
zum Rollstuhl, sah damit gute Erfolgs-Chancen<br />
und gründete 1994 die „Speedy Reha-Technik<br />
GmbH“.<br />
Aus den Anfängen im Wohnzimmer und in einer<br />
Garage hat Rolf Kuhlmann mit bemerkenswerter<br />
Energie, kluger Produkt-Entwicklung, rationeller<br />
Fertigungs-Technik und einem intelligenten Marketing<br />
ein ansehnliches Unternehmen geschaffen.<br />
Inzwischen sind bei Speedy 38 Mitarbeitern/innen<br />
beschäftigt, darunter auch etliche Rollstuhlfahrer/innen.<br />
Das Unternehmen ist international<br />
präsent und wirtschaftlich sehr gesund. In einem<br />
modernen Gewerbegebiet von Delbrück mit guter<br />
Verkehrs-Anbindung sind auf einer Fläche von<br />
annähernd 2 000 Quadratmetern Ausstellung, Ent-
wicklung, Produktion und Lager in einem großzügig<br />
angelegten Baukomplex zusammen gefasst.<br />
Dazu gehört auch ein geschickt angelegter Parcours<br />
mit Steigungen und Gefällen zum Testen<br />
der bei Speedy hergestellten Geräte.<br />
Mutmacher<br />
Rolf Kuhlmann ist für sein Engagement und seinen<br />
bemerkenswerten wirtschaftlichen Erfolg vielfach<br />
ausgezeichnet worden. Zuletzt in der Aktion „Mutmacher<br />
der Nation“, in dem ihm eine Fachjury für<br />
2008 den Sieg im Bundesland NRW und Rang drei<br />
in Deutschland zusprach. Bundespräsident Horst<br />
Köhler mit Ehefrau besuchte den erfolgreichen<br />
Unternehmer im Oktober des vergangenen Jahres<br />
und beglückwünschte ihn zusammen mit<br />
anderen Persönlichkeiten – darunter auch NRW-<br />
Schulministerin Barbara Sommer –, zu seinem<br />
herausragenden Erfolg. Kuhlmann lud Köhler bei<br />
dieser Gelegenheit auch zu einer Probefahrt mit<br />
dem Speedy-Bike ein, die das Staatsoberhaupt<br />
gerne angenommen hat.<br />
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Das Unternehmen Speedy wird von Rolf Kuhlmanns<br />
Witwe Bettina Kuhlmann weitergeführt.<br />
Firmensprecher Bernhard Hoppe-Biermeyer:<br />
„Bettina Kuhlmann hat das Unternehmen von Anfang<br />
an mit aufgebaut. Die Arbeit wird so fortgesetzt,<br />
wie es von Rolf Kuhlmann für die nächsten<br />
Monate exakt und auch für die fernere Zukunft<br />
strategisch geplant war.“ Und er fügt an, dass Bettina<br />
Kuhlmann sich nach gründlicher Überlegung<br />
entschieden hat, die Geschäftsführung der Speedy-Reha-Technik<br />
GmbH zu übernehmen:„Das Unternehmen<br />
ist sehr gut positioniert, es profitiert<br />
von der Weitsicht von Rolf Kuhlmann.“<br />
Die Geschichte von Rolf Kuhlmann ist ein Beleg<br />
dafür, dass körperliche Einschränkungen kein Hindernis<br />
für beruflichen Erfolg sind. Schwierigkeiten<br />
sind zum Überwinden da, der Mensch ist kopfgesteuert.<br />
In unserer modernen Welt kann auch ein<br />
behinderter Mensch seinen Weg erfolgreich zum<br />
angestrebten Ziel rollen.<br />
Text & Foto: Hermann Sonderhüsken<br />
menschen
meinung<br />
40<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Arrogantes Klassendenken:<br />
Seien wir doch mal ehrlich!<br />
Ein nicht behinderter Mensch dürfte das so nicht sagen: Eigentlich sind wir<br />
(nur) körperlich Behinderten arrogant und überheblich. Denn wir fühlen uns<br />
als die Krüppel erster Klasse. Wir sind nicht geistig, nicht psychisch und<br />
schon gar nicht mehrfach behindert.<br />
Wir Körperbehinderten berufen uns gerne auf<br />
den US-Präsidenten Roosevelt, den Schauspieler<br />
Peter Radtke, unseren rollifahrenden Innenminister<br />
oder andere profilierte Persönlichkeiten mit<br />
Arm ab, Bein ab oder im Rollstuhl sitzend. Wir können<br />
nichts für unser Handikap, die „Anderen“ aber<br />
auch nicht. Im Sport hat man für sie die Bezeichnung<br />
„les autres“ – „die anderen“ – gefunden…<br />
Ja, anders sind sie. Aber sind sie deshalb schlechter<br />
oder besser?<br />
Sie können nichts dafür, dass sie bei den Paralympics<br />
nicht mit dabei sein dürfen und ihre respektablen<br />
Leistungen im Wettkampf mit ihresgleichen<br />
in eigenen „Special Games“ messen müssen. Sie<br />
können auch nichts dafür, dass sie sich nicht so artikulieren<br />
können wie wir, dass sie Sonderschulen<br />
besuchen, in Werkstätten für behinderte Menschen<br />
arbeiten oder manchmal selbst zur Erledigung der<br />
täglichen Dinge einen Betreuer brauchen. Natürlich<br />
ist es kein ästhetischer Genuss wenn wir einem zuschauen,<br />
der beim Essen sabbert, weil er es nicht<br />
anders kann. Aber bemisst sich der Wert eines<br />
Menschen nach seiner optischen Attraktivität?<br />
Herzensgüte<br />
Lieber ignorieren wir manches, das unser behindertes<br />
Weltbild ins Wanken bringen könnte: Stephen<br />
Hawking, unbestritten einer der intelligentesten<br />
Menschen unter den heute lebenden ist so stark<br />
behindert, dass er eine elektronische Sprachausgabe<br />
braucht. Autisten erbringen Gedächtnisleistungen,<br />
bei denen andere sprachlos sind. Musik,<br />
Bilder oder schauspielerische Leistungen behinderter<br />
Menschen rufen nicht nur Hochachtung hervor.<br />
Sie finden den Weg in unser Herz.<br />
Unsere Gesellschaft misst Menschen gerne nach<br />
einem IQ für Intelligenzleistungen. Da können viele<br />
von ihnen nicht mithalten. Aber auf einer vergleichbaren<br />
Skala für Freundlichkeit und Herzensgüte<br />
würden viele von denen, auf die wir hochmütig<br />
herunterschauen, einen besonders hohen „Herzensgüte-Wert“<br />
erreichen. Was ist wichtiger, was<br />
macht einen Menschen wertvoller als den anderen?<br />
Klassifizierungen sind immer ungerecht. Dabei<br />
werden stets nur Teilaspekte eines Menschen<br />
bewertet.<br />
Gemeinsam wehren<br />
Wir benehmen uns so als wären wir die besseren<br />
Behinderten, nur weil wir trotz allem Glück gehabt<br />
haben. Dabei sind wir alle zusammen Außenseiter,<br />
weiße Pinguine unter den vielen mit dem schwarzen<br />
Frack. Wir sind alle behindert und solange die<br />
Gesellschaft uns nicht als gleichwertig akzeptiert,<br />
sollten wir nicht auch noch untereinander Unterschiede<br />
machen. Natürlich muss ich trotzdem nicht<br />
jemand mögen, nur weil er behindert ist. Ich mag<br />
aber auch nicht jeden, der keine offensichtliche Behinderung<br />
hat.<br />
Wir haben uns gemeinsam zu wehren gegen die<br />
Intoleranz der Gesellschaft gegenüber behinderten<br />
Menschen. Es reicht nicht, dass man sich manchmal<br />
gerne mit (möglichst nur körperlich) Behinderten<br />
fotografieren lässt, um zu zeigen, wie sozial<br />
man ist. (Mein Freund, dem durch einen Unfall<br />
zwei Beine und ein Arm fehlen, ist ein gefragtes<br />
Model für solche Anlässe.) Das ändert noch nichts<br />
an der Grundeinstellung in unserer Gesellschaft,<br />
die Menschen mit einem Handikap nach wie vor<br />
schief ansieht. Wir sitzen alle in einem Boot. Deshalb<br />
sollten wir nicht die Nase rümpfen und Behinderte<br />
in Klassen einteilen, sondern für die, die<br />
das selbst nicht (so gut) können wie wir, die Verantwortung<br />
mit übernehmen und mehr Toleranz und<br />
Anerkennung einfordern.<br />
In diesem Sinne!<br />
Text: Herbert Müller
Das silberne Sparschwein:<br />
Helfen Stoma-Patienten Deutschland<br />
„aus der Krise“?<br />
Neuerdings werden sogar „Krisen“<br />
benutzt, um verunsicherte<br />
Menschen unter Druck zu setzen.<br />
P<br />
atienten, die z. B. wegen Inkontinenz oder<br />
wegen eines Stomas (künstlicher Darmausgang)<br />
regelmäßig „zum Verbrauch bestimmte<br />
Hilfsmittel“ benötigen waren bis dato bei Sanitätshäusern<br />
oder Homecare-Unternehmen<br />
gern gesehene Kunden. Musste doch nur alle<br />
paar Monate eine Sendung an sie ausgeliefert<br />
werden, und das bei ordentlich kalkulierten<br />
Preisen. Das hat auch der Gesetzgeber gemerkt.<br />
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz<br />
(GKV-WSG) forderte er die Kassen auf,<br />
durch Ausschreibungen oder Pauschalverträge<br />
zur Kostensenkung beizutragen. Soweit so<br />
gut. Schließlich zahlen wir alle Krankenkassenbeiträge<br />
und profitieren von Kosteneinsparungen.<br />
Aber es gibt (zum Glück) nicht nur eine Sorte<br />
Einheitskatheter oder einen Standard-Stomabeutel.<br />
Gerade wenn es um den Tabubereich<br />
„Ausscheidungen“ geht, ist es wichtig, passende,<br />
hautverträgliche und gut hantierbare<br />
Systeme zu finden, nicht zuletzt, um Folgeschäden<br />
zu vermeiden. Dieses Auswahlrecht<br />
blieb vom Gesetzgeber unangetastet. Seit einigen<br />
Jahren gibt es dafür Festbeträge, je nach<br />
System, aber für alle Anbieter gültig, unabhängig<br />
von Hersteller oder Marke. Weil es Unterschiede<br />
zwischen den Produkten gibt oder<br />
auch weil es vom Verhandlungsgeschick der<br />
Einkäufer abhängt, räumt nicht jeder Hersteller<br />
jeder Vertriebsfirma den gleichen Rabatt auf<br />
diese Einheitspreise ein. Entsprechend unterschiedlich<br />
können die Händlerspannen sein.<br />
Das kann ungeahnte Folgen haben: Weil eine<br />
Stoma-Therapeutin von einem Arbeitgeber<br />
wechselte, der an Coloplast-Produkten gut verdiente,<br />
zu einem anderen, der mit der Firma<br />
Hollister besser verhandelt hatte, setzte sie ihre<br />
Kundin massiv unter Druck und verlangte von<br />
ihr, ebenfalls zu wechseln. Aber nicht mit dem<br />
Preisargument oder weil die Produkte besser<br />
sein sollten, sondern (wörtlich) „weil die Firma<br />
A (Coloplast) im Ausland produziert, die Firma<br />
B (Hollister) aber in Deutschland. Bei den Krisenzeiten,<br />
die uns bevorstehen, helfen Sie so<br />
mit, deutsche Arbeitsplätze zu erhalten“. Dabei<br />
ist Coloplast im Ursprung ein dänisches (EU-)<br />
Familienunternehmen und Hollister wirbt im<br />
Internet für seine Hauptproduktionsstätten in Illinois<br />
und Idaho/USA. Von angeblichen „Lieferschwierigkeiten“<br />
für bestimmte Produkte wusste<br />
die Firma Coloplast auf Anfrage nichts...<br />
Anmerkung: Eigentlich halte ich viel von Datenschutz.<br />
Aber in diesem Fall schmerzt es mich,<br />
dass ich gebeten wurde, ausnahmsweise nicht<br />
Ross und Reiter zu nennen. Schließlich sollen<br />
alle wissen, wer – aus welchen Gründen auch immer<br />
– mehr Energie darauf verwendet, sich Argumente<br />
auszudenken, wie man Antragstellern<br />
einen berechtigten Wunsch verweigern kann<br />
statt darauf, ein durch Krankheit oder Behinderung<br />
ohnehin erschwertes Leben erträglich(er)<br />
zu machen. Manchmal ist es wohl das Gefühl,<br />
Macht ausüben zu können, manchmal vorauseilender<br />
Gehorsam gegenüber Vorgesetzten<br />
oder Karrierestreben, manchmal Unkenntnis<br />
der relevanten Gesetze und Vorschriften und<br />
manchmal auch ganz einfach Bequemlichkeit.<br />
Vielleicht erkennt er – oder besser sie – sich<br />
auch ohne Namensnennung hier wieder. Den<br />
anderen sei es eine Mahnung nicht ebenfalls<br />
mit Lügen und falschen Argumenten in das aktuelle<br />
„Krisen“- Gerede einzustimmen.<br />
Text: Herbert Müller<br />
q – querschnitt spezial<br />
Kriterium für die „Ehrung“<br />
ist die Kreativität der Begründung<br />
für eine Ablehnung.<br />
Je unsinniger, desto besser<br />
sind die Chancen. Ob man<br />
darüber eher schmunzelt oder<br />
sich mehr über die Ignoranz<br />
ärgert, bleibt jedem selbst<br />
überlassen. Kandidaten werden<br />
in den nächsten Jahren<br />
sicher nicht ausgehen,<br />
Vorschläge sind willkommen.<br />
Herbert Müller<br />
Rechtsbeistand im Sozialrecht<br />
der Fördergemeinschaft der<br />
Querschnittgelähmten<br />
in Deutschland e.V.<br />
Freiherr-vom-Stein-Str. 47<br />
56566 Neuwied-Engers<br />
tel 0 26 22-88 96-32; fax -36<br />
eMail h.mueller@eng ers.de<br />
PARAPLEGIKER 1/09 41
q – querschnitt spezial<br />
42<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Stimmungsbilder aus der Unfallklinik:<br />
Der ganz normale<br />
Beziehungsstress<br />
Die Beiträge dieser Serie entstanden aus Gesprächen der Psychotherapeutin<br />
Dr. med. Astrid Bühren mit querschnittgelähmten Patientinnen und<br />
Patienten (Namen geändert) sowie deren Angehörigen in der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Unfallklinik in Murnau, Bayern.<br />
F<br />
elix F., mittlerweile Ende 30, ist von Beruf<br />
Polizist. Durch einen Motorradunfall wurde<br />
er am sechsten und siebten Halswirbel<br />
verletzt; auch musste der linke Arm amputiert<br />
werden. Zu diesem Zeitpunkt war<br />
Felix 26 Jahre alt. Das erste Gespräch mit<br />
Felix fand fast ein Jahr nach dem Unfall<br />
statt, kurz vor seiner Entlassung aus der<br />
stationären Rehabilitation. (Eine solch<br />
lange Rehabilitation wäre heute in der<br />
Regel aus Sicht der gesetzlichen Kran-<br />
kenversicherung nicht mehr möglich.)<br />
Wenige Tage später sollte er, zunächst in<br />
Teilzeit, wieder als Polizist im Innendienst<br />
beginnen. Über manche Erfahrungen in<br />
seinem Alltag berichtet er mehr als zehn<br />
Jahre später.<br />
Fast ein Jahr nach dem Unfall, kurz vor<br />
der Entlassung aus der stationären Akut-<br />
und Rehabilitationsbehandlung: „Mit<br />
dem Motorrad war ich auf dem Weg zum
TÜV, es war letztes Jahr im August. In einer<br />
Kurve bin ich über einen Schraubenzieher<br />
gefahren und gestürzt. Mit dem<br />
Hubschrauber hat man mich nach Murnau<br />
in die Unfallklinik geflogen. Ich bin<br />
am sechsten und siebten Halswirbel verletzt,<br />
außerdem habe ich drei Brustwirbel<br />
gebrochen. Mein linker Arm wurde amputiert,<br />
hier habe ich eine Prothese. Die<br />
hat zwar keine Greiffunktion, aber eine<br />
gute Stützfunktion.<br />
Vor meinem Unfall war ich Polizist. Ich<br />
war im Streifendienst tätig und bin mit<br />
dem Auto draußen herumgefahren,<br />
so wie der Bürger halt einen Polizisten<br />
kennt. Ich war bei der Rauschgiftfahndung.<br />
Nächste Woche fange ich wieder<br />
an, im Innendienst. Es ist geplant, dass<br />
ich den ganzen Parteienverkehr regele,<br />
mich mit den Leuten befasse, die mit<br />
einem Problem hereinkommen, sie an<br />
die richtigen Stellen verweise, vielleicht<br />
Ratschläge gebe. Ein wenig Angst habe<br />
ich schon davor.<br />
In meiner Situation hat mir in erster Linie<br />
meine Familie geholfen. Meine Mutti und<br />
mein Bruder waren fast jeden Tag da.<br />
Auch meine Arbeitskollegen waren sehr<br />
wichtig für mich. Damals habe ich auch<br />
noch eine Freundin gehabt, die mir sehr<br />
geholfen hat – einfach, indem sie da war.<br />
Und das Wichtigste: Sie hat nicht so viel<br />
Mitleid gezeigt, sondern sie hat mir in<br />
den Hintern getreten und gesagt: Mach<br />
weiter, lass dich bloß nicht hängen! Mittlerweile<br />
habe ich diese Freundin nicht<br />
mehr. Das hat wohl an mir gelegen, weil<br />
die erste Zeit doch recht schwierig war.<br />
Das hat sie einfach nicht verkraftet. Sie<br />
hat Schluss gemacht, als ich gerade mit<br />
einer Thrombose im Bett gelegen bin. Na<br />
ja, war keine tolle Geschichte.<br />
Inzwischen habe ich wieder eine Freundin,<br />
die habe ich ein gutes halbes Jahr<br />
nach dem Unfall kennen gelernt. Meine<br />
Arbeitskollegen haben ein Benefizspiel<br />
für mich veranstaltet, ein Eishockeyspiel.<br />
Mit anderen Leuten aus der Klinik bin ich<br />
dorthin gefahren. Corinna war Stadion-<br />
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q – querschnitt spezial<br />
sprecherin. Wir sind ins Reden gekommen,<br />
und da hat sie mich gefragt, ob sie<br />
mich einmal besuchen darf. Dann hat<br />
sich das so nach und nach entwickelt.<br />
Erst sind wir ab und zu mal zusammen<br />
weggegangen.<br />
Corinna hat großartig reagiert<br />
Einmal hat mich ein Freund zu sich nach<br />
Hause eingeladen. Er ist auch querschnittgelähmt<br />
und sitzt schon seit 20<br />
Jahren im Rollstuhl. Ich habe Georg in<br />
der Klinik kennen gelernt. Corinna und<br />
ich konnten über Nacht bei ihm bleiben.<br />
Nun brauche ich ja jemanden zum Ausziehen<br />
und auch zum Anschließen des<br />
Urinbeutels. Ich habe es mit Georg besprochen.<br />
Ich sagte: Die Corinna hat es ja<br />
noch nie gemacht, wie soll ich mich verhalten,<br />
dass ich sie nicht überfordere? Da<br />
sagte er, dass er die gleichen Probleme<br />
am Anfang gehabt hat. Er sagte: Mach
q – querschnitt spezial<br />
44<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
es einfach, sag ihr, wie es geht, und die<br />
macht das schon. Dann war es soweit,<br />
dann hat sie mich ausgezogen. Sie sieht<br />
das Kondom, den Schlauch, und den<br />
Beutel am Fuß. Sie hat mich angeschaut<br />
und gesagt: Was ist denn das alles, ich<br />
kenne mich nicht aus! Na ja, dann haben<br />
wir uns darüber unterhalten, was sie machen<br />
muss, und seitdem funktioniert es.<br />
Ich hätte nie gedacht, dass sie so großartig<br />
reagiert. Seit einem guten halben<br />
Jahr sind wir jetzt zusammen. Es ist eine<br />
lockere Freundschaft; wir sehen uns jeden<br />
zweiten Tag.<br />
Sexualität hatte in meinem Leben einen<br />
hohen Stellenwert. Aber jetzt ist es damit<br />
Was ist denn das alles,<br />
ich kenne mich nicht aus!<br />
sehr verhalten. Zärtlichkeit findet schon<br />
statt, auf jeden Fall, aber wir haben noch<br />
nicht zusammen geschlafen. Mich macht<br />
es nicht an. Ich weiß nicht, ob es meiner<br />
Freundin fehlt; ich habe noch nicht mit ihr<br />
darüber geredet. Ich kann mir aber schon<br />
vorstellen, dass es ihr fehlt. Auch mit anderen<br />
Patienten habe ich nicht darüber gesprochen.<br />
Ich glaube, da warte ich ab, bis<br />
ich ins kalte Wasser geschmissen werde.“<br />
Mehr als zehn Jahre später...<br />
„Inzwischen wurde ich umgeschult und<br />
bin nun Polizeibeamter „am PC“, also Polizei-Verwaltungsbeamter<br />
– der erste Beamte<br />
auf Probe, der als anerkannter Schwerbehinderter<br />
ins Beamtenverhältnis auf<br />
Lebenszeit übernommen wurde. Dazu war<br />
viel Bürokratie nötig und eine Statistik darüber,<br />
was ich alles zu leisten imstande bin.<br />
Ich habe Pflegestufe 3. Die Unterstützung,<br />
die ich benötige, leistet meine Mutter. Einerseits<br />
ist sie gesundheitlich selbst schwer<br />
angeschlagen – sie hat Asthma. Andererseits<br />
glaube ich, dass sie dadurch, dass sie<br />
sich um mich kümmern muss, auch wieder<br />
Lebensmotivation bekommt. Beide haben<br />
wir einen Vorteil von der Situation.<br />
Einmal in der Woche betreibe ich Sport in<br />
der Sporthalle der Unfallklinik Murnau, als<br />
Mitglied im Rollstuhlsportverein. Außerdem<br />
berate ich auf Anfrage des Pflegepersonals<br />
hin Patienten auf der Station der<br />
Wirbelsäulenverletzten.<br />
Ich kann wählerisch sein<br />
Meine Beziehung mit Corinna endete ein<br />
Jahr später. Sie ließ sich nicht mehr blicken,<br />
blieb einfach weg. Aus meiner Sicht<br />
war das durchaus nachzuvollziehen – insofern,<br />
als ich wohl selbst diese Partnerschaft<br />
in dem Sinn gesehen habe, dass man als<br />
Rollstuhlfahrer wohl „nehmen müsse, was<br />
man bekommt“. Später war ich mit einer<br />
Arbeitskollegin befreundet. Die Partnerschaft<br />
habe ich nach einem Jahr selbst beendet,<br />
ich war einfach noch nicht so weit.<br />
Wir haben aber immer noch ein sehr gutes<br />
Verhältnis und treffen uns etwa jeden zweiten<br />
Monat.<br />
Danach verliebte ich mich in Christina, die<br />
in der Unfallklinik arbeitet. Es hat einige<br />
Monate gedauert, bis es eine nähere Beziehung<br />
wurde. Eines Tages war es plötzlich<br />
zu Ende, als ich sie besuchen wollte,<br />
ein Mann die Tür öffnete und sagte: „Ich<br />
bin der Neue.“ Seit drei Monaten habe ich<br />
eine neue Beziehung zu einer Arbeitskollegin,<br />
die sich bis jetzt gut anlässt. Ich bin<br />
wieder selbstbewusst; ich merke: auch ich<br />
darf wählerisch sein.<br />
Meine Zufriedenheit mit meinem Leben<br />
heute? – „Acht“ auf einer imaginären Skala<br />
von eins bis zehn, würde ich sagen. Bei<br />
der Entlassung aus der Klinik war es noch<br />
„neun“ gewesen. Die Rückstufung kommt<br />
von manchen Einschränkungen im Alltag:<br />
Zum Beispiel kann ich nicht selbst enge<br />
Sportsocken anziehen, lockere Wollsocken<br />
hingegen schon. Insgesamt würde ich gerne<br />
noch etwas selbständiger sein – ich arbeite<br />
daran.<br />
Text: Karin von der Saal<br />
Foto: Josef Stöckle,<br />
BG-Unfallklinik Murnau
Karikaturen<br />
von<br />
Barbara Früchtel<br />
kultur<br />
PARAPLEGIKER 1/09 45
q – querschnitt spezial<br />
46<br />
„ReWalkTM“<br />
-Gehapparat –<br />
Alternative<br />
zum Rollstuhl?<br />
Eine technische Innovation macht von sich reden und<br />
löst möglicherweise große Erwartungen aus: Mittels<br />
eines motorisierten Gehapparats, entwickelt von einer<br />
israelischen Firma, soll es einem <strong>Paraplegiker</strong> möglich<br />
sein, ebene Strecken zu gehen und Treppen zu steigen.<br />
Über die konkreten Voraussetzungen einer Nutzung,<br />
die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten und über<br />
problematische Aspekte der Erfi ndung sprach PARA-<br />
Autor Arndt Krödel mit dem Ingenieur Dr. Rüdiger Rupp,<br />
Leiter der Forschungsabteilung im Querschnittzentrum<br />
der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg.<br />
?<br />
Herr Dr. Rupp, wir unterhalten uns über ein Produkt<br />
namens „ReWalk Exoskeleton Suit“ – wie<br />
kann man das denn ins Deutsche übersetzen?<br />
Dr. Rüdiger Rupp: Genau genommen wäre das<br />
„Reziproker motorisierter Gehapparat“. Man<br />
könnte auch von aktiven Geh-Orthesen sprechen.<br />
„Reziprok“ bedeutet hier eine wechselseitige<br />
Schrittfolge. „ReWalk“ ist der Produktname.<br />
„Exoskeleton“ oder auch „Exoskelett“ ist ein<br />
Begriff für extern angebrachte Hilfssysteme zur<br />
Unterstützung von bestimmten Bewegungen, in<br />
diesem Fall der Gehfunktion. Es gibt nämlich auch<br />
Exoskelette für die Armfunktion. Die sind allerdings<br />
nicht anzieh- oder tragbar.<br />
?<br />
Sprechen wir der Einfachheit halber mal von<br />
einem aktiven Gehapparat. Wozu befähigt dieser?<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Medizin & Forschung:<br />
Der Gehapparat befähigt zu verschiedenen Bewegungsabfolgen<br />
der Beine: Aufstehen, Gehen auf<br />
ebener Strecke, Treppen steigen, Hinsetzen.<br />
?<br />
Von wem kann der Gehapparat genutzt werden?<br />
Er kann unter anderem von Querschnittgelähmten<br />
genutzt werden, die eine ausgeprägte Lähmung<br />
an den unteren Extremitäten, also der Beine, haben.<br />
Um das System, das die Beine „antreibt“,<br />
