Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf
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»Vergesellschaftete Medizin? Kann ich ihr nicht verdenken. Ich lasse immer noch alles im Bethesda machen, aber es ist recht hilfreich, dass ich ein ›Admiral‹ vor meinem Namen stehen habe. Ein Oberstabsbootsmann im Ruhestand muss wahrscheinlich auch länger auf einen Termin warten.« »Das kann ich mir vorstellen.« In Ryans Fall war es eine große Hilfe, dass seine Frau zum Lehrkörper des Johns Hopkins gehörte. Dort gab es unter den Weißkitteln kaum jemanden, der nicht mindestens ein »Professor« auf seinem Namensschild stehen hatte, und Jack hatte gelernt, dass in der Medizin im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft die wirklich Cleveren die Lehrer waren. Die Träume setzten nach Mitternacht ein, obwohl er das natürlich nicht wi ssen konnte. Es war ein strahlender Moskauer Sommertag, und ein weiß gekleideter Mann ging über den Roten Platz. Hinter ihm lag die Basiliuskathedrale, und er lief gegen den Verkehr am Lenin-Mausoleum vorbei. Er wurde von mehreren Kindern begleitet und unterhielt sich freundlich mit ihnen, etwa so wie ein beliebter Onkel ... oder ein Seelsorger. Und dann wusste Oleg, dass er genau das war: ein Seelsorger. Aber warum in Weiß? Warum sogar Goldbrokat? Die Kinder, jeweils vier oder fünf Jungen und Mädchen, hielten ihn an den Händen und blickten mit einem unschuldigen Lächeln zu ihm auf. Dann wandte Oleg den Kopf. Oben auf dem Grabmal, wo sie am 1. Mai die Paraden abnahmen, standen die Politbüromitglieder: Breschnew, Suslow, Ustinow und Andropow. Andropow trug ein Gewehr, das er auf die kleine Prozession richtete. Es waren auch noch andere Leute da – gesichtslose Gestalten, die ziellos umherwanderten, ihren Geschäften nachgingen. Plötzlich stand Oleg bei Andropow und hörte, was er sagte. Er brachte Gründe vor, warum er das Recht hätte, den Mann zu erschießen. Passen Sie auf die Kinder auf, Juri Wladimirowitsch, warnte Suslow. Ja, seien Sie vorsichtig, pflichtete ihm Breschnew bei. Ustinow langte herüber, um das Visier des Gewehrs zu verstellen. Niemand vo n ihnen achtete auf Zaitzew, der zwischen ihnen umherging und ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchte. Aber warum? fragte Zaitzew schließlich. Warum tun Sie das? Wer ist das? fragte Breschnew, an Andropow gewandt. 215
Kümmern Sie sich nicht um ihn, knurrte Suslow. Erschießen Sie den Trottel einfach! Kein Problem, sagte Andropow. Er zielte sorgfältig, und obwohl Zaitzew dabeistand, war er nicht in der Lage einzugreifen. Dann drückte der Vorsitzende ab. Zaitzew war jetzt wieder unten auf dem Platz. Die erste Kugel traf ein Kind, einen Jungen an der rechten Seite des Geistlichen. Er fiel lautlos zu Boden. Nicht ihn, Sie Idiot – den Geistlichen! brüllte Michail Suslow wie ein tollwütiger Hund. Andropow schoss wieder. Diesmal traf er ein kleines blondes Mädchen links von dem Geistlichen. Ihr Kopf löste sich in einer Explosion aus Rot auf. Zaitzew bückte sich, um ihr zu helfen, aber sie sagte, es sei alles in Ordnung. Deshalb wandte er sich von ihr ab und dem Geistlichen zu. Passen Sie auf! Worauf soll ich aufpassen, mein junger Genosse? fragte der Geistliche freundlich und drehte sich um. Kommt, Kinder, gehen wir zu Gott. Andropow feuerte wieder. Diesmal traf er den Geistlichen mitten in die Brust. Es bildete sich ein Blutfleck von der Größe und Farbe einer Rose. Der Geistliche