Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf
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Eine Sekunde später, so erschien es ihm zumindest, ertönte der Wecker. Wenigstens war er nicht von Träumen geplagt worden. Das war das einzig Positive an diesem Morgen. Sein Schädel brummte so gewaltig, dass die Augäpfel aus ihren Höhlen zu springen drohten. Er torkelte ins Bad, wo er sich Wasser ins Gesicht spritzte und drei Aspirin nahm, die, so hoffte er verzweifelt, seinen Kater etwas lindern würden. Schon der bloße Gedanke an Würste zum Frühstück war zu viel für seinen gereizten Magen, deshalb entschied er sich für Haferflocken mit Milch und dazu ein Butterbrot. Statt des üblichen Kaffees goss er sich ein Glas Milch ein. »Du hast gestern Abend zu viel getrunken«, sagte Irina. »Ja, Liebling, das habe ich gerade gemerkt«, brachte er, nicht unfreundlich, hervor. Sie war nicht schuld an seinem Zustand, und sie war ihm eine gute Frau und Swetlana, seinem kleinen zaichik, seinem Häschen, eine gute Mutter. Zaitzew wusste, dass er diesen Tag überleben würde. Nur besonders angenehm wurde er bestimmt nicht. Und was das Schlimmste war: Er musste früh los. Er rasierte sich schlecht, machte dann aber mit einem sauberen Hemd und einer Krawatte doch einen ganz passablen Eindruck. Bevor er die Wohnung verließ, steckte er vier weitere Aspirin ein und ging dann die Treppe hinunter, statt den Aufzug zu nehmen. In der Morgenluft hing ein Anflug von Frische, die auf dem Weg zur Metro eine gewisse Erleichterung war. Er kaufte eine Ausgabe der Iswestija und rauchte eine Trud, und auch das half ihm etwas. Und wenn ihn jemand erkannte? Nun, damit war kaum zu rechnen. Er befand sich nicht im üblichen Wagen und auch nicht in der üblichen Bahn. Sonst fuhr er immer fünfzehn Minuten später zum Dienst. Er war nur ein anonymes Gesicht unter vielen in einem U-Bahnwagen voller anonymer Menschen. Und deshalb würde niemand merken, dass er an der falschen Haltestelle ausstieg. Die amerikanische Botschaft lag nur ein paar Straßen weiter. Nach einem Blick auf seine Uhr machte er sich auf den Weg. Wie lange er dafür brauchen würde, wusste er, weil er schon einmal da gewesen war. Als Kadett der KGB-Akademie hatte man ihn eines Morgens mit fünfundvierzig anderen aus seiner Klasse in einem Bus dorthin gebracht. Sie hatten für die Fahrt sogar ihre Uni 295
formen getragen, wahrscheinlich um nur ja nicht zu vergessen, welcher Behörde sie angehörten. Sogar damals schon war Zaitzew dieser Ausflug als sinnlose Zeitverschwendung erschienen, aber der Kommandant der Akademie galt als Vertreter der harten Linie. Diesmal diente Zaitzews Ausflug einem Zweck, der den Mann zutiefst erbost hätte. Als das Gebäude vor Zaitzew auftauchte, zündete er sich eine frische Zigarette an. Er sah auf die Uhr. Jeden Morgen hissten sie Punkt 7:30 Uhr ihre Flagge. Zehn Jahre zuvor hatte der Akademiekommandant wenige Minuten vorher auf das Gebäude gezeigt und erklärt: »Seht gut hin, Genossen, das ist der Feind! Hier hat er in unserer schönen Stadt Moskau Unterschlupf gefunden. In diesem Gebäude leben Spione, die diejenigen von euch, die ins Zweite Hauptdirektorat eintreten, zu enttarnen und aus unserem hehren Land zu vertreiben versuchen werden. Hier leben und arbeiten diejenigen, die gegen unser Land und unser Volk spionieren. Das ist ihre Fahne. Vergesst das nie.