nutzen zu können, muss aber eine ausreichende<br />
Rumpfkontrolle und -stabilität vorhanden sein.<br />
Der Nutzer würde nämlich sonst vornüber kippen.<br />
Das System wird auch immer in Verbindung mit<br />
zwei Unterarmstützen verwendet, die den Oberkörper<br />
beim Gehen stabilisieren. Das hat auch einen<br />
Sicherheitsaspekt für den Fall, dass das motorisierte<br />
System einmal ausfällt. Dann könnte man<br />
sich mit diesen Unterarmstützen im einfachen<br />
Durchschwung-Gang zum nächstgelegenen Sitzplatz<br />
bewegen.<br />
?<br />
Dr.-Ing. Rüdiger Rupp,<br />
Leiter der Forschungsabteilung<br />
im Querschnittzentrum der<br />
Orthopädischen Uniklinik<br />
Heidelberg.<br />
Kann man mit dem Gehapparat auch nach rechts<br />
oder links abbiegen?<br />
Nein. Die Geh-Orthese führt nur auf ebenem Boden<br />
geradeaus und kann nicht lenken. Das muss<br />
der Nutzer tun, indem er im Rumpf schnelle Bewegungen<br />
macht und damit das gesamte Bewegungssystem<br />
auf der Fußplatte dreht. Die Rumpfkontrolle<br />
ist also auch aus diesem Grund eine ganz<br />
entscheidende Voraussetzung für die Nutzung
des Gehapparats. Normalerweise ist sie nur bei<br />
Querschnittgelähmten vorhanden, bei denen die<br />
Lähmung unterhalb des achten Brustwirbels auftritt.<br />
Und es gibt noch eine Einschränkung: Wenn<br />
jemand Spastiken hat, die oft als Begleiterscheinungen<br />
bei Lähmungen oberhalb Th 12 auftreten,<br />
kann der Gehapparat nicht genutzt werden, weil<br />
das System gegen diese zum Teil heftigen Muskelkrämpfe<br />
nicht anarbeiten kann.<br />
?<br />
Auf den vom Hersteller im Internet präsentierten<br />
Videos kann man die praktische Anwendung des<br />
Gehapparats bereits sehen.<br />
Ja. Ich habe den Nutzer auch persönlich bei einer<br />
Demonstration des Systems in Berlin gesehen. Er<br />
hat interessanterweise eine ganz spezielle Lähmung,<br />
nämlich unterhalb Th 12, bei der nicht nur<br />
eine reine Rückenmarkschädigung vorliegt, sondern<br />
auch eine Schädigung der peripheren Nerven,<br />
die in die Beine führen. Das heißt, er kennt<br />
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das Problem der Spastiken überhaupt nicht. Deswegen<br />
wird er sicher auch als Vorzeigenutzer präsentiert.<br />
?<br />
Gibt es Einschränkungen bei der Nutzung des<br />
Gehapparats, die durch das Alter des <strong>Paraplegiker</strong>s<br />
bedingt sind?<br />
Ja. Viele <strong>Paraplegiker</strong>, die schon lange Zeit im<br />
Rollstuhl sitzen, entwickeln Bewegungseinschränkungen<br />
in ihren Gelenken. Sind diese Einschränkungen<br />
zu groß, kann man den Gehapparat nicht<br />
mehr nutzen. Aus meiner persönlichen Erfahrung<br />
heraus würde ich also sagen, dass es nur relativ<br />
wenige sind, die alle Voraussetzungen mitbringen,<br />
um dieses System verwenden zu können.<br />
„Die Idee selbst ist ja nicht ganz neu“<br />
?<br />
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q – querschnitt spezial<br />
Sie würden also die Erwartungen an dieses neue<br />
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q – querschnitt spezial<br />
Der ReWalkTM<br />
befähigt zum aufrechten<br />
Gehen in<br />
Kombination mit<br />
Unterarmstützen<br />
48<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Man muss da sicherlich sehr vorsichtig sein. Zum<br />
einen ist noch nicht so ganz hundertprozentig klar,<br />
wer denn überhaupt von diesem System profitieren<br />
kann. Es gibt dazu noch keine konkreten<br />
Untersuchungen. Zum anderen hat man schon<br />
einiges aus der Vergangenheit gelernt. Die Idee<br />
selbst, Querschnittgelähmten über externe Exoskelette<br />
zum Gehen zu verhelfen, ist ja nicht ganz<br />
neu. Es gibt ja bereits seit langem passive Gehapparate,<br />
so genannte Schienen-Schellenapparate,<br />
mit denen im Durchschwung-Gang ein Bein vor<br />
das andere gesetzt werden kann.<br />
Vor 25 Jahren hat man die<br />
auch häufig verordnet,<br />
allerdings in erster Linie<br />
in den USA. Interessanterweise<br />
wurden diese<br />
Gehapparate aber häufig<br />
gar nicht genutzt, denn die<br />
Fortbewegung mit diesen<br />
passiven Systemen ist<br />
recht anstrengend. Außerdem<br />
erreichen sie<br />
nicht die Geschwindigkeit<br />
und die Flexibilität,<br />
die man<br />
trotz allem mit<br />
dem Rollstuhl<br />
hat. Ich würde<br />
also die<br />
Erwartungen<br />
in dieses<br />
neue System<br />
schon<br />
dämpfen.<br />
?<br />
Was ist denn das spezifisch Neue daran?<br />
Die Technologie. Erstens verfügt der Gehapparat<br />
über Motoren an Hüft- und Kniegelenken, die über<br />
eine sehr hohe Energiedichte aufweisen, das heißt<br />
sie sind relativ klein, bringen aber genügend Kraft<br />
auf, um einen normalgewichtigen Menschen auch<br />
tatsächlich bewegen zu können. Nach außen ist<br />
das also relativ unauffällig. Die früheren Systeme<br />
waren ja Monstrummaschinen, die nicht im Entferntesten<br />
im Alltag verwendet werden konnten.<br />
Das Zweite: Nach Angaben der Hersteller ist das<br />
System über fünf Stunden betriebsfähig. Das<br />
reicht zwar nicht für einen Gewaltmarsch, aber<br />
unter ganz normalen Bedingungen, beispielsweise<br />
vom Auto in das Büro, vom Bürostuhl in den<br />
Besprechungsraum, von dort wieder zurück usw.<br />
ist diese Zeitspanne schon relativ viel. Dafür sorgen<br />
neue Akkukomponenten, die der Nutzer in einer<br />
Art Rucksack auf dem Rücken trägt.<br />
„Die Steuerung ist eine sehr interessante<br />
Entwicklung“<br />
Der dritte Punkt betrifft die Steuerung durch den<br />
Nutzer. Das ist eine sehr interessante Entwicklung.<br />
Der Nutzer beugt sich nämlich vornüber, deutet<br />
quasi an, er würde hinfallen. Diese Neigung des<br />
Oberkörpers wird von dem System erfasst und<br />
löst eine entsprechende Schrittfolge aus – der<br />
Nutzer kann gehen. In dem Fußteil, mit dem der<br />
Gehapparat auf dem Boden steht, sind Kraftsensoren<br />
integriert, die jederzeit registrieren, in welcher<br />
Lage der Nutzer sich gerade befindet. Wenn<br />
In dieser Kombination<br />
ist das System einfach zu<br />
bedienen, zuverlässig<br />
und tatsächlich eine<br />
technische Neuerung.<br />
er also dazu tendieren würde, vornüber zu fallen,<br />
dann „merkt“ es das System und versucht, ihn<br />
zu stabilisieren. Das ist ein relativ einfacher Steuerbefehl,<br />
der den Schritt auslöst und sicher ausführt.<br />
In dieser Kombination ist das System einfach<br />
zu bedienen, zuverlässig und tatsächlich eine<br />
technische Neuerung.
?<br />
Gibt es denn schon Studien über den reziproken<br />
Gehapparat?<br />
Zurzeit wird in Israel eine Sicherheits- oder Machbarkeitsstudie<br />
durchgeführt, an der sechs Nutzer<br />
teilnehmen…<br />
?<br />
?<br />
…was nicht gerade viele sind.<br />
…so ist es. Das ist letztendlich eine Zulassungsstudie,<br />
denn wenn so ein Exoskelett die Zulassung<br />
bekommen will, ist es in den USA besonders<br />
Die nationale Zulassungsbehörde<br />
FDA macht da große<br />
Probleme, wenn nicht nachgewiesen<br />
ist, dass ein solches<br />
System unter allen Umständen<br />
sicher ist.<br />
schwierig. Die nationale Zulassungsbehörde FDA<br />
macht da große Probleme, wenn nicht nachgewiesen<br />
ist, dass ein solches System unter allen<br />
Umständen sicher ist. In Deutschland bzw. Europa<br />
ist es etwas einfacher. Bei der Studie geht es nicht<br />
darum, in irgendeiner Form einen Alltagsnutzen<br />
nachzuweisen, das müsste man erst in einer zweiten<br />
Phase mit einem größeren Nutzerkreis zeigen.<br />
Der Nutzer, der auf Fotos und in Videos überall mit<br />
dem Gehapparat gezeigt wird, ist ein Angestellter<br />
der Firma und war Soldat bei der israelischen Armee.<br />
Da muss man natürlich sehen, dass Leute,<br />
die vorher so extrem körperlich aktiv waren, auch<br />
wieder schnell auf die Beine kommen wollen und<br />
dafür einiges in Kauf nehmen.<br />
Ansonsten erfährt man über die technischen<br />
Details dieses Systems relativ wenig, was in der<br />
Wissenschaft eigentlich unüblich ist. Das liegt<br />
wahrscheinlich daran, dass das Produkt von der<br />
Firma von vornherein mit dem Ziel der Vermarktung<br />
entwickelt wurde.<br />
„Ein großes Problem sind die Fixierungen“<br />
Der Hersteller sagt, dass durch die Nutzung<br />
des Gehapparats die medizinischen Kosten in<br />
der Behandlung von querschnittgelähmten Pa-<br />
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q – querschnitt spezial<br />
50<br />
?<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
tienten gesenkt werden können. Wie schätzen<br />
Sie das ein?<br />
Auch da wäre ich sehr vorsichtig, denn das<br />
muss letztlich erst in einem Langzeitverlauf<br />
nachgewiesen werden. Es ist unbestritten, dass<br />
eine aufrechte Position und ein Durchbewegen<br />
der Gelenke einen therapeutischen Effekt hat<br />
– wenn keine anderen Formen der Therapie<br />
angewendet werden. Das ist aber im Großen<br />
und Ganzen so gut wie nie der Fall. Es kommt<br />
noch ein Zweites hinzu: Ein großes Problem bei<br />
diesem System sind die Fixierungen, in denen<br />
man mit seinem gesamten Gewicht steht. Das<br />
birgt immer die Gefahr von Druckgeschwüren.<br />
Gerade die Beckenfixierung bei diesem Gehapparat<br />
besteht aus nichtgepolsterten, blanken<br />
Metallteilen. Ich befürchte, dass man dem Nutzer<br />
damit eigentlich nicht hilft, sondern die Gefahr<br />
besteht, ihn auch noch zu schädigen.<br />
Eigentlich paradox. Man könnte doch annehmen,<br />
dass ein Gehapparat durch die<br />
aufrechte Position Druckgeschwüre<br />
gerade vermeiden hilft.<br />
Wenn es eine aktive Therapie<br />
wäre, also in irgendeiner Form<br />
noch eine Elektrostimulation<br />
damit verbunden wäre, würde<br />
ich Ihnen Recht geben. Bei<br />
inkompletten Querschnittgelähmten<br />
würde ich Ihnen auch<br />
Recht geben, weil sie ein Training<br />
damit machen. Aber<br />
so wie das hier dargestellt<br />
wird, soll der Gehapparat<br />
für komplett Querschnittgelähmte<br />
in Frage kommen,<br />
und da gibt es eben<br />
nichts, das man entsprechend<br />
trainieren kann.<br />
Die Schrittfolge ist<br />
wechselseitig,<br />
der Nutzer trägt den<br />
Akku-Rucksack auf<br />
dem Rücken.<br />
„Was das System<br />
bringt ist noch offen“<br />
?<br />
Man könnte nach all dem Gesagten den Eindruck<br />
haben, dass es sich hier eigentlich gar nicht<br />
um eine bahnbrechende Innovation handelt.<br />
Es ist eine interessante technische Erfindung und<br />
von daher eine attraktive Anwendung, das muss<br />
man schon klar sagen. Ich persönlich stufe den<br />
Gehapparat aber lange nicht so hoch ein, wie es<br />
die Firma und inzwischen auch die Presse macht,<br />
nach dem Motto: Lahme werden wieder gehen<br />
können. Das System läuft sehr langsam, maximal<br />
etwa 1,2 Meter pro Sekunde. Für Fußgänger<br />
wäre das vergleichbar mit einem langsamen<br />
Schaufensterbummel. Das ist definitiv<br />
eine ziemliche Einschränkung. Mit<br />
passiven Geh-Orthesen erreicht man<br />
schon eine wesentlich höhere Gehgeschwindigkeit.<br />
Was das motorisierte<br />
System für den Alltagsgebrauch tatsächlich<br />
bringt und mit welchen Nebenwirkungen<br />
das Ganze eventuell<br />
erkauft werden muss, ist noch völlig<br />
offen.<br />
?<br />
Die technische Entwicklung geht<br />
ja weiter. Sind die besprochenen<br />
Mängel in 10 oder 20 Jahren vielleicht<br />
gar kein Thema mehr?<br />
Ja, die technischen Probleme<br />
werden dann<br />
wahrscheinlich auch<br />
lösbar sein. Der technologische<br />
Fortschritt könnte<br />
die Gehapparate handhabbarer,<br />
natürlicher<br />
und kleiner machen. Interessanterweise<br />
wird<br />
in Japan gerade ein<br />
vergleichbares System<br />
angeboten, das<br />
sogar die Arme unterstützt,<br />
und das<br />
auf einem viel<br />
preiswerteren<br />
Niveau.
Vorerst ist die<br />
Fortbewegung<br />
mit dem Rollstuhl<br />
wesentlich schneller…<br />
?<br />
Der Hersteller von „ReWalk“ will das Produkt<br />
schon 2010 auf den Markt bringen. Was würde so<br />
etwas denn kosten?<br />
Die Firma hat in den USA die Information von<br />
20 000 US-Dollar gestreut, das inzwischen aber<br />
wieder zurückgenommen, weil sie diesen Preis<br />
nicht halten kann. Das System wird definitiv wesentlich<br />
teurer sein. Und mit einer Zulassung ist<br />
2010 noch nicht zu rechnen, die Zeit wird bis dahin<br />
nicht reichen.<br />
?<br />
In der Frage der Finanzierung eines Gehapparats<br />
für einen Nutzer werden die Krankenkassen<br />
nicht gerade offenherzig sein.<br />
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?<br />
Infos:<br />
Produktname:<br />
ReWalkTM<br />
q – querschnitt spezial<br />
Sie werden nach dem zusätzlichen Nutzen und<br />
nach der Relation zum Preis fragen. Das wird sicherlich<br />
eine harte Diskussion geben.<br />
Welches Fazit würden Sie ziehen?<br />
Vielleicht sind motorisierte Gehsysteme in Zukunft<br />
tatsächlich eine Alternative zum Rollstuhl.<br />
Aber der tatsächliche Nutzerkreis wird aufgrund<br />
der notwendigen Voraussetzungen immer sehr<br />
klein sein, da kann die Technik noch so weit fortgeschritten<br />
sein.<br />
Herr Dr. Rupp, wir bedanken uns herzlich für<br />
dieses Gespräch.<br />
Text: Arndt Krödel<br />
Fotos: DSQ, Argo Medical Technologies<br />
Hersteller:<br />
Argo Medical Technologies Ltd.,<br />
Matam - Advanced Technology Center,<br />
Building 30, POB 15054,<br />
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q – querschnitt spezial<br />
52<br />
A<br />
Patientenaufruf für klinische Studie:<br />
Motorisches Training<br />
für inkomplett<br />
Querschnittgelähmte<br />
Ziel jedes motorischen Trainings ist die Verbesserung von Bewegungsfunktionen, im<br />
günstigsten Fall bis hin zur vollständigen Wiederherstellung. Grundlage der Möglichkeiten<br />
zur Verbesserung ist die seit langem bekannte Tatsache, dass das Nervensystem<br />
keine starre Struktur im Sinne eines fest verdrahteten Computers besitzt, sondern dass<br />
Nervenverbindungen umprogrammiert werden können. Das Nervensystem ist somit in<br />
der Lage, lebenslang zu lernen.<br />
llerdings weiß man erst seit den 70 er Jahren<br />
des letzen Jahrhunderts, dass dies auch für das<br />
Rückenmark besonders nach Verletzungen gilt.<br />
Ein wichtiges Ergebnis aus Tierexperimenten<br />
war, dass noch intakte Nerven die Funktion von<br />
ausgefallenen Fasern teilweise übernehmen können<br />
und somit eine Funktionsverbesserung erreicht<br />
werden kann. Diese Fähigkeit des Nervensystems<br />
zur „Umprogrammierung“ nennt man<br />
Neuroplastizität. Voraussetzung für eine zielgerichtete<br />
Umprogrammierung ist allerdings, dass<br />
ein intensives Training der zu verbessernden<br />
Funktion durchführt wird. Auch wenn die Zusammenhänge<br />
im Detail noch nicht geklärt sind,<br />
so scheinen die während dieses Trainings dem<br />
Nervensystem zugeführten Signale von Rezeptoren<br />
der Haut, Muskeln und Gelenken die Reorganisationsvorgänge<br />
in Gang zu setzen. Für das<br />
Erreichen der therapeutisch notwendigen Intensität<br />
wird eine häufige Wiederholung der Bewegungen<br />
benötigt. Auch Hochleistungssportler<br />
trainieren Schlüsselbewegungen tausende Mal,<br />
damit diese automatisiert abgerufen werden<br />
können.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
In der Rehabilitation setzt man deshalb Laufbänder<br />
mit der Möglichkeit zur teilweisen Körpergewichtsentlastung<br />
ein, um ein intensives<br />
Gehtraining durchzuführen. In einer Vielzahl von<br />
Patientenstudien konnten in den letzten Jahren<br />
die positiven Effekte dieses so genannten<br />
Lokomotionstrainings nachgewiesen werden.<br />
Der Einsatz von Gehrobotern unterstützt die<br />
Gehbewegung von inkomplett Querschnittge-<br />
lähmten. Nur dies ermöglicht eine ausreichend<br />
lange Therapiedauer. Diese Maschinen machen<br />
bei einigen Patienten die Lokomotionstherapie<br />
überhaupt erst sinnvoll, da eine manuelle Unterstützung<br />
des Gehens bei diesen durch bis zu<br />
drei Therapeuten zu aufwändig bzw. körperlich<br />
zu anstrengend ist. Generell können allerdings<br />
diese maschinell unterstützten Therapieanwendungen<br />
nur im Rahmen eines stationären Aufenthaltes<br />
angeboten werden, da die hierfür benötigten<br />
Geräte groß und teuer sind.<br />
Es wird deutlich, dass eine ambulante Anwendung<br />
mit einem günstigeren, kleineren und leichter<br />
zu handhabenden Gerät die Möglichkeiten einer<br />
Gangrehabilitation erweitern kann. Deshalb<br />
bewarb sich im Jahr 2005 die Forschungsgruppe<br />
um Prof. Dr.-Ing. Eberhard P. Hofer und Dipl.-Ing.<br />
Markus Knestel (Universität Ulm) und Dr.-Ing.<br />
Rüdiger Rupp (Stiftung Orthopädische Universitätsklinik<br />
Heidelberg) um den Innovationspreis<br />
Medizintechnik des Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung und konnte die Gutachter<br />
von der Notwendigkeit der Entwicklung eines<br />
Gehtrainers für das häusliche Umfeld, genannt<br />
MoreGait©, überzeugen.<br />
Der MoreGait© ist eine Trainingsmaschine für<br />
inkomplett Querschnittgelähmte, die nach der<br />
klinischen Erstrehabilitation weiter an der Verbesserung<br />
ihrer Gehfähigkeit arbeiten wollen.<br />
Er ist ein mit pneumatischen (mit Luftdruck angetrieben)<br />
Muskeln ausgestatteter Trainingsroboter<br />
für die unteren Extremitäten. Diese so ge-
nannten künstlichen Muskeln ermöglichen ein<br />
besonders sicheres und angenehmes Trainieren,<br />
da die physiologische Gehbewegung der Beine<br />
durch die Nachahmung des natürlichen Muskelverhaltens<br />
besonders weich unterstützt wird.<br />
Ein wichtiger Unterschied zu bisherigen Therapiegeräten<br />
wie Fahrradergometer ist, dass die<br />
Krafteinwirkungen jeweils mit denen des normalen<br />
Gehens vergleichbar sind. Im Foto ist<br />
erkennbar, dass mittels Fixiermanschetten die<br />
Ober- und Unterschenkel in einer dem natürlichen<br />
Gehen vergleichbaren Art bewegt werden.<br />
Bei der Gangwiederherstellung ist der sensible<br />
Reiz auf die Fußsohle entscheidend. Bislang<br />
wurde deshalb die aufrecht stehende Position<br />
des Rehabilitanden vorausgesetzt. Bei dem MoreGait©<br />
wird der Reiz auf die Fußsohle durch<br />
ein patentiertes, computergesteuertes Fußteil<br />
(Stimulativer Schuh) erzeugt, das es ermöglicht,<br />
erstmals in sitzender Position eine sensible Reizung<br />
der Fußsohle, vergleichbar mit dem Reiz<br />
während des gesunden, aufrechten Gehens.<br />
Beim Training zu Hause ist die sitzende Position<br />
besonders wichtig, weil nur sie ein sicheres Training<br />
ohne Aufsicht durch Therapeuten zulässt.<br />
Während des Trainings wird der Fuß noch sicher<br />
befestigt. Während des Trainings „spürt“<br />
das Gerät, wie viel Kraft der Trainierende selbst<br />
aufbringt und gibt daraufhin nur so viel an Unterstützung,<br />
wie erforderlich ist. Der Grad an Unterstützung<br />
zu verschiedenen Phasen während<br />
des Schritts wird dem Trainierenden auf einem<br />
Monitor angezeigt, so dass dieser gezielt seine<br />
Schwachstellen trainieren kann.<br />
Ziele der MoreGait-Studie<br />
Wie bereits angedeutet, scheint die Intensität<br />
eines motorischen Trainings ein entscheidender<br />
Faktor für den Therapieerfolg zu sein. Während<br />
im Rahmen einer konventionellen Gangschulung<br />
im Gehbarren nur wenige Dutzend Schritte<br />
erreicht werden, ermöglicht das Training mit<br />
dem MoreGait© während jeder Therapiesitzung<br />
die hundertfache Wiederholung der Gehbewegungen.<br />
Damit diese hohe Trainingsintensität<br />
über einen längeren Zeitraum kontinuierlich aufrechterhalten<br />
werden kann, wurde MoreGait©<br />
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q – querschnitt spezial<br />
Patientin auf dem MoreGait© während<br />
der Therapie.<br />
explizit für das Heimtraining konzipiert. Nur mit<br />
diesem Ansatz kann die immer stärker reduzierte<br />
Zeit für die Rehabilitation in der Klinik kompensiert<br />
werden.<br />
Das Hauptziel der Therapie mit dem neuen Gehtrainer<br />
besteht im Ausbau und der Unterstützung<br />
der während des Klinikaufenthaltes antrainierten
q – querschnitt spezial<br />
54<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Fähigkeiten der Gehfunktion. Neben der Verbesserung<br />
der Steh- und Gehfunktionen erwarten<br />
wir aber noch eine Reihe von weiteren positiven<br />
Wirkungen: Wir wissen, dass regelmäßiges Training<br />
den Kreislauf unterstützen und helfen kann,<br />
die Ödembildung in den Beinen („dicke Füße“)<br />
zu reduzieren. Zudem haben wir in eigenen Studien<br />
beobachtet, dass es bei einigen Patienten<br />
während der Therapie zu einer Verminderung<br />
der Spastik kommt. Das „Durchbewegen“ der<br />
Gelenke verhindert offenkundig deren Einsteifen.<br />
Um all diese Erwartungen bestätigen zu können,<br />
führen wir aktuell eine klinische Pilotstudie durch,<br />
im Rahmen derer das Gerät erstmalig an einer<br />
Gruppe von 30 Patienten zum Einsatz kommt.<br />
Im Speziellen wollen wir mit der Studie die Frage<br />
beantworten, inwieweit die zu erwartenden<br />
Funktionsverbesserungen am Ende der Therapie<br />
abhängig von der Ausgangssituation ist: Kann<br />
die Therapie mit MoreGait© Querschnittgelähmte,<br />
die es schaffen, mit Unterstützung zehn<br />
Meter zu gehen, zu einem eigenständigeren Gehen<br />
verhelfen ? Können auch Patienten von der<br />
Therapie profitieren, die schon zu Beginn mit<br />
einfachen Hilfsmitteln selbständig kurze Distanzen<br />
zurücklegen können? Können die während<br />
des Therapiezeitraums antrainierten Fähigkeiten<br />
auch gehalten werden oder ist ein wiederholtes<br />
Training notwendig?<br />
Für die Beantwortung dieser Fragen suchen<br />
wir Studienteilnehmer, die folgende Voraussetzungen<br />
erfüllen:<br />
- Bei Ihnen wurden vor mindestens 12<br />
Monaten Teile der Nervenbahnen im<br />
Rückenmark verletzt.<br />
- Der Grad der Verletzung zeigt sich darin,<br />
dass Sie bestimmte Muskeln Ihres Köpers<br />
nur noch eingeschränkt bewegen können.<br />
- Ihnen fehlt (teilweise) die Fähigkeit zu<br />
spüren, wie Sie Ihre Füße optimal aufsetzen<br />
können.<br />
- Sie können nur unter Zuhilfenahme von<br />
Gehhilfen, wie Gehstöcke oder Rollator,<br />
unter großer Anstrengung kurze Distanzen<br />
