Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf

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aber seine Tochter würde lernen, wozu Servi etten gut waren, und das, fand Cathy, war wichtig. Dann schenkte Jack den Wein ein. Sally bekam einen Schluck Coca-Cola. Endlich war Swetlana eingeschlafen. Sie blieb gern so lange auf, wie es ging. Es war, so schien es jedenfalls, jede Nacht das gleiche Theater, bis ihr Kopf endlich auf dem Kissen liegen blieb. Sie schlief mit einem Lächeln, stellte ihr Vater fest, wie einer dieser kleinen Engel, die in den Reiseführern, die er so gern las, italienische Kirchen zierten. Der Fernseher lief. Den Geräuschen nach zu urteilen irgendein Kriegsfilm. Sie waren alle gleich: Die Deutschen griffen brutal an. Das heißt, gelegentlich gab es auch einen Deutschen mit menschlichen Zügen, in der Regel ein deutscher Kommunist, wie sich nach und nach herausstellte, der zwischen der Loyalität zu seiner Klasse (der Arbeiterklasse, versteht sich) und seinem Land hin und her gerissen war. Die Sowjets wiederum leisteten tapfer Widerstand, wobei sie zunächst viele heldenhafte Kämpfer verloren, bis sich das Blatt endlich wendete, gewöhnlich vor den Toren Moskaus im Dezember 1941, in Stalingrad im Januar 1943 oder bei der Kursk- Offensive im Sommer 1943. Es gab immer einen heroischen Politoffizier, einen couragierten Soldaten, einen weisen alten Feldwebel und einen intelligenten jungen Offizier. Dann musste auch noch ein bärbeißiger General mit von der Partie sein, einer, der in der Nacht vor der großen Schlacht in aller Stille um seine Männer weint, dann aber seine Gefühle hintan stellt und die Sache durchzieht. Es gab etwa fünf verschiedene Filmmuster, alle Abwandlungen desselben Themas, und der einzige Unterschied bestand darin, dass Stalin mal als weiser, gottähnlicher Herrscher gezeigt und mal einfach nicht erwähnt wurde. Das hing davon ab, wann der Film gedreht worden war. Stalin war in der sowjetischen Filmindustrie gegen 1956 aus der Mode gekommen, kurz nachdem Nikita Sergejewitsch Chruschtschow seine berühmte, aber damals geheim gehaltene Rede vorgetragen hatte, in der er enthüllte, was für ein Monster Stalin gewesen war – etwas, womit Sowjetbürger immer noch Probleme hatten, vor allem Taxifahrer, wie es schien. Die Wahrheit hatte in Zaitzews Land Seltenheitswert und war fast immer schwer zu verdauen. Aber im Moment sah sich Zaitzew den Film nicht an. Oleg Iwanowitsch trank seinen Wodka und starrte auf den Bildschirm, ohne 203

etwas zu sehen. Ihm war zu Bewusstsein gekommen, was für einen gewaltigen Schritt er an diesem Nachmittag in der Metro getan hatte. Zunächst war es fast so etwas wie ein Jux, ein Jungenstreich gewesen, dem Amerikaner wie ein Taschendieb in die Manteltasche zu greifen, nur um zu sehen, ob er, Zaitzew, dazu fähig war. Niemand hatte es gemerkt. Er hatte es vorsichtig und geschickt angestellt, und nicht einmal der Amerikaner hatte es gemerkt, denn sonst hätte er reagiert. Na schön, er hatte sich also bewiesen, dass er in der Lage war, zu... ja, zu was? Was zu tun? fragte sich Oleg Iwan’tsch mit überraschender Eindringlichkeit. Was hatte er sich dabei gedacht? Eigentlich überhaupt nichts. Es war nur ein idiotischer Impuls gewesen... oder doch nicht? Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Wodka. Er war ein intelligenter Mensch. Er hatte einen Universitätsabschluss. Er war ein vorzüglicher Schachspieler. Er hatte eine Stellung, für die man die höchste Sicherheitseinstufung benötigte, die gut bezahlt war und in der er sich auf der untersten Stufe des Zugangs zur Nomenklatura befand. Er war eine Person von Bedeutung – zwar keiner großen, aber von Bedeutung. Der KGB vertraute ihm Kenntnisse über viele Dinge an. Der KGB hatte Vertrauen in ihn... aber... Was aber? fragte er sich. Was kam nach dem Aber? Seine Gedanken schweiften in Richtungen, die er nicht verstand und kaum sehen konnte... Der Geistliche. Darauf lief es doch hinaus, oder? Was denke ich eigentlich? fragte sich Zaitzew. Er wusste nicht recht, ob er überhaupt etwas dachte. Es war, als hätte seine Hand am Nachmittag einen eigenen Verstand entwickelt, als handle sie ohne die Erlaubnis seines Gehirns, als führe sie ihn in eine Richtung, die ihm rätselhaft war. Ja, es musste dieser blöde Geistliche sein. War er, Zaitzew, plötzlich verhext? Hatte irgendeine fremde Macht von seinem Körper Besitz ergriffen? Nein! Unmöglich! sagte er sich. So etwas gab es nur in alten Märchen, darüber plapperten alte Frauen über einem brodelnden Topf. Aber warum hast du dann die Hand in die Tasche des Amerikaners gesteckt? fragte eine schwache Stimme. Bist du bereit, an der Ermordung eines unschuldigen Menschen mitzuwirken? 204

