Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf

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schulte.josefine23
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Der DG dachte einen Augenblick lang nach und schien sich dann zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben. Er langte nach einem Ordner, der auf einem Aktenstapel auf seinem Schreibtisch lag, und reichte ihn Jack zur Einsicht. Auf dem Deckel stand der Vermerk STRENG GEHEIM. Jetzt geht's also los, dachte Jack. Vermutlich hatte Basil durch einen beherzten Sprung in die Themse schwimmen gelernt, was ihn nun annehmen ließ, dass diese Methode auch auf andere zu übertragen sei. Jack öffnete den Deckel und sah, dass die in dieser Akte enthaltenen Informationen von einer Quelle mit dem Decknamen ZAUN­ KÖNIG stammten. Dahinter verbarg sich offenbar ein polnischer Staatsbürger. Der Bericht war sehr ordentlich verfasst, und was er zum Ausdruck brachte... »Verdammt«, platzte es aus Ryan heraus. »Ist das verlässlich?« »Allerdings. In der Bewertung steht zweimal die Fünf.« Dies bedeutete, dass sowohl der Quelle als auch der Information, die durch sie übermittelt worden war, jeweils der höchste Wert auf der Verlässlichkeitsskala zuerkannt wurde. »Sie sind doch Katholik, nicht wahr?« Natürlich wusste Charleston Bescheid. »In der Highschool, am Boston College und in Georgetown bin ich von Jesuiten unterrichtet worden, nicht zu vergessen die Nonnen von Saint Matthew’s. Bei solchen Lehrern ist es ratsam, katholisch zu sein.« »Was halten Sie von Ihrem gegenwärtig amtierenden Papst?« »Seit mindestens vier Jahrhunderten endlich wieder einer, der nicht aus Italien stammt. Und das will einiges besagen. Als ich hörte, dass der neue Papst ein Pole ist, dachte ich spontan an Kardinal Wiszynski aus Warschau – der Mann ist außerordentlich gescheit und gerissen wie ein Fuchs. Aber der war’s dann doch nicht, sondern einer, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Dann habe ich einiges über ihn gelesen und erfahren, dass er ein guter Seelsorger ist, erfahren auch in Verwaltungsangelegenheiten, dass er mit seinen politischen Überzeugungen nicht hinterm Berg hält...« Ryan stockte. Er fand es plötzlich ganz und gar unangemessen, dass er sich über das Oberhaupt der katholischen Kirche wie über irgendeinen Politiker äußerte. Schließlich war hier von einem Mann die Rede, der nach katholischer Lehre die oberste, unfehlbare Gewalt in Sachen des Glaubens innehatte, ein Mann, der von den 55

höchsten Würdenträgern jener Kirche gewählt worden war, der auch er, Ryan, angehörte. Dieser Mann verstand sich als Kontaktperson zwischen Gott und den Menschen. Er ließ sich durch niemanden einschüchtern, durch nichts abbringen von dem, was er für richtig hielt. »Wenn er diesen Brief geschrieben hat, Sir Basil, ist auszuschließen, dass es sich um einen Bluff handeln könnte. Wann wurde der Brief zugestellt?« »Vor weniger als vier Tagen. Um keine Zeit zu verlieren, hat unser Bote gegen Regeln verstoßen, was ihm aber wohl zu verzeihen ist, denn die Bedeutung des Dokuments steht wohl außer Frage, oder?« Willkommen in London, dachte Ryan. Er wähnte sich in den großen Kessel getunkt, in dem in der Bildsprache von Cartoons Missionare gar gekocht wurden. »Und er ist tatsächlich nach Moskau weitergeleitet worden?« »Das bestätigt uns unser Mann. Nun, was meinen Sie, Sir John, wie wird der Iwan darauf reagieren?«, fragte Sir Basil Charleston und packte Jack bei seinem Ehrgeiz als Analyst. »Das lässt sich so einfach nicht beantworten«, entgegnete Ryan ausweichend. Charleston hakte nach. »Wie wird er den Brief aufnehmen?«, sagte er und richtete seine haselnussbraunen Augen auf Ryan. »Jedenfalls wird er nicht beglückt sein und den Brief als Drohung auffassen. Die Frage ist: Wie ernst nimmt er ihn? Stalin hätte darüber womöglich nur gelacht... oder auch nicht. Er hat Paranoia ja gewissermaßen definiert, nicht wahr?« Ryan schaute zum Fenster hinaus. Segelte da eine Regenwolke herbei? »Nein, Stalin hätte reagiert.« »Meinen Sie?«, fragte Charleston, und Jack kam sich vor wie bei den mündlichen Prüfungen zum Abschluss seiner Promotion in Georgetown, als ihm Pater Tim Riley mit seinen messerscharfen Fragen auf den Zahn gefühlt hatte. Sir Basil war freundlicher als der scharfe Priester, aber als Prüfer bestimmt nicht weniger anspruchsvoll. »Leo Trotzki stellte keine echte Gefahr für ihn dar. Dass er ihn umbringen ließ, war wohl vor allem ein Akt simpler Gemeinheit und persönlicher Rache. Stalin war sehr nachtragend. Aber die 56