(10m) gehen.<br />
- Ihre Spastik ist nicht so stark, sodass Sie<br />
Hüft-, Knie- und Sprunggelenke passiv<br />
durchbewegen können.<br />
Die gesamte Studienteilnahme beträgt 6 Monate:<br />
In den ersten 4 Wochen sind drei Untersuchungszeitpunkte<br />
in der Klinik notwendig, um objektiv Ihren<br />
neurologischen und funktionellen Status über<br />
nicht schmerzhafte Tests zu erfassen. Nach den<br />
ersten 4 Wochen soll über 8 Wochen die Therapie<br />
5 x pro Woche, 45 Minuten pro Tag von Ihnen zu<br />
Hause durchgeführt werden. Klinische Untersuchungen<br />
zur Verlaufsdokumentation sind 4 Wochen<br />
nach Therapiebeginn und zum Abschluss<br />
der Therapie vorgesehen. Den Abschluss der<br />
Studienteilnahme bildet eine letzte Untersuchung<br />
12 Wochen nach Therapieende. Insgesamt fallen<br />
also 6 Untersuchungstermine in der Klinik an.<br />
Wenn Sie die oben genannten Voraussetzungen<br />
erfüllen, im Raum Ulm oder Heidelberg (Umkreis<br />
100 km) wohnen oder mobil sind und Interesse<br />
an der Studienteilnahme haben, dann möchten<br />
wir Sie um Kontaktaufnahme zur Abklärung der<br />
Details bitten. Ein Fahrtkostenzuschuss für die<br />
Besuche in Heidelberg/Ulm kann gewährt werden.<br />
Ein Therapiegerät wird für den häuslichen<br />
Gebrauch über einen Zeitraum von 8 Wochen zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Ansprechpartner sind:<br />
Dr. Ing. Rüdiger Rupp<br />
Orthopädische Universitätsklinik<br />
Heidelberg<br />
Schlierbacher Landstr. 200a<br />
eMail<br />
Ruediger.Rupp@ok.uni-heidelberg.de<br />
Dipl.-PW. Harry Plewa<br />
tel 0 62 21-96 92 31 /84<br />
eMail<br />
Harry.Plewa@ok.uni-heidelberg.de
13. bis 16. Mai in Halle:<br />
DMGP-Kongress<br />
D<br />
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Die 22. Jahrestagung der Deutschsprachigen<br />
Medizinischen Gesellschaft<br />
für Paraplegie (DMGP) fi ndet vom 13.<br />
bis 16. Mai <strong>2009</strong> in der Georg-Friedrich-<br />
Händel-Halle in Halle statt. Schwerpunktthema:<br />
Tetraplegie.<br />
ie damit verbundenen interdisziplinären Fragestellungen<br />
spiegeln nicht nur aktuelle Debatten<br />
wider, sondern illustrieren auch die Verbindung<br />
der medizinischen, therapeutischen und praktischen<br />
Ansätze innerhalb der Gesellschaft. Das<br />
Umfrage<br />
„Barrierefreier<br />
Tourismus“<br />
I<br />
m Rahmen seiner wissenschaftlichen Forschung<br />
führt der Lehrstuhl für Strategisches<br />
Tourismusmanagement an der Universität Trier<br />
eine Online-Umfrage zum Thema „Informationsverhalten<br />
und Barrierefreier Tourismus“<br />
im deutschsprachigen Raum durch. Ziel dieser<br />
Umfrage soll sein, die Besonderheiten des Informationsverhaltens<br />
von Menschen mit einer Beeinträchtigung<br />
bzw. Behinderung in Bezug auf<br />
Anzeige<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
q – querschnitt spezial<br />
wissenschaftliche Programm der Jahrestagung<br />
der DMGP bietet durch die Vielzahl an Vorträgen<br />
sowie die Posterausstellung vielfältige Möglichkeiten<br />
der Weiterbildung und des Gedankenaustausches.<br />
Die wissenschaftliche Leitung übernimmt in diesem<br />
Jahr Dr. med. Klaus Röhl, 1. Vorsitzender<br />
der DMGP und Chefarzt des Zentrums für Rückenmarksverletzte<br />
und der Klinik für Orthopädie<br />
der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost<br />
in Halle. Unter dem Kongressthema<br />
Tetraplegie werden die Schwerpunkte Akutversorgung,<br />
Rehabilitation und Nachsorgekonzepte zur<br />
Debatte stehen. Weitere Information erhalten Sie<br />
im aktuellen Flyer anbei oder auf der Kongresshomepage<br />
www.conventus.de/dmgp<strong>2009</strong>.<br />
das Reisen herauszuarbeiten und so letztlich die<br />
Reise-Situation der Betroffenen zu verbessern.<br />
Die Umfrage richtet sich dabei an alle mobilitäts-<br />
und aktivitätseingeschränkten Menschen<br />
sowie an Menschen, die an der Reiseorganisation<br />
beteiligt sind. Sie wird unterstützt durch<br />
das 5-Sterne Hotel „Bristol Vienna“ und die<br />
Urlaubsplattform „Urlaub am Bauernhof“.<br />
Diese stellen zwei Reisen zur Verfügung, die<br />
unter allen Teilnehmern der Umfrage verlost<br />
werden.<br />
Die Umfrage nimmt etwa 12 bis 15 Minuten in<br />
Anspruch und ist im Internet unter der Adresse<br />
http://tourismus.forschungsfragen.de/ zu fi nden.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ansprechpartner:<br />
Wolfgang Drews<br />
tel 06 51-201-26 76<br />
eMail<br />
umfrage@osm.<br />
uni-trier.de
q – querschnitt spezial<br />
56<br />
wurde das Neurologische Rehabilitationszentrum<br />
Greifswald mit seinem Behandlungszentrum<br />
für Querschnittgelähmte eröffnet. Durch<br />
die umfängliche Kooperation mit dem Universitätsklinikum<br />
Greifswald und dem Berufsbildungswerk<br />
ist seitdem eine komplexe Behandlung<br />
von Querschnittgelähmten im Bundesland<br />
Mecklenburg-Vorpommern möglich. Diese umfasst<br />
die akute Erstversorgung im Universitätsklinikum,<br />
die medizinische Rehabilitation im Behandlungszentrum<br />
für Querschnittgelähmte und<br />
die berufliche Reintegration in Zusammenarbeit<br />
mit dem Berufsbildungswerk.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Neues aus „Meck-Pomm“:<br />
Querschnittgelähmtenzentrum<br />
BDH-Klinik Greifswald<br />
Am 6. Juni findet in der BDH-Klinik Greifswald (ehemals NRZ-Greifswald)<br />
ein Frühlingsfest statt. Die Fördergemeinschaft wird dort mit dem Stützpunkt<br />
Greifswald vertreten sein, FGQ-Berater ist Dirk Weber.<br />
1998<br />
Das erste Zentrum dieser Art in Mecklenburg-<br />
Vorpommern ist auf die Behandlung von derzeit<br />
61 Betten mit unfall- und erkrankungsbedingter<br />
Rückenmarkschädigung ausgelegt. Das Einzugsgebiet<br />
des Behandlungszentrums umfasst<br />
inzwischen Mecklenburg-Vorpommern und die<br />
nördlichen Gebiete Brandenburgs, doch selbst<br />
aus Niedersachsen, Thüringen und Sachsen<br />
kommen Patienten regelmäßig zur Behandlung.<br />
Diese schließt die Erstbehandlung auch<br />
bei Langzeit- und Dauerbeatmungspflicht ein,<br />
die Komplikationsbehandlung und lebenslange<br />
Nachsorge.<br />
Die Ergotherapie arbeitet auf größtmögliche<br />
Selbstständigkeit hin, berät auch bei der Umgestaltung<br />
der Wohnung und der Ausstattung mit<br />
Hilfsmitteln. Wenn die Lähmung auch die Arme<br />
umfasst, sind möglicherweise spezialisierte<br />
Kommunikationshilfen erforderlich. Unterstützt<br />
werden diese therapeutischen Bemühungen<br />
durch ein breites Spektrum physikalischer Anwendungen.<br />
Daneben stehen Angebote der<br />
Sporttherapie, Heilpädagogik, der Logopädie<br />
und Musiktherapie zur Verfügung. Kompetente<br />
Psychologen helfen den Patienten bei der Lösung<br />
individueller Probleme und stehen zur<br />
Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung<br />
bereit. Ein qualifizierter Sozialdienst berät und<br />
unterstützt die Patienten in allen sozialen Problemen.<br />
Gemeinsam mit den Kostenträgern<br />
werden tragfähige Vorschläge zur sozialen Reintegration<br />
im Rahmen von Wiedereingliederungskommissionen<br />
erarbeitet. Ein wesentlicher<br />
Bereich im Querschnittgelähmtenzentrum ist die<br />
Neuro-Urologie, da häufig Harnblase, Mastdarm<br />
und Geschlechtstrakt ebenfalls gelähmt sind.<br />
Für neuro-urologische Untersuchungen und<br />
Behandlungen stehen ein hochmoderner videourodynamischer<br />
Messplatz, ein urodynamischer<br />
Messplatz und ein Eingriffsraum zur Verfügung.<br />
Mit Beendigung der Erstrehabilitation erfolgt die<br />
Überleitung des Patienten in den ambulanten<br />
Bereich. Hierzu stehen erprobte Home-Care-Unternehmen<br />
zur Verfügung. Diese unterstützen<br />
den Patienten nicht nur durch die Bereitstellung<br />
der individuellen Hilfsmittel, sondern stehen auch<br />
nach der Entlassung mit Rat und Tat den Betroffenen<br />
zur Seite. Das Behandlungszentrum bietet<br />
allen Patienten ein lebenslanges, individuell abgestimmtes<br />
Nachsorgekonzept an. Im Rahmen<br />
dieser Nachsorge erfolgen regelmäßige Untersuchungen<br />
im Behandlungszentrum. Ziel ist es,<br />
lähmungsbedingte Komplikationen frühzeitig zu
erkennen, um eine zielgerichtete Therapie einleiten<br />
zu können.<br />
Die komplexe Behandlung Querschnittgelähmter<br />
in der Akutphase, im Rahmen der Komplikationsbehandlung<br />
und auch in der lebenslangen<br />
Nachsorge hat sich in Greifswald über 10 Jahre<br />
bewährt. Auch wenn ab Januar <strong>2009</strong> mit neuem<br />
Namen – BDH-Klinik Greifswald – wollen wir am 6.<br />
Juni Betroffenen und deren Angehörigen im Rahmen<br />
eines Frühjahrsfestes mit Besichtigung, fachlichen<br />
Vorträgen und sportlicher Betätigung das<br />
Querschnittgelähmtenzentrum vorstellen. Hierzu<br />
sind alle Interessierten eingeladen.<br />
Kontakt:<br />
Zusammenarbeit beschlossen:<br />
„<strong>Paraplegiker</strong>“ und<br />
„Radio4Handicaps“<br />
q – querschnitt spezial<br />
BDH-Klinik Greifswald GmbH<br />
Querschnittgelähmtenzentrum<br />
Karl-Liebknecht-Ring 26 a, 17491 Greifswald<br />
tel 0 38 34-87 12 32<br />
fax 0 38 34-87 13 02<br />
eMail sekretariatQ@bdh-klinik-greifswald.de<br />
www.bdh-klinik-greifswald.de<br />
Der „<strong>Paraplegiker</strong>“ – Zeitschrift der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten<br />
und „Radio4Handicaps – das Radio für barrierefreie Köpfe“ haben Anfang des<br />
Jahres eine Kooperation beschlossen, um zukünftig ihren Lesern und Hörern, Betroffenen<br />
und Interessierten die Möglichkeiten zu bieten, sich in beiden Medien<br />
allumfassend informieren und austauschen zu können.<br />
R<br />
adio4Handicaps – das Radio für barrierefreie<br />
Köpfe, trägt mit innovativen Sendeformaten,<br />
bei denen zum Beispiel Experten interaktiv per<br />
Mail direkt online kontaktiert werden, zur gesellschaftlichen<br />
und beruflichen Integration von<br />
Menschen mit Behinderung bei. Interaktiver<br />
Austausch, Information und Beratung zu allen<br />
Bereichen des Lebensalltags, von Menschen, die<br />
direkt involviert sind, das ist ein bewährtes Konzept,<br />
das durch die neue Kommunikation noch<br />
ergänzt wird.<br />
Die Mitglieder des Redaktionsteam von Radio-<br />
4Handicaps sind „bunt gemischt“. Männlich /<br />
weiblich, zwischen 18 bis 63 Jahre jung und natürlich<br />
mit und ohne Behinderung (überwiegend<br />
aber mit). Neben dem Redaktions- und Moderatoren-Team<br />
gestalten die Hörer und kooperierende<br />
Vereine und -Verbände das Programm<br />
zum Teil interaktiv mit, indem sie z.B. Musik- und<br />
Themenwünsche einbringen.<br />
Im Zuge der allgemeinen Tagesnachrichten werden<br />
oftmals viele Bereiche abgedeckt, jedoch<br />
das Thema „Behinderung“ und die dazu gehörigen<br />
Bereiche sowie Berichte bleiben oft auf<br />
der Strecke. Es herrscht demnach ein enormer<br />
Informationsbedarf bei der erschreckend schnell<br />
wachsenden Zielgruppe der Betroffenen und deren<br />
Angehörigen.<br />
Sechs Jahre Berichtserstattung und zahlreiche<br />
Produktionen liegen mittlerweile hinter den Mitarbeitern<br />
des Trägervereins des Projektes, dem<br />
als gemeinnützig anerkannten Health-Media<br />
e.V.<br />
Radio4Handicaps berichtet alle zwei Jahre von<br />
den Paralympischen Spielen (2004 Athen / 2006<br />
Turin / 2008 Peking). Auch wenn die Medienberichterstattung<br />
über die Paralympics in Welt-,<br />
Europa- oder Deutsche Meisterschaften in den<br />
letzten Jahren erfreulicherweise umfangreicher<br />
PARAPLEGIKER 1/09 57
q – querschnitt spezial<br />
58<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
geworden ist, so lässt eine regelmäßige Berichtserstattung<br />
über den Behindertensport immer<br />
noch sehr zu wünschen übrig. Vor allem finden<br />
regionale Veranstaltungen und Wettkämpfe<br />
kaum redaktionelle Beachtung in den Medien.<br />
Interessierte Mitarbeiter mit und ohne Behinderung<br />
sind für redaktionelle Beiträge, Internetrecherchen,<br />
Texterstellung und insbesondere für<br />
die Homepage-Bearbeitung jederzeit herzlich<br />
willkommen. Alle Tätigkeiten können von zuhause<br />
durchgeführt werden - PC und Internetanschluss<br />
natürlich vorausgesetzt.<br />
Unter allen Anfragen zur Mitarbeit oder allgemeinen<br />
Fragen zum Sendekonzept oder zur Ko-<br />
operation <strong>Paraplegiker</strong> – Radio4Handicaps, die<br />
bis zum 15.4.<strong>2009</strong> per E-mail an Redaktion@<br />
Radio4Handicaps.eu eingehen, werden drei<br />
Exemplare des Buches „Wie ich das Laufen verlernte“<br />
verlost, in dem R4H Teammitglied Robert<br />
Schneider seine Geschichte erzählt. Robert<br />
ist <strong>Paraplegiker</strong>.<br />
Kontakt :<br />
Radio4Handicaps:<br />
www.Radi4Handi caps.eu<br />
eMail Redaktion@Radio4Handicaps.eu<br />
tel 0 46 61-67 57 73<br />
Neues Zeitschriften-Archiv:<br />
M<br />
it der vorliegenden Ausgabe des <strong>Paraplegiker</strong>s<br />
wird die Tradition eines Forums für Betroffen<br />
Körperbehinderte folgerichtig fortgesetzt,<br />
die 1982 im 1. Erscheinungsjahr des Paraplekgikers<br />
als Organ für Querschnittgelähmte begann<br />
und sich in den Jahren von 2001 bis 2008<br />
mit der Zeitschrift „B“ für alle Körperbehinderte<br />
thematisch erweiterte.<br />
Damit die Beiträge der vergangenen Jahre nicht<br />
ganz vergessen werden und für jeden Interessenten<br />
erhalten bleiben, hat die FGQ Kontaktstelle<br />
Ruhrgebiet ein Archiv aufgebaut. Hier<br />
finden sich zum Nachschlagen alle ehemaligen<br />
Ausgaben des Paraplegigkers und der Zeitschrift<br />
„B“. Das Archiv wird verwaltet durch das<br />
„Servicezentrum für Behinderte“ an der Ruhr-<br />
Universität Bochum im Studierendenhaus der<br />
Ruhr-Universität Bochum. Wer in die gedruckte<br />
Geschichte(n) dieser Zeitschriften eintauchen<br />
möchte kann dies nach vorheriger telefonischer<br />
Anmeldung und Terminabsprache tun.<br />
Interessenten melden sich beim:<br />
Servicezentrum für Behinderte (SZB)<br />
tel 02 34-9 70 23 10<br />
eMail szb@akafoe.de<br />
Universitätstraße 150<br />
44801 Bochum<br />
Wegbeschreibung:<br />
Im Erdgeschoss des Studierendenhauses<br />
Ebene O der Ruhr Universität Bochum
Bundesverdienst-<br />
kreuz für<br />
Winfried Kolibius<br />
In Anerkennung seiner besonderen<br />
Verdienste für seine langjährige und<br />
beispielhafte Arbeit im Förderverein<br />
für die Deutsche Stiftung Querschnittlähmung<br />
(PRO DSQ) wurde Herr Winfried<br />
Kolibius vom Bundespräsidenten<br />
mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik<br />
Deutschland ausgezeichnet.<br />
A<br />
uszug aus der Laudatio: „ ‚In der gesamten<br />
abendländischen Tradition, sei es aus der Sicht<br />
der klassischen Antike oder der des Christentums,<br />
gehört der individuelle Beitrag zum allgemeinen<br />
Wohl unverzichtbar zu einem sinnerfüllten<br />
Leben.’ Sie, Herr Kolibius, scheinen das<br />
auch gelesen zu haben, denn für Sie war diese<br />
Ehrung unnötig und verzichtbar. Doch genau diese<br />
Haltung prädestiniert Sie besonders als Vorbild<br />
im heutigen Stiftungswesen: Keiner ist so<br />
aktiv wie Sie.<br />
Sie bestimmen maßgeblich die strategische Ausrichtung<br />
der Stiftung mit. Wichtiger ist, dass Sie<br />
mit einem ungeheueren Zeitaufwand einer der<br />
wenigen sind, die tatsächlich auch bei der Umsetzung<br />
unserer Ziele Hand anlegen. Solche Vorbilder<br />
braucht eine Stiftung in der Hoffnung auf<br />
Nachahmer.<br />
Sie waren ein aktiver Stiftungsrat: Tombolas,<br />
Messeauftritte, die Organisation von Veranstaltungen<br />
anlässlich der Verleihung unseres Forschungsförderpreises.<br />
Ihre besonderen Fähigkeiten<br />
in der virtuellen Kommunikation haben<br />
Sie für den internationalen Erfahrungsaustausch<br />
mit russischen Ärzten zur Verfügung gestellt. Die<br />
Präventionskampagne gegen Querschnittlähmung<br />
wäre ohne Sie nie gestartet. Sie haben die<br />
Anlage unseres Stiftungsvermögens wesentlich<br />
verbessert. Ihr Rat im Stiftungsrat, dem obersten<br />
Gremium unserer Stiftung, ist gefragt und nicht<br />
nur in finanziellen Fragen von hoher Kompetenz<br />
geprägt. Die Deutsche Stiftung Querschnittlähmung<br />
dankt Ihnen für Ihre Leistung!“<br />
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FAMILIENORIENTIERT • ALTERSBEWUSST • ROLLSTUHLGERECHT<br />
Seit Jahren berät der erfolgreiche Monoskifahrer<br />
Martin Braxenthaler HAAS Fertigbau bei der<br />
Entwicklung barrierefreier Lebensräume. Seine aktive<br />
Lebensweise und sein aufmerksamer Blick für das<br />
Wesentliche liefern wertvolle Kriterien für die<br />
Planung der durchdachten HAAS Raumkonzepte.<br />
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kultur<br />
Rolli-<br />
Normal ist das nicht<br />
Ein<br />
Donnerstagabend<br />
im März,<br />
Heimspiel<br />
für Mike Al<br />
Becker in seiner<br />
Geburtsstadt<br />
Hagen, in einem<br />
Kellerlokal namens<br />
„Catacombe“. Die<br />
Anreise quer durchs<br />
Ruhrgebiet ist wie üblich<br />
verkehrsreich, aber<br />
jetzt sind wir da, gerade<br />
noch rechtzeitig.<br />
60<br />
ocker Mike Al Becker live:<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Mikes freundlicher Assistent (oder Roadie,<br />
das kommt aufs Gleiche heraus) Heiko<br />
empfängt uns und hilft mir die Treppe runter.<br />
Natürlich ist sein Arbeitgeber in erster<br />
Linie Rockmusiker, aber eben auch Rollstuhlfahrer.<br />
Das ist nichts, was der „Rolli-<br />
mann“, wie er sich in einem seiner frühen<br />
Titel nennt, vergessen kann oder will. Im<br />
Gegenteil, die Behinderung ist Teil des<br />
Programms, wenn nicht sogar ihr wichtigster<br />
Bestandteil.<br />
Natürlich geht es vordergründig um die<br />
Musik, hier knackiger Gitarren-Rock. Vor<br />
dem Autounfall 1987, die den 1961 geborenen<br />
Betriebsschlosser zum hoch gelähmten<br />
Querschnittgelähmten (Tetraplegiker)<br />
macht, spielte auch Mike Al Becker<br />
Gitarre in lokalen Bands. Das konnte er mit<br />
Tetrafi ngern sofort vergessen. Aber singen<br />
konnte er noch, bis heute ist seine Stimme<br />
erstaunlich kräftig, scheint mit der Zeit sogar<br />
stärker zu werden. Dazu kam die Harp,<br />
heute immer noch in der härter gewordenen<br />
Rock-Musik als Akzent genutzt.<br />
Die Botschaft aber steckt in den Texten.<br />
Zwar ist der Sound klarer als früher, eine<br />
bessere Verständlichkeit wäre aber auch<br />
an diesem Abend in Hagen wünschenswert.<br />
Leider ist die Bude auch nicht so voll<br />
wie sie sein könnte, maximal zwei Dutzend<br />
Leute gehen allerdings begeistert mit.<br />
Da wird nichts kaschiert. Zu Beginn heben<br />
Bandmitglieder und Roadies den Chef<br />
nicht nur mit Rolli auf die Bühne, sondern<br />
platzieren ihn oben auf einem Podest, so<br />
dass er mindestens auf Augenhöhe mit<br />
den anderen Musikern ist. Das sind der<br />
Dr. der Psychologie Andy Krombholz am<br />
Bass, Marco Maggiorelli an der Gitarre und<br />
dem Schlagzeuger Michael Gassmann. Die<br />
Band, gelegentlich immer noch als „Die<br />
Simulanten“ bezeichnet oder vom Frontmann<br />
auch schon mal spöttisch als die<br />
„Engel, die mir Flügel verleihen“, versteht<br />
ihr Handwerk und liefert einen soliden mitreißenden<br />
Rock ab, der durch häufi gen<br />
Tempowechsel, Soli und vereinzelt eingestreute<br />
Balladen nie langweilig wird.<br />
Zeit für die Becker’sche Botschaft. Nicht,<br />
dass die mit erhobenem Zeigefi nger (wäre<br />
auch schwierig) oder mit der Moralkeule<br />
serviert würde. Er schafft es durchgehend<br />
sein komplettes Publikum mitzunehmen<br />
ohne sich zu verbiegen. Wichtigste Instrumente<br />
dabei sind Humor, gelegentlich<br />
sehr sarkastischer wie von altgedienten<br />
Rollis bekannt, und Gefühle, nicht selten<br />
negative wie Wut oder Trauer, die aber<br />
nicht bitter kommen, sondern ehrlich
und offen, gelegentlich ruppig. Er fordert<br />
seinesgleichen damit auf, dem eigenen<br />
Schicksal nicht nur die Stirn zu bieten sondern<br />
selbst was zu machen und bietet sich<br />
gleich als Beispiel an. Das bedeutet wohl<br />
kaum, dass alle von der Reha gleich<br />
auf die Rockstar-Bühne wechseln sollen,<br />
aber die Bühne des Lebens bietet<br />
ja genug Möglichkeiten, wichtig nur,<br />
dass man sich nicht hängen lässt, sondern<br />
zu sich selbst findet.<br />
Mike Al Becker ist bei sich angekommen<br />
und kann sich deshalb auch über sich<br />
selbst lustig machen. Er widmet „Hey<br />
Mama“ allen über 40 jährigen, die noch im<br />
Elternhaus wohnen und reimt sich seinen<br />
Lebensweg selbst: „Ich dreh am Rad den<br />
ganzen Tag und fahr voll ab auf Holzbelag.“<br />
Wer ihm dumm kommt, kriegt schon<br />
mal einen mit: „Du Eierdieb, du schwarze<br />
Seele“. Die zentrale Botschaft aber: „Statt<br />
zu Hause rumzusitzen (…) komm komm<br />
komm, Du bist nicht allein (…) Rock’n’<br />
Roll.“ Und manchmal, richtig politisch:<br />
„Normal ist das nicht, hörst Du die Leute<br />
sagen (…) und das ist Dir scheißegal.“ Genau,<br />
denke ich, das ist es.<br />
Das Konzert endet mit Zugaben, über die<br />
der Sänger witzelt: „Ich komm hier eh nicht<br />
so schnell weg.“ Dann trinkt er noch ein<br />
wenig Tee mit Honig, auch Rock’n’Roller<br />
werden älter und vernünftiger, bis dann<br />
auch dieses energiereiche Konzert endet:<br />
„Gute Nacht, John Boy“.<br />
Text & Fotos:<br />
Peter Mand<br />
kultur<br />
Kontakt & Booking:<br />
Mike Al Becker<br />
Fichtenstr. 37<br />
58239 Schwerte<br />
tel 0 23 04-96 31 74<br />
eMail: Rollimann@aol.com<br />
www.rollimann.de<br />
(Da gibts auch die<br />
aktuelle CD!)<br />
PARAPLEGIKER 1/09 61
kultur<br />
Kunst kennt keine Behinderung<br />
62<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Kunst schlägt Brücken. Kunst reißt Barrieren ein. Kunst macht den<br />
Blick frei. Besonders wirksam kann Kunst sein, wenn es um die Beseitigung<br />
von Barrieren in den Köpfen geht. Künstlerisches Schaffen<br />
bietet in besonderem Maße für Menschen mit Behinderungen die<br />
Möglichkeit echter Teilhabe am Leben mit und in der Gesellschaft.<br />
Der Maler Jörg Paul Käse.<br />
„In<br />
was für einer Gesellschaft wollen wir<br />
leben?“ Diese Frage wurde im Rahmen<br />
des Projektes „Die Gesellschafter“ von<br />
Aktion Mensch für ein gerechteres Zusammenleben<br />
