Therapieleitlinie chronischer Schmerz - Dr. Thomas Gronau
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Einleitung<br />
Heilpflanzen bei Beschwerden und Symptomen von Tumorpatienten<br />
Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie<br />
Der<br />
Deutschen Krebsgesellschaft<br />
Für viele Heilpflanzen aus unterschiedlichen Kulturen gibt es eine lange Tradition der<br />
Anwendung bei unterschiedlichen Beschwerden. Kaum eine dieser Heilpflanzen wurde<br />
bisher gezielt bei Tumorpatienten getestet. Grundsätzlich eignen sich Heilpflanzen eher<br />
bei leichten Beschwerden oder in Kombination mit einem schulmedizinischen Medika-<br />
ment. Bei pflanzlichen Medikamenten sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamen-<br />
ten nicht auszuschließen, so dass Tumorpatienten die Einnahme immer mit dem Arzt<br />
absprechen sollten.<br />
Inhaltsstoffe von Pflanzendrogen<br />
Beispielhaft seien hier einige Inhaltsstoffe aufgeführt:<br />
Alkaloide - wirken hauptsächlich auf das zentrale Nervensystem<br />
Herzglykoside - steigern die Kontraktionskraft des Herzens<br />
Saponine - haben eine schleimlösende und antientzündliche Wirkung. Außerdem<br />
eignen sie sich als sogenannte Emulgatoren, also Lösungsvermittler<br />
Flavonoide - wirken antientzündlich, antioxidativ und krampflösend (spasmolytisch)<br />
Anthranoide - wirken abführend auf den Dickdarm<br />
Kumarine - sind gefäßaktiv<br />
Ätherische Öle - wirken sekretionsanregend, krampflösend (spasmolytisch) und an-<br />
timikrobiell
Gerbstoffe - wirken antientzündlich, antimikrobiell und adstringierend, also die<br />
Schleimhaut schützend<br />
Pflanzliche Wirkstoffe am Verdauungstrakt<br />
Mund-Rachen-Raum<br />
Salbei enthält ätherisches Öl und Gerbstoffe, wirkt antientzündlich und kommt bei Erkäl-<br />
tungen aber auch zum Schutz der Schleimhäute unter einer Chemotherapie zum Ein-<br />
satz in Form von Teezubereitungen, aber auch käuflich erhältlichen Lösungen.<br />
Kamille enthält ätherische Öle, wirkt antientzündlich und hat eine beruhigende Wirkung<br />
auf die Schleimhäute. Kamille findet als Tee oder fertige Lösung Verwendung.<br />
Arnika wirkt antientzündlich und verbessert die lokale Abwehr, eine allergische Reaktion<br />
ist jedoch möglich. Bei äußerlichen Anwendungen wird Arnikatinktur ca. 10-fach ver-<br />
dünnt angewandt.<br />
Isländisch Moos und Eibischwurzeln sind Schleimdrogen, die eine beruhigende Wirkung<br />
auf die Schleimhäute, vor allen Dingen im Mund-Rachenbereich entfalten und bei grip-<br />
palen Infekten als Lutschpastillen verwendet werden.<br />
Magen-Darm-Trakt<br />
Bei Appetitlosigkeit können Bitterstoffdrogen eingesetzt werden. Sie wirken magentoni-<br />
sierend und sekretionsfördernd. Beliebte Pflanzen sind Enzian, Tausendgüldenkraut,<br />
Wermut und Pfefferminze. Die Einnahme sollte ca. 30 Minuten vor dem Essen erfolgen.<br />
Bei Verdauungsstörungen kommen Pflanzen zum Einsatz, die den Gallenfluss fördern<br />
und Blähungen vermindern. Hierzu zählen Anis, Fenchel, Kümmel, javanische Gelb-<br />
wurz, Löwenzahn und Kalmus.<br />
Bei Magenbeschwerden im Sinne einer leichten Magenschleimhautentzündung können<br />
Kamille und Süßholz (Lakritze) eingesetzt werden. Sie wirken entzündungshemmend<br />
und krampf-<br />
lösend. Ein gutes Mittel gegen zu hohe Magensäure ist Angurate-Tee. Bei nervösen
Magenbeschwerden kann auch Melisse eingesetzt werden. Wichtig ist hier die rechtzei-<br />
tige Konsultation des Arztes und Abklärung der Beschwerden mittels Magenspiegelung.<br />