höchsten Würdenträgern jener Kirche gewählt worden war, der<br />

auch er, <strong>Ryan</strong>, angehörte. Dieser Mann verstand sich als Kontaktperson<br />

zwischen Gott und den Menschen. Er ließ sich durch niemanden<br />

einschüchtern, durch nichts abbringen von dem, was er für<br />

richtig hielt.<br />

»Wenn er diesen Brief geschrieben hat, Sir Basil, ist auszuschließen,<br />

dass es sich um einen Bluff handeln könnte. Wann wurde der<br />

Brief zugestellt?«<br />

»Vor weniger als vier Tagen. Um keine Zeit zu verlieren, hat<br />

unser Bote gegen Regeln verstoßen, was ihm aber wohl zu verzeihen<br />

ist, denn die Bedeutung des Dokuments steht wohl außer<br />

Frage, oder?«<br />

Willkommen in London, dachte <strong>Ryan</strong>. Er wähnte sich in den<br />

großen Kessel getunkt, in dem in der Bildsprache von Cartoons<br />

Missionare gar gekocht wurden.<br />

»Und er ist tatsächlich nach Moskau weitergeleitet worden?«<br />

»Das bestätigt uns unser Mann. Nun, was meinen Sie, Sir John,<br />

wie wird der Iwan darauf reagieren?«, fragte Sir Basil Charleston<br />

und packte <strong>Jack</strong> bei seinem Ehrgeiz als Analyst.<br />

»Das lässt sich so einfach nicht beantworten«, entgegnete <strong>Ryan</strong><br />

ausweichend.<br />

Charleston hakte nach. »Wie wird er den Brief aufnehmen?«,<br />

sagte er und richtete seine haselnussbraunen Augen auf <strong>Ryan</strong>.<br />

»Jedenfalls wird er nicht beglückt sein und den Brief als Drohung<br />

auffassen. Die Frage ist: Wie ernst nimmt er ihn? Stalin hätte darüber<br />

womöglich nur gelacht... oder auch nicht. Er hat Paranoia ja<br />

gewissermaßen definiert, nicht wahr?« <strong>Ryan</strong> schaute zum Fenster<br />

hinaus. Segelte da eine Regenwolke herbei? »Nein, Stalin hätte reagiert.«<br />

»Meinen Sie?«, fragte Charleston, und <strong>Jack</strong> kam sich vor wie bei<br />

den mündlichen Prüfungen zum Abschluss seiner Promotion in<br />

Georgetown, als ihm Pater Tim Riley mit seinen messerscharfen<br />

Fragen auf den Zahn gefühlt hatte. Sir Basil war freundlicher als der<br />

scharfe Priester, aber als Prüfer bestimmt nicht weniger anspruchsvoll.<br />

»Leo Trotzki stellte keine echte Gefahr für ihn dar. Dass er ihn<br />

umbringen ließ, war wohl vor allem ein Akt simpler Gemeinheit<br />

und persönlicher Rache. Stalin war sehr nachtragend. Aber die<br />

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