gestellt. Vielleicht lässt sie sich<br />
im künstlerischen Handeln und Tun leichter<br />
beantworten als im Alltag. In der Kunst<br />
stellt sich nicht die Frage von Normalität.<br />
Sie hat hier keine Grundlage und keinen<br />
Ansatz sich zu etablieren. Der Gedanke<br />
„Es ist normal verschieden zu sein“ ist<br />
die einzige greifbare Maxime. Die Kunst<br />
allein betreffend ist dies allgemein anerkannt.<br />
Das lässt sich an der Vielfältigkeit<br />
der Kunst- und Kulturlandschaft deutlich<br />
erkennen. Kein Wunder also, dass dieser<br />
gesellschaftliche Teilbereich immer stärker<br />
von Menschen mit Behinderungen genutzt<br />
wird.<br />
Kunst sucht nach Ausdrucks-, nicht nach<br />
Ausgrenzungsformen. Sie muss nichts<br />
kompensieren und ist oft Vorreiter von<br />
gesellschaftlichen Veränderungsprozessen.<br />
Kunst- und Kulturprojekte von und<br />
mit Menschen mit Behinderungen schaffen<br />
auf der Grundlage des künstlerisch<br />
kreativen Ausdrucks Möglichkeiten sich<br />
kennen zu lernen und machen Integration<br />
wirkungsvoll und nachhaltig zum Alltagsthema.<br />
Theaterspielende Menschen, egal ob Laien<br />
oder Profis, ob behindert oder nicht, haben<br />
die Erfahrung gemacht, dass das Theater<br />
per se Erfahrungen mit sich selber und der<br />
Welt beinhaltet. Theaterspielen vermittelt<br />
menschliche Grunderfahrungen: Liebe,<br />
Hass, Wut, Angst, Missgunst, Neid, Nähe,<br />
Distanz. Die unterschiedlichsten Kompe-<br />
tenzen sind gefragt, nicht nur die üblichen<br />
kognitiven und sprachlichen, sondern in<br />
gleichem Maße emotionale, physische
und kreative Fähigkeiten. Theaterspielen bedeutet darüber hinaus<br />
auch die gemeinsame Bewältigung von Arbeit, Stress, Lampenfieber,<br />
Applaus und Kritik. Dennoch bleibt der Aspekt Therapie im<br />
Hintergrund und geschieht als Nebenprodukt des künstlerischen<br />
Vorgangs.<br />
„Barner 16“ beispielsweise bietet Menschen mit Handicaps die<br />
Möglichkeit künstlerischer Arbeit. Von 1991 bis 2004 befand sich<br />
Barner 16 noch unter dem Namen „station 17“ auf dem Gelände der<br />
Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Unter diesem Namen finden sich<br />
heute unterschiedliche Einzelprojekte zusammen; die Band „Station<br />
17“, das Filmkollektiv „von der rolle“, und die Nachwuchsband<br />
„kUNDEkÖNIG“.<br />
Beim „Kongress der Planetenvereinigung“, einer Science-Fiction-Lichtspiel-Operette,<br />
arbeiteten erstmals alle Arbeitsbereiche in<br />
einem Projekt zusammen. Eine überraschende Entdeckung wird gemacht:<br />
Es gibt noch einen unerforschten Planeten namens „Erde“.<br />
Um herauszufinden, ob er für eine Aufnahme in die Planetenvereinigung<br />
geeignet ist, werden Herrmann und seine Forscherkollegen<br />
auf die Erde geschickt. Auf einem Kongress sollen die Ergebnisse<br />
präsentiert werden. Ein Orchester wird hierfür eigens aus dem Tiefschlaf<br />
geweckt. Doch bis zur Entscheidungsverkündung kommt es<br />
zu Komplikationen und die Ereignisse fangen an, sich zu überschlagen.<br />
Schauspieler von „HAJUSOM“, dem Theaterkollektiv jugendlicher<br />
Flüchtlinge aus Afrika und Afghanistan, sowie Lana Cooper<br />
und der Hamburger Musiker Jacques Palminger (Studio Braun) vervollständigten<br />
das Ensemble dieses Multimedia-Spektakels. An diesem<br />
Beispiel wird deutlich wie gehaltvoll integrative Projektarbeit<br />
sein kann.<br />
Ein weiteres Beispiel ist der Maler Jörg Paul Käse (Foto), der Ende<br />
Februar seine vierte Ausstellungseröffnung in Schleswig-Holstein<br />
feiern konnte. Er lebt und arbeitet in Rendsburg-Neuwerk. Für ihn<br />
bedeutet der Schaffensprozess eines Bildes eine intensive Auseinandersetzung<br />
mit sich selbst. Ein Prozess, der für ihn, im persönlichen<br />
Gespräch bemerkt, auch mit Schmerzen verbunden sein kann.<br />
Schmerzen, die er gar nicht näher beschreiben kann und die er mit<br />
einem verschmitzten Lächeln auf sein Alter abwälzt. Er beschreibt es<br />
aber auch als einen Blick in den Spiegel, der nicht unbedingt schön<br />
ist.<br />
Jörg Paul Käse ist aufgrund von Drogengebrauch heute schwerbehindert.<br />
Auf die Frage wie er zum Malen gekommen sei, erinnert<br />
er sich an seinen ersten Schultag, an dem alle Schulanfänger ein<br />
Bild malen sollten. Kreativität und das Schaffen von Kunstwerken<br />
ist fester Bestandteil im Leben des Jörg Paul Käse. Inwieweit Kunst<br />
und Therapie einander bedingen, werde ich in der nächsten Ausgabe<br />
erläutern.<br />
Text & Fotos:<br />
Ralph Büsing<br />
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sport sport<br />
Marios persönlicher Rekord<br />
64<br />
Querschnittgelähmter<br />
Gewichtheber:<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Zwei Minuten unter Hochspannung:<br />
Mario beim Wettkampf.<br />
Mario Hochberg aus Gotha ist Profi-Gewichtheber und hat schon<br />
drei Mal an Paralympischen Spielen teilgenommen. Im Vergleich mit<br />
kord geleistet. Darüber hinaus ist er bester Europäer.<br />
Zwar gewinnt er keine Medaille, aber:<br />
„Mit diesem Ergebnis bin ich zufrieden, denn ich<br />
hatte nur mit einem achten oder neunten Platz<br />
gerechnet“, gibt der 38 jährige zu. Letztendlich<br />
habe aber auch Trainer Thomas Mersdorf seinen<br />
Anteil zu dieser guten Leistung beigetragen: „Wir<br />
sind ein richtiges Gespann und ticken ‚synchron’“<br />
so der querschnittgelähmte Sportler, der 2 000<br />
schon auf den Paralympics in Sydney den elften<br />
Platz errungen hatte und vor vier Jahren auch in<br />
Athen angetreten war, dort aber leider kurzfristig<br />
erkrankte.<br />
Sydney und Athen hat ihn Peking am meisten beeindruckt.<br />
Fünftausend Sportfans aus aller Welt halten gespannt<br />
den Atem an, als Mario Hochberg sich<br />
auf die Bank legt. Der Trainer fixiert die Beine<br />
des Gewichthebers, verlässt die Bühne und der<br />
Versuch beginnt. Nach der Konzentrationsphase<br />
nimmt Mario das Gewicht aus dem Ständer und<br />
hält es mit gestreckten Armen über seine Brust,<br />
wartet auf das Startzeichen des Hauptkampfrichters.<br />
Nun lässt er das Gewicht langsam zur Brust<br />
ab, dort angekommen muss er eine Sekunde<br />
stoppen und danach die Hantel gleichmäßig dynamisch<br />
nach oben hinausdrücken. Nun gibt ihm<br />
der Kampfrichter das Absetzzeichen und Mario<br />
kann die Hantel wieder in die Ständer legen. Vom<br />
Aufruf bis zum Hinlegen und dem Versuch hatte<br />
er nur zwei Minuten Zeit.<br />
Die Spannung löst sich und die Zuschauer klatschen<br />
begeistert Beifall: Mario hat auf den Paralympics<br />
in Peking den fünften Platz im Gewichtheben<br />
der Klasse 100 + erkämpft und auf<br />
internationaler Ebene seinen persönlichen Re-<br />
Peking war für ihn die dritte paralympische Station.<br />
Die Hauptstadt Chinas habe in mancherlei<br />
Hinsicht viele andere Metropolen übertroffen,<br />
vergleicht Mario, der als einziger deutscher Gewichtheber<br />
mit Handikap an internationalen<br />
Wettkämpfen teilnimmt. Er lebt in Gotha am<br />
Thüringer Wald und ist seit frühester Kindheit<br />
begeisterter Sportler: „Wenn ich aus der Schule<br />
kam, warf ich den Ranzen in die Ecke und lief so-
fort zum Sportplatz“, berichtet Mario. Als er sich<br />
nach der Wende beim Kicken am Knie verletzte,<br />
musste er sich neu orientieren: „Ich trat in einen<br />
Kraftsportverein ein und begann, mit Hanteln zu<br />
trainieren.“<br />
Nach der Entlassung aus dem Wehrdienst, kurz<br />
nach der Wende, war gerade der Betrieb geschlossen<br />
worden, in dem Mario als Instandhaltungsmechaniker<br />
gearbeitet hatte. „Deshalb ließ ich mich<br />
zum Zimmermann und Dachdecker umschulen“,<br />
so der Sportler. Aufgrund des Baubooms Anfang<br />
der Neunziger ein Beruf mit goldenem Boden. In<br />
seiner Freizeit trainierte Mario fleißig Hantelkniebeugen,<br />
Bankdrücken und Kreuzheben. 1993 und<br />
das Jahr darauf wurde er Thüringer Landesmeister<br />
im Bankdrücken.<br />
Nach einem Arbeitsunfall im Herbst 1995 war<br />
es zunächst ungewiss, ob Mario jemals wieder<br />
Kraftsport treiben kann: „Ich stürzte vom Dach<br />
und wurde aufgrund einer Querschnittlähmung<br />
sofort in die Zentralklinik Bad Berka eingeliefert“,<br />
berichtet er. Nach der Akutbehandlung folgten<br />
sieben Monate Reha in Kreischa. „Als ich endlich<br />
heimkehren durfte, begrüßten mich alle meine<br />
Freunde, um mit mir zu feiern“, erinnert sich Mario.<br />
Auch Partnerin Melanie stellte sich der Herausforderung:<br />
„Sie sagte mir damals, dass wir<br />
es trotz meines Handikaps gemeinsam schaffen<br />
werden, wenn wir beide nach vorn schauen.“ Melanie<br />
sollte Recht behalten. Kurz nach den Paralympics<br />
2000 kam Sohn Hans zur Welt. Mario: „Er<br />
hat brav bis zu meiner Rückkehr aus Australien<br />
gewartet.“ Im Sommer 2003 heiratete das Paar.<br />
Strenge Disziplin beim Essen<br />
In einer zweiten Umschulung sah der Sportler<br />
keine Perspektiven mehr. „Wir hatten beschlossen,<br />
ein neues barrierefreies Haus zu bauen. Als<br />
Fachmann übernahm ich natürlich bis Ende 1999<br />
selbst die Rolle des ‚Bauleiters’“, berichtet er. Bereits<br />
ein Jahr nach dem Unfall hatte er aber schon<br />
wieder im Heimatverein BFH e.V. zu trainieren<br />
begonnen und 1997 nahm er am Wettkampf für<br />
„aktive“, also nicht behinderte Gewichtheber auf<br />
Landesebene teil. Und gewann prompt die Thüringer<br />
Vize-Meisterschaft. „Die unteren Extremitäten<br />
werden ja bei diesem Sport nicht gebraucht“,<br />
unterstreicht Mario. Aufgrund unkontrollierbarer<br />
Spastiken muss er allerdings auf der Bank seine<br />
Beine fixieren lassen. „Die Muskelreflexe haben<br />
aber auch den Vorteil, dass sie die Rückbildung<br />
der Muskulatur verzögern und die Durchblutung<br />
der Beine anregen“, sieht es der Athlet positiv.<br />
Nicht zuletzt wohl deshalb kenne er einen Dekubitus<br />
zum Glück nur vom Hörensagen.<br />
1996 schloss sich Mario auch dem BiG (Basketball<br />
in Gotha) an, um parallel Rolli-Basketball zu spielen.<br />
Irgendwann erfuhr er, dass es im Deutschen<br />
Behindertensportverband e. V. eine Abteilung für<br />
Gewichtheber mit Handikap gibt, und nahm von<br />
nun an auch im Bad Wildunger Leistungszentrum<br />
an Leistungslehrgängen für Profis teil. Nach der<br />
Qualifikation auf mehreren Thüringer und Deutschen<br />
Meisterschaften startete er 1999 in Budapest<br />
für die Europameisterschaft und belegte mit<br />
einer Leistung von 175 kg den 8. Platz. Nur ein<br />
Jahr später erreichte Mario auf den Paralympics<br />
in Sydney den 11. Platz mit 192,5 kg.<br />
Neben weiteren Meistertiteln auf Landes- und nationaler<br />
Ebene gewann der Sportler auch auf zahlreichen<br />
Europa- und Weltmeisterschaften immer<br />
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<br />
sport sport
sport sport<br />
66<br />
wieder Plätze auf dem Siegertreppchen. Das setzt<br />
natürlich eiserne Disziplin voraus: „Ich trainiere<br />
regelmäßig in meinem Heimatverein“, berichtet<br />
Mario, der mittlerweile auch zum Vizepräsidenten<br />
des BFH e.V. Gotha gewählt worden ist. Alle zwei<br />
Wochen fährt er nach Frankfurt / Main, um sich<br />
unter Anleitung von Trainer und Physiotherapeut<br />
Thomas Mersdorf auf internationale Wettkämpfe<br />
vorzubereiten. Darüber hinaus nimmt der Sportler<br />
an mehreren Leistungslehrgängen in Bad Wildungen<br />
zusammen mit anderen behinderten Gewichthebern<br />
aus ganz Deutschland teil.<br />
Im Gegensatz zu anderen paralympischen Sportarten<br />
gibt es in der Disziplin Gewichtheben keine<br />
Schadensklassen, sondern man unterteilt die<br />
Leistungen in Gewichtsklassen. „Deshalb spielt<br />
die Art der Behinderung keine Rolle“, erklärt<br />
Mario. Weltweit gäbe es in jeder Gewichtsklasse<br />
wohl maximal zwei Querschnittgelähmte. Viele<br />
Gewichtheber mit Handikap seien hingegen<br />
an Polio erkrankt gewesen oder beinamputiert.<br />
„Das Wichtigste bei diesem Sport ist eine einwandfreie<br />
Greiffunktion“, so der Sportler. Neben<br />
ausdauerndem Training sei auch eine ausgewogene<br />
Ernährung ein Erfolgsfaktor. Mario: „Die<br />
Vollwertkost ist eine gute Grundlage. Gewichtheber<br />
sollten nicht zu fett essen und mit Zucker<br />
sparsam umgehen.“ Vor Belastungen sollte der<br />
Sportler allerdings mehr Kohlehydrate zu sich<br />
nehmen, danach sei eine eiweißbetonte Kost angesagt.<br />
„Insbesondere Neueinsteiger sollten aber<br />
nie ohne fachmännischen Rat ihren Speisezettel<br />
zusammenstellen“, empfiehlt Mario.<br />
Auf der Chinesischen Mauer<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Der 1. Platz auf der 2. Internationalen Meisterschaft<br />
in Thessaloniki Anfang des vorigen Jahres<br />
war für ihn das „Sprungbrett“ nach Peking. „In<br />
Griechenland erreichte ich mit 207,5 Kilogramm<br />
meine bis dahin persönliche Bestleistung, die ich<br />
im gleichen Jahr auf der Deutschen Meisterschaft<br />
des Deutschen Behindertensportverbands und<br />
dem Giessener Champions Cup (1. Platz) noch<br />
um 2,5 Kilogramm toppen konnte“, berichtet der<br />
Sportler. Am 25. Juni wurde ihm das Flugticket in<br />
das Reich der Mitte zugeschickt. „Nun wurde es<br />
ernst. Ich richtete mich auf einen regelmäßigen<br />
Tagesablauf ein und beschränkte mich auf das<br />
Wesentliche“, erinnert er sich. Als Mario dann im<br />
Fernsehen die Eröffnung der Olympischen Spiele<br />
sah, glaubte er sich schon fast dabei: „Es hat richtig<br />
gekribbelt. Die Show war wunderschön. So<br />
viel Perfektion hatte ich nie zuvor gesehen“, so<br />
der Sportler begeistert.<br />
Am 4. September startete er mit seinem Trainer<br />
in Frankfurt / Main. „Mein Start war für den 16.<br />
September geplant. Damit die Spannung nicht zu<br />
groß wird, hatte ich beschlossen, lieber so lange<br />
wie möglich zu Hause trainieren“, gibt Mario zu<br />
bedenken. Als das „Gespann“ einen Tag später<br />
in Peking Airport landete, wurde es durch hilfsbereite<br />
„Volunteers“ empfangen. „Die Organisation<br />
war so perfekt wie nirgendwo sonst“, erinnert<br />
sich der Sportler. Thomas Mersdorf hatte<br />
die Stadt schon zwei Jahre vorher besucht. „Er<br />
erkannte sie nicht wieder. Alles picobello sauber,<br />
die Häuser frisch gestrichen und die Menschen<br />
waren auf das große Ereignis eingestellt“, berichtet<br />
der Athlet. Einen Tag nach der Ankunft wurden<br />
die Sportler mit erdgasbetriebenen Bussen zum<br />
Stadion gefahren. Mario: „Es war ein toller Augenblick,<br />
als wir aus den ‚Katakomben’ heraus in<br />
das hell erleuchtete Stadion fuhren und von 90<br />
000 Menschen bejubelt wurden.“<br />
Das Olympische Dorf, das große Zeltrestaurant,<br />
in dem rund um die Uhr internationale Köstlichkeiten<br />
gereicht wurden, sowie die Vorbereitungsräume<br />
für die Sportler seien einfach perfekt gewesen:<br />
„Es gab sogar einen Ruheraum. So etwas<br />
hatte ich auf früheren paralympischen Spielen<br />
nicht gesehen“, schwärmt Mario. Die Chinesen<br />
seien sehr freundliche und fleißige Menschen:<br />
„Wir haben Kontakte mit vielen ‚Volunteers’ ge-
Die Verbotene Stadt kann man auch mit<br />
dem Rolli erleben.<br />
habt. Eine junge Frau sprach sogar akzentfrei<br />
deutsch, obwohl sie nie in Deutschland gewesen<br />
ist.“ Sämtliche Reisebusse, mit denen die Sportler<br />
Ausflüge unternahmen, seien mit Unterflurrampen<br />
ausgestattet gewesen. „Wir konnten sogar<br />
auf einer Rampe die Mauer hinauffahren, um von<br />
dort das wunderschöne Panorama zu genießen“,<br />
berichtet der Sportler.<br />
Chinesen wünschen sich<br />
gute Beziehungen<br />
Auch die „Verbotene Stadt“ sei auf Besucher mit<br />
Handikap eingerichtet: „Über Rampen kann man<br />
auch auf vier Rädern die Tempel befahren und<br />
dort, wo dies einfach nicht möglich war, hatte man<br />
Treppenkulis installiert.“ Richtig genießen konnte<br />
Mario die chinesische Gastfreundschaft allerdings<br />
erst nach dem Wettkampf. „Abends besuchten<br />
wir das ‚Deutsche Haus’, das ein Sponsor für die<br />
Teilnehmer der Paralympics eröffnet hatte. Nun<br />
war der Druck raus und das Freibier floss in Strömen“,<br />
berichtet Mario. Nach der Abschlussfeier<br />
am 17. September flogen die meisten Sportler in<br />
die Heimat zurück.<br />
Genau diesen Zeitpunkt hatten aber der Gothaer<br />
und sein Trainer abgewartet, um endlich China<br />
hautnah erleben zu können. „Zwei ‚Volunteers’<br />
– sie nannten sich ‚Catherine’ und ‚Alex’, weil wir<br />
ihre chinesischen Namen kaum hätten aussprechen<br />
können – zeigten uns die neue Sport-Universität<br />
mit vorbildlichen Anlagen. Auch begleiteten<br />
sie uns einen ganzen Tag lang durch Peking“,<br />
erinnert sich Mario. Abends besuchten sie ein<br />
Restaurant, um landesübliche Gerichte aus dem<br />
„Hot Pot“ zu genießen. „Wir kannten die beiden<br />
Freunde schon aus dem Trainingsraum. Jedes<br />
Mal, wenn wir uns sahen, überreichten sie uns<br />
kleine Geschenke“, berichtet der Sportler. Wer<br />
weiß, vielleicht geht Alex’ Traum, an der Kölner<br />
Sporthochschule zu studieren, irgendwann in Erfüllung.<br />
Auch Catherine hat ehrgeizige Pläne und<br />
würde gern Deutschland kennen lernen.<br />
Mario ist heute noch froh, dass ihn die beiden<br />
freundlichen jungen Leute begleitet haben: „In<br />
Peking spricht kaum jemand Englisch, noch nicht<br />
einmal die Taxifahrer“, hat er beobachtet. Nicht<br />
anders ist es in Shanghai, das wesentlich mehr<br />
vom Westen geprägt ist als die Hauptstadt: „Eine<br />
sehr beeindruckende Stadt mit ihren Hochhäusern<br />
und bis zu sechs Hochstraßen übereinander.“<br />
Trotz der modernen Verkehrswege gäbe es in den<br />
Rush hours regelmäßig ein Chaos. Mario und<br />
sein Trainer haben natürlich auch den Transrapid<br />
getestet: „Vierzig Kilometer von der Innenstadt<br />
zum Flugplatz für 4 €. Die hohe Geschwindigkeit<br />
von über 400 km/h nimmt man im Inneren dieses<br />
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68<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Zugs allerdings überhaupt nicht wahr“, staunt<br />
der Sportler.<br />
In Shanghai seien indessen noch nicht so viele<br />
Barrieren beseitigt worden wie in der Olympiastadt:<br />
„Wir sind problemlos im Aufzug des Oriental<br />
Pearl Tower hochgefahren. Aber die Stadt<br />
hat für Rollifahrer ihre Tücken.“ Mario blieb allerdings<br />
gelassen: „Ich wollte ja fünf Tage die<br />
Seele baumeln lassen und hab deshalb viel Zeit<br />
am Pool unseres Hotels verbracht.“ Das Hotel sei<br />
natürlich superkomfortabel gewesen. Dort war es<br />
auch nicht schwierig, sich zu verständigen. Aber<br />
außerhalb? „Die Concierges haben den Gästen<br />
chinesisch beschriftete Taxikarten gegeben, da-<br />
Eine Patientin berichtet:<br />
mit sie sicher ans Ziel kommen“, berichtet der<br />
Sportler. Nur einmal hatte er außerhalb des Olympischen<br />
Dorfs und des Hotels Gelegenheit, sich<br />
mit Einheimischen auf Englisch zu unterhalten:<br />
„Auf dem Weg zum Peking Airport trafen wir im<br />
Bus Volunteers. Sie hatten natürlich den Knatsch<br />
um den Kontakt Angela Merkels mit dem Dalai<br />
Lama mitbekommen und sagten mir, dass sie sich<br />
wieder bessere Beziehungen zwischen Deutschland<br />
und China wünschen.“<br />
www.mariohochberg.de<br />
Text: Reinhard Wylegalla<br />
Fotos: Privat<br />
Rollstuhlbasketballturnier<br />
in Herdecke<br />
Das 18. Rollstuhlbasketballturnier am Gemeinschaftskrankenhaus<br />
Herdecke war ein voller Erfolg. Neben<br />
dem sportlichen Ereignis fand sich Gelegenheit zum<br />
sozialen Austausch und für manches Wiedersehen.<br />
Für Verpfl egung war gesorgt und die Sportler und ihre<br />
Fans brachten jede Menge gute Stimmung mit.<br />
E<br />
ine Patientin berichtet: „Viele waren der netten<br />
Einladung von Annette Grave gefolgt. Schon früh<br />
am Morgen (8 Uhr) trafen sich viele Helfer um<br />
Brote zu schmieren und zu verzieren. Außerdem<br />
mussten Tische und Stühle geschleppt und die<br />
Halle für den Spielbetrieb vorbereitet werden.<br />
Um 14 Uhr begann dann das Rollstuhlbasketballturnier<br />
des Gemeinschaftskrankenhauses<br />
Herdecke, an dem jeder Interessierte teilnehmen<br />
konnte. Es hatten sich vor Ort Patienten, Pfl eger,<br />
Therapeuten, Gäste und aktive Spieler gefunden,<br />
aus denen 8 Mannschaften entstanden. Sie gaben<br />
sich phantasievolle Namen wie „Kosmosfl itzer“,<br />
„Silberpfeile“, „Nursing Wheels“, „Friseure 4<br />
West“ und „Sitting Squaws“. Als Gastmannschaft<br />
konnten die Spieler aus Vollmarstein begrüßt werden.<br />
Die 8 Mannschaften wurden in 2 Gruppen<br />
aufgeteilt, 4 Mannschaften spielten gegeneinander<br />
– jeweils 10 Minuten. Es gab ein Halbfi nale<br />
und ein Endspiel.<br />
Viele Besucher und Gäste sowie ehemalige Patienten<br />
säumten das Spielfeld, um die Spieler<br />
anzufeuern Besonderer<br />
Applaus galt den 22 Kindern,<br />
die zum ersten Mal<br />
spielten und einen riesigen Spaß dabei hatten.<br />
Die Atmosphäre war locker und fröhlich. Wir – die<br />
Sitting Squaws – begannen mit dem ersten Spiel<br />
und mussten schon bald feststellen, dass wir einen<br />
starken Gegner hatten. Wir spielten gegen<br />
die Friseure, die in ihren originellen Umhängen<br />
von ihren zahlreichen Fans lautstark angefeuert<br />
wurden. Dieser Übermacht waren wir nicht gewachsen<br />
und das Spiel ging trotz unseres ganzen<br />
Einsatzes verloren. Das Endspiel und damit den<br />
Turniersieg entschieden die “Nursing Wheels”<br />
für sich, den zweiten Platz belegte die Patientengruppe.<br />
Die engagierte Trainerin der Rollstuhlsportgruppe,<br />
Annette Grave, verlieh mit einer netten Ansprache<br />
die gespendeten und hübsch verpackten<br />
Preise an die Teilnehmer. Zum Abend hin schloss<br />
sich ein gemütliches Beisammensein an. Es<br />
stand ein reichhaltiges Büffet bereit, das aus Kuchenspenden,<br />
Salaten und der vom Krankenhaus<br />
bereitgestellten Suppe mit belegten Broten bestand.<br />
Viele ehemalige Patienten tauschten sich<br />
aus und freuten sich wieder zu sehen.“<br />
Auch im nächsten Jahr soll es wieder ein Rollstuhlbasketballturnier<br />
am Gemeinschaftskrankenhaus<br />
Herdecke geben und es wäre schön,<br />
wenn alle Beteiligten dabei wieder so viel Spaß<br />
haben werden, wie dieses Jahr.