Teemischungen bei Verdauungsstörungen und Blähungen setzen sich aus Anis, Fen-<br />
chel und Kümmel, bei Magenbeschwerden zusätzlich aus Kamille und Pfefferminze zu-<br />
sammen.<br />
Fertigpräparate sind z. B. Iberogast® (Kamille, Kümmel, Mariendistel, Melisse, Pfeffer-<br />
minze, Schöllkraut, Süßholzwurzel) und Carminativum Hetterich® (Kamille, Pfeffermin-<br />
ze, Fenchel, Kümmel, Pomeranze).<br />
Durchfallerkrankungen<br />
Gehen Durchfall helfen getrocknete Heidelbeeren als Abkochung.<br />
Ein industriell verfügbares Adsorbens sind indische Flohsamenschalen (Mucofalk®).<br />
Der Vorteil dieses Präparates ist, dass es nicht zu einer Verstopfung führt, sondern bei<br />
Verstopfung abführende Wirkungen entfalten kann. Ein bekanntes Mittel aus dem na-<br />
turheilkundlichen Bereich sind Pektine in Form von z. B. geriebenem Apfel. Pektine sind<br />
auch als Pulver erhältlich.<br />
Verstopfung<br />
Bekannt sind Leinsamenzubereitungen oder indischer Flohsamen.<br />
In vielen Mischpräparaten sind allerdings Anthranoiddrogen enthalten (Aloe, Sennes-<br />
früchte), die bei längerfristiger Einnahme zu einer Schädigung der Darmschleimhaut<br />
führen können. Gleiches gilt für die Faulbaumrinde.<br />
Leberfunktionsstörungen<br />
Das bekannteste naturheilkundliche Mittel ist die Mariendistel (Wirkstoff Silymarin).<br />
Nachgewiesenermaßen stabilisiert Silymarin die Zellmembran der Leberzelle.<br />
Vorwiegend gallesekretionsfördernd, aber auch sehr gut cholesterinsenkend wirken Ar-<br />
tischockenpräparate.
Gallenwege<br />
Eine beruhigende Wirkung auf die Gallenwege haben Löwenzahn, Artischocken und<br />
Pfefferminzpräparate. Schöllkraut wurde ebenfalls früher in dieser Indikation eingesetzt,<br />
ist jedoch mittlerweile umstritten, da vereinzelt lebertoxische Reaktionen gesehen wur-<br />
den.<br />
Pflanzliche Wirkstoffe an den Atmungsorganen<br />
Erkältungskrankheiten<br />
Zur Stimulation der Immunabwehr bei Infekten bzw. zur Prophylaxe können Sonnenhut-<br />
Präparate in Tropfenform oder als Kps. eingesetzt werden. Injektionen und Infusionen<br />
sind aufgrund einer möglichen allergischen Reaktion kontraindiziert. Zur Verfügung ste-<br />
hen zwei Pflanzen: Echinacea purpura ist zugelassen zur Prophylaxe bei wiederholten<br />
Infekten, Echinacea pallida zur begleitenden Behandlung eines grippalen Infekte. In<br />
Kombinationspräparaten finden sich oft Beimischungen der ebenfalls immunstimulie-<br />
renden Pflanze Thuja.<br />
Als schweißtreibende Tees bieten sich Holunder- oder Lindenblüten an.<br />
Bei Schnupfen empfiehlt sich eine Inhalation mit einer Kamillenlösung (Teezubereitung<br />
oder Kamillosan und ähnliches).<br />
Zum Abhusten sich sogenannte Expektoranzien eingesetzt, die die Sekretolyse mit<br />
ätherischen Ölen (Eukalyptus, Pfefferminze, Anis, Myrte, Thymian, Primeln, Efeu) för-<br />
dern.<br />
Erhältliche Fertigpräparate sind Sinupret® (Enzian, Primel, Holunder, ...), Gelomyrtol<br />
forte® (Myrte) sowie Salviathymol® (Salbei, Eukalyptus, Pfefferminze, Zimt, Nelke,<br />
Fenchel, Anis, Menthol und Thymol).<br />
Pflanzliche Wirkstoffe am Urogenitaltrakt<br />
Wassertreibende Medikamente
Wassertreibend sind Birkenblätter, Brennesselblätter und Beerentraubenblätter sowie<br />
Wacholderbeeren, letztere sollten jedoch nicht bei Nierenschädigungen angewandt<br />
werden.<br />
In den meisten Teepräparaten findet sich eine Mischung dieser Substanzen. Die medi-<br />
zinische Wirkung wird wahrscheinlich zum Teil über den hohen Kaliumgehalt erreicht.<br />
Ebenfalls wassertreibend wirkt Spargelwasser.<br />
