Reisebericht - Fishermen Travel Club, Zürich
Reisebericht - Fishermen Travel Club, Zürich
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URLAUB & ABENTEUER<br />
Alaska<br />
Petrus’ Paradies<br />
Drei Männer, drei Würfe, drei Fische<br />
-- unglaublich!“ schwärmt<br />
PeWe, als wieder alle Ruten<br />
zum Zerbersten gespannt sind und<br />
die Bremsen kreischen. Die gehakten<br />
Lachse rasen an uns vorbei -- mal<br />
links, mal rechts. Messerscharf durchschneiden<br />
die Schnüre die Wasseroberfläche,<br />
bis die silbernen Torpedos<br />
sie selbst durchpferchen. Das Wasser<br />
spritzt in alle Richtungen, und man<br />
verliert fast den Überblick, welchen<br />
Fisch man denn nun gerade drillt.<br />
Ernst dirigiert seinen Silberlachs als<br />
Erster zum Boot. Blitzschnell löst er<br />
den Haken des Spinners und schenkt<br />
dem etwa 12-pfündigen Salm die Freiheit.<br />
Ein Schwanzschlag -- weg ist er!<br />
Bevor PeWe und ich unsere Fische bändigen<br />
können, wirft Ernst erneut aus.<br />
76 FISCH & FANG 12/2006<br />
Weit, wild und wahnsinnig fängig:<br />
MARKUS HEINE entdeckte 10.000 Kilometer<br />
von zu Hause entfernt den Garten Eden<br />
für Angler.<br />
Mitten im Fisch: PeWe, Stefan und Ernst (v. l.)<br />
drillen gleichzeitig drei stramme Silberlachse.<br />
Ein gewohntes Bild am Nushagak.<br />
Der neongelbe Vibrax klatscht auf die<br />
Oberfläche. Eine Kurbelumdrehung,<br />
Biss! „Herrlich -- wieder ein Lachs!“<br />
freut sich Ernst. „Göttlich!“ huscht es<br />
über PeWes Lippen, ich schüttele ungläubig<br />
den Kopf.<br />
Schauplatz dieses Beißkonzerts ist<br />
der Nushagak-River in Alaska. Zusammen<br />
mit dem schweizerischen Angelreiseveranstalter<br />
Peter Werner „PeWe“<br />
Wilhelm starte ich Mitte August zu einer<br />
zweiwöchigen Rundreise durchs<br />
mir bisher fremde Alaska. Unser erstes<br />
Ziel: die Salmon Paradise Lodge bei<br />
Ekwok. Sie wird von der österreichischen<br />
Familie Esletzbichler betrieben<br />
und liegt direkt am Nushagak, mitten<br />
in der Wildnis. Schon während unseres<br />
Anflugs von Dillingham fesselt mich<br />
die unbeschreibliche Weite dieses Lan-<br />
des. In welche Himmelsrichtung man<br />
auch blickt, die alaskanische Tundra<br />
zieht sich über tausende Meter bis<br />
zum Horizont.<br />
Herzlich heißt uns Familie Esletzbichler<br />
im Lachs-Paradies willkommen.<br />
Mutter Gunda, Vater Ernst, Sohn<br />
Stefan und die jugendliche Katy nehmen<br />
uns für gut eine Woche im Kreise<br />
ihrer Familie auf. Diese persönliche<br />
Athmosphäre wird bei den Esletzbichlern<br />
groß geschrieben. Das Gefühl,<br />
„dazu zu gehören“, vermitteln sie auf<br />
wunderbare Weise. Man isst, lacht, angelt<br />
-- ja, man lebt einfach zusammen.<br />
„Wir haben dieses Jahr einen phänomenalen<br />
Silberlachs-Aufstieg“, steigert<br />
Stefan unsere Vorfreude aufs Angeln.<br />
„Was meint Ihr, wie viele Fische<br />
ich gestern innerhalb einer Minute ge-
zählt habe, als sie an mir vorbeizogen?“<br />
spannt der Mittzwanziger uns<br />
auf die Folter. „80?“ übertreibe ich<br />
völlig. „100!“ antwortet Stefan und<br />
schmunzelt sich in seinen Bart. „Los<br />
geht’s!“<br />
Wenig später sitzen wir im Boot und<br />