Barrierefrei Planen – Bauen – Wohnen<br />
Neue Messe und professionelle<br />
Beratungsangebote<br />
Wohnen ist menschliches Grundbedürfnis. Und wirft doch manchmal<br />
Fragen auf – erst recht, wenn eine Körperbehinderung beim Planen,<br />
Bauen oder Einrichten einer Wohnung berücksichtigt werden muss.<br />
Qualifi zierte Hilfe kann hier sehr nützlich sein.<br />
I<br />
n der ARGE Bauen und Umwelt der FGQ steht<br />
Dirk Michalski ein kompetenter Ansprechpartner<br />
(selbst Architekt und Rollstuhlfahrer) zur Verfügung.<br />
Die ARGE Bauen und Umwelt möchte in<br />
erster Linie dem noch häufi g bestehenden Informationsdefi<br />
zit bezüglich Barrierefrei Bauen bzw.<br />
Planen und der damit verbundenen Umweltgestaltung<br />
abhelfen. Wobei sich der Begriff „Barrierefrei“<br />
auf alle Behinderungen bezieht und allen<br />
Menschen zugute kommen soll. „Es hat sich gezeigt,<br />
dass die vorhandenen Informationen und<br />
Ressourcen (Fachplaner) häufi g aus Unkenntnis<br />
nicht abgerufen werden. Wo dies wissentlich<br />
nicht berücksichtigt wird, gilt die aktive Einmischung!<br />
Anfragen aller Art, von Betroffenen und<br />
Interessierten (aus welchen Gründen auch immer)<br />
werden so weit wie möglich bearbeitet. Innerhalb<br />
der ARGE werden fachspezifi sche Informationen<br />
gesammelt und zur Verfügung gestellt. Darüber<br />
hinaus wird an der weiteren Verbreitung und stetigen<br />
Verbesserung der bestehenden Literatur<br />
und der DIN Normen gearbeitet.“<br />
In der ARGE Barrierefrei Leben (Kooperationspartner<br />
der FGQ) bietet der Verein „Barrierefrei<br />
Leben e.V.“ deutschlandweit eine kostenlose<br />
Wohnberatung per Internet an. Das Wohnberatungsportal<br />
richtet sich an Menschen, die ihre<br />
Wohnsituation aufgrund von körperlichen Einschränkungen,<br />
z.B. Querschnittlähmung verändern<br />
müssen und dazu Informations- und Beratungsbedarf<br />
haben. Die Onlineberatung umfasst<br />
Unterstützung bei der Suche nach Hilfsmitteln<br />
für die Wohnung, Vorschläge für Wohnungsumbau<br />
bzw. Wohnungsanpassung sowie Sichtung<br />
von Plänen für den barrierefreien Hausbau. Für<br />
die Beratungsanfragen über das Internet wurden<br />
einfache Formulare entwickelt, die es den Rat<br />
suchenden erleichtern, übersichtlich und schnell<br />
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ein möglichst eigenständiges Leben in den eigenen vier<br />
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Einzug in Ihr neues Heim.<br />
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deutlich zu verbessern und Ihr Lebensumfeld barrierefrei<br />
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PARAPLEGIKER 1/09<br />
ihre Problemlagen zum Wohnen darzustellen. Die<br />
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Barrierefrei Leben individuelle Lösungsvorschläge<br />
per E-Mail zugesandt.<br />
Zwei bewährte und eine neue Messe<br />
Informationen kann man selbstverständlich auch<br />
bei den einschlägigen Fach-/Publikumsmessen<br />
einholen, etwa bei der Rehab (7. bis 9. Mai <strong>2009</strong> in<br />
Karlsruhe) oder der Rehacare (14. bis 17. Oktober<br />
<strong>2009</strong> in Düsseldorf), die schon in den letzten Jahren<br />
ihr Profil in punkto „Barrierefreies Wohnen“<br />
geschärft und zusätzliche Angebote aufgenommen<br />
haben. Eine neue Publikumsmesse dieser Art<br />
hat vergangenen Herbst eine erfolgreiche Premiere<br />
hingelegt und steht bereits wieder am Start<br />
für eine Neuauflage (19. bis 21. November <strong>2009</strong> in<br />
Augsburg).<br />
Gut 2 000 Besucher nutzten letzten September die<br />
neue fachliche Orientierungsplattform in der Messe<br />
Augsburg. Deutschlands erste Kongressmesse<br />
für Barrierefreies Bauen, Wohnen und Design<br />
überzeugte durch ein umfassendes Angebot und<br />
kompetent besetzte Kongress- und Forumsbeiträge,<br />
was durch das positive Fazit der rund 60<br />
beteiligten Firmen, Institutionen und Verbände<br />
unterstrichen wird. In enger Abstimmung mit den<br />
Kompetenzpartnern entwickelten die Veranstalter<br />
jetzt ein optimiertes Konzept, wodurch vor allem<br />
parallel laufende Veranstaltungen weitestgehend<br />
vermieden werden. Künftig wird es für jeden Tag<br />
ein übergreifendes Thema geben. So ist der erste<br />
Tag dem Thema „Öffentlicher Raum und Tourismus“<br />
gewidmet, am 20. November folgt „Wohnen<br />
im Alter“ und am letzten Veranstaltungstag steht<br />
„Design für alle“ im Mittelpunkt. Bis Juni soll das<br />
komplette Kongressprogramm zur Verfügung stehen.<br />
„Mit der b_free sind wir unserem Ziel, die Barrieren<br />
in den Köpfen der Menschen abzubauen,<br />
ein gutes Stück näher gekommen“, gab Claudita<br />
Sommer, Sozialverband VdK Bayern, anlässlich<br />
der b_free 2008 zu Protokoll.<br />
Beratung und Datensammlung<br />
Aber auch zahlreiche Verbände und Organisationen<br />
haben sich dem Thema verschrieben. Hier<br />
einige Beispiele: Im Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung<br />
haben sich kompetente Fachleute des<br />
Bauwesens zusammengeschlossen, die den Arbeitskreis<br />
als neutrale Plattform zum Thema „Bauen<br />
im Bestand“ verstehen, deren Ziel es ist, die Erfahrungen<br />
aller Mitglieder und Partner intelligent<br />
zu vernetzen. Die Bayerische Architektenkammer<br />
hat bereits 1984 unter dem Namen „Planen und<br />
Bauen für alte und behinderte Menschen“ eine Beratungsstelle<br />
in München eingerichtet. Seit 1989<br />
gibt es auch eine Beratungsstelle in Nürnberg. Die<br />
Beratungsstelle bietet seit 2000 unter dem Namen<br />
„Beratungsstelle Barrierefreies Bauen“ allen am<br />
Bau Beteiligten – Bauherren, Architekten, Verwaltungen,<br />
Sonderfachleuten und den Nutzern selbst<br />
– eine Fach übergreifende Beratung. Dabei geht es<br />
um Fragen zu Um- und Neubau im Wohnungsbau,<br />
zu öffentlichen Bauten sowie zu Maßnahmen im<br />
öffentlichen Raum. Neben der fachlichen Beratung<br />
findet auch eine begleitende Sozialberatung statt,<br />
in der auch finanzielle Förderungsmöglichkeiten<br />
behandelt werden. Wie durch meist kleinere baulich-technische<br />
Maßnahmen bestehende Wohnungen<br />
an die Bedürfnisse älterer oder behinderter<br />
Menschen angepasst werden können, will die<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung<br />
aufzeigen. Ziel ist es, den selbständigen Haushalt in<br />
dieser Wohnung zu erhalten. Regionale Ansprechpartner<br />
agieren als Informationsverteiler und als<br />
Verbindungsglied zwischen den Beratungsstellen,<br />
Institutionen und der Bundesarbeitsgemeinschaft.<br />
Eine wichtige Aufgabe der Beratung liegt im Er-
kennen des Problems, der Motivation der<br />
Betroffenen und in der Suche nach individuell<br />
angemessenen Lösungsmöglichkeiten.<br />
In seinem Projekt „REHADAT“ sammelt<br />
und veröffentlicht das Institut der deutschen<br />
Wirtschaft in Köln Informationen zu den<br />
Themen Behinderung, Integration und Beruf.<br />
Alle Informationen gibt es kostenlos im<br />
Internet unter www.rehadat.de oder auf CD-<br />
ROM. Mehr als 86 000 Texte und 20 000 Bilder<br />
stehen in REHADAT zur Verfügung. Die<br />
Datenbank enthält Auswertungen von Veröffentlichungen<br />
in Büchern, Fachzeitschriften,<br />
Grauer Literatur, Forschungsberichten,<br />
Online-Publikationen oder audiovisuellen<br />
Medien. Unter anderem kann man dort alle<br />
bisher erschienenen Artikel aus der Serie<br />
„Barrierefrei Planen – Bauen – Wohnen“ aus<br />
der Zeitschrift „B“ abrufen und nachlesen<br />
oder abspeichern bzw. ausdrucken.<br />
Text: Raimund Artinger<br />
Fotos: b_free Messe Augsburg<br />
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neu durchdachten Lösungen den Alltag.<br />
Ob mit automatischem Antrieb oder<br />
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Fordern Sie weitere Informationen an: architektenservice@huga.de<br />
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53819 Neunkirchen,<br />
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tel 0 22 47-60 70,<br />
www.dirkmichalski.de<br />
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Richardstraße 45,<br />
22081 Hamburg,<br />
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www.online-wohn-beratung.de<br />
Fach-/Publikumsmessen:<br />
b_free, Messezentrum Augsburg,<br />
www.bfree-messe.de<br />
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Rehacare, Messe Düsseldorf,<br />
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Datenbank:<br />
Rehadat Datenbank Literatur,<br />
Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />
e.V., www.rehadat.de<br />
Verbände/Organisationen:<br />
BAKA – Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung<br />
e.V.,<br />
Elisabethweg 10, 13187 Berlin,<br />
tel 0 30-4 84 90 78 55,<br />
www.altbauerneuerung.de<br />
Bayerische Architektenkammer e.V.,<br />
Beratungsstelle Barrierefreies Bauen,<br />
Waisenhausstraße 4,<br />
80637 München,<br />
tel 0 89-13 98 80 31,<br />
www.byak-barrierefrei.de<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Wohnungsanpassung e.V.,<br />
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72<br />
REHAB <strong>2009</strong> in Karlsruhe:<br />
Marktplatz<br />
der Neuheiten<br />
Was gibt es Neues in Therapie und Rehabilitation, wohin geht die Entwicklung in der<br />
medizinischen Versorgung und bei den orthopädische Hilfsmitteln? Eine Antwort auf diese und<br />
noch viele andere Fragen möchte vom 7. bis 9. Mai die REHAB <strong>2009</strong> geben. Praktisch alle namhaften<br />
Hersteller und Markt führenden Anbieter aus dem gesamten Sortimentsspektrum werden<br />
dort vertreten sein, dazu noch jede Menge Organisationen wie Selbsthilfegruppen, Berufsbildungswerke,<br />
Freizeitveranstalter oder Beratungseinrichtungen.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Gegenüber der Vorveranstaltung von vor zwei<br />
Jahren ist das Angebot noch einmal um weitere<br />
zehn Prozent angewachsen – und das trotz<br />
Gesundheitsreform und Weltwirtschaftskrise.<br />
An die 600 Aussteller werden an den drei Messetagen<br />
ihre Produkt- und Serviceleistungen<br />
präsentieren. Und selbstverständlich wird auch<br />
wieder ausgiebig Gelegenheit zum Testen und<br />
Ausprobieren sein. In den großzügigen Räumlichkeiten<br />
der Karlsruher Neuen Messehallen<br />
und auf dem weitläufigen Freigelände ist ausreichend<br />
Platz für die Einrichtung zahlreicher<br />
Aktionsflächen für Fahrrad-, Rolli- oder einen<br />
Autoparcours.<br />
Der am Oberrhein beheimatete private Rundfunksender<br />
„Radio Regenbogen“ wird wieder<br />
auf seiner Aktionsbühne täglich Unterhaltung<br />
und Informationen anbieten. Erstmals wird auf<br />
einer Aktionsfläche mit dem Namen „Brave Art“<br />
eine Initiative zur Förderung talentierter junger<br />
Künstler mit Behinderungen deren Kunstfertigkeiten<br />
präsentieren. Erheblich ausgeweitet<br />
wurde für dieses Jahr das „Forum Beruf“. Es<br />
versteht sich als Kompetenz-Zentrum für alle<br />
Fragen der beruflichen Rehabilitation und qualifizierten<br />
Aus-, Fort- und Weiterbildung.<br />
Andere Schwerpunkte, die bereits in den letzten<br />
Veranstaltungen Premiere hatten, erleben<br />
ebenfalls eine Aufwertung durch neue Aussteller<br />
und ein noch umfassenderes Angebot. Dazu<br />
gehören „Barrierefreies Bauen & Wohnen“,<br />
„Freizeit & Reise“ oder „Hilfe durch Selbsthilfe“.<br />
Daneben gibt es wieder bewährte Sonderausstellungen<br />
und Gemeinschaftspräsentationen:<br />
„Marktplatz Gehirn“, „rehaKIND“ oder<br />
eine Gemeinschaftspräsentation der in der LAG<br />
Selbsthilfe zusammengeschlossenen Vereinigungen.<br />
Die REHAB ist der Branchentreff im süddeutschen<br />
Raum und angrenzenden europäischen Ländern.<br />
Bewährte Marktführer und kleine, innovative<br />
Newcomer präsentieren interessante Hilfsmittel<br />
und Dienstleistungen aus den Bereichen:<br />
• Mobilität<br />
• Aktiver Reha-Sport und Bewegung<br />
• Freizeit und Reisen<br />
• Barrierefreies Bauen und Wohnen<br />
• Medizinische Rehabilitation<br />
• Rehabilitative Prävention<br />
• Kinder- und Jugendrehabilitation<br />
• Berufliche Rehabilitation<br />
• Berufliche Qualifikation<br />
• soziale Kommunikation<br />
• Hilfe und Selbsthilfe<br />
Wie schon in den letzten Jahren werden während<br />
des gesamten Veranstaltungszeitraumes neben<br />
zahlreichen Foren wieder viele Sonderveranstaltungen,<br />
Seminare und Kongresse durchgeführt,<br />
deren Themen bei Redaktionsschluss noch nicht<br />
vollständig feststanden. In der Aktionshalle und<br />
auf dem großen Freigelände laden zahlreiche Hersteller<br />
und Verbände die Besucher zur aktiven Teilnahme<br />
am bunten Rahmenprogramm ein.<br />
Mit diesem Angebot hat sich die REHAB in den<br />
32 Jahren ihres Bestehens als eine der weltweit<br />
führenden und größten Fachmessen für Rehabilitation<br />
etabliert. Schon 2007 konnten sowohl bei<br />
den Besucher- als auch bei den Ausstellerzahlen
enorme Zuwachsraten registriert werden. Die Veranstalter<br />
werten dies als ein eindeutiges Votum<br />
der Aussteller und Besucher für eine starke, internationale<br />
Messe im Süden Deutschlands.<br />
Das Gesicht der Besucher der REHAB habe sich<br />
in den letzten Jahren gewandelt, schreiben die<br />
Veranstalter. Die Zahl der Betroffenen und deren<br />
Betreuer, die sich aktiv informieren und zur Erreichung<br />
einer besseren Lebensqualität auch privat<br />
in Hilfsmittel und Dienstleistungen investieren,<br />
sei sehr stark gewachsen. Diese von einem neuen<br />
Selbstbewusstsein geprägte Personengruppe<br />
entscheidet selbst und macht inzwischen über 30<br />
% aller REHAB-Besucher aus.<br />
Gut zwei Drittel aller Besucher sind Fachleute<br />
aus medizinischen und therapeutischen Berufen<br />
sowie aus der Pflege. Sie wollen sich mit ihrem<br />
Besuch über die neuesten Entwicklungen und<br />
Möglichkeiten zur Unterstützung ihrer Patienten<br />
informieren. Sie sind die entscheidenden Multiplikatoren<br />
für den Einsatz und die Verschreibung<br />
von Hilfs- und Heilmitteln. Die REHAB ist für sie<br />
einer der wichtigsten Treffpunkte zum Erfahrungsaustausch<br />
zwischen Herstellern, Therapeuten und<br />
Betroffenen. Hier ergeben sich unter dem immer<br />
größer werdenden Zwang zur Kosteneinsparung<br />
neue Impulse für eine erfolgreiche Rehabilitation<br />
und Integration bei gleichzeitiger Verbesserung<br />
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der Lebensqualität für die Menschen mit Behinderung.<br />
Die REHAB <strong>2009</strong> findet statt in dem absolut ebenerdigen,<br />
klar gegliederten und barrierefreien Messegelände<br />
der Neuen Messe Karlsruhe mit mehr<br />
als 4 000 ebenerdigen Parkplätzen direkt neben<br />
den Messehallen.<br />
www.rehab-messe.de<br />
Text: Raimund Artinger<br />
Fotos: Anbieter<br />
Daten & Fakten<br />
Messe Karlsruhe • Messeallee 1 • 76287 Rheinstetten<br />
Anreise mit dem Auto: Von der A5/A8 Ausfahrt Nr. 48<br />
Karlsruhe-Süd, auf die B3 Richtung Rheinstetten,<br />
erste Abfahrt auf die L 566/L606 Richtung Rheinstetten-<br />
Mörsch, auf die B 36 in Richtung Karlsruhe.<br />
Die A 65 geht direkt über in die B10, Ausfahrt Nr. 8<br />
Karlsruhe-Mühlburg Richtung B36, nach 1,3 km an der<br />
Kreuzung rechts auf die B36, nach 4,5 km erreichen<br />
Sie die Messe Karlsruhe.<br />
Anreise mit der S-Bahn: Stadtbahn S2 Richtung<br />
Rheinstetten,<br />
Haltestelle Leichtsandstr./Messe.<br />
Anreise mit der Bundesbahn: Hauptbahnhof Karlsruhe<br />
mit kostenlosem Bustransfer zur Messe.<br />
Eintrittspreis: 10 €, ermäßigt fünf. Gutscheine für ermäßigten<br />
Eintritt können unter www.rehab-messe.de<br />
online bestellt werden. Dieser wird sofort auf den<br />
Namen des Bestellers ausgestellt und kann ausgedruckt<br />
werden. An der Veranstaltungskasse wird<br />
gegen Vorlage dieses Gutscheines eine ermäßigte<br />
Tageskarte ausgegeben.<br />
markt
freizeit<br />
74<br />
Flugzeug, Auto oder Schiff?<br />
Unsere kleine Serie über ferngesteuerte Spielzeuge für Erwachsene beschränkt<br />
sich auf elektrisch angetriebene Modelle, die in Betrieb und Wartung benutzerfreundlicher<br />
und beim Spiel deutlich umweltschonender sind als Verbrenner-<br />
Modelle. Was gibt es für Spielsachen für den infantil gebliebenen, erwachsenen<br />
Menschen? Wie verträgt sich jede einzelne Modellsparte mit dem Rollstuhlfahrerdasein?<br />
Wer meint im Modellbau spiele eine eingeschränkte Mobilität<br />
doch nun wirklich keine Rolle, setzt rasch Hunderte EURO in den Sand. Möchte<br />
man ein Modell outdoor betreiben, offenbart sich, wo überall allein der Rollstuhl<br />
dem ungetrübten Spiel im Weg steht.<br />
Kaum jemand wird völlig orientierungslos zum<br />
Händler gehen und „irgendwas zum Fernlenken“<br />
verlangen. Das Interesse am Modellsport<br />
erwächst meist über das Interesse an einem<br />
bestimmten Modell. Dem Rennboot für den<br />
Adria-Urlaub. Einer Pistenraupe für den Winter.<br />
Zunächst gilt es, die recht klare Entscheidung<br />
zu treffen zwischen Boden-, Wasser- und Luftfahrzeug.<br />
Auch für den ausgefuchsten Stubenhocker<br />
ist heutzutage gesorgt: Vom U-Boot fürs<br />
Aquarium, über den Heli fürs Wohnzimmer bis<br />
zum Miniauto fürs Kinderzimmer gibt es reichlich<br />
fernlenkbares Spielzeug für Drinnen.<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Ferngelenkte Modelle (1):<br />
Weiter muss ich mich fragen: Möchte ich ein<br />
teures, so genanntes Scale-Modell oder nur<br />
ein Zweckmodell? „Scale“ bedeutet Nachbau<br />
eines real existierenden Vorbildes bis zur letzten<br />
Niete hinab. Der Scaler investiert zahllose<br />
Arbeitsstunden und viele Euros, damit sein ehemals<br />
makelloses Modell genauso ramponiert<br />
daherkommt wie das Vorbild. Der Nicht-Scaler<br />
möchte ein funktionierendes Gerät – Optik und<br />
Realitätsnähe interessieren ihn kaum. Hauptsache<br />
das Boot ist schnell, der Heli kunstflugtauglich,<br />
der Segler groß.<br />
Die Frage, welches Modell meinen Wünschen<br />
gerecht wird, klärt sich zusammen mit einem<br />
erfahrenen Händler. Welchen Autotyp möchte<br />
man fernlenken, wenn man sich für die Kategorie<br />
Bodenfahrzeug entschieden hat? Einen<br />
LKW oder lieber einen schnellen 4-WD-Buggy?<br />
Möchte man mit einem großen Fischkutter über<br />
den See tuckern oder lieber mit dem Rennboot<br />
Schwimmer gefährden? Welche Größe soll mein<br />
Modell haben? Werde ich nur mit einem 6-Meter-Segler<br />
glücklich oder gefallen mir die Flugeigenschaften<br />
eines 1-Meter-Motorflugzeuges<br />
besser? Dazu stellt sich die Frage:<br />
Was kann ich?<br />
Wer sagt, schön und gut, spielen tät’ ich ja<br />
schon gern, aber ich habe keinerlei technisches<br />
Verständnis, kein handwerkliches Geschick und<br />
zusammenbauen möchte ich schon gar nichts,<br />
den kann ich trösten: Für jeden Wunsch findet<br />
sich eine nahezu fertig aufgebautes Modell.<br />
Dann heißt es nur noch: Akku laden, rausrollen<br />
und spielen. Der Amateur-Bastler kann Modellbau<br />
heute auch als ein Zusammenstecken,<br />
-schrauben und -kleben vorgefertigter Bauteile
etreiben. Man benötigt keine Maschinenbauausbildung<br />
und keine Werkstatt. Meist liegen<br />
detaillierte Bauanleitungen bei.<br />
Nicht der Zusammenbau ist jedoch relevante<br />
Hürde im Modellsport. „Rumschrauben“ kann<br />
man auch im Rolli. Für das Lenken eines Automodells<br />
benötigt man keine Vorkenntnis, keine schulende<br />
Vorbereitung. Alle Fluggeräte hingegen erfordern<br />
ein Training, BEVOR man das erste Mal<br />
fliegt. Möchte ich mich aber wirklich so intensiv<br />
meinem neuen Hobby widmen?<br />
Was passt zu mir?<br />
Ein Auto fährt nahezu überall, zu jeder Jahreszeit,<br />
bei nahezu jedem Wetter. Das Boot benötigt Wasser,<br />
Flugmodelle einen geräumigen (Flug-)Platz<br />
mit zahlreichen Kriterien. Erreiche ich diesen<br />
See, diese Wiese? Oder würde das Modell nur zu<br />
Hause herumstehen, weil man sich die Mühe des<br />
Outdoor-Spieles fernab der Wohnung nicht antun<br />
wird?<br />
Oft entdeckt man das Modell mit dem man sich<br />
am wohlsten fühlt erst durch Experimente in der<br />
Praxis. Obwohl man mit Überzeugung und Erfolg<br />
den Heliflug anpeilte, fühlt man sich vielleicht<br />
überraschender Weise im Eckchen „Motorsegler“<br />
plötzlich viel heimischer. Weil man das entspannte<br />
Kreisen mit den Vögeln – vormals als total langweilig<br />
abgetan – nun doch der ständig Konzentration<br />
erfordernden Steuerung eines Helis vorzieht.<br />
Apropos Aufwand. Natürlich muss man sich die<br />
Frage stellen: Was passt zu meinem Geldbeutel?<br />
Einfache Modelle, mit denen man durchaus Spaß<br />
