Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf

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schulte.josefine23
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Biographie mit dem Arbeitstitel Fighting Sailor – Kämpfender Seemann – würde mit einigen liebgewonnenen Vorstellungen aufräumen, und zwar ganz bewusst. In manchen Punkten, fand Ryan, waren die gängigen Auffassungen nicht bloß unrichtig, sondern entsprachen schlicht und einfach nicht den Tatsachen. In einigen Fällen hatte Halsey seinem damaligen Kenntnisstand entsprechend vollkommen richtig gehandelt, obwohl vom alles sehenden Auge des rückblickenden Betrachters sein Vorgehen im Nachhinein natürlich als falsch bewertet werden musste. Und das war unfair. Halsey durfte nur anhand der Informationen beurteilt werden, die ihm zur Verfügung gestanden hatten. Alle gegenteiligen Behauptungen liefen etwa auf dasselbe hinaus, als hielte man den Ärzten vor, dass sie Krebs nicht heilen konnten. Sie waren kluge Leute, die ihr Bestes taten, aber es gab eben einige Dinge, die sie noch nicht wussten. Sie strengten sich gewaltig an, die Krankheit zu besiegen, aber das ging nicht von heute auf morgen. Es würde noch Jahre brauchen. Und auch Bill Halsey hatte nur wissen können, was ihm an Informationen vorlag und was ein halbwegs intelligenter Mensch mit Hilfe seiner Erfahrung und seines Wissens über die Psyche des Feindes aus diesen Informationen folgern konnte. Und selbst dann galt es noch zu berücksichtigen, dass der Feind natürlich nicht an seiner eigenen Vernichtung bereitwillig mitwirkte, oder? Na schön, das ist meine Aufgabe, dachte Ryan. Es war eine Suche nach der Wahrheit, aber es war mehr als das. Er musste für seine eigenen Herren die Gedankengänge anderer nachvollziehen und sie seinen Vorgesetzten erklären, damit sie, Ryans Chefs, ihre Gegner besser verstehen konnten. Er spielte den politischen Seelenklempner ohne Diplom. In gewisser Hinsicht war das durchaus witzig. Doch der Witz hatte schnell ein Ende, sobald man die Tragweite von Jacks Aufgabe und die potenziellen Folgen seines Versagens in Betracht zog. Es lief kurz und knapp auf Folgendes hinaus: auf Tote. Bei der Grundausbildung in der Quantico Marine Base hatten sie ihm diese Lektion regelrecht eingebläut. Mach bei der Führung deines Zuges nur einen Fehler, und einige deiner Marines kehren nicht zu ihren Müttern und Frauen zurück. Das ist eine schwere Last, an der dein Gewissen den Rest deines Lebens zu tragen hätte. Beim Militär waren Fehler mit einem erschreckenden Preisschild 197

versehen. Ryan hatte nicht lange genug gedient, um die Gültigkeit dieser Lektion aus eigener Erfahrung nachvollziehen zu können, aber allein schon der Gedanke daran hatte ihn tief bedrückt, wenn er in ruhigen Nächten auf dem Weg über den Atlantik im schaukelnden Bauch des Schiffes lag. Er hatte mit Gunny Tate darüber gesprochen, aber der Sergeant – damals ein »älterer Mann« von 34 Jahren – hatte ihm nur geraten, an seine Ausbildung zu denken, auf seinen Instinkt zu vertrauen und erst zu überlegen, bevor er handelte, falls ihm noch Zeit dazu bliebe. Und dann warnte er ihn, dass einem diese Zeit nicht immer zur Verfügung stand. Er riet seinem jungen Vorgesetzten, sich keine Gedanken zu machen, weil er für einen Second Lieutenant einen recht cleveren Eindruck erwecke. Dieses Gespräch vergaß Ryan nie. Den Respekt eines Gunnery Sergeant der Marines verdiente man sich nicht leicht. Er hatte also durchaus den Verstand, um gute geheimdienstliche Einschätzungen abzuliefern, und auch den Mut, seinen Namen darunter zu setzen, aber trotzdem musste er sich verdammt sicher sein, dass auf seine Erkenntnisse Verlass war. Der Zug hielt an. Ryan stieg die Treppe hinauf. Oben warteten ein paar Taxis. Vermutlich kannten die Fahrer den Fahrplan der Bahn auswendig. »Guten Abend, Sir John.« Ryan erkannte Ed Beaverton, der ihn schon am Morgen gefahren hatte. »Hi, Ed.« Ryan setzte sich zur Abwechslung auf den Beifahrersitz. Mehr Beinfreiheit. »Wissen Sie übrigens, dass ich eigentlich Jack heiße?« »So kann ich Sie nicht ansprechen«, erwiderte Beaverton. »Sie sind schließlich ein Ritter.« »Nur ehrenhalber, kein richtiger. Ich habe kein Schwert – das heißt, außer dem vom Marine Corps, aber das habe ich zu Hause in den Staaten gelassen.« »Und Sie waren Lieutenant, während ich nur Corporal war.« »Und Sie sind aus Flugzeugen gesprungen. So etwas Bescheuertes habe ich nie im Leben getan, Eddie.« »Nur achtundzwanzig Mal«, entgegnete der Taxifahrer und fuhr den Hügel hinauf. »Hab mir nie was gebrochen.« »Nicht mal den Knöchel?« »Nur verstaucht. Dafür hat man ja die Stiefel, wissen Sie.« 198