flitzen über den Nushagak. Schon<br />
nach wenigen Metern gleiten wir aufs<br />
kiesige Ufer einer schmalen Insel, die<br />
mitten im Fluss tront. „Viel weiter müssen<br />
wir nie fahren“, sagt Stefan, als er<br />
das Boot verankert. „Die besten Angelplätze<br />
liegen nah bei der Lodge.“<br />
Langsam fließt der Nushagak an der<br />
Kiesbank vorbei, ein kleiner Seitenarm<br />
ragt in die Insel hinein.<br />
„Was ist denn das?“ traue ich meinen<br />
Augen kaum, als ich vor dem riesigen<br />
Ausgedrillt: Markus<br />
Heine freut sich über<br />
einen gut zweistelligen<br />
Silberlachs, der einen<br />
neongelben Spinner<br />
attackierte.<br />
Abdruck einer Tatze im Schlamm stehen<br />
bleibe. „Die Bären kennen die besten<br />
Fanggründe natürlich auch“, klärt<br />
mich Stefan auf und erinnert mich damit<br />
daran, dass wir uns in der absoluten<br />
Wildnis befinden. Einerseits sehr<br />
befreiend, andererseits wächst auch<br />
mein Respekt vor dieser<br />
unbändigen Natur, und<br />
es beschleicht mich das<br />
Gefühl, ihr im Extremfall<br />
auch ausgeliefert zu<br />
sein. „Du kannst Dir sicher<br />
sein, dass Dich<br />
schon mehrere Bären erspäht<br />
haben, wenn Du gerade das Ufer<br />
betrittst“, sagt Ernst, als könne er meine<br />
Gedanken lesen. „Hier gibt’s eben<br />
mehr Bären als Menschen!“ Zu meiner<br />
„Hier gibt’s<br />
eben mehr<br />
Bären als<br />
Menschen!“<br />
Erleichterung ist Meister Petz aber<br />
nicht so gastfreundlich wie Familie<br />
Esletzbichler. Denn auf eine Willkommensfeier<br />
mit Bärenhunger kann ich<br />
getrost verzichten.<br />
Genug der Bären, schließlich gibt es<br />
am Nushagak auch noch wilde Lachse<br />
-- und das angeblich zu Tau-<br />
senden. Stefan montiert einen<br />
pink leuchtenden Vibrax.<br />
„Die Größen 4 und 5 sind<br />
super“, erklärt er seine Wahl<br />
und wirft aus. „Die Spinner<br />
müssen entsprechend schwer<br />
sein, damit man sie ganz langsam<br />
nah am Grund führen kann.“ Im<br />
Zeitlupentempo kurbelt Stefan seinen<br />
Köder ein. Zweiter Wurf. Gemächlich<br />
bahnt sich der Spinner seinen Weg
URLAUB & ABENTEUER<br />
Stets gut gelaunt: Mutter Gunda<br />
und Töchterchen Katy sind herzliche<br />
Gastgeber. Immer mit von der Partie:<br />
Labrador Jaz.<br />
durch die Strömung. Plötzlich reißt<br />
Stefan die Rute hoch. „Ah, versemmelt!“<br />
ärgert er sich über seinen verpufften<br />
Anschlag. Während er noch<br />
den Kopf schüttelt, katapultiert sich<br />
hinter ihm mehrfach ein Lachs aus<br />
dem Wasser. Ernst hat zugeschlagen.<br />
„Erster Wurf, erster Fisch“, freut sich<br />
der gemütliche Österreicher über seinen<br />
Fang.<br />
Wenig später zieht Sohnemann Stefan<br />
mit einem 10-Pfünder nach und<br />
legt beim nächsten Wurf gleich noch<br />
einen etwas schwereren Fisch drauf.<br />
Auch PeWe lässt sich nicht lange bitten<br />
und fängt einen strammen Salm.<br />
‘Schei... auf das Fotografieren und Filmen!’<br />
denke ich und schnappe mir<br />
die leichte Spinnrute. Erster Wurf -nichts.<br />
Zweiter -- kein Zupfer! Aus dem<br />
Augenwinkel heraus sehe ich, dass<br />
Stefan schon wieder drillt. Dritter Versuch.<br />
Fehlanzeige. „Göttlich! Ich hab’<br />
