Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf

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schulte.josefine23
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»Glauben Sie, dass es dazu tatsächlich kommen könnte?«, fragte Jack. »Möglich wär’s.« »Ist dieser Brief nach Langley geschickt worden?« Harding nickte. »Ihr hiesiger Chef der Außenstelle hat ihn heute persönlich abgeholt. Interessant, nicht wahr? Man sollte doch meinen, dass Ihr Haus seine eigenen Quellen hat. Sei’s drum, jetzt irgendwelche Risiken einzugehen ergibt schließlich keinen Sinn.« »In der Tat. Wenn der Iwan zu solch extremen Mitteln greift, wird es jede Menge Ärger geben.« »Mag sein, aber der sieht die Dinge anders als wir, Jack.« »Ich weiß. Und es ist nicht einfach, seine Vorstellungen nachzuempfinden.« »Das braucht auch seine Zeit«, stimmte Simon zu. »Könnte die Lektüre russischer Dichtung dabei behilflich sein?«, fragte Ryan. Er kannte nur kleine Ausschnitte daraus, und die auch nur in Übersetzung. Harding schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Für manche Autoren sind Gedichte unter anderem ein Vehikel für ihren Protest, doch sind solche Proteste meist so verklausuliert, dass einfältigere Leser nur wohlklingende Worte über, sagen wi r, eine schöne Frau zur Kenntnis nehmen, ohne zu bemerken, dass zwischen den Zeilen womöglich der Ruf nach Freiheit zum Ausdruck kommt. Vermutlich hat der KGB eine ganze Abteilung darauf abgestellt, in Gedichten nach versteckten politischen Botschaften zu suchen – auf die die allgemeine Leserschaft erst dann aufmerksam wird, wenn Mitglieder des Politbüros öffentlich beklagen, dass die eine oder andere sexuelle Anspielung ein bisschen zu explizit sei. Dieser Verein scheint ziemlich prüde zu sein. Ist doch komisch, nicht wahr? Auf der einen Seite so tugendhaft...« »Nun, dass sie Debbie Does Dallas für Schund halten, kann man ihnen wahrhaftig nicht zum Vorwurf machen«, bemerkte Ryan. Harding hätte sich fast an seinem Pfeifenqualm verschluckt. »Hat wohl nicht gerade das Format eines Tolstoi, Tschechow oder Pasternak, nicht wahr?« Von keinem der dreien hatte Jack je ein Buch gelesen, doch das einzugestehen erschien ihm im Augenblick wenig opportun. 63

»Das hat er gesagt?«, fragte Alexandrow. Absehbar die Wut, aber erstaunlich gedämpft, dachte Andropow. Möglich, dass er seine Stimme nur vor größerem Publikum erhob oder, was wahrscheinlicher war, vor seinen Untergebenen drüben im Stammsitz des Parteisekretariats. »Hier ist der Brief und die Übersetzung«, sagte der KGB-Direktor und überreichte die Dokumente. Der Chefideologe in spe nahm die Papiere entgegen und las. Er ließ sich Zeit, um zu verhindern, dass ihm in seiner Wut irgendeine Nuance entging. Andropow wartete und zündete sich eine Marlboro an. Er registrierte, dass sein Gast den Wodka, der für ihn eingeschenkt war, noch nicht angerührt hatte. »Den heiligen Mann sticht der Hafer«, sagte Alexandrow schließlich und legte die Papiere auf dem Kaffeetisch ab. »So sehe ich das auch«, stimmte Juri zu. Mit Verwunderung in der Stimme fragte sein Gegenüber: »Wähnt er sich denn unverletzbar? Ist ihm nicht klar, dass solche Drohungen nicht ohne Konsequenzen bleiben?« »Nach Auskunft der Experten aus meinem Haus sind seine Worte ernst zu nehmen, und, ja, sie vermuten, dass er sich über die möglichen Folgen keine Sorgen macht.« »Wenn er das Martyrium sucht, könnten wir ihm vielleicht helfen ...« Die Art, wie er die Lautstärke seiner Stimme zurücknahm, ließ sogar Andropow das Blut in den Adern gefrieren. Jetzt galt auch für ihn, dass er sich in Acht zu nehmen hatte. Verbohrte Ideologen hatten nämlich häufig Probleme mit der Wirklichkeit, vor allem dann, wenn diese mit ihren Vorstellungen nicht übereinstimmen wollte. »Michail Jewgeniewitsch, ein solches Vorgehen sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es könnte zu politischen Komplikationen führen.« »Keine, die wir fürchten müssten, Juri, nein«, entgegnete Alexandrow. »Aber, zugegeben, wir sollten uns unsere Antwort auf diese Drohungen gründlich überlegen.« »Was sagt Genosse Suslow? Haben Sie schon mit ihm gesprochen?« »Mischa ist sehr krank«, antwortete Alexandrow ohne eine Spur des Bedauerns, was Andropow überraschte. Sein Gast verdankte 64

