Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf
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wie ein politisches Statement abgeben, auch wenn ihm dafür kein einleuchtender Grund einfiel – außerdem verhielt sich der KGB in dieser Hinsicht so eiskalt rational und logisch wie Mr Spock auf dem Planeten Vulcan. So etwas würde nicht mal das FBI machen. Deshalb musste diese Gelegenheit echt sein, es sei denn, der KGB klopfte grundsätzlich jeden neuen Botschaftsangehörigen erst einmal ab, um zu sehen, was dabei herauskam. Möglich, aber höchst unwahrscheinlich, fand Foley und hielt es deshalb für vertretbar, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Er würde die grüne Krawatte umbinden und abwarten, was passierte. Und vor allem wollte er sich die Gesichter in der U-Bahn sehr genau ansehen. L(angley) Bescheid geben? fragte Mary Pat als Nächstes. Er schüttelte den Kopf. Zu früh. Sie nickte. Dann tat Mary Pat, als ritte sie auf einem Pferd. Das war das Zeichen, dass es jetzt endlich richtig losging. Es war fast, als fürchtete sie einzurosten. Von wegen, signalisierte ihr Mann. Er wäre jede Wette eingegangen, dass seine Frau in der Schule nie eins auf die Finger bekommen hatte – aber nur deshalb, weil sie sich von den Nonnen nie bei etwas hatte erwischen lassen... Er übrigens auch nicht, wurde ihm in diesem Moment bewusst. Morgen wird es bestimmt inter(essant), signalisierte er ihr und bekam ein Nicken als Antwort. Danach war das Schwierigste, nicht den ganzen Rest des Abends an diese Chance zu denken. Obwohl sie während ihrer Ausbildung auch solche Situationen stets aufs Neue geübt hatten, kehrten ihre Gedanken immer wieder zu der Vorstellung zurück, in der hiesigen Nachrichtenzentrale, der russischen Version von MERCURY, einen Informanten zu haben. Das war wie ein Homerun am Ende des neunten Innings im siebten Spiel der World Series – Reggie Jackson Foley als Spieler des Monats Oktober. Echt. »Also, Simon, was wissen wir wirklich über den Kerl?« »Was sein Privatleben angeht, nicht allzu viel«, musste Harding zugeben. »Zuallererst: Er ist der typische Parteibonze. Seit er die Leitung des KGB übernommen hat, dürfte sich allerdings sein Horizont etwas erweitert haben. Es heißt, er trinkt lieber westliche Spirituosen als heimischen Wodka und hört gern amerikanischen 241
Jazz. Aber diese Gerüchte könnten von der Zentrale in Umlauf gebracht worden sein, um ihn als dem Westen gegenüber aufgeschlossen erscheinen zu lassen – was ich allerdings für nicht sehr wahrscheinlich halte. Der Mann ist ein Gauner. Sein Aufstieg in der Partei zeugt nicht gerade von vornehmer Zurückhaltung. In dieser Organisation kommt man nur mit rücksichtsloser Härte hoch – und bemerkenswert häufig sind die Überflieger jene Männer, die auf dem Weg an die Spitze ihre eigenen Mentoren abserviert haben. Das ist eine aus allen Fugen geratene darwinistische Gemeinschaft, Jack. Die Tüchtigsten überleben, aber sie beweisen sich, dass sie die Tüchtigsten sind, indem sie diejenigen vernichten, die eine Bedrohung für sie darstellen, oder indem sie manche Leute nur aus dem einen Grund vernichten, um ihre Rücksichtslosigkeit in dem von ihnen gewählten Kampfring zu demonstrieren.« »Wie clever ist er?«, fragte Ryan als Nächstes. Ein Zug an der Bruyerepfeife. »Auf den Kopf gefallen ist er sicher nicht. Ausgeprägte Menschenkenntnis, wahrscheinlich ein guter – wenn nicht sogar hervorragender – Amateurpsychologe.« »Sie haben ihn noch gar nicht mit einer Figur von Tolstoi oder Tschechow verglichen«, stellte Ryan fest. Harding hatte nämlich Literatur studiert. Der Engländer machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das wäre zu einfach. Nein, Leute wie er kommen in der Literatur äußerst selten vor, weil es den Romanciers dafür an der nötigen Fantasie fehlt. Auch in der deutschen Literatur gab es keine Warnung vor einem Hitler, Jack. Stalin sah sich anscheinend als einen zweiten Iwan den Schrecklichen, und Sergei Eisenstein griff den Gedanken auf und drehte sein berühmtes Filmepos über diesen Burschen. Aber das ist nur etwas für Leute, die nicht über die Fantasie verfügen, Menschen als das zu sehen, was sie sind, und sie deshalb mit jemandem vergleichen müssen, den sie verstehen. Nein, Stalin war ein äußerst vielschichtiges Monster, das sich letzten Endes jedem Begreifen entzieht – außer vielleicht für jemanden mit einer Zulassung als Psychiater, die ich nicht habe. Man muss solche Menschen voll und ganz verstehen, um ihre Handlungen vorhersagen zu können, weil sie sich innerhalb ihres eigenen Kontexts sehr wohl rational verhalten. Das muss man nur begreifen – oder zumindest war ich immer dieser Überzeugung.« 242
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Jazz. Aber diese Gerüchte könnten von der Zentrale in Umlauf<br />
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Das ist eine aus allen Fugen geratene darwinistische Gemeinschaft,<br />
<strong>Jack</strong>. Die Tüchtigsten überleben, aber sie beweisen sich, dass sie die<br />
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Ein Zug an der Bruyerepfeife. »Auf den Kopf gefallen ist er<br />
sicher nicht. Ausgeprägte Menschenkenntnis, wahrscheinlich ein<br />
guter – wenn nicht sogar hervorragender – Amateurpsychologe.«<br />
»Sie haben ihn noch gar nicht mit einer Figur von Tolstoi oder<br />
Tschechow verglichen«, stellte <strong>Ryan</strong> fest. Harding hatte nämlich<br />
Literatur studiert.<br />
Der Engländer machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das<br />
wäre zu einfach. Nein, Leute wie er kommen in der Literatur<br />
äußerst selten vor, weil es den Romanciers dafür an der nötigen<br />
Fantasie fehlt. Auch in der deutschen Literatur gab es keine Warnung<br />
vor einem Hitler, <strong>Jack</strong>. Stalin sah sich anscheinend als einen<br />
zweiten Iwan den Schrecklichen, und Sergei Eisenstein griff den<br />
Gedanken auf und drehte sein berühmtes Filmepos über diesen<br />
Burschen. Aber das ist nur etwas für Leute, die nicht über die Fantasie<br />
verfügen, Menschen als das zu sehen, was sie sind, und sie deshalb<br />
mit jemandem vergleichen müssen, den sie verstehen. Nein,<br />
Stalin war ein äußerst vielschichtiges Monster, das sich letzten<br />
Endes jedem Begreifen entzieht – außer vielleicht für jemanden mit<br />
einer Zulassung als Psychiater, die ich nicht habe. Man muss solche<br />
Menschen voll und ganz verstehen, um ihre Handlungen vorhersagen<br />
zu können, weil sie sich innerhalb ihres eigenen Kontexts sehr<br />
wohl rational verhalten. Das muss man nur begreifen – oder zumindest<br />
war ich immer dieser Überzeugung.«<br />
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