einen!“ schallt es von PeWe herüber,<br />
und auch Ernst scheint wieder zugelangt<br />
zu haben.<br />
Ungeduldig werfe ich aus. Wieder<br />
nichts. Stefan drillt währenddessen einen<br />
weiteren Fisch. Mittlerweile habe<br />
ich schon mindestens ein Dutzend<br />
Würfe gemacht -- ohne jeglichen Kontakt.<br />
Normalerweise bringt mich das<br />
ja nicht aus der Ruhe, aber jetzt umgeben<br />
mich drei Angler, die Fisch auf<br />
Fisch haken -- zumal es sich dabei um<br />
einen Schweizer und zwei Österreicher<br />
handelt (zum Glück wurde Deutschland<br />
Dritter bei der Fußball-Weltmeisterschaft).<br />
Typisch, beim nächsten Wurf bekomme<br />
ich eine Perücke. Doch dann ist es<br />
endlich soweit: Biss! Was mache ich?<br />
Langsam geführt: Nur wer seinen Spinner im<br />
Zeitlupentempo einholt, überlistet wie Stefan<br />
so einen großen Silberlachs.<br />
Kräftige Kämpfer: Silberlachse<br />
preschen auf ihren Fluchten<br />
kurz und heftig davon.<br />
Zurück ins nasse Element: Silberlachse können nach dem<br />
Drill problemlos zurückgesetzt werden.<br />
Traumhaft: Alaska verzaubert seine Gäste nicht<br />
nur mit seinem Fischreichtum, sondern auch<br />
mit wunderschönen Sonnenuntergängen.
Herrscher der Lüfte:<br />
Majestätische Weißkopf-Seeadler<br />
beäugen die Geschehnisse am<br />
Nushagak ganz genau.<br />
Versemmel’ den Anhieb. Kommentarlos<br />
fische ich weiter, doch PeWe hat alles<br />
gesehen. „Biss gehabt, oder?“ fragt<br />
er mit schweizerisch rollendem „r“ und<br />
legt dabei ein fürchterliches Lachen an<br />
den Tag. „War vielleicht auch nur der<br />
Grund!“ flunkere ich und werfe umso<br />
weiter aus.<br />
Stefan hakt währenddessen einen<br />
Lachs ganz dicht am Ufer. ‘War klar’,<br />
denke ich und überlege, ob ich den<br />
Köder wechseln soll, als es einen mächtigen<br />
Schlag in der Rute gibt. Reflexartig<br />
reiße ich sie hoch. Im gleichen<br />
Moment wird sie wieder zum Wasser<br />
gezogen, begleitet vom Kreischen der<br />
Rollenbremse. Blitzschnell klaut mir<br />
mein Gegenüber einige Meter der gelben<br />
Geflochtenen. Die Fluchten sind<br />
kurz und kräftig. Aufgepasst: Mit einem<br />
Affenzahn rast mir der Lachs fast<br />
durch die Beine. Danach schwinden<br />
seine Kräfte, und ich lande meinen ersten<br />
Silberlachs. Überglücklich halte<br />
ich den blanken Fisch in Händen.<br />
In den nächsten Tagen<br />
erleben wir eine Angelei,<br />
die ich bisher noch nicht<br />
erlebt habe. Immer mehr<br />
Silberlachse ziehen den<br />
Nushagak hinauf zu<br />
ihren Laichplätzen. Wir<br />
fangen und fangen und fangen... Ob<br />
Spinner, Blinker, Streamer oder Rogen<br />
-- die Lachse attackieren jeden Köder.<br />
Es wäre kein Problem, 50 oder 100<br />
Fische an einem Tag zu fangen.<br />
So seltsam es jedoch auch klingen<br />
mag: Für mich rückt das Angeln bei<br />
diesem unheimlichen Fischreichtum<br />
schnell in den Hintergrund. Im Vordergrund<br />
steht das Erlebnis Alaska an<br />
sich. „Entweder man liebt es, oder man<br />
hasst es“, formuliert es Gunda treffend<br />
und fügt hinzu, dass man Alaska nicht<br />
mit den Augen, sondern mit dem Herzen<br />
sehen und lieben muss. Als Naturliebhaber<br />