Biographie mit dem Arbeitstitel Fighting Sailor – Kämpfender Seemann<br />

– würde mit einigen liebgewonnenen Vorstellungen aufräumen,<br />

und zwar ganz bewusst. In manchen Punkten, fand <strong>Ryan</strong>,<br />

waren die gängigen Auffassungen nicht bloß unrichtig, sondern<br />

entsprachen schlicht und einfach nicht den Tatsachen. In einigen<br />

Fällen hatte Halsey seinem damaligen Kenntnisstand entsprechend<br />

vollkommen richtig gehandelt, obwohl vom alles sehenden Auge<br />

des rückblickenden Betrachters sein Vorgehen im Nachhinein<br />

natürlich als falsch bewertet werden musste. Und das war unfair.<br />

Halsey durfte nur anhand der Informationen beurteilt werden, die<br />

ihm zur Verfügung gestanden hatten. Alle gegenteiligen Behauptungen<br />

liefen etwa auf dasselbe hinaus, als hielte man den Ärzten<br />

vor, dass sie Krebs nicht heilen konnten. Sie waren kluge Leute, die<br />

ihr Bestes taten, aber es gab eben einige Dinge, die sie noch nicht<br />

wussten. Sie strengten sich gewaltig an, die Krankheit zu besiegen,<br />

aber das ging nicht von heute auf morgen. Es würde noch Jahre<br />

brauchen. Und auch Bill Halsey hatte nur wissen können, was<br />

ihm an Informationen vorlag und was ein halbwegs intelligenter<br />

Mensch mit Hilfe seiner Erfahrung und seines Wissens über die<br />

Psyche des Feindes aus diesen Informationen folgern konnte. Und<br />

selbst dann galt es noch zu berücksichtigen, dass der Feind natürlich<br />

nicht an seiner eigenen Vernichtung bereitwillig mitwirkte,<br />

oder?<br />

Na schön, das ist meine Aufgabe, dachte <strong>Ryan</strong>. Es war eine Suche<br />

nach der Wahrheit, aber es war mehr als das. Er musste für seine<br />

eigenen Herren die Gedankengänge anderer nachvollziehen und sie<br />

seinen Vorgesetzten erklären, damit sie, <strong>Ryan</strong>s Chefs, ihre Gegner<br />

besser verstehen konnten. Er spielte den politischen Seelenklempner<br />

ohne Diplom. In gewisser Hinsicht war das durchaus witzig.<br />

Doch der Witz hatte schnell ein Ende, sobald man die Tragweite<br />

von <strong>Jack</strong>s Aufgabe und die potenziellen Folgen seines Versagens in<br />

Betracht zog. Es lief kurz und knapp auf Folgendes hinaus: auf<br />

Tote. Bei der Grundausbildung in der Quantico Marine Base hatten<br />

sie ihm diese Lektion regelrecht eingebläut. Mach bei der Führung<br />

deines Zuges nur einen Fehler, und einige deiner Marines kehren<br />

nicht zu ihren Müttern und Frauen zurück. Das ist eine schwere<br />

Last, an der dein Gewissen den Rest deines Lebens zu tragen hätte.<br />

Beim Militär waren Fehler mit einem erschreckenden Preisschild<br />

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