verzog das Gesicht, ging aber mit den lächelnden Kindern im Schlepptau weiter. Ein neuer Schuss, eine weitere Rose auf der Brust, links von der ersten. Trotzdem ging er mit langsamen Schritten davon. Sind Sie verletzt? fragte Zaitzew. Es ist nichts passiert, sagte der Geistliche. Aber warum haben Sie ihn nicht aufgehalten? Ich habe es doch versucht! sagte Zaitzew. Der Geistliche blieb stehen und wandte sich ihm zu, sodass er ihm direkt in die Augen blickte. Wirklich? In diesem Moment traf ihn die dritte Kugel mitten ins Herz. Wirklich? fragte der Geistliche noch einmal. Jetzt sahen die Kinder Zaitzew an und nicht den Geistlichen. Oleg fand sich aufrecht im Bett sitzend wieder. Es war kurz vor vier Uhr morgens, so zeigte der Wecker an. Zaitzew schwitzte heftig. Er konnte nur eines tun. Er stand auf und ging ins Bad. Dort urinierte er, dann trank er ein Glas Wasser und tappte in die Küche. 216
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»Vergesellschaftete Medizin? Kann ich ihr nicht verdenken. Ich<br />
lasse immer noch alles im Bethesda machen, aber es ist recht hilfreich,<br />
dass ich ein ›Admiral‹ vor meinem Namen stehen habe. Ein<br />
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»Das kann ich mir vorstellen.« In <strong>Ryan</strong>s Fall war es eine große<br />
Hilfe, dass seine Frau zum Lehrkörper des Johns Hopkins gehörte.<br />
Dort gab es unter den Weißkitteln kaum jemanden, der nicht mindestens<br />
ein »Professor« auf seinem Namensschild stehen hatte, und<br />
<strong>Jack</strong> hatte gelernt, dass in der Medizin im Gegensatz zum Rest der<br />
Gesellschaft die wirklich Cleveren die Lehrer waren.<br />
Die Träume setzten nach Mitternacht ein, obwohl er das natürlich<br />
nicht wi ssen konnte. Es war ein strahlender Moskauer Sommertag,<br />
und ein weiß gekleideter Mann ging über den Roten Platz.<br />
Hinter ihm lag die Basiliuskathedrale, und er lief gegen den Verkehr<br />
am Lenin-Mausoleum vorbei. Er wurde von mehreren Kindern<br />
begleitet und unterhielt sich freundlich mit ihnen, etwa so<br />
wie ein beliebter Onkel ... oder ein Seelsorger. Und dann wusste<br />
Oleg, dass er genau das war: ein Seelsorger. Aber warum in Weiß?<br />
Warum sogar Goldbrokat? Die Kinder, jeweils vier oder fünf Jungen<br />
und Mädchen, hielten ihn an den Händen und blickten mit<br />
einem unschuldigen Lächeln zu ihm auf. Dann wandte Oleg den<br />
Kopf. Oben auf dem Grabmal, wo sie am 1. Mai die Paraden<br />
abnahmen, standen die Politbüromitglieder: Breschnew, Suslow,<br />
Ustinow und Andropow. Andropow trug ein Gewehr, das er auf<br />
die kleine Prozession richtete. Es waren auch noch andere Leute<br />
da – gesichtslose Gestalten, die ziellos umherwanderten, ihren<br />
Geschäften nachgingen. Plötzlich stand Oleg bei Andropow und<br />
hörte, was er sagte. Er brachte Gründe vor, warum er das Recht<br />
hätte, den Mann zu erschießen. Passen Sie auf die Kinder auf, Juri<br />
Wladimirowitsch, warnte Suslow. Ja, seien Sie vorsichtig, pflichtete<br />
ihm Breschnew bei. Ustinow langte herüber, um das Visier des<br />
Gewehrs zu verstellen. Niemand vo n ihnen achtete auf Zaitzew,<br />
der zwischen ihnen umherging und ihre Aufmerksamkeit auf sich<br />
zu lenken versuchte.<br />
Aber warum? fragte Zaitzew schließlich. Warum tun Sie das?<br />
Wer ist das? fragte Breschnew, an Andropow gewandt.<br />
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