ist es ein Leichtes, sich in<br />
dieses Land voller Abenteuer zu vergucken<br />
und sich in der Weite zu verlieren.<br />
Auch wir dürfen während unseres<br />
Aufenthalts im „Salmon Paradise“ wundervolle<br />
Momente genießen. Zum Beispiel<br />
als eine Elchkuh den Nushagak<br />
direkt vor unserer Lodge durchschwimmt,<br />
um dann genüsslich am<br />
Ufer mit ihren beiden Kälbern zu grasen.<br />
Unsere Augen kleben an den<br />
Ferngläsern, als etwa einen Kilometer<br />
„Wir fangen<br />
und fangen und<br />
fangen...“<br />
ALASKA<br />
dahinter ein bulliger Bär aus dem<br />
Nadelwald poltert und durchs Schilf<br />
stapft. Auf Schritt und Tritt werden wir<br />
auf unseren Angelausflügen von den<br />
majestätischen Weißkopf-Seeadlern beäugt.<br />
Gerne erinnere ich mich auch an<br />
die tollen Lagerfeuer, das freundschaftliche<br />
Zusammensein und die sagenhaften<br />
Sonnenuntergänge. Schnell<br />
ergreift einen in Alaska das Gefühl,<br />
einen Blick für das Wesentliche im<br />
Leben zu bekommen.<br />
Einfach fällt PeWe und mir der Abschied<br />
von der Salmon Paradise Lodge<br />
nicht. Zu sehr haben wir Familie Esletzbichler<br />
ins Herz geschlossen. Unsere<br />
kleine Alaska-Rundreise geht jedoch<br />
weiter. Mit dem Leihwagen fahren wir<br />
von Anchorage auf die östlich gelegene<br />
Kenai-Halbinsel. Unser neues Ziel:<br />
die Silver Budda Lodge bei Soldotna.<br />
Sie liegt direkt am Kenai River, und<br />
der schweizerische Besitzer Walter<br />
„Budda“ Buttauer versteht es, Anglerherzen<br />
höher schlagen zu lassen:<br />
Schöne Zimmer, Sauna,<br />
Whirlpool und Verpflegung<br />
der Extraklasse -- eine<br />
Lodge zum Wohlfühlen.<br />
Als wir am Kenai ankommen,<br />
beißen die Fische<br />
auch hier wie verrückt. Neben<br />
den Silberlachsen steigen jedoch<br />
zudem noch Buckel- und Rotlachse<br />
auf. Ein Vorteil der Silver Budda Lodge<br />
ist ihre zentrale Lage. Nach Soldotna<br />
fährt man nur gut eine halbe Stunde,<br />
was besonders für nichtangelnde<br />
Familienangehörige reizvoll ist. Des<br />
Weiteren liegen nicht allzu weit entfernt<br />
so berühmte Lachsflüsse wie der<br />
Russian oder Kasilof River.<br />
Wer also auf der Silver Budda Lodge<br />
urlaubt, dem stehen alle Möglichkeiten<br />
offen. Zum Beispiel auch ein Ausflug<br />
zum Heilbuttangeln ins direkt am<br />
Pazifik gelegene, gut zwei Autostunden<br />
entfernte Homer. So stehen auch<br />
PeWe und ich frühmorgens um sechs<br />
auf den Planken der Northern Lights,<br />
einem der vielen, modern ausgestatteten<br />
Boote, die täglich hinausfahren.<br />
Freundlich werden wir von Kapitän<br />
Marc und seiner Helferin, der hübschen<br />
Shara, an Bord empfangen. Petrus<br />
meint es gut mit uns, denn wir erwischen<br />
einen wunderschönen Sommertag.<br />
Ein laues Lüftchen weht, als<br />
die Northern Lights in See sticht. Begleitet<br />
von einem eindrucksvollen Son-<br />
FISCH & FANG 12/2006 79
URLAUB & ABENTEUER<br />
Reise-Check<br />
✔ Veranstalter: <strong>Fishermen</strong> <strong>Travel</strong><br />
FTC AG, Peter W. Wilhelm, Albisstr.<br />
28, CH - 8038 <strong>Zürich</strong>,<br />
Tel.: +41 (0)44 - 482 00 30, Fax:<br />