haben kann, gibt es heute inklusive Fernsteuerung<br />
schon für unter 100 €. Wer in den Modellbau<br />
tiefer einsteigen möchte, wird mehrere hundert<br />
€ in die Grundausstattung investieren müssen.<br />
Flugzeuge und Helikopter reichen bis in die Preisklassen<br />
von mehreren tausend € hinauf.<br />
Grundsätzlich benötigt man eine Fernsteuerung,<br />
einen Empfänger, verschiedene Servos, die die<br />
Steuerimpulse im Modell umsetzen. Die meisten<br />
Modelle benötigen eine Antriebseinheit, die<br />
über einen Fahrtenregler mit einer Energiequelle<br />
(Akku) verbunden ist. Nicht zuletzt benötigt man<br />
das Modell selbst. Hinzu kommt eine gewisse Peripherie<br />
aus Ersatzteilen, Werkzeugen, Ladegeräten.<br />
Für Flugmodelle ist teils zusätzliche Elektronik<br />
und Spezialwerkzeug zur Trimmung nötig. So genannte<br />
„Starter-Kits“ liefern alles aus einer Kiste.<br />
Oftmals sind solche Fernsteuerungen allerdings<br />
nur mit diesem einen Modell kompatibel. Ein<br />
guter Händler stellt ein individuelles „Starter-Kit“<br />
aus austauschbaren Komponenten zusammen.<br />
Die Bestellung per Internet mag vorteilhaft erscheinen<br />
– bei Problemen steht man allerdings<br />
allein in der Wüste. Ein Händler vor Ort kann die<br />
Kundenwünsche konkret in ein existentes Modell<br />
umsetzen. Wer zugibt zwar ungefähr zu wissen<br />
was er will aber keine Ahnung von der Materie<br />
zu haben, der wird vom Fachhändler eine solide<br />
Fernsteuerungen, vom Spielzeug<br />
bis zur Computer-<br />
Ausführung.<br />
Auch Akkus<br />
gibt’s in vielerlei<br />
Ausführung.<br />
freizeit<br />
PARAPLEGIKER 1/09 75
freizeit<br />
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PARAPLEGIKER 1/09<br />
Ausgangsbasis an Ausrüstung und Information<br />
erhalten. Ein fairer Händler wird dabei auch Illusionen<br />
zerstören, ganz hart drauf hinweisen,<br />
dass etwa Helifliegen keine Sache ist, die man an<br />
einem Nachmittag lernt, dass sich die Kundenvorstellung<br />
vom ferngesteuerten Auto mit dem<br />
zur Verfügung stehenden Budget womöglich einfach<br />
nicht realisieren lässt.<br />
Was hat die Behinderung<br />
damit zu tun?<br />
Großes<br />
Auto,<br />
kleines<br />
Modell.<br />
Eine Körperbehinderung setzt Grenzen. Bei der<br />
Erreichbarkeit und Benutzbarkeit eines geeigneten<br />
Spielplatzes, dem Transport des Modell<br />
dort hin und bei der Frage nach der Befähigung<br />
zur Bedienung des Modells. Ein Auto fährt vor der<br />
Haustüre – das Boot benötigt Wasser. In dieses<br />
muss man das Modell einsetzen können. Der Kutter<br />
bleibt schnell mal im Schilf des Uferbereichs<br />
hängen. Wie will der Rollifahrer ihn bergen? Ein<br />
Flugmodell benötigt reichlich Platz. Ein Flugzeug,<br />
das dem Anfänger in den Wald entfleucht muss<br />
er – ohne fremde Hilfe – als Totalverlust abschreiben.<br />
Wie bekomme ich mein Modell zum ausgewählten<br />
„Einsatzort“? Rucksäcke erweisen sich rasch<br />
als zu klein. Der Rolli allein ist in den meisten Fällen<br />
überfordert, weil man auch Fernsteuerung, Akkus<br />
und Werkzeug mitnehmen muss. Ein Handbike<br />
mit zwei Satteltaschen<br />
muss<br />
schon sein<br />
(ein Minitrac<br />
mit<br />
Transportkiste<br />
ist<br />
auch nicht<br />
schlecht; Anm.d.Red.). Wer<br />
im Pkw zum „Einsatzort“ fährt,<br />
muss die Einzelteile noch die letzten Meter<br />
im Handbetrieb transportieren können…<br />
Nicht jede Behinderung lässt die selbstständige<br />
Steuerung eines jeden Modells zu. Für den Helikopterflug<br />
z.B. benötigt man eine sehr verlässliche,<br />
rasche Kopplung dieser Feinmotorik mit<br />
den visuellen Außenreizen, die zu erlernen der<br />
Gesunde Wochen benötigt, zu beherrschen Monate<br />
der Übung braucht. Funktionsstörungen in<br />
der Greiffunktion, starke Fehlsichtigkeit, Spastik<br />
Transportaufgabe gelöst: Autor mit Flieger.<br />
und andere Späße des behinderten Körpers können<br />
dem Modellbauer die Flugtauglichkeit rauben.<br />
Besonders der Rollstuhlfahrer muss also das<br />
was er bedienen und transportieren kann gegen<br />
seine Wunschvorstellungen abwägen.<br />
Trotz alledem ist Modellbau ansprechender als<br />
Wachskerzengießen oder Wände-Anstarren. Er<br />
schult das technische Verständnis, bietet später<br />
die Chance, den Stubenhocker zu konstruktivem<br />
Spiel aus der Bude zu locken. Eingeschränkte motorische<br />
Fähigkeiten der Hände lassen sich über<br />
den Ehrgeiz, das Modellflugzeug DOCH irgendwann<br />
vielleicht selbst lenken zu können motivierter<br />
schulen, als über übliches medizinisches<br />
Greiftraining. Besonders die Fliegerei erzwingt<br />
nahezu den interaktiven Kontakt zu anderen Menschen,<br />
anderen Modellpiloten, bewirkt damit eine<br />
gewisse soziale Integration, da Austausch und gegenseitige<br />
Hilfestellung hier sehr wichtig sind.<br />
Vereine, Clubs und<br />
Versicherungen<br />
Schon mit einem Boot kann man einem Schwimmer<br />
ein Auge ausrammen. Der Ein-Meter-Flieger<br />
kann Personenschäden verursachen. Der Modellhelikopter<br />
kann einen Menschen schwer verletzen.<br />
Deshalb besteht Versicherungspflicht für<br />
ALLE Modellpiloten in Deutschland. Oftmals lohnt<br />
sich allein wegen dieser Versicherung, die man<br />
dort zu besseren Bedingungen bekommt, eine<br />
Mitgliedschaft in einem Modellbauclub. Ein lokaler<br />
Verein bietet womöglich auch ein passendes<br />
Fluggelände, mit helfenden Händen, die manchmal<br />
Möglichkeiten eröffnen, die der Rollifahrer<br />
in sturer Selbstständigkeit nicht bekommt. Wer<br />
zudem detailliertes Insider-Wissen schätzt, ist mit<br />
einer Mitgliedschaft in einem Modellbauclub jedweder<br />
Couleur bestens bedient.
Was veranlasst Zehntausende Menschen in<br />
Deutschland, sich in Vereinen zu organisieren,<br />
kleine Abbilder der Realität zu basteln und mit ihnen<br />
draußen auch noch zu SPIELEN!? Was macht<br />
den Reiz aus, ein Modell aufzubauen, solange<br />
sinnlos herumzufahren, bis es kaputt ist, nur um<br />
es wieder neu aufzubauen, damit man es erneut<br />
kaputtfahren kann? Warum treffen sich „erwachsene<br />
Kinder“, um mit ferngesteuerten Autos, Booten,<br />
Flugzeugen und Helikoptern Wettbewerbe zu<br />
veranstalten?<br />
Ist es die Liebe zum Detail, der Spaß am Nachkonstruieren<br />
der Realität in kleiner, handlicher,<br />
beherrschbarer Form? Ist das Spiel mit dem ferngelenkten<br />
Modell Ersatzhandlung für die, die sich<br />
den echten Porsche nicht leisten können, die den<br />
Heli-Pilotenschein niemals machen könnten, deshalb<br />
auf das Modell ausweichen müssen? Ist es<br />
speziell beim Rollifahrer ein Versuch, die eigene<br />
mangelhafte Mobilität mittels Projektion nach außen<br />
auf ein Modell zu kompensieren? Im Gegensatz<br />
zu ihm selbst ist sein Modell höchst mobil,<br />
schnell, geschickt. Zu Land, zu Wasser oder in der<br />
Luft. Liegt die Faszination in der Fernwirkung begründet<br />
- das Modell als verlängerter Arm? Beim<br />
Modellflug spielt sicherlich die Herausforderung<br />
herein, das Gerät irgendwann einmal überhaupt<br />
irgendwie zu beherrschen, die eigenen Fähigkeiten<br />
vielleicht gar bis hin zur Wettbewerbstauglichkeit<br />
zu schulen. Ist es der stete Nervenkitzel der<br />
Gefahr, ein teures Modell aus der Kontrolle zu verlieren?<br />
Eine Gefahr, die uns Grenzen ausloten, erkennen<br />
und anerkennen lehrt? Gerade Fluggeräte<br />
liefern, erst einmal beherrscht, Selbstbestätigung<br />
zurück. Und – sind wir mal ehrlich – spielt manchmal<br />
nicht vielleicht auch wenig der kindliche Zug<br />
herein, den anderen Mitmenschen zu zeigen, was<br />
man da für ein schönes Spielzeug hat? Besieht<br />
man sich die Szene, wird offenkundig, dass sehr<br />
viele Menschen über dieses Hobby soziale Kontakte<br />
knüpfen möchten, Austausch und Kräftemessen<br />
im Wettstreit suchen.<br />
Mir liegt nichts an Vereinsmeierei, an Wettbewerb<br />
oder gemeinsamen Spiel. Für mich eröffnen sich<br />
über den verlängerten Arm des ferngelenkten Modells<br />
völlig neue Blickwinkel für meine Kameras.<br />
Ich führe Natur und Technik zusammen, wenn ich<br />
Enten auf mein Renn-Boot als Futterquelle konditioniere<br />
und mit meinem Motorsegler zusammen<br />
mit Greifvögeln in zweihundert Metern Höhe über<br />
dem Wald kreise, mich manchmal mit ihnen um<br />
die Nutzung der effektivsten Thermikbärte streite.<br />
Zudem erlebe ich das hemmungslose Herumtoben<br />
in der Luft, das Rollen und Loopingdrehen mit<br />
den Schwalben so, als würde ich selbst dort oben<br />
herumtoben. Fühle mich danach noch einige Zeit<br />
„ausgetobt“, obwohl ich doch nur nahezu bewegungslos<br />
in der Wiese gesessen bin. Warum es<br />
funktioniert – ich weiß es nicht. Aber es funktioniert.<br />
Und es funktioniert immer wieder. Und ich<br />
werde diese Funktion nicht durch Hinterfragen<br />
entzaubern. Wem das Spiel mit der Fernsteuerung<br />
Spaß macht, der sollte nicht nach dem Warum<br />
fragen, sondern einfach spielen.<br />
In den nächsten Texten werde ich Bodenfahrzeuge,<br />
Boote, Flugzeuge und Helikopter vorstellen<br />
und speziell ihre Brauchbarkeit für den Rollstuhlfahrer<br />
beleuchten.<br />
Text & Fotos:<br />
Alexander Epp<br />
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<strong>Paraplegiker</strong>_0209
glosse<br />
78<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Selbst und Ständig<br />
Was heißt eigentlich selbstständig? Für meinen Mathelehrer war die Definition<br />
ganz klar: Jeder Blick auf das Heft des Nachbarn war strengstens verboten.<br />
Selbstständig hieß, die Aufgabe ganz alleine, quasi mutterseelenallein zu<br />
lösen. Jegliche Hilfe von außen bedeutete null Punkte. Aufgabe nicht erfüllt,<br />
ganz oder gar nicht – aber ist Mathe wirklich eine Schule fürs Leben? Bei den<br />
paar Muskeln, die mir nach meinem Querschnitt blieben, bekam „Selbstständig“<br />
eine ganz andere Bedeutung, oder besser, ganz viele verschiedene<br />
Bedeutungen. Aber welche ist richtig?<br />
M<br />
it dem Anspruch meines Mathelehrers<br />
ging ich in die Erstreha. Ich verbrachte Stunden<br />
mit dem Anziehtraining. Die Herausforderung,<br />
mit meinen krummen Fingern einen Socken<br />
über die Ferse zu ziehen, erforderte die<br />
Disziplin eines Soldaten, die Geschicklichkeit<br />
eines Hütchen-Spielers und die Geduld eines<br />
Zen-Buddhisten. Und dann, wenn ich schon<br />
zehn Minuten geprockelt hatte, der Strumpf<br />
hoch genug gerutscht war um mit dem entscheidenden<br />
genialen Fingerlupfer den Bund<br />
zum Endsieg über die Ferse zu katapultieren,<br />
genau dann griff meine englische Ergotherapeutin<br />
ein. Sei es, dass sie einen anderen<br />
Termin hatte und wirklich nicht mehr länger<br />
warten konnte, vielleicht konnte sie das Elend<br />
auch einfach nicht länger ertragen – jedenfalls<br />
kam sie mit ihren flinken Fingern, griff beherzt<br />
nach dem Socken und machte mit einer nur<br />
Zehntelsekunden dauernden Hilfsaktion meine<br />
ganze Arbeit zunichte. Der Socken war<br />
oben und mein Selbstwertgefühl am Boden.<br />
Wieder nicht geschafft, setzen – Sechs.<br />
Und was bedeutete eigentlich „selbstständig<br />
angezogen“? Wenn ich es geschafft hatte, die<br />
selbst gestrickten Socken, die viel zu weite<br />
Jogginghose und die Riesenturnschuhe (natürlich<br />
mit praktischem Klettverschluss) am<br />
Körper zu befestigen war ich zwar nicht nackt…<br />
Aber wer traut sich denn so auf die Straße?<br />
Selbstständig schon, aber angezogen? Das
ging doch anders. Warum Anziehtraining mit<br />
Klamotten, mit denen man sich bestenfalls in<br />
der Turnhalle blicken lassen kann?<br />
Mundgerecht<br />
Es dauerte lange, mich von dem „Ganz-oder-<br />
Garnicht-Anspruch“ zu befreien. Das Prinzip<br />
fiel mir bei meinem kalifornischen Gast auf<br />
(amerikanische Tetras neigen zur Faulheit!). Er<br />
wartete jeden Morgen darauf, das Brot mundgerecht<br />
serviert zu bekommen. Er hatte zwar<br />
sehr schwache Arme aber recht gute Fingerfunktion,<br />
was das Pellen eines Eies durchaus<br />
in den Bereich des Möglichen rückte. Aber er<br />
weigerte sich. Das Ei zu pellen war unter seiner<br />
Würde. Sein Argument war, dass das Gesamtwerk<br />
„Frühstück“ für ihn nicht zu stemmen<br />
sei, da sei der Teilerfolg „Ei-gepellt“ eine<br />
nicht relevante Größe. Ich begann gleichzeitig<br />
seine Freundin zu bemitleiden und meinen<br />
Mathelehrer in Frage zu stellen: Geht nicht<br />
auch ein bisschen selbstständig?<br />
Als ich meine Frau kennen lernte, wohnte sie<br />
in einer hübschen Dachgeschosswohnung in<br />
Koblenz. Eine echte Herausforderung für einen<br />
selbstständigen Tetraplegiker! Zehn Minuten<br />
bevor ich bei ihr war, rief ich über Autotelefon<br />
(Handys gab’s noch nicht) die Taxizentrale<br />
und bestellte mir einen besonders kräftigen<br />
Fahrer. Ich zahlte 20 Mark für rauf und 10<br />
Mark für runter. Die meisten fanden das einen<br />
fairen Deal und ich fand mich selbstständig.<br />
Schließlich hatte ich das Geld selbst verdient<br />
und war ohne die Hilfe meiner Freundin oben<br />
angekommen. Hätte mein Mathelehrer dafür<br />
eine Drei gegeben?<br />
Winterfest<br />
Trotzdem legte ich weiter viel Wert auf „Alleine<br />
machen“. Bei zwei Kindern kommt<br />
einem das zu Gute. Wenn wir im Winter mit<br />
zwei Kleinkindern das Haus verlassen wollten,<br />
war das eine ziemliche Anzieherei. Wenn<br />
eine Frau sich selbst und zwei Kinder optisch<br />
einwandfrei und erkältungstechnisch sicher<br />
einpackt – da bleibt viel Zeit für den Tetraplegiker!<br />
Zeit für die unförmigen Bollerboots, die<br />
zusätzlichen Stulpen, die sperrige Winterjacke<br />
und die wärmende Pudelmütze. Der Vorteil:<br />
Man ist gleichzeitig fertig und kann das Haus<br />
verlassen. Die Alternative: Wird zu guter Letzt<br />
noch der Papa angezogen, wird den Kindern<br />
garantiert zu heiß und sie fangen an sich wieder<br />
auszuziehen. Sich als Tetra selbstständig<br />
winterfest anziehen – ein Fall für die versteckte<br />
Kamera. Im Kontext „Familie“ macht es<br />
trotzdem Sinn.<br />
Inzwischen bin ich auch nicht mehr so verbohrt<br />
selbstständig und lasse mir gerne mal<br />
von hilfsbereiten Passanten den Rollstuhl<br />
aus dem Auto holen. Beim Einkauf wende ich<br />
mich Hilfe suchend an die erfahrene Hausfrau,<br />
die mir selbstverständlich das Grün von den<br />
Möhren abdreht oder mir die Äpfel auf die<br />
Waage legt. Auch lass ich mich bergauf mal<br />
schieben, bevor alle auf mich warten müssen,<br />
weil ich so selbstständig bin. Ist nicht zweidrittel<br />
selbstständig Brot schmieren, vierfünftel<br />
selbstständig einkaufen, siebenachtel selbstständig<br />
anziehen auch schon ein guter Wert<br />
Selbstständigkeit?<br />
Ein Freund von mir war auch nicht so gut in<br />
Mathe. Er wurde Koch und Restaurantbesitzer,<br />
ständig klingelt sein Handy, eigentlich arbeitet<br />
er immer. Er hat eine andere Definition:<br />
„Ich bin Selbstständig – selbst und ständig“.<br />
Da kommen wir der Sache schon näher…<br />
Text: Ralf Kirchhoff<br />
Illustration: Kasia<br />
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Quad Buggy<br />
PGO, 2-Sitzer, 150 ccm, 8 KW, Automatic, EZ 4/04, 700<br />
km, HU 04/10, neu bereift, Handgerät Fa. Bruhn u. Lenkraddrehknopf<br />
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Ich komme aus dem Kreis Borken/Münsterland, bin 1,75 m<br />
groß und wiege 76 kg, ledig. Ab dem 16. Lebensjahr arbeite<br />
ich als kaufmännischer Angestellter. Ich bin an einer linksseitigen<br />
Lähmung erkrankt, die sich auf mein Gehen auswirkt.<br />
Es wäre schön, wenn die Dame (ab 44 Jahre), die ich suche,<br />
aus dem Kreis Borken kommt. Vielleicht möchte auch eine<br />
Rollstuhlfahrerin, MS, oder die ein anderes Handikap hat, an<br />
meiner Seite stehen. Nun suche ich eine Freundschaft / Partnerschaft,<br />
die auf gegenseitigem Vertrauen, Treue, Ehrlichkeit<br />
Geborgenheit und Liebe aufgebaut ist. Wichtig ist das Herz<br />
am rechten Fleck zu haben, sich gegenseitig zu respektieren<br />
und auch in schlechten Zeiten zueinander zu halten. Wenn<br />
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ohne Gewähr.<br />
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technik<br />
82<br />
Sonne unterm Schreibtisch<br />
Beim Schreiben dieser Zeilen sitze ich bei 18 Grad am Schreibtisch – mit normaler<br />
Jeans, Baumwollrolli und Pulli – und habe kein Verlangen nach Schal, Mütze oder<br />
Winterjacke. Möglich macht das eine Infrarot-Heizplatte, die unter dem Schreibtisch<br />
lediglich meine Beine und Füße erwärmt. Strahlungswärme statt Heizungswärme<br />
– das hört sich nach Hokuspokus an, ist aber bei näherer Betrachtung eine durchaus<br />
einleuchtende Technologie.<br />
Wer hat nicht schon einmal im Winter bei Minusgraden<br />
in einer geschützten Ecke in der Sonne<br />
gesessen und die wärmenden Strahlen genossen?<br />
Ringsherum ist es klirrend kalt, aber die<br />
Sonnenstrahlen dringen durch die dicksten Pullis<br />
und durchströmen den Körper. Strahlungswärme<br />
hat eine andere Qualität als Heizungswärme.<br />
Die Heizung erwärmt den ganzen Raum<br />
und mit ihm auch alles was sich in dem Raum<br />
befindet, also auch uns. Strahlen, ob nun Sonnenstrahlen<br />
oder die Infrarotstrahlen der vorgestellten<br />
Wärmeplatte, erwärmen die Gegenstände<br />
im Raum und nicht den ganzen Raum. Das<br />
Zimmer muss nicht unbedingt warm sein, aber<br />
in unmittelbarer Nähe der Infrarotplatte werden<br />
Beine, Arme oder Hände langsam aber sicher<br />
aufgewärmt. Man braucht nicht den direkten<br />
Kontakt, wie bei einer Wärmeflasche oder<br />
einem Heizkissen. Daher<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Infrarotplatte:<br />
Trotzdem<br />
entsteht eine<br />
innere, wohlige<br />
Wärme...<br />
minimiert sich die Gefahr<br />
die Haut zu verbrennen.<br />
Trotzdem entsteht eine<br />
innere, wohlige Wärme,<br />
die es einem ermöglicht<br />
selbst in relativ kalten Räumen<br />
entspannt zu arbeiten, und das ohne den<br />
dicken Pullover anziehen zu müssen.<br />
In meinem Fall habe ich die Heizplatte unter<br />
meinem Schreibtisch direkt neben den Computer<br />
gestellt. Die Strahlung selbstverständlich<br />
nicht Richtung Computer sondern in die Richtung<br />
meiner Beine. Da bei dieser Konstellation<br />
ein Bein jeweils das andere verdeckt, schiebe ich<br />
nach einer halben Stunde die Infrarotplatte einfach<br />
auf die andere Seite. Das entspricht nicht<br />
der Bedienungsanleitung, ist bei meinem kleinen<br />
Schreibtisch aber nicht anders möglich. Bei ausreichend<br />
Platz sollte man die Platte möglichst an<br />
der Stirnseite oder direkt unter der Schreibtischplatte<br />
montieren. Die Rückseite der Platte ist<br />
selbstklebend und kann schnell angebracht werden.<br />
Der Abstand der Platte zu den Beinen sollte<br />
nicht zu groß sein. Bei 30 bis 40 cm in meinem<br />
Fall kommt ausreichend Strahlung an.<br />
Der Energieverbrauch der Heizplatte ist überschaubar.<br />
Sie verbraucht in etwa so viel wie eine<br />
100 Watt Glühbirne, was gerade mal ca. 2 Cent/<br />
Stunde bedeutet. Wer sein Büro (wie ich früher)<br />
auf mindestens 23 Grad aufgeheizt hat, der spart<br />
im Jahr so viel Geld an Heizungskosten, dass er<br />
die 140 € Anschaffungskosten für die Infrarotheizplatte<br />
schnell raus hat.<br />
Dass Rollstuhlfahrer so oft frieren liegt an der<br />
fehlenden Bewegung. Wer sich bewegt verbraucht<br />
Energie. Dabei wird Wärme frei und<br />
uns wird warm. Bei vielen von uns ist das Gegenteil<br />
der Fall. Sie bewegen sich kaum oder<br />
gar nicht, da bleibt der innere Ofen aus. Im Laufe<br />
der Jahre kommen eventuell noch Durchblutungsschwierigkeiten<br />
in den Beinen dazu, da<br />
kann einem selbst bei 20 Grad Raumtemperatur<br />
schon mal ganz schön kalt werden.<br />
Viele Rollstuhlfahrer helfen sich mit Wärmekissen.<br />
Ob die traditionelle Wärmflasche, die elektrische<br />
Heizdecke oder das Kirschkernkissen<br />
aus der Mikrowelle, alle Wärmeträger haben<br />
ein Problem: Menschen ohne Sensibilität merken<br />
nicht wenn es zu heiß wird und sie sich die<br />
Haut verbrennen. Nicht wenige Querschnitte<br />
haben sich an zu heißen Wärmflaschen schon<br />
die Beine oder den Bauch verbrannt. Und trotz<br />
sehr heißer Wärmflaschen wird einem oft nicht<br />
so wirklich warm, weil die Wärme punktuell und<br />
oberflächig wirkt. Wer mit diesen traditionellen<br />
Methoden ähnliche Erfahrungen gemacht hat,<br />
der sollte die Strahlungswärme mal ausprobieren<br />
und sich die Sonne unter den Schreibtisch<br />
holen.
