Clancy, Tom - Jack Ryan 12 - Red Rabbit.pdf

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schulte.josefine23
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mit dem Vermerk 666 versehen gewesen. Demzufolge betraf sie dieselbe Angelegenheit, zu der Rom ursprünglich befragt worden war. Sie blieben also weiter dran. Seine Organisation – sein Land – wollte diesen polnischen Geistlichen töten, und das, fand Zaitzew, war vermutlich nicht in Ordnung. Er fuhr inmitten anderer Berufstätiger mit dem Aufzug zur Metro-Station hinunter. Normalerweise hatten die Menschenmassen etwas Tröstliches für Zaitzew. Sie bedeuteten, dass er in seinem Element war, umgeben von seinen Landsleuten, Menschen wie er selbst, die sich gegenseitig und dem Staat dienten. Aber stimmte das denn eigentlich? Was würden diese Menschen von Andropows Mission halten? Es war schwer abzuschätzen. Die U-Bahnfahrt verlief normalerweise ruhig und still. Es gab zwar Leute, die sich mit einem Freund oder mit einem Bekannten unterhielten, aber Gruppengespräche waren selten, es sei denn, es hatte gerade ein besonderes Sportereignis stattgefunden, eine umstrittene Schiedsrichterentscheidung bei einem Fußballspiel gegeben oder ein besonders spannendes Eishockeymatch. Ansonsten blieben die Menschen meistens allein mit ihren Gedanken. Die U-Bahn fuhr in die Station ein, und Zaitzew stieg zu. Wie üblich waren alle Sitzplätze besetzt. Er hielt sich an der Griffstange fest und dachte weiter nach. Was wohl den anderen Fahrgästen durch den Kopf ging? Der Beruf? Kinder? Frauen? Geliebte? Essen? Das konnte nicht einmal Zaitzew erahnen, obwohl er diese Leute – dieselben Leute – seit Jahren in der U-Bahn sah. Er kannte nur wenige Namen, hauptsächlich Vornamen, die er in Gesprächen aufgeschnappt hatte. Nein, er wusste von ihnen höchstens, zu welchen Mannschaften sie hielten... Ihm wurde ganz plötzlich und mit überraschender Wucht bewusst, wie allein er in seiner Gemeinschaft war. Wie viele echte Freunde habe ich eigentlich? fragte er sich. Die Antwort lautete: erschreckend wenige. Sicher, bei der Arbeit gab es Menschen, mit denen er sich unterhielt. Er kannte die intimsten Einzelheiten über ihre Frauen und Kinder – aber Freunde, denen er vertrauen konnte, mit denen er über eine beunruhigende Entwicklung sprechen konnte oder die er in einer beunruhigenden Situation um