+41 (0)44 - 482 08 48, E-Mail:<br />
ftc@bluewin.ch, Internet: www.<br />
fishermen-travel-club.ch<br />
✔ Anreise: Direktflug, zum Beispiel<br />
mit Condor, von Frankfurt<br />
nach Anchorage. Zur östlich<br />
gelegenen Kenai-Halbinsel<br />
benötigt man mit dem<br />
Leihwagen etwa 2,5 Stunden.<br />
An den Nushagak zur Salmon<br />
Paradise Lodge gelangt man<br />
per Inlandsflug von Anchorage<br />
nach Dillingham, von dort<br />
fliegt man weiter nach Ekwok.<br />
✔ Saison: King: Ende Mai bis Anfang<br />
August. Hundslachs: Ende<br />
Mai bis Mitte Juli. Rotlachs:<br />
Ende Juni bis Mitte August. Silberlachs:<br />
Mitte Juli bis Ende<br />
September. Heilbutt: insbesondere<br />
von Mai bis September.<br />
✔ Unterkunft: Die von Familie<br />
Esletzbichler herzlich geführte<br />
Salmon Paradise Lodge am<br />
Nushagak bietet rustikale Zimmer<br />
mit eigenem Dusch/WC-<br />
Raum, gut bürgerliche Küche<br />
(Vollverpflegung) und moderne<br />
Boote.<br />
Die zentral gelegene Silver<br />
Budda Lodge in Soldotna befindet<br />
sich direkt am Kenai<br />
River und verfügt über geräumige<br />
Zimmer mit eigenem<br />
Bad, guter Küche, Sauna und<br />
Whirlpool. Touren zum Heilbuttangeln<br />
auf der Northern<br />
Lights in Homer (www.halibut<br />
fishing-alaska.com) können<br />
über den Besitzer Walter Buttauer<br />
gebucht werden.<br />
✔ Sonstiges: Wer selbst gefangenen<br />
Lachs ausführen will, muss<br />
sich Mengen von über einem<br />
Kilogramm zertifizieren lassen.<br />
Am einfachsten gelingt das<br />
über eine Räucherei wie der<br />
von Herbert Eckmann betriebenen<br />
„Alaska Sausage“ in Anchorage<br />
(www.alaskasausage.<br />
com). Auf Wunsch wird der<br />
geräucherte Lachs direkt zum<br />
Flughafen geliefert.<br />
80 FISCH & FANG 12/2006<br />
Guten Freunden gibt man ein<br />
Küsschen: Guide Shara schreckt<br />
auch vor einem saugenden<br />
Octopus nicht zurück.<br />
nenaufgang und so mancher Delfinschule<br />
düsen wir zu den Fanggründen.<br />
Shara montiert während der<br />
gut zweistündigen Ausfahrt das<br />
Gerät: Ruten der 30-bis 50-lb-Klasse,<br />
stabile Multis und dick geflochtene<br />
Vorfächer, die mit einem<br />
großen Circle-Hook gespickt<br />
sind. Als Köder schiebt sie Tintenfischfetzen<br />
auf die Spezial-<br />
Greifer. „Damit dürft Ihr nicht<br />
anschlagen, der Butt hakt sich<br />
selbst“, erklärt sie die Wirkungsweise<br />
der Kreishaken.<br />
Endlich drosselt Marc die Fahrt<br />
und bringt die Northern Lights in<br />
Position. Wenig später rasen unsere<br />
Tintenfischfetzen am 2-lb-Blei zum etwa<br />
50 Meter entfernten Grund. „Wenn<br />
Ihr unten seid, kurbelt ungefähr einen<br />
Meter Schnur ein, damit sich das Blei<br />
nicht festsetzt“, empfiehlt Shara und<br />
muss wenig später die erste Beute an<br />
Bord ziehen. Kein Heilbutt, sondern<br />
ein großer Octopus hat sich den Fetzen<br />
geschnappt. „Plopp, plopp, plopp“<br />
-- Shara hat alle Mühe, den sich auf den<br />
Planken festgesogenen Octopus zu lösen<br />
und hochzuheben. Und genügte<br />
es nicht dieser Präsentation, gibt unser<br />
hübscher Guide dem Meeresbewohner<br />
noch ein Küsschen, bevor sie<br />
ihn zurücksetzt. PeWe schmunzelt und<br />