Herstellerinfo zu Grundlagen der Infrarotstrahlung:<br />
Infrarotstrahlung (IR-Strahlung) ist Teil der<br />
optischen Strahlung und damit Teil des elektromagnetischen<br />
Spektrums. Sie schließt sich in<br />
Richtung längerer Wellenlängen an das sichtbare<br />
Licht an. Natürliche IR- Strahlungsquellen<br />
sind die Sonne und das Feuer. Der infrarote<br />
Anteil der den Erdboden erreichenden Sonnenstrahlung<br />
beträgt knapp 50 %. Das angenehme<br />
Wärmeempfinden beim Aufenthalt in der Sonne<br />
wird von einem großen Teil der Bevölkerung<br />
geschätzt.<br />
Text: Ralf Kirchhoff<br />
Fotos: Barbara Kirchhoff<br />
Daten:<br />
Größe: 285 mm x 700 mm x 10 mm<br />
Nenn-Leistung: 100 Watt<br />
Raumwärme: bis 3 m²<br />
Unter Schreibtisch: bis 2 m²<br />
Anschluss: 230V/50Hz<br />
Heizkosten: ca. 2 Cent / Std.<br />
Anschlusskabel: 200 cm<br />
Senkrecht<br />
unterm<br />
Computertisch:<br />
Die Infrarot-<br />
Heizplatte<br />
sorgt für<br />
warme Beine.<br />
technik<br />
PARAPLEGIKER 1/09 83
technik<br />
E 220 CDI Kombi<br />
Avantgarde:<br />
Gutes Design –<br />
Praktikabilität<br />
mit anspruchsvoller<br />
Optik.<br />
84<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Mercedes E 220 CDI:<br />
Praktisch, sparsam, sicher<br />
Seinen Unfall hatte Rudolf Beck – den seine Freunde natürlich nur Rudi rufen<br />
– bereits vor 51 Jahren. Damals war er 19 und mit seinem 200er DKW-Motorrad<br />
unterwegs. In einer Kurve platzte der Vorderreifen, Beck landete im Neben-der-<br />
Straße-Nirvana und kam irgendwann wieder zu Bewusstsein. „Gerettet“ und<br />
als „Rückenmark verletzt“ erkannt wurde er erst etliche Stunden später. Die<br />
Erkenntnis der Situation war nach der Klinik-Diagnose „Schädigung des Rückenmarks<br />
im Bereich TH 6“ niederschmetternd.<br />
Der Wunschberuf von Beck war Architekt und<br />
eine der Voraussetzungen dazu war eine abgeschlossene<br />
Maurer-Lehre. Die absolvierte der<br />
15 jährige nach Abschluss der Volksschule –<br />
heute sind das Grund- und Hauptschule – von<br />
1953 bis 1956. Danach arbeitete er als Maurer-<br />
Geselle und begann 1956 mit dem Studium<br />
zum Bauingenieur, was durch den Unfall im<br />
Mai 1957 jäh unterbrochen wurde: Der junge<br />
Mann hatte den deutlichen Tiefpunkt seines Lebens<br />
erreicht. Aber: Von da an ging’s bergauf.<br />
Von 1959 bis 1962 machte er eine Ausbildung<br />
zum Großhandels-Kaufmann, setzte sein Studium<br />
fort, erreichte 1964 seinen Abschluss als<br />
Hochbau-Ingenieur. Er arbeitete von 1962 bis<br />
zum Rentenalter erfolgreich in einem Architekturbüro<br />
und einem Tiefbau-Unternehmen im<br />
nordhessischen Bad Arolsen: „Ich kann sagen,<br />
dass ich durch meine Behinderung<br />
in meinen beruflichen<br />
Aktivitäten nie ein Problem<br />
hatte.“ Als inzwischen<br />
71 jähriger ist er immer noch<br />
freiberuflich aktiv. Wichtig ist<br />
ihm der Sport, den betreibt<br />
er regelmäßig mit Krafttraining<br />
im Fitness-Studio und<br />
auch beim sehenswerten<br />
und teilweise artistisch anmutendem<br />
Tanz mit seiner<br />
attraktiven Lebensgefährtin<br />
Angelika Martin. Die dritte<br />
Sportart des aktiven Rentners<br />
ist das Rollibiken. Dazu wird<br />
ein Speedy-Bike an den Sopur-Easy<br />
gekuppelt. Beides<br />
passt gut in den Kofferraum des Mercedes<br />
E 220 CDI Kombi, womit wir beim Auto von<br />
Rudi Beck sind.<br />
Der Mercedes wurde im November 2007 gekauft.<br />
Damals war der schöne, sichere und<br />
praktische Kombi sechs Monate alt und hat 42<br />
000 € gekostet, der Neupreis lag mit den diversen<br />
Extras bei etwa 65 000. Für Beck ist es<br />
bereits der sechste Mercedes. Der erste wurde<br />
1976 angeschafft, das war ein Coupé, danach<br />
kamen nur noch Kombis in die Garage. Den<br />
Kofferraum des Fünftürers hat der praktisch<br />
veranlagte und handwerklich versierte Architekt<br />
umgebaut, eine zweite Etage eingezogen:<br />
Oben können dann beispielsweise Koffer und<br />
warme Winter-Sportjacken abgelegt werden,<br />
darunter ist Platz für das Bike und die Inliner
der Partnerin. Und so beladen fahren<br />
die beiden dann sehr gerne zu ebenen<br />
und ruhigen Strecken und haben Freude<br />
am gemeinsam betriebenen Sport<br />
an der frischen Luft. Anders sieht die<br />
Beladung natürlich bei den von beiden<br />
sehr geliebten Urlaubsreisen aus,<br />
die meist in den Süden führen.<br />
Als Handbedienung für Gas und<br />
Bremse ist für Beck die von Bruhn entwickelte<br />
und jetzt von Veigel gebaute<br />
das einzig Wahre: „Da kann ich den<br />
Unterarm bequem auf der Mittelkonsole<br />
ablegen und Gas und Bremse<br />
auch gleichzeitig betätigen.“ Er hat<br />
sie von seinem Vorauto übernommen,<br />
die Anpassung und der Einbau waren<br />
kein Problem. Den Lenkrad-Drehknopf hält<br />
Beck aus Sicherheits-Gründen für wichtig, er<br />
ist mit einer Schelle am Lenkrad befestigt.<br />
Mit der Mercedes-Ausstattungslinie „Avantgarde“<br />
in der Farbe „Indium-grau“ mit<br />
schwarz-grauer Innenausstattung in Teilleder<br />
ist Beck absolut zufrieden: „Das Auto gefällt mir<br />
Interessante Technik: Der Rollstuhl wird<br />
hinter dem Fahrersitz verladen.<br />
in dieser Ausstattung sehr gut, dazu kommen<br />
ein sicheres Fahrverhalten und gute Fahrleistungen.<br />
Probleme gibt es keine.“ Durch einen<br />
Verbrauch von sieben bis acht Litern Diesel auf<br />
100 Kilometern sind Tankstopps selten: Der 85-<br />
Liter-Tank ermöglicht Reichweiten von bis zu<br />
1 000 Kilometern.<br />
Den Rolli verlädt Beck hinter seinem Fahrersitz:<br />
Nachdem er im Auto sitzt, legt er das<br />
Sitzkissen hinter sich und faltet den Stuhl zusammen.<br />
Dann fährt er etwas vor, öffnet die<br />
Beifahrertür hinter sich, fährt so weit zurück,<br />
dass die geöffnete Tür den Rollstuhl berührt<br />
und zieht ihn dann in den durch den herausgenommenen<br />
Sitz reichlich großen Platz hinter<br />
sich. Beim Aussteigen passiert all das in umgekehrter<br />
Folge und alles geht routiniert und<br />
schnell.<br />
technik<br />
Der speziell eingerichteteKofferraum<br />
ist geräumig<br />
und leicht zu<br />
beladen.<br />
Rudi Beck<br />
schwört auf<br />
seine alte<br />
Bruhn-Handbedienung,<br />
die jetzt von<br />
Veigel gebaut<br />
wird.<br />
PARAPLEGIKER 1/09 85
technik<br />
Kontakt:<br />
Jürgen Wecke<br />
RoKoDat – Zentrum<br />
für Behinderteninformation<br />
http://<br />
rokodat-katalog.de.ki<br />
Post: Talstr. 3, 76327<br />
Pfi nztal<br />
tel 07 21-4 99 99 01<br />
86<br />
Bedienung<br />
Bedienung<br />
mit Tankstellen Tankstellen<br />
Im<br />
Frühjahr 2008 startete das<br />
„RoKoDat“ Zentrum für Behinderteninformation,<br />
eine FGQ-Kontaktstelle,<br />
die Initiative „Gegen den Service-<br />
Notstand an Deutschlands Tankstellen“. Mit<br />
Erfolg. So konnte z.B. die Deutsche TOTAL als<br />
Betreiber vieler Tankstellen gewonnen werden,<br />
die servicebereit sind. Gleichzeitig wurde die<br />
Information zu Tage gefördert, dass die Deutsche<br />
AGIP schon seit Jahren Service nach Hupen<br />
anbietet. Bei TOTAL wird der Service telefonisch<br />
angefordert. Alle AGIP-Stationen sind<br />
in den RoKoDat-Katalog eingepfl egt. Zudem<br />
war zu erfahren, dass die Deutsche Shell an einer<br />
großen Anzahl von Tankstellen mittlerweile<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Das Auto soll sechs bis acht Jahre gefahren<br />
werden. Und was kommt dann? „Auf jeden Fall<br />
der gleiche Typ, der hat sich bei uns in vielen<br />
Jahren wirklich gut bewährt.“ Etwa 15 000 bis<br />
20 000 km fährt Rudi Beck jährlich mit seinem<br />
Auto, meist sind das Urlaubs- und Wochen-<br />
Ausstattungen<br />
Mercedes E 220 CDI Avantgarde Kombi<br />
- Fünfgang-Automatik, „Tipschaltung“<br />
- automatische Licht Ein- und Ausschaltung<br />
- Reifendruck-Kontrolle<br />
- Scheibenwischer mit „Regensensor“<br />
- Tempomat „Speedtronic“<br />
- Multifunktions-Lenkrad mit vielen Funktionen<br />
- Telefon-Freisprech-Einrichtung<br />
- Navigations-System<br />
- Einpark-Hilfe „Parktronic“<br />
- vielfältig verstellbare, beheizbare Sitze<br />
end-Fahrten, natürlich aber auch die üblichen<br />
Besorgungen. „Und jeder Kilometer ist ein Vergnügen“<br />
– kann man nachempfi nden…<br />
Text& Fotos:<br />
Hermann Sonderhüsken<br />
Technische Daten<br />
Hubraum 2.996 ccm<br />
Leistung 170 PS / 125 kW<br />
Drehmoment 400 Nm bei 2.000 U/min<br />
Zylinderzahl 4<br />
Länge/Breite/Höhe 489/183/150 cm<br />
Leergewicht 1 785 kg<br />
Wendekreis 11,4 m<br />
Spurt auf 100 km/h 9,1 Sekunden<br />
Höchstgeschwindigkeit 220 km/h<br />
wieder Tankwartservice eingeführt<br />
hat. Einen Stationsfi nder zu jedem<br />
der drei Anbieter fi nden Sie unter<br />
der folgenden Adresse: http://rokodat-katalog.<br />
de.ki/d_gesamt.html. Bis alle mitwirkenden<br />
Tankstellen im Katalog zu fi nden sind kann es<br />
allerdings noch einige Zeit dauern, denn noch<br />
liegen nicht alle Informationen vor. Ebenso auf<br />
der RoKoDat-Internetseite (unter „Deutschland<br />
gesamt“): Eine Tabelle der Tankstellen, die<br />
mit „DRS“ ausgerüstet sind. Dieses sinnvolle<br />
Serviceanforderungssystem ist leider sehr vernachlässigt<br />
worden. Deshalb ist fraglich, dass<br />
alle in der Tabelle aufgeführten DRS-Systeme<br />
überhaupt in Betrieb sind.
Neue Beschichtung für hydrophile<br />
Kathetersysteme<br />
M<br />
edical Service bietet Betroffenen hochwertige<br />
urologische Hilfsmittel an. Der Anwender kann je<br />
nach Präferenz zwischen hydrophilen und gelbasierten<br />
Kathetersystemen wählen.<br />
Die hydrophilen Kathetersysteme werden künftig<br />
mit einer neuen verbesserten Beschichtung versehen.<br />
Sie ermöglicht eine längere Gleitfähigkeit<br />
und garantiert dem Anwender damit eine einfache<br />
Handhabung. Durch die schnelle Aktivierung der<br />
Komponenten ist das Kathetersystem für den Betroffenen<br />
in wenigen Sekunden gebrauchsfertig.<br />
Künftig erhalten Sie die neue Beschichtung in den<br />
beiden hydrophilen Kathetersystemen Liquick®<br />
Base und Liquick®.<br />
Außerdem hat Medical Service die Linie der hydrophilen<br />
Kathetersysteme um zwei neue Produktausprägungen<br />
erweitert. Künftig ist das Kathetersystem<br />
Liquick® Base auch mit Tiemann-Kopf<br />
und Nelaton-Kopf erhältlich. Damit ist das Kathetersystem<br />
noch besser an die individuellen Bedürfnisse<br />
angepasst.<br />
Alle Kathetersysteme sind mit dem SafetyCat®<br />
Sicherheitskatheter ausgestattet. Um eine beson-<br />
ders schonende Katheterisierung zu gewährleisten,<br />
verfügt der SafetyCat® Sicherheitskatheter<br />
über innen und außen weich abgerundete Augen.<br />
Damit wird die sensible Harnröhrenschleimhaut<br />
geschont. Der fl exible und dennoch stabile Katheterkopf<br />
(Ergothan-Kopf) passt sich der Anatomie<br />
der Harnröhre optimal an. Damit bietet der SafetyCat®<br />
Sicherheitskatheter alle Voraussetzungen<br />
für eine schonende und sichere Katheterisierung.<br />
Nähere Informationen zu<br />
Liquick® und Liquick® Base sowie kostenlose<br />
Produktmuster sind unter der Servicenummer<br />
0800 – 403 1001 erhältlich.<br />
Medical Service GmbH<br />
Luisenstraße 8 • 75378 Bad Liebenzell<br />
info@medical-service.de<br />
www.medical-service.de<br />
Cranberry + Kürbis + Vitamin C<br />
für eine gesunde Blase<br />
I<br />
n vielen Ländern sind Cranberries (amerikanische<br />
Preiselbeeren) aufgrund ihrer positiven Eigenschaften<br />
zur Stärkung der Blasengesundheit seit<br />
Jahrhunderten bekannt. In einer aktuellen Metaanalyse<br />
der international renommierten, unabhängigen<br />
Cochrane Collaboration wurde die antibakterielle<br />
Wirkung der Cranberry nun auch auf<br />
höchstem wissenschaftlichem Niveau bestätigt.<br />
Spezielle Inhaltsstoffe der Cranberry hüllen die<br />
Bakterien wie einen Mantel ein, so dass diese sich<br />
in der Blase und der Niere nicht mehr festsetzen<br />
können. Werden Cranberries frühzeitig – möglichst<br />
vorbeugend – eingenommen, können nicht<br />
nur Harnwegsinfekte, sondern in vielen Fällen<br />
auch die Anwendung von Antibiotika vermieden<br />
werden.<br />
In Deutschland wurde<br />
mit ‚Cystorenal® Cranberry<br />
plus Kapseln‘ (rezeptfrei,<br />
Apotheke) jetzt<br />
ein Naturprodukt entwickelt,<br />
das neben Cranberry-<br />
und Kürbiskern-<br />
Extrakt auch Vitamin<br />
C enthält. Diese einzigartige Vitalkombination<br />
wirkt dreifach: Der Cranberry-Spezialextrakt<br />
vm36 enthält Proanthocyanidine in ausreichender<br />
Menge, um das Anheften von Keimen an<br />
die Zellen des Harntraktes zu verhindern und die<br />
Harnwege zu beruhigen. Der Kürbiskern-Extrakt<br />
stärkt die Blase sowie die Prostatafunktion beim<br />
Mann und unterstützt die Ausschwemmung der<br />
markt<br />
PARAPLEGIKER 1/09 87
markt<br />
88<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Bakterien. Vitamin C stärkt zusätzlich das Immunsystem.<br />
Weitere Informationen können unter der Quiris<br />
Healthcare-Servicenummer oder per E-Mail kostenlos<br />
angefordert werden.<br />
Kontakt:<br />
Quiris Healthcare GmbH & Co. KG<br />
Servicenummer: 0 800 - 0 78 47 47<br />
eMail info@quiris.de<br />
www.quiris.de<br />
Urlaub ohne Hindernisse im<br />
Dünenhof Ferienhotel<br />
W<br />
eites Deichvorland, eine einzigartige und unberührte<br />
Landschaft, weite Strände und der mit<br />
Heilstoffen wie z. B. Jod angereicherte Wind - allein<br />
die Umgebung ist einmalig wohltuend. Das<br />
Dünenhof Ferienhotel liegt in nahezu unberührter<br />
Landschaft auf einer natürlichen Düne direkt am<br />
Deichvorland und dem Nationalpark Niedersächsisches<br />
Wattenmeer, am südwestlichen Stadtrand<br />
von Cuxhaven. Die herrliche Natur mit Deichvorland,<br />
Küstenwald und Heidelandschaft in direkter<br />
Nähe zu den feinsandigen Sandstränden und dem<br />
ausgedehnten Watt bietet beste Voraussetzungen<br />
für einen unbeschwerten und vielseitigen Urlaub.<br />
Hier fi ndet man Ruhe und Entspannung in intakter<br />
Natur.<br />
Obwohl das Ferienhotel in ruhiger Abgeschiedenheit<br />
in Berensch steht, sind in bequemer Distanz<br />
(ob mit dem Fahrrad, Handbike oder Auto)<br />
viele verschiedene Ziele zu erreichen: Strand von<br />
Sahlenburg, das kleine Dörfchen Nordholz oder,<br />
für etwas fi ttere Fahrer, die Stadt Cuxhaven, die<br />
einiges zu bieten hat. Der Sandstrand in Sahlenburg<br />
ist per Fahrrad in 15 min oder mit dem Auto<br />
in 10 min erreichbar. Man kann das Strandleben<br />
genießen oder den Schiffsverkehr auf der Elbe beobachten.<br />
Attraktive Ausfl ugsmöglichkeiten z.B.<br />
zum Fischereimuseum „Alte Liebe“, dem Deutschen<br />
Schifffahrtsmuseum, dem Auswandererhaus<br />
oder eine Weserrundfahrt in Bremerhaven,<br />
eine Wattwagenfahrt nach Neuwerk sowie eine<br />
Schiffsfahrt zu Deutschlands einziger Hochseeinsel<br />
Helgoland lassen auch außerhalb der Strandtage<br />
keine Langeweile aufkommen.<br />
Als eine der wenigen komplett barrierefreien<br />
Hotelanlagen in Deutschland ist das Dünenhof<br />
Ferienhotel ideales Reiseziel an der Nordsee für<br />
Menschen mit und ohne körperliche Einschränkungen.<br />
Das gesamte Gelände ist so konzipiert,<br />
dass auch für Menschen mit Behinderungen ein<br />
selbstständiger und angenehmer Aufenthalt ermöglicht<br />
wird. Alle Bereiche des Ferienhotels und<br />
die Aufzüge sind mit entsprechenden Türbreiten<br />
ausgestattet und problemlos mit dem Rollstuhl<br />
erreichbar. Jede der wenigen Treppenstufen kann<br />
mit einem Aufzug oder einer Rampe umgangen<br />
werden. Automatisch öffnende Schiebetüren in<br />
Eingangs- und Korridorbereichen sind selbstverständlich.<br />
Die Badezimmer sind geräumig und<br />
behindertengerecht eingerichtet. Vor Ort können<br />
verschiedene Hilfsmittel ausgeliehen werden, wie<br />
z.B. Rollstühle, Handbike, Rollator, Bettlifter, Bettgalgen<br />
uvm. Auf der Urlaubsmesse CMT 2006 in<br />
Stuttgart wurde das Dünenhof Ferienhotel aufgrund<br />
des hochwertigen Angebots für Menschen<br />
mit Behinderung mit dem goldenen Rollstuhl ausgezeichnet.<br />
Im Dünenhof Ferienhotel stehen Hallenbad (mit<br />
Lifter), Sauna, Kegelbahn, Minigolfanlage, Boulebahn,<br />
Sporthalle und Kinderspielplatz für die
kleineren Gäste zur Verfügung. Die Physiotherapeutische<br />
Praxis im Hotel bietet darüber hinaus<br />
Entspannungsmöglichkeiten für den ganzen Körper.<br />
Abends kann der Tag mit einem gemütlichen<br />
Beisammensein in der kleinen Bierstube, am Grillplatz<br />
oder im Billardraum abgerundet werden.<br />
Für Reisegruppen stehen zwei Tagungsräume bis<br />
max. 35 Teilnehmer, ein Mehrzweck Tagungsraum<br />
bis max. 80 Teilnehmer und zwei kleinere Gruppenräume<br />
zur Verfügung. Insgesamt stehen den<br />
Gästen 21 rollstuhlgerechte und 33 für Gehbehin-<br />
derte geeignete Zimmer zur Verfügung. Die Zimmer<br />
besitzen teilweise Balkon oder Terrasse und<br />
sind fast alle mit Sat- TV ausgestattet.<br />
Weitere Informationen zu Ausstattung und Preisen<br />
sowie den Dünenhof Film mit weiteren Informationen<br />
erhalten Sie im Internet unter www.<br />
duenenhof.org, per Telefon 0 47 23-71 90 oder per<br />
eMail ferienhotel@duenenhof.org<br />
Individueller Bungalow von<br />
Haas Fertigbau<br />
H<br />
aas Fertigbau liegt mit seinem neuen Bungalow-Konzept<br />
voll im Trend. Das Wohnen auf<br />
einer Ebene wird für alle Altersgruppen immer<br />
attraktiver, weil sie die Vorteile eingeschossiger<br />
Bauweise erkennen und schätzen. Denn Wohnen<br />
ohne Hindernisse ermöglicht lebenslange<br />
Selbstständigkeit und bietet planbare Sicherheit<br />
auf lange Sicht. Haas Fertigbau zeigt mit seinem<br />
neuen Bungalowprospekt mit attraktiven Grundrissvorschlägen<br />
und individuellen Planungsmöglichkeiten<br />
für jede Lebenssituation die passende<br />
Lösung.<br />
Das Einstiegshaus Bungalow 97 (die Zahl steht<br />
jeweils für die Wohnfläche) ist ein kompakter<br />
moderner Blickfang mit klaren Strukturen. Egal<br />
ob Pult-, Sattel- oder Walmdach, mit Terrassenüberdachung<br />
oder attraktiver farbiger Außenfassade.<br />
Der Bungalow 97 ist optimal für ein Paar<br />
mit dem Anspruch auf Wohnkomfort und Geborgenheit.<br />
Das offene Ambiente im Bereich Küche,<br />
Essen und Wohnen, ein geräumiges Schlafzimmer<br />
mit Ankleide sowie ein großes Bad bringen<br />
97 m² Wohnvergnügen.<br />
Mit 106 m² Wohnfläche zeigt der Bungalow<br />
106 eine funktionelle und dennoch komfortable<br />
Raumaufteilung. Der direkte Weg vom Schlafzimmer<br />
in das großzügige Bad animiert zur Wellness<br />
bei Tag und Nacht. Gerade die Bauherren,<br />
die nachdem die Kinder aus dem Haus sind,<br />
ein zweites mal Bauen, werden die Vorteile und<br />
Wohnideen dieser Bungalow-Variante schätzen.<br />
Bungalow 116: überraschend, welche kreativen<br />
Möglichkeiten in der Architektur dieses Traumhauses<br />
stecken. Bei diesem Hausvorschlag steht<br />
ein geräumiges Zimmer als Kinder, Gäste- oder<br />
Arbeitszimmer bereit, ganz nach Bedarf. Aus<br />
dem großen Schlafzimmer kommt man durch<br />
einen begehbaren Schrank direkt in das Bad. Besonders<br />
praktisch sind die beiden Abstellräume<br />
neben der Terrasse, sie bieten genügend Stauraum<br />
