Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf
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Decknamen von Informanten – Verräter in den Augen der westlichen Regierungen, Leute, die sie auf jeden Fall unschädlich machen wollten. War das Beihilfe zum Mord? Nein. Schließlich waren das lauter Verräter. Und ein Verräter blieb ein Verräter... Und was bist du dann, Oleg Iwanowitsch? fragte die schwache Stimme in seinem Innern, um ihn zu quälen. Aber er war stark genug, diesen Gedanken mit einer simplen Hinundherbewegung des Kopfs von sich abzuschütteln. Ein Verräter? Nein, er verhinderte einen Mord, und das war etwas Ehrenhaftes. Er war ein ehrenhafter Mann. Trotzdem musste er sich etwas einfallen lassen, um es auch tatsächlich tun zu können. Er musste sich mit einem amerikanischen Spion treffen und ihm sagen, was er wollte. Aber wo und wie? Es musste ein Ort sein, an dem sich viele Menschen aufhielten, an dem es ganz normal war, dass sie sich begegneten, sodass nicht einmal ein Agent des Zweiten Hauptdirektorats sehen konnte, was geschah, oder hören konnte, was gesprochen wurde. Und plötzlich fiel ihm ein: Seine Frau arbeitete an einem solchen Ort. Also würde er den Treffpunkt auf ein leeres Nachrichtenformular schreiben und es dem Amerikaner, wie er es schon zweimal getan hatte, in der Metro zustecken. Dann würde er ja sehen, ob die Amerikaner darauf einstiegen. Jetzt befand er sich in der Position des Vorsitzenden. Er wusste etwas, was sie auch gern wissen wollten, und er bestimmte, wie sie es erfuhren. Er legte die Spielregeln fest, und sie würden sich an diese Regeln halten müssen. So einfach war das. Ja, sagte er sich. So einfach war es tatsächlich. War das nicht großartig? Er würde etwas tun, was der KGB schon immer hatte tun wollen – den amerikanischen Geheimdienst nach seiner Pfeife tanzen lassen. Für einen Tag Vorsitzender sein, sagte er sich. Die Wörter hatten einen köstlichen Beigeschmack. In London sah Cathy Ryan zu, wie zwei englische Augenchirurgen einen Mann operierten, der hinter dem rechten Auge einen Tumor 309
hatte. Das krankhafte Gewebe von der Größe eines halben Golfballs hatte auf den Röntgenbildern einen so besorgniserregenden Eindruck erweckt, dass Ronald Smithson, ein Maurer, nur fünf Wochen auf die Operation hatte warten müssen. Das war vermutlich immer noch dreiunddreißig Tage länger, als es im Hopkins gedauert hätte, aber für hiesige Verhältnisse erstaunlich kurzfristig. Die beiden Moorefields-Chirurgen waren Clive Hood und Geoffrey Phillips, zwei erfahrene Oberärzte. Es handelte sich um keinen besonders ungewöhnlichen Eingriff. Nach der Freilegung des Tumors sollte ein Stück davon entfernt, eingefroren und an die Pathologie geschickt werden – es gab dort einen fähigen Histopathologen, der entscheiden würde, ob das Gewebe gut- oder bösartig war. Cathy hoffte auf Ersteres, da die bösartige Variante dieses Tumors für den Betroffenen sehr unangenehm werden konnte. Aber die Chancen für den Patienten standen ganz gut, fand sie. Bei einer visuellen Untersuchung hatte der Tumor nicht sehr aggressiv ausgesehen, und in 85 Prozent der Fälle behielt sie mit ihrer Einschätzung Recht. Eine solche Einschätzung hatte zwar nicht viel mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun, aber das war ihr sehr wohl bewusst. Es grenzte fast an Aberglauben, aber wie Baseballspieler waren auch Chirurgen ein wenig abergläubisch. Aus diesem Grund zogen sie sich zum Beispiel ihre Socken – in Cathys Fall die Strumpfhose – jeden Morgen auf die gleiche Weise an. Und auch ihr Tag verlief von Anfang an nach einem festen Strickmuster. Chirurgen waren nämlich Gewohnheitstiere und neigten dazu, banale persönliche Angewohnheiten und den Ausgang einer Operation miteinander in Zusammenhang zu bringen. Nachdem also die tiefgekühlte Gewebeprobe in die Pathologie geschickt worden war, ging es eigentlich nur noch darum, diese gräulich-rosafarbene Masse zu entfernen... »Wie viel Uhr ist es, Geoffrey?«, fragte Dr. Hood. »Viertel vor eins, Clive«, antwortete Dr. Phillips nach einem Blick auf die Wanduhr. »Sollen wir dann jetzt Mittag machen?« »Meinetwegen gern. Ich könnte was zu essen vertragen. Wir müssen nur einen anderen Anästhesisten rufen, damit Mr Smithson brav weiterschläft«, bemerkte der Narkosearzt. »Na, dann rufen Sie doch einen, Owen«, schlug Hood vor. 310
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Decknamen von Informanten – Verräter in den Augen der westlichen<br />
Regierungen, Leute, die sie auf jeden Fall unschädlich machen<br />
wollten.<br />
War das Beihilfe zum Mord?<br />
Nein. Schließlich waren das lauter Verräter. Und ein Verräter<br />
blieb ein Verräter...<br />
Und was bist du dann, Oleg Iwanowitsch? fragte die schwache<br />
Stimme in seinem Innern, um ihn zu quälen.<br />
Aber er war stark genug, diesen Gedanken mit einer simplen<br />
Hinundherbewegung des Kopfs von sich abzuschütteln. Ein Verräter?<br />
Nein, er verhinderte einen Mord, und das war etwas Ehrenhaftes.<br />
Er war ein ehrenhafter Mann.<br />
Trotzdem musste er sich etwas einfallen lassen, um es auch<br />
tatsächlich tun zu können. Er musste sich mit einem amerikanischen<br />
Spion treffen und ihm sagen, was er wollte.<br />
Aber wo und wie?<br />
Es musste ein Ort sein, an dem sich viele Menschen aufhielten, an<br />
dem es ganz normal war, dass sie sich begegneten, sodass nicht einmal<br />
ein Agent des Zweiten Hauptdirektorats sehen konnte, was<br />
geschah, oder hören konnte, was gesprochen wurde.<br />
Und plötzlich fiel ihm ein: Seine Frau arbeitete an einem solchen<br />
Ort.<br />
Also würde er den Treffpunkt auf ein leeres Nachrichtenformular<br />
schreiben und es dem Amerikaner, wie er es schon zweimal getan<br />
hatte, in der Metro zustecken. Dann würde er ja sehen, ob die Amerikaner<br />
darauf einstiegen. Jetzt befand er sich in der Position des Vorsitzenden.<br />
Er wusste etwas, was sie auch gern wissen wollten, und er<br />
bestimmte, wie sie es erfuhren. Er legte die Spielregeln fest, und sie<br />
würden sich an diese Regeln halten müssen. So einfach war das.<br />
Ja, sagte er sich. So einfach war es tatsächlich.<br />
War das nicht großartig? Er würde etwas tun, was der KGB<br />
schon immer hatte tun wollen – den amerikanischen Geheimdienst<br />
nach seiner Pfeife tanzen lassen.<br />
Für einen Tag Vorsitzender sein, sagte er sich. Die Wörter hatten<br />
einen köstlichen Beigeschmack.<br />
In London sah Cathy <strong>Ryan</strong> zu, wie zwei englische Augenchirurgen<br />
einen Mann operierten, der hinter dem rechten Auge einen Tumor<br />
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