Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf

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schulte.josefine23
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04.03.2013 Aufrufe

Die Feinstrumpfhose der Marke Fogal kam aus Frankreich. Die Verpackung wies darauf hin. Irina hielt das Päckchen in der Hand, und ihr wurde beinahe schwindelig. Der Inhalt war real und schien es doch nicht zu sein, hauchzart wie ein Schatten und mit kaum mehr Substanz. Sie hatte von solchen Dingen gehört, sie aber nie zuvor in Händen gehalten, geschweige denn getragen. Und die Frauen im Westen besaßen davon so viele, wie sie nur wollten! Die Frauen von Olegs Kollegen würden in Ohnmacht fallen, wenn sie so etwas tragen könnten, und erst ihre Freundinnen im GUM... die würden grün vor Neid werden! Vorsichtig musste man sein, wenn man sie anzog, voller Furcht, eine Laufmasche zu ziehen, bloß nicht achtlos mit den Beinen herumhampeln wie Kinder, die sich alle Tage blaue Flecke zuzogen. Diese Strumpfhosen waren viel zu kostbar, um sie irgendeiner Gefahr auszusetzen. Irina würde versuchen, für die Frauen auf Olegs Liste die richtigen Größen auszusuchen ... plus sechs Paar für sich selbst. Aber welche Größen denn nur? Ein zu großes Kleidungsstück zu kaufen war eine tödliche Beleidigung für Frauen in jeder Kultur, sogar in Russland. Die Größen auf der Verpackung waren mit A, B, C und D angegeben. Dies war ein zusätzliches Problem, weil das kyrillische B dem römischen V, das kyrillische C dem römischen S entsprach. Irina holte schließlich tief Luft und wählte zwanzig Paar in Größe C. Die sechs für sie selbst waren auch dabei. Sie waren entsetzlich teuer, und die Transfer-Rubel in ihrer Börse gehörten nicht einmal alle ihr. Nach einem weiteren tiefen Atemzug bezahlte sie zur Freude der Verkäuferin, die ahnte, was hier vor sich ging, die ganze Kollektion in bar. Irina verließ das Geschäft und fühlte sich wie eine Prinzessin aus der Zarenzeit. Für jede Frau der Welt wäre dies ein gutes Gefühl gewesen. Vierhundertneunundachtzig Rubel waren ihr noch zu ihrer eigenen Verfügung geblieben. Irina geriet um ein Haar in Panik. So viele schöne Sachen! So wenig Geld! Und zu Hause so wenig Platz im Schrank. Was jetzt? Schuhe? Ein neuer Mantel? Eine neue Handtasche? An Schmuck dachte sie nicht einmal. Dafür war eigentlich Oleg zuständig, nur leider hatte er wie die meisten Männer überhaupt keine Ahnung von den Dingen, die Frauen gefielen. Und was ist mit einem Mieder? fragte sich Irina kurz darauf. Einen Büstenhalter von Chantarelle? Würde sie es wagen, etwas 575