schaut leicht neidisch ‘drein: „Octopus<br />
müsste man sein.“<br />
Seine Tagträume verfliegen jedoch<br />
im Nu, denn schon wenig später rinnt<br />
ihm der Schweiß von der Stirn. „Puah,<br />
das ist schon ordentlicher Widerstand,<br />
oder?“ kommentiert Pe-<br />
We mit schmerzverzerrtem<br />
Gesicht seinen Drill. „Bist wohl so einen<br />
Frühsport nicht gewohnt, alter<br />
Mann, oderrrr“, flachse ich und beobachte,<br />
ob der Fisch im spiegelglatten<br />
Wasser schon zu sehen ist. Was wenig<br />
später zur Oberfläche taumelt, ist jedoch<br />
wieder kein Heilbutt. Ein kapitaler,<br />
etwa 1,20 Meter langer Lingcod, eine<br />
dorschähnliche Art, trudelt aus der<br />
Tiefe nach oben. Shara zieht den Burschen<br />
über die Reling. „Petri Heil!“<br />
gratuliere ich PeWe, der sich erschöpft<br />
an die Reling lehnt und den Schweiß<br />
von der Stirn wischt. „Petri Dank“ antwortet<br />
er -- leicht geqüält, wie ich finde.<br />
PeWes „Qualen“ sollen anscheinend<br />
kein Ende finden. Sein neuer Köder<br />
ist gerade erst am Grund gelandet, da<br />
findet er auch schon einen Abnehmer.<br />
Und wieder bricht bei PeWe der<br />
Schweiß aus, als er die Rute fest umklammert<br />
und meterweise Schnur<br />
zurückerkämpft.<br />
Bitte ein Butt: Der Autor<br />
präsentiert einen guten<br />
Heilbutt von etwa 25 Pfund,<br />
der sich einen Tintenfisch-<br />
Fetzen gönnte.<br />
Fotos: Verfasser
Währenddessen bekomme auch ich<br />
einen Biss und drille meinen ersten<br />
Fisch. Dieser wehrt sich ordentlich, als<br />
ich ihn nach oben pumpe. Deutlich<br />
spüre ich einzelne Schwanzschläge in<br />
der Schnur.<br />
„Heilbutt“, rufe ich, als es unter der<br />
Wasseroberfläche hell zu schimmern<br />
beginnt. Shara eilt herbei und hievt<br />
den etwa 25 Pfund schweren Platten<br />
schwungvoll über die Reling. Wenig<br />
später gesellt sich auch PeWes Fang dazu<br />
-- ein Butt der gleichen Kategorie.<br />
Am Nachmittag wechseln wir nicht<br />
nur die Stelle, sondern auch die Methode.<br />
Riesentwister, etwa zwei<br />
Meter über Grund gejiggt, sollen<br />
die Fische verführen. Als<br />
ich gerade auswerfen will, höre<br />
ich ein lautes Zischen. Was war<br />
das? Auch die anderen Angler<br />
schauen fragend umher. Wieder<br />
zischt es -- nun aber etwas lauter.<br />
Plötzlich sehe ich den Verursacher:<br />
Etwa 50 Meter vor unserem Boot<br />
schießt eine Wasserfontäne hoch in die<br />
Luft. „Schaut nach vorne: Killerwale!“<br />
ruft Kapitän Marc, und hätten die<br />
Meeressäuger ihn gehört, verschwinden<br />
sie in den Tiefen des Pazifiks.<br />
Die Gummiköder erweisen sich als<br />
wesentlich erfolgreicher als die Tintenfischfetzen.<br />
Ich traue meinen Augen<br />
kaum, als plötzlich jeder Angler an<br />
Bord einen Fisch drillt. Heilbutt auf<br />
Heilbutt landet auf den Planken. „Das<br />
ist ja wie beim Dorschangeln auf<br />
der Ostsee“, freue ich mich über die<br />
zwischen 15 und 30 Pfund schweren<br />
Platten.<br />
Nach und nach bildet sich im Bug<br />
der Northern Light eine kleine Menschentraube.<br />
Neugierig bahne ich mir<br />
mit der Videokammer den Weg durch<br />
die Angler. Der Amerikaner Douglas<br />
hat einen riesigen Fisch gehakt. Ein<br />