aber seine Tochter würde lernen, wozu Servi etten gut waren, und<br />

das, fand Cathy, war wichtig. Dann schenkte <strong>Jack</strong> den Wein ein.<br />

Sally bekam einen Schluck Coca-Cola.<br />

Endlich war Swetlana eingeschlafen. Sie blieb gern so lange auf, wie<br />

es ging. Es war, so schien es jedenfalls, jede Nacht das gleiche Theater,<br />

bis ihr Kopf endlich auf dem Kissen liegen blieb. Sie schlief mit<br />

einem Lächeln, stellte ihr Vater fest, wie einer dieser kleinen Engel,<br />

die in den Reiseführern, die er so gern las, italienische Kirchen zierten.<br />

Der Fernseher lief. Den Geräuschen nach zu urteilen irgendein<br />

Kriegsfilm. Sie waren alle gleich: Die Deutschen griffen brutal an.<br />

Das heißt, gelegentlich gab es auch einen Deutschen mit menschlichen<br />

Zügen, in der Regel ein deutscher Kommunist, wie sich nach<br />

und nach herausstellte, der zwischen der Loyalität zu seiner Klasse<br />

(der Arbeiterklasse, versteht sich) und seinem Land hin und her<br />

gerissen war. Die Sowjets wiederum leisteten tapfer Widerstand,<br />

wobei sie zunächst viele heldenhafte Kämpfer verloren, bis sich das<br />

Blatt endlich wendete, gewöhnlich vor den Toren Moskaus im<br />

Dezember 1941, in Stalingrad im Januar 1943 oder bei der Kursk-<br />

Offensive im Sommer 1943. Es gab immer einen heroischen Politoffizier,<br />

einen couragierten Soldaten, einen weisen alten Feldwebel<br />

und einen intelligenten jungen Offizier. Dann musste auch noch ein<br />

bärbeißiger General mit von der Partie sein, einer, der in der Nacht<br />

vor der großen Schlacht in aller Stille um seine Männer weint, dann<br />

aber seine Gefühle hintan stellt und die Sache durchzieht. Es gab<br />

etwa fünf verschiedene Filmmuster, alle Abwandlungen desselben<br />

Themas, und der einzige Unterschied bestand darin, dass Stalin mal<br />

als weiser, gottähnlicher Herrscher gezeigt und mal einfach nicht<br />

erwähnt wurde. Das hing davon ab, wann der Film gedreht worden<br />

war. Stalin war in der sowjetischen Filmindustrie gegen 1956 aus der<br />

Mode gekommen, kurz nachdem Nikita Sergejewitsch Chruschtschow<br />

seine berühmte, aber damals geheim gehaltene <strong>Red</strong>e vorgetragen<br />

hatte, in der er enthüllte, was für ein Monster Stalin gewesen<br />

war – etwas, womit Sowjetbürger immer noch Probleme hatten, vor<br />

allem Taxifahrer, wie es schien. Die Wahrheit hatte in Zaitzews Land<br />

Seltenheitswert und war fast immer schwer zu verdauen.<br />

Aber im Moment sah sich Zaitzew den Film nicht an. Oleg Iwanowitsch<br />

trank seinen Wodka und starrte auf den Bildschirm, ohne<br />

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