derart Elegantes zu kaufen? Mindestens hundert Rubel würde der kosten, selbst wenn der Wechselkurs ausgesprochen günstig war. Außerdem würde nur sie wissen, dass sie so etwas trug. Ein solcher Büstenhalter würde sich anfühlen wie... Hände. Wie die Hände des Geliebten. Ja, so einen musste sie einfach haben. Und Kosmetik. Kosmetik würde sie auch kaufen. Die bedeutete den Russinnen besonders viel. Diese Stadt war wie geschaffen für einen solchen Einkauf, denn Ungarinnen legten auch viel Wert auf Hautpflege. In ein gutes Ge schäft würde Irina gehen und fragen... von Genossin zu Genossin. Die ungarischen Frauen – ihre Gesichter verkündeten aller Welt, dass sie ihre Haut pflegten. Darin waren die Ungarinnen ausgesprochen kulturniy. Zwei weitere Stunden vollkommener Glückseligkeit gingen dahin. Irina dachte kein einziges Mal daran, dass ihr Mann und ihre Tochter auf sie warteten. Schließlich wurde für sie gerade der Traum einer jeden sowjetischen Frau wahr. Sie gab Geld aus im... gut, nicht im Westen, aber beinahe. Es war wundervoll. Am Abend würde sie den Chantarelle-Büstenhalter zum Konzert tragen und auf Bach lauschen, sich einbilden, dass sie in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort lebte, wo jedermann kulturniy war, wo es eine Freude war, Frau zu sein. Wirklich zu schade, dass ein solcher Ort in der Sowjetunion nicht existierte. Draußen vor den Türen der Geschäfte, die sich auf weibliche Kundschaft spezialisiert hatten, stand Oleg tatenlos herum und rauchte seine Zigaretten wie jeder andere Mann auf der Welt in einer solchen Situation auch, ganz und gar gelangweilt von den Einzelheiten der Einkäufe seiner Frau. Oleg hatte sich zwar fest vorgenommen, gerade jetzt in dieser kritischen Phase seines Abenteuers geduldig zu sein, doch eines würde er wohl nie lernen können: einer Frau beim Einkaufen zuzusehen ... ohne dabei den Wunsch zu haben, sie zu erwürgen. Dieses Herumstehen wie ein verdammter Lastesel, Sachen in den Händen haltend, die sie sich nach langem Hin und Her entschlossen hatte zu kaufen, dann darauf zu warten, ob sie es sich nicht doch noch anders überlegte... Aber gut, es konnte nicht mehr ewig dauern. Schließlich hatten sie Eintrittskarten für das Konzert heute Abend. Sie mussten ins Hotel zurückkehren, einen Babysitter für Swetlana 576

derart Elegantes zu kaufen? Mindestens hundert Rubel würde der<br />

kosten, selbst wenn der Wechselkurs ausgesprochen günstig war.<br />

Außerdem würde nur sie wissen, dass sie so etwas trug. Ein solcher<br />

Büstenhalter würde sich anfühlen wie... Hände. Wie die Hände des<br />

Geliebten. Ja, so einen musste sie einfach haben.<br />

Und Kosmetik. Kosmetik würde sie auch kaufen. Die bedeutete<br />

den Russinnen besonders viel. Diese Stadt war wie geschaffen für<br />

einen solchen Einkauf, denn Ungarinnen legten auch viel Wert auf<br />

Hautpflege. In ein gutes Ge schäft würde Irina gehen und fragen...<br />

von Genossin zu Genossin. Die ungarischen Frauen – ihre Gesichter<br />

verkündeten aller Welt, dass sie ihre Haut pflegten. Darin waren<br />

die Ungarinnen ausgesprochen kulturniy.<br />

Zwei weitere Stunden vollkommener Glückseligkeit gingen<br />

dahin. Irina dachte kein einziges Mal daran, dass ihr Mann und ihre<br />

Tochter auf sie warteten. Schließlich wurde für sie gerade der Traum<br />

einer jeden sowjetischen Frau wahr. Sie gab Geld aus im... gut,<br />

nicht im Westen, aber beinahe. Es war wundervoll. Am Abend<br />

würde sie den Chantarelle-Büstenhalter zum Konzert tragen und<br />

auf Bach lauschen, sich einbilden, dass sie in einer anderen Zeit, an<br />

einem anderen Ort lebte, wo jedermann kulturniy war, wo es eine<br />

Freude war, Frau zu sein. Wirklich zu schade, dass ein solcher Ort<br />

in der Sowjetunion nicht existierte.<br />

Draußen vor den Türen der Geschäfte, die sich auf weibliche<br />

Kundschaft spezialisiert hatten, stand Oleg tatenlos herum und<br />

rauchte seine Zigaretten wie jeder andere Mann auf der Welt in<br />

einer solchen Situation auch, ganz und gar gelangweilt von den Einzelheiten<br />

der Einkäufe seiner Frau.<br />

Oleg hatte sich zwar fest vorgenommen, gerade jetzt in dieser<br />

kritischen Phase seines Abenteuers geduldig zu sein, doch eines<br />

würde er wohl nie lernen können: einer Frau beim Einkaufen zuzusehen<br />

... ohne dabei den Wunsch zu haben, sie zu erwürgen. Dieses<br />

Herumstehen wie ein verdammter Lastesel, Sachen in den Händen<br />

haltend, die sie sich nach langem Hin und Her entschlossen hatte zu<br />

kaufen, dann darauf zu warten, ob sie es sich nicht doch noch<br />

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Sie mussten ins Hotel zurückkehren, einen Babysitter für Swetlana<br />

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