Kampf auf Biegen und Brechen! Er<br />
zerrt an der Rute, gewinnt einen Meter<br />
Schnur, verliert dann wieder drei.<br />
Die Minuten verinnen. „Entweder hast<br />
Du einen rieigen Heilbutt oder einen<br />
Rochen gehakt“, vermutet Kapitän<br />
Marc und stellt sich neben Douglas.<br />
Dieser stemmt sich mit seinem ganzen<br />
Gewicht dem Fisch entgegen und versucht,<br />
ihn stückchenweise hochzupumpen.<br />
Schweißtropfen bilden sich<br />
auf seiner hohen Stirn. Im hohen Bogen<br />
fliegt sein weißes Sweat-Shirt davon,<br />
als es ihm zu heiß wird.<br />
Mittlerweile hat sich Marc mit einer<br />
Harpune bewaffnet. „Sicher ist sicher –<br />
„Schaut<br />
nach vorne:<br />
Killerwale!“<br />
scheint ja kein kleiner Fisch zu sein“,<br />
sagt er und empfiehlt Douglas, den<br />
Drill ins Heck des Bootes zu verlagern.<br />
„Dort können wir den Fisch besser landen!“<br />
Gebannt blicken alle Angler aufs<br />
Wasser, um die ersten Konturen des<br />
Riesen zu erhaschen. Kurz schimmert<br />
es in der Tiefe, doch der Fisch prescht<br />
erneut davon und flüchtet in die finstere<br />
See.<br />
Nach etwa einer Stunde bricht an<br />
Bord wildes Geschrei aus. „Ein gigantischer<br />
Heilbutt!“ rufen gleich mehrere<br />
Amis, als sie den Fisch deutlicher im<br />
Wasser erkennen können. Majestätisch<br />
gleitet der riesige Platte<br />
senkrecht und mit weit aufgerissenem<br />
Maul zur Oberfläche.<br />
Die Sekunden werden<br />
zu Minuten. Als der<br />
Fisch die Wasseroberfläche<br />
durchbricht, rammt Marc<br />
die Harpune in den gewaltigen Körper.<br />
„Sitzt!“<br />
Etwa fünf Sekunden lang passiert<br />
jetzt gar nichts -- ruhig, regelrecht<br />
paralysiert verharrt der<br />
riesige Heilbutt an<br />
der Oberfläche. Plötzlich<br />
explodiert der Gigant<br />
und schlägt mit<br />
seinem brettähnlichen<br />
Schwanz das Wasser<br />
schäumig. Doch die<br />
Harpune sitzt bombenfest,<br />
so dass sich dem<br />
Butt keine Chance zur<br />
Flucht bietet. Fünf Personen<br />
sind schließlich<br />
nötig, um den furiosen<br />
Fisch über die Reling zu<br />
hieven. Krachend landet<br />
er auf den Planken.<br />
„Ich glaub’s nicht!“<br />
freut sich Douglas und<br />
schlägt sich mit der<br />
Hand vor die Stirn.<br />
„Unglaublich!“<br />
Shara und Marc legen<br />
währenddessen das<br />
Maßband an. „2,10 Me-<br />
Hammer-Heilbutt:<br />
Dieser riesige Platte<br />
ist die Krönung der<br />
Ausfahrt vor Homer.<br />
Douglas bestaunt seinen<br />
2,10 Meter langen und<br />
etwa 280 Pfund<br />
schweren Fang.<br />
Film ab!<br />
ALASKA<br />
Ob Lachse, Adler, Elche oder<br />
Heilbutts -- auf der Abo-DVD erleben<br />
Sie das Paradies für Petrijünger<br />
hautnah.<br />
ter“, verkündet unser Kapitän die Länge<br />
des Butts. Er schätzt den Riesen auf<br />
etwa 280 Pfund, worauf ein Raunen<br />
ausbricht. Jeder Angler weiß, dass man<br />
so einen Fisch wahrscheinlich nie<br />
wieder sehen wird. Und so sitzen alle<br />
auch noch eine Stunde später ehrfürchtig<br />
vor dem Heilbutt und bestaunen<br />
den Riesen des Pazifiks. Nach<br />
diesem erlebnisreichen Angeltag<br />
wird sich jeder an Bord<br />
sicher sein: Alaska muss<br />
man einfach lieben!