»Das hat er gesagt?«, fragte Alexandrow.<br />

Absehbar die Wut, aber erstaunlich gedämpft, dachte Andropow.<br />

Möglich, dass er seine Stimme nur vor größerem Publikum erhob<br />

oder, was wahrscheinlicher war, vor seinen Untergebenen drüben<br />

im Stammsitz des Parteisekretariats.<br />

»Hier ist der Brief und die Übersetzung«, sagte der KGB-Direktor<br />

und überreichte die Dokumente.<br />

Der Chefideologe in spe nahm die Papiere entgegen und las. Er<br />

ließ sich Zeit, um zu verhindern, dass ihm in seiner Wut irgendeine<br />

Nuance entging. Andropow wartete und zündete sich eine Marlboro<br />

an. Er registrierte, dass sein Gast den Wodka, der für ihn eingeschenkt<br />

war, noch nicht angerührt hatte.<br />

»Den heiligen Mann sticht der Hafer«, sagte Alexandrow<br />

schließlich und legte die Papiere auf dem Kaffeetisch ab.<br />

»So sehe ich das auch«, stimmte Juri zu.<br />

Mit Verwunderung in der Stimme fragte sein Gegenüber:<br />

»Wähnt er sich denn unverletzbar? Ist ihm nicht klar, dass solche<br />

Drohungen nicht ohne Konsequenzen bleiben?«<br />

»Nach Auskunft der Experten aus meinem Haus sind seine<br />

Worte ernst zu nehmen, und, ja, sie vermuten, dass er sich über die<br />

möglichen Folgen keine Sorgen macht.«<br />

»Wenn er das Martyrium sucht, könnten wir ihm vielleicht helfen<br />

...« Die Art, wie er die Lautstärke seiner Stimme zurücknahm,<br />

ließ sogar Andropow das Blut in den Adern gefrieren. Jetzt galt<br />

auch für ihn, dass er sich in Acht zu nehmen hatte. Verbohrte Ideologen<br />

hatten nämlich häufig Probleme mit der Wirklichkeit, vor<br />

allem dann, wenn diese mit ihren Vorstellungen nicht übereinstimmen<br />

wollte.<br />

»Michail Jewgeniewitsch, ein solches Vorgehen sollte nicht auf<br />

die leichte Schulter genommen werden. Es könnte zu politischen<br />

Komplikationen führen.«<br />

»Keine, die wir fürchten müssten, Juri, nein«, entgegnete Alexandrow.<br />

»Aber, zugegeben, wir sollten uns unsere Antwort auf<br />

diese Drohungen gründlich überlegen.«<br />

»Was sagt Genosse Suslow? Haben Sie schon mit ihm gesprochen?«<br />

»Mischa ist sehr krank«, antwortete Alexandrow ohne eine Spur<br />

des Bedauerns, was Andropow überraschte. Sein Gast verdankte<br />

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