« Und dann war die Fahne an der weißen Stange mit dem Bronzeadler an der Spitze von den Angehörigen des United States Marine Corps in ihren schmucken Uniformen pünktlich gehisst worden. Zaitzew hatte seine Uhr mit der Uhr in der U-Bahnstation verglichen. Eigentlich musste es jeden Augenblick so weit sein... jetzt. Eine Trompete spielte eine Melodie, die er nicht kannte. Er konnte nur die weißen Käppis der Marines erkennen, die über der steinernen Brüstung des Flachdachs der Botschaft auftauchten. Er stand auf der anderen Straßenseite, vor der alten Kirche, die der KGB mit elektronischen Geräten voll gestopft hatte. Da, dachte er, als er zusammen mit einer Hand voll anderer Passanten zur Botschaft hinüberschaute. Über der Brüstung erschienen zuerst die roten und weißen Querstreifen der Fahne, nicht das blaue Feld mit den fünfzig weißen Sternen. Die Fahne wurde verkehrt herum gehisst! Und trotzdem wurde sie bis ans Ende der Stange hochgezogen. Sie haben also getan, was ich verlangt habe. Rasch ging Zaitzew zur nächsten Kreuzung, wandte sich dort nach rechts und noch einmal nach rechts und dann zurück zu der Metro-Station, von der er gerade gekommen war, und nach Zahlung einer großen Fünf 296
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Wecker. Wenigstens war er nicht von Träumen geplagt worden. Das<br />
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so gewaltig, dass die Augäpfel aus ihren Höhlen zu springen drohten.<br />
Er torkelte ins Bad, wo er sich Wasser ins Gesicht spritzte und<br />
drei Aspirin nahm, die, so hoffte er verzweifelt, seinen Kater etwas<br />
lindern würden.<br />
Schon der bloße Gedanke an Würste zum Frühstück war zu viel<br />
für seinen gereizten Magen, deshalb entschied er sich für Haferflocken<br />
mit Milch und dazu ein Butterbrot. Statt des üblichen Kaffees<br />
goss er sich ein Glas Milch ein.<br />
»Du hast gestern Abend zu viel getrunken«, sagte Irina.<br />
»Ja, Liebling, das habe ich gerade gemerkt«, brachte er, nicht<br />
unfreundlich, hervor. Sie war nicht schuld an seinem Zustand, und<br />
sie war ihm eine gute Frau und Swetlana, seinem kleinen zaichik,<br />
seinem Häschen, eine gute Mutter. Zaitzew wusste, dass er diesen<br />
Tag überleben würde. Nur besonders angenehm wurde er bestimmt<br />
nicht. Und was das Schlimmste war: Er musste früh los. Er rasierte<br />
sich schlecht, machte dann aber mit einem sauberen Hemd und<br />
einer Krawatte doch einen ganz passablen Eindruck. Bevor er die<br />
Wohnung verließ, steckte er vier weitere Aspirin ein und ging dann<br />
die Treppe hinunter, statt den Aufzug zu nehmen. In der Morgenluft<br />
hing ein Anflug von Frische, die auf dem Weg zur Metro eine<br />
gewisse Erleichterung war. Er kaufte eine Ausgabe der Iswestija<br />
und rauchte eine Trud, und auch das half ihm etwas.<br />
Und wenn ihn jemand erkannte? Nun, damit war kaum zu rechnen.<br />
Er befand sich nicht im üblichen Wagen und auch nicht in der<br />
üblichen Bahn. Sonst fuhr er immer fünfzehn Minuten später zum<br />
Dienst. Er war nur ein anonymes Gesicht unter vielen in einem<br />
U-Bahnwagen voller anonymer Menschen.<br />
Und deshalb würde niemand merken, dass er an der falschen<br />
Haltestelle ausstieg.<br />
Die amerikanische Botschaft lag nur ein paar Straßen weiter.<br />
Nach einem Blick auf seine Uhr machte er sich auf den Weg.<br />
Wie lange er dafür brauchen würde, wusste er, weil er schon einmal<br />
da gewesen war. Als Kadett der KGB-Akademie hatte man ihn<br />
eines Morgens mit fünfundvierzig anderen aus seiner Klasse in<br />
einem Bus dorthin gebracht. Sie hatten für die Fahrt sogar ihre Uni<br />
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