für Gartenmöbel und Gartengrill.<br />
Der Bungalow 131 besticht mit enormer Flexibilität<br />
und höchstem Wohnkomfort. Ein einerseits<br />
getrennter Wohn/Essbereich und eine trotzdem<br />
offen wirkende Raumgestaltung begeistern.<br />
Zwei Bäder, zwei Kinderzimmer oder ein Büro<br />
und ein Gästezimmer stehen zur Wahl.<br />
Ein unverwechselbares Konzept mit exklusivem<br />
Design vermittelt der Bungalowentwurf Bungalow<br />
179 – ausdrucksstark und modern mit Komfort<br />
auf der ganzen Linie. Eine Wohnoase mit offener<br />
Küche, Gästezimmer mit eigenem Bad, Schlafzimmer<br />
mit Zugang zum Badvergnügen, großer<br />
Hauswirtschaftsraum und direkter Zugang von<br />
der Garage in das Haus sind Wohnerlebnis pur.<br />
markt<br />
PARAPLEGIKER 1/09 89
markt<br />
Weitere Infos und<br />
Besichtigungstermine<br />
telefonisch unter<br />
02 21-4 47 05 24<br />
oder www.heibera<br />
tung.com.<br />
90<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Haas Fertigbau, der Bungalowspezialist, hat auf<br />
seinem Werksgelände im niederbayerischen Falkenberg<br />
mit dem Bungalow TOP LINE 510 BF bewiesen<br />
wie modern, funktionell und mit höchstem<br />
Wohnkomfort ausgestattet barrierefreies Bauen<br />
sein kann. Der Bungalow 510 BF wurde zusammen<br />
mit dem siebenfachen Paralympicssieger<br />
Martin Braxenthaler entworfen und gestaltet.<br />
Selbstständiges Wohnen zu jeder Lebenszeit hat<br />
Wohngemeinschaft für beatmete<br />
Menschen in Düsseldorf<br />
E<br />
ndlich ist es soweit. Die Heimbeatmungsservice<br />
Brambring Jaschke GmbH ermöglicht das Zusammenleben<br />
von Menschen mit Beatmungspflicht<br />
oder einem Bedarf an häuslicher Intensivpflege<br />
in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft<br />
in Düsseldorf. Die technische und medizinische<br />
Entwicklung ist soweit fortgeschritten, dass Beatmung<br />
im häuslichen Bereich möglich und wünschenswert<br />
ist. Die Versorgung eines Angehörigen<br />
im häuslichen Umfeld bedeutet für viele betroffene<br />
Familien jedoch eine enorme Belastung, der<br />
sie nicht immer gewachsen sind. Bisher stand nur<br />
eine Alternative zur Verfügung: die Versorgung in<br />
einem Alten- und Pflegeheim.<br />
Diese Einrichtungen sind in der Regel weder vom<br />
Stellenschlüssel noch von der Qualifikation ihrer<br />
Mitarbeiter, auf beatmete und intensivpflegebedürftige<br />
Bewohner eingestellt und können deshalb<br />
verständlicherweise keine bedarfsgerechte<br />
Versorgung und Pflege anbieten. Hier greift das<br />
Konzept der Wohngemeinschaft. Dabei konnte<br />
für alle Menschen einen sehr hohen Stellenwert<br />
– aber besonders für Menschen mit Behinderung.<br />
Keine Türschwellen, keine Stufen, alles in greifbarer<br />
Nähe, rutschfeste Böden, einfach zu bedienende<br />
Fenster, eine unkomplizierte Küche und ein<br />
behindertengerechtes Bad sichern Bewegungsfreiheit<br />
und höchsten Bedienkomfort. Bungalow<br />
und Musterhauspark stehen zur Besichtigung bereit.<br />
Die Bungalowspezialisten von Haas Fertigbau<br />
sind kompetente Partner für Ideen, Wünsche und<br />
Lebensziele beim Hausbau.<br />
die Heimbeatmungsservice GmbH auf die Erfahrungen<br />
bereits bestehender Wohngemeinschaften<br />
zurückgreifen. Das in München beheimatete Unternehmen<br />
betreut bereits Klienten in derartigen<br />
Wohnprojekten in anderen Bundesländern.<br />
In NRW sollten die zukünftigen Bewohner eine<br />
attraktive Wohnmöglichkeit in einer belebten und<br />
interessanten Metropole mit internationalem Flair<br />
vorfinden. Die gibt es jetzt: Über den Dächern von<br />
Düsseldorf, in Rheinnähe und nah am Puls der<br />
Stadt. Im traumhaften Ambiente einer 180 qm-<br />
Wohnung finden zukünftig vier Bewohner neben<br />
einem geschmackvollen, gemeinsamen Wohn-<br />
Essbereich, großzügig geschnittene, helle Zimmer,<br />
die nach eigenen Wünschen und Vorstellungen<br />
eingerichtet werden können. Zwei große und<br />
behindertengerechte Bäder sowie ein Sonnenbalkon<br />
runden das Angebot ab.<br />
Viel Arbeit wurde im Vorfeld geleistet und alle<br />
Beteiligten warten nun mit Spannung auf die ersten<br />
Bewohner/innen. Die Heimbeatmungsservice<br />
Brambring Jaschke GmbH bietet diesen Menschen<br />
eine qualifizierte 24-Stunden Pflege im Assistenzmodell<br />
und ermöglicht damit eine selbstständige<br />
Lebensführung, die den Bewohnern ein Höchstmaß<br />
an Mobilität und Flexibilität bietet. So können<br />
und sollen je nach Befinden und Wünschen<br />
die vielfältigen kulturellen und geschäftlichen<br />
Highlights der Stadt genutzt werden. Ausflüge in<br />
die berühmte Altstadt, Shopping auf der mondänen<br />
Königsallee oder Ausruhen an der schönen<br />
Rheinpromenade gehören ebenso zum Angebot,<br />
wie Besuche der vielen Museen und Theater der<br />
Kultur- und Wirtschaftmetropole Düsseldorf.
ALTEC-Rollstuhlrampe<br />
überwindet Schwellen<br />
ie Firma ALTEC GmbH aus Singen, Produzent<br />
von Aluminium-Auffahrhilfen, stellt als Übergang<br />
von Wohn- und Aufenthaltsraum zur Terrasse oder<br />
Balkon eine mobile, klappbare Schwellenbrücke<br />
her, den Typ BTR. Höhenverstellbare Spindelfüße<br />
ermöglichen den Einsatz an fast jeder Türschwelle.<br />
Durch ein Scharnier kann die Rampe Platz sparend<br />
zusammengelegt werden und verbleibt bei<br />
Nichtgebrauch auf Balkon oder Terrasse. Beim<br />
nächsten Einsatz wird sie einfach wieder auseinandergeklappt<br />
und ist sofort benutzbar.<br />
Inkontinenzaufklärung für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
G<br />
unhild Vieler hatte vor 11 Jahre die Idee ein Unternehmen<br />
zu gründen, das nicht nur Inkontinenzprodukte<br />
vertreibt, sondern eine ganz spezielle<br />
Versorgung anbietet. Von Anfang an hat die Firma<br />
Incocare den Patienten Möglichkeiten gegeben in<br />
mehrtägigen Seminaren die praktische Seite des<br />
Intermittierenden Katheterismus kennen zu lernen.<br />
Die Seminare beginnen am Freitagabend und enden<br />
am Sonntagmittag. Ein speziell ausgebildeter<br />
Krankenpfleger/in beschäftigt sich intensiv mit den<br />
Kindern/Jugendlichen und übt praktisch mit ihnen.<br />
Die entsprechende Pflegeperson hat an diesem Wochenende<br />
nur zwei Patienten zu betreuen, wodurch<br />
gewährleistet ist, dass das Kind viel lernen wird. Die<br />
Eltern haben viele Möglichkeiten sich bei Vorträgen<br />
über Intermittierenden Katheterismus und Möglichkeiten<br />
der Darmentleerung zu informieren und sich<br />
mit anderen Eltern auszutauschen. Weiterhin gibt<br />
es ein fünftägiges Seminarangebot zu speziellen,<br />
praktischen Techniken der Darmentleerung.<br />
Den Kindern wird dabei geholfen die Gesundheit zu<br />
erhalten und ein gutes Körperbewusstsein zu entwickeln.<br />
Zur intensiveren Beratung und für weitergehende<br />
Informationen gibt es folgende Inhalte an<br />
diesen Wochenenden:<br />
Einzelberatung mit Betroffenen und<br />
geschultem Pflegepersonal<br />
Einzelberatung bei Frau Vieler<br />
D<br />
Informationen über Rollstuhlsport etc.<br />
Produktinformation<br />
Freizeit<br />
Psychologische Beratung<br />
Entspannung<br />
Im Team arbeiten Gesundheits- und Krankenpfleger/innen<br />
(vornehmlich aus dem Gebiet der Urologie)<br />
mit den Seminarteilnehmern Hand in Hand,<br />
um einen bestmöglichen Erfolg zu erzielen. Ergänzt<br />
wird das Team durch professionelle Berater und<br />
einen Seminarleiter, Psychologen und Rollstuhlfahrer,<br />
die mit ihrer eigenen Erfahrung und Tipps und<br />
Tricks helfend zur Seite stehen.<br />
Das Seminar selbst ist kostenlos, zu zahlen sind<br />
lediglich persönliche Übernachtungs- und Verpflegungskosten.<br />
Auch im Erwachsenenbereich sind<br />
seit 2008 Seminare im Angebot.<br />
markt<br />
Kontakt:<br />
www.IncoCare.de<br />
PARAPLEGIKER 1/09 91
info info<br />
92<br />
PARAPLEGIKER 1/09<br />
Bundessozialgericht:<br />
Urteile zum „Kraftknoten“<br />
Am Rollstuhl angebrachte „Kraftknoten“ dienen dazu eine optimale Krafteinleitung<br />
sowohl Richtung Fahrzeugboden als auch zum Sicherheitsgurt zu gewährleisten.<br />
Bei Nutzung eines „Behindertentaxis“ sollte auf diese Technik nicht mehr verzichtet<br />
werden. Aber wer trägt die Kosten...<br />
D<br />
ie Krankenkassen verwiesen auf die Sozialhilfeträger,<br />
die Sozialhilfeträger meinten die Krankenkassen<br />
seien zuständig und andere Varianten.<br />
Auch die bisherigen Gerichtsentscheidungen zu<br />
dem Thema fielen unterschiedlich aus. Aber jetzt<br />
hat das Bundessozialgericht (BSG) mit verschiedenen<br />
Urteilen am 20.11.2008 für Klarheit gesorgt!<br />
An diesem Tag verhandelte das BSG drei unterschiedliche<br />
Fälle zum Thema Kraftknoten, in denen<br />
die jeweilige Krankenkasse verklagt wurde.<br />
Im ersten Fall ging es darum, ob der Elektrorollstuhl<br />
des Klägers für Fahrten zu einer Werkstätte<br />
für behinderte Menschen mit einem Kraftknoten<br />
auszustatten ist und wer die Kosten hierfür trägt.<br />
Im zweiten Fall benötigte der Kläger den Kraftknoten,<br />
um den Weg zur Sonderschule zu bewerkstelligen.<br />
Und im dritten Fall ging es um einen so genannten<br />
Erstattungsstreit zwischen der Region Hannover<br />
und einer Krankenkasse. Die Region Hannover war<br />
in Vorleistung gegangen und forderte die Kosten<br />
für den Kraftknoten nun von der Krankenkasse. Es<br />
ging dabei um die Versorgung eines Schülers.<br />
In allen drei Fällen wurde die Krankenkasse verurteilt<br />
die Kosten des Kraftknotens zu tragen. Im<br />
ersten Fall wurde die Krankenkasse verurteilt, die<br />
Kosten für den Kraftknoten zu übernehmen, da sie<br />
nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen<br />
nach § 14 Absatz 1 Satz 2 SGB IX an den nach<br />
ihrer Meinung nach zuständigen Kostenträger weitergeleitet<br />
hat. Daher musste sie den Anspruch<br />
auf den Kraftknoten nach allen Rechtsgrundlagen<br />
prüfen und nicht nur nach dem Recht der Krankenversicherung.<br />
Die Krankenkasse hat damit zu<br />
prüfen, ob es sich um ein Hilfsmittel im Sinne der<br />
Krankenkasse handelt, aber auch ob ein sozialhilferechtlicher<br />
Anspruch besteht. Nach Ablauf der<br />
zweiwöchigen Frist kann sie nicht mehr auf andere<br />
Kostenträger verweisen. Im vorliegenden Fall ergibt<br />
sich der Anspruch des Klägers entweder aus §<br />
33 Abs 1 SGB V (Recht der Krankenversicherung),<br />
falls er als schwerstbehinderter Erwachsener nur<br />
im Rollstuhl sitzend Ärzte und Therapeuten zu erreichen<br />
vermag und ihm deshalb ausnahmsweise<br />
als Basisausgleich seiner Behinderung auch die<br />
Möglichkeit des sicheren Transportes von der Beklagten<br />
zu gewähren ist, oder ansonsten aus den<br />
sozialhilferechtlichen Regelungen zur Eingliederung<br />
von Behinderten in das Erwerbsleben.<br />
In den beiden anderen Fällen wurde die Krankenkasse<br />
zur Zahlung verurteilt, da es sich bei der Versorgung<br />
mit einem Kraftknoten um einen Anspruch<br />
gemäß § 33 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
handelt. Zwar ist das Grundbedürfnis der<br />
Mobilität in aller Regel schon mit der Möglichkeit<br />
zur Erschließung des Nahbereichs der Wohnung<br />
erfüllt, so dass die Versorgung mit den im Einzelfall<br />
in Betracht kommenden Hilfsmitteln – insbesondere<br />
mit einem Rollstuhl – insoweit ausreichend ist.<br />
Kann ein Versicherter zum Schulbesuch jedoch nur<br />
sitzend im Rollstuhl transportiert werden, dann hat<br />
die gesetzliche Krankenversicherung auch die notwendige<br />
und nach dem Stand der Technik erforderliche<br />
Sicherung des Transports durch geeignete<br />
Maßnahmen zu gewährleisten. Aktenzeichen:<br />
Urteile des BSG vom 20.11.2008 zu den Aktenzeichen<br />
B 3 KR 6/08 R; B 3 KR 16/08 R; B 3 KN 4/07 KR R.<br />
RA Jörg Hackstein<br />
Autoreninfo: Rechtsanwalt Jörg Hackstein ist<br />
Vorstand der Schütze & Hartmann Rechtsanwälte<br />
AG in Lünen. Die auf Unternehmen des Gesundheitsmarktes<br />
spezialisierte Kanzlei vertritt<br />
und berät u.a. namhafte Leistungserbringer, Hersteller,<br />
Verbände und Versicherte im Hilfsmittelsektor.
HUMANIS Zeitschriften<br />
umweltfreundlicher:<br />
Papier aus<br />
nachhaltiger<br />
Waldwirtschaft<br />
Unsere Zeitschriften tragen ab sofort<br />
das „PEFC-Siegel“. Grund dafür ist das<br />
Papier, auf dem bei der Firma NINO<br />
Druck GmbH in Neustadt gedruckt wird.<br />
Es stammt aus nachhaltig bewirtschafteten<br />
Wäldern.<br />
Das internationale PEFC-Siegel ist Garantie für Produkte<br />
aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Ausgangspunkt<br />
der Zertifi zierung nachhaltiger Forstwirtschaft<br />
sind Überlegungen, wie man Waldzerstörungen vor<br />
allem in den Tropen aber auch in Nadelwäldern entgegenwirken<br />
kann. Bei der Zertifi zierung wird durch<br />
einen unabhängigen Gutachter festgestellt, ob die Bewirtschaftung<br />
der Wälder nachhaltig erfolgt. Produkte<br />
aus zertifi zierten Wäldern werden mit einem Label gekennzeichnet,<br />
das dem Verbraucher die Herkunft aus<br />
nachhaltig bewirtschafteten Wäldern garantiert. Der<br />
verantwortungsbewusste Verbraucher sollte nur noch<br />
zertifi zierte Produkte kaufen und so letztlich die Anbieter<br />
zwingen auf eine nachhaltige Bewirtschaftung<br />
umzustellen.<br />
International gibt es vor allem zwei Zertifi zierungssysteme:<br />
PEFC (Programme for the Endorsement of Forest<br />
Certifi cation Schemes) und FSC (Forest Stewardship<br />
Council). Die inhaltlichen Unterschiede sind eher gering,<br />
die geforderten Standards sind im Grunde vergleichbar.<br />
Während sich PEFC etwas stärker an den<br />
Waldbesitzern orientiert, wird FSC vor allem von den<br />
großen Umweltschutzorganisationen bevorzugt. Mit<br />
einer zertifi zierten Waldfl äche von mehr als 200 Mio.<br />
Hektar ist PEFC das weltweit größte forstliche Siegel.<br />
Seit der Gründung von PEFC Deutschland im Jahr 1999<br />
wurden mit mehr als 7 Mio. Hektar gut zwei Drittel<br />
der deutschen Waldfl äche zertifi ziert. Die wichtigsten<br />
Standards lauten: Förderung von Mischbeständen aus<br />
standortgerechten Baumarten. Kahlschläge sind verboten.<br />
Pfl anzenschutzmittel sollen vermieden werden.<br />
Unabhängige Zertifi zierungsgesellschaften kontrollieren<br />
in regelmäßigen Abständen die Einhaltung dieser<br />
Vorschriften.<br />
Ich spende meinen Jahres- Mitgliedsbeitrag in Höhe<br />
von Euro<br />
(mindestens 30 Euro)<br />
Querschnittgelähmte 15 Euro, je Familienmitglied 15 Euro<br />
Ich zahle per: Abbuchung Rechnung<br />
Buchen Sie von folgendem Konto ab:<br />
Bank<br />
PARAPLEGIKER – Zeitschrift für<br />
Menschen mit Körperbehinderung<br />
Das offi zielle Nachrichtenmagazin der Fördergemeinschaft<br />
der Querschnittgelähmten erscheint jetzt im<br />
vereinseigenen HUMANIS Verlag. Menschen mit Körperbehinderung<br />
haben viele gemeinsame Interessen,<br />
deshalb sollte der Blick auch über den Zaun der eigenen<br />
Betroff enheit hinausgehen. Der „Para“ bietet einen<br />
Mix aus Information, Kultur, Politik und Unterhaltung.<br />
Ständige Themen<br />
Werden Sie Mitglied!<br />
Bankleitzahl Konto-Nr.<br />
Datum Unterschrift<br />
Ich kann diese Anmeldung innerhalb von 10 Tagen bei der Fördergemeinschaft der<br />
Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim schriftlich<br />
widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.<br />
Datum Unterschrift<br />
Bitte ausschneiden und in einem ausreichend frankierten Umschlag senden an:<br />
Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten<br />
in Deutschland e.V.<br />
Silcherstraße 15<br />
67591 Mölsheim<br />
Hilfsmittel Rollstuhl & Co – Test the Best<br />
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Zu unserem Programm gehören auch<br />
»B-kids« für behinderte Menschen,<br />
»K« - Journal Mensch und Krebs,<br />
»FGQ-Info« Informationsbroschüren der Fördergemeinschaft<br />
für Querschnittgelähmte in<br />
Deutschland.<br />
Bei Interesse fordern Sie bitte ein Probeheft an oder<br />
informieren sich telefonisch beim Verlag.<br />
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Diesen Abschnitt bitte ausfüllen,<br />
ausschneiden, in einen ausreichend<br />
frankierten Umschlag<br />
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Humanis<br />
Verlag für Gesundheit GmbH<br />
Silcher Straße 15<br />
67591 Mölsheim<br />
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Abotelefon:<br />
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Ich möchte »PARAPLEGIKER«, die Zeitschrift für Menschen mit<br />
Körperbehinderung abonnieren,<br />
4 Ausgaben jährlich für 15 € (Ausland 20 €) inkl. Porto & Versand.<br />
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gegen Rechnung (bitte Rechnung abwarten)<br />
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Ich möchte Mitglied im Freundeskreis der<br />
Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten<br />
in Deutschland e.V. werden.<br />
Ich erhalte 1/4 jährlich eine Informationsschrift, die mich unter anderem auch über alle<br />
laufenden Aktivitäten der Fördergemeinschaft unerrichtet. Falls ich durch einen Unfall<br />
eine Querschnittlähmung erleide, erhalte ich als Soforthilfe 50.000 € mit entsprechender<br />
Abstufung bei Teilinvalidität.<br />
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Folgende Familienangehörige melde ich für 15 Euro an:<br />
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Geb.-Datum<br />
Name, Vorname Straße / Wohnort<br />
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Ich bin querschnittgelähmt ja nein<br />
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PARAPLEGIKER – Zeitschrift für<br />
Menschen mit Körperbehinderung<br />
HUMANIS Verlag GmbH<br />
Silcherstraße 15 · D-67591 Mölsheim<br />
Telefon: 0 62 43-900 704<br />
Telefax: 0 62 43-903 569<br />
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ISSN 0723-5070<br />
HERAUSGEBER<br />
Fördergemeinschaft<br />
der Querschnittgelähmten<br />
in Deutschland e.V.<br />
GESCHÄFTSFÜHRER<br />
Roger Kniel<br />
MARKETINGLEITUNG<br />
Gisela Werner<br />
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POINT63 Media- und Verlagsservice<br />
Andreas Stoßberg<br />
Telefon: 02 12-2 33 52 65<br />
Telefax: 02 12-2 33 52 66<br />
a.stossberg@arcor.de<br />
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REDAKTIONSLEITUNG<br />
(v.i.S.d.P.) Peter Mand<br />
MITARBEIT AN DIESER AUSGABE<br />
Martin Bopp, Herbert Müller, Klaus Schwarz, Britta Wittmacher, Harry<br />
Baus, Hermann Sonderhüsken, Karin von der Saal, Josef Stöckle,<br />
Barbar Früchtel, Arndt Krödel, Ralph Büsing, Reinhard Wylegalla,<br />
Raimund Artinger, Alexander Epp, Ralf Kirchhoff , RA Jörg Hackstein.<br />
Layout<br />
Eickhoff – Grafi k & Design - Speyer<br />
Druck<br />
NINO Druck GmbH<br />
Im Altenschemel 21<br />
67435 Neustadt/Weinstraße<br />
Erscheinungsweise<br />
vierteljährlich<br />
Anzeigenschluss<br />
3 Wochen vor Erscheinen. Anzeigen erscheinen unter Verantwortung<br />
der Auftraggeber.<br />
Es gelten die Mediadaten Nr.9 ab 1. Dezember 2008<br />
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Inland 15 EURO jährlich, Ausland 20 EURO jährlich, Einzelheft:<br />
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