Blasenentzündung<br />
Bärentraubenblätter entwickeln eine antibakterielle Wirkung, als Tee führen sie zusätz-<br />
lich zu einer vermehrten Durchspülung.<br />
Ein kommerziell erhältliches Mischpräparat ist Cystinol® aus Bärentrauben- und Bir-<br />
kenblättern, Schachtelhalm und Goldrutenkraut.<br />
Berichte aus den USA zeigen außerdem eine gute präventive Wirkung von Cranberries<br />
oder Cranberry-Extrakt.<br />
Prostatahyperplasie<br />
Einige pflanzliche Präparate können eine gutartige Vergrößerung der Prostata positiv<br />
beein-<br />
flussen. Hierbei handelt es sich um die Sägezahnpalme, welche sogenannte Phytos-<br />
terole, also pflanzliche hormonähnliche Substanzen enthält, die neben der antientzünd-<br />
lichen Wirkung den Wachstumsreiz des körpereigenen Testosterons blockieren. Kürbis-<br />
kerne haben wie die Sägezahnpalme eine kombinierte antientzündliche und antihormo-<br />
nelle Wirkung, auch Brennesselextrakt wirkt antientzündlich (s. u.).<br />
Pflanzliche Wirkstoffe bei rheumatischen Krankheitsbildern
Bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe hemmen die Synthese von Leukotrienen und Prostag-<br />
landinen und wirken dadurch antientzündlich. Hierzu gehören Brennessel, Teufelskralle,<br />
Weide, Weihrauch und Wacholder. Lokal antientzündlich und gleichzeitig durchblu-<br />
tungsfördernd wirken Kohlblätter (Wickel), Senfmehl (Auflagen) sowie Capsaicin (In-<br />
haltsstoff des Pfeffers), kommerziell als Salbe oder Pflaster erhältlich. Zum Einnehmen<br />
gibt es neben den Einzelsub-<br />
stanzen auch das Kombinationspräparat Phytodolor®.<br />
Pflanzliche Wirkstoffe bei Schlafstörungen<br />
Hier haben sich Baldrian, Hopfen, Melisse und Lavendel auch in medizinisch-klinischen<br />
Studien bewährt. Häufig kommen Kombinationen zum Einsatz. Anwendungen erfolgen<br />
in Form von<br />
Bädern, Fußbädern, Tee sowie Tabletten/Tropfen.<br />
Pflanzliche Wirkstoffe bei Depressionen<br />
Nachgewiesenermaßen wirkt Johanniskraut antidepressiv. Wichtig ist eine ausreichen-<br />
de Dosierung mit 2-3 x 300 mg Hyperforin, dem Hauptinhaltsstoff. Hyperforin hemmt die<br />
Aufnahme von Botenstoffen (Serotonin, Adrenalin und Dopamin sowie GABA und L-<br />
Glutamat) in Hirnnervenzellen. Im Vergleich zu schulmedizinischen Antidepressiva wird<br />
Johanniskraut fast nebenwirkungsfrei vertragen. Zu beachten sind jedoch zahlreiche<br />
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, so dass eine Selbstmedikation des Pa-<br />
tienten nicht empfehlenswert ist. Außerdem besteht eine erhöhte Sensibilität auf UV-<br />
Licht, Patienten sind entsprechend vorzuinformieren.<br />
Ein im asiatischen Raum weit verbreitetes Psychopharmakon sind Extrakte der Kava<br />
Kava-Wurzel. Derzeit ruht in Deutschland jedoch die Zulassung, da eine Lebertoxizität<br />
beschrieben wurde.<br />
Pflanzliche Wirkstoffe bei Kopfschmerzen
Pfefferminzöl und japanisches Heilpflanzenöl können bei Kopfschmerzen direkt auf den<br />
Schläfenbereich getropft werden.<br />
Übersicht über in Bädern anzuwendende ätherische Öle<br />
Wirkung Ätherische Öle<br />
Anregend Rosmarin, Wacholder, Fichtennadel, Eukalyptus, Kampfer<br />
(auch zur Durchblutungsförderung)<br />
Beruhigend Baldrian, Lavendel, Melisse, Johanniskraut<br />
adstringierend Eichenrinde (z. B. in Form von Sitzbädern bei nässenden Ek-<br />
zemen)<br />
entzündungshemmend Kamille, Teebaumöl<br />
broncholytisch Thymian<br />
bindegewebskräftigend Schachtelhalm (Zinnkraut)<br />
durchblutungsfördernd Moor, Rosskastanie<br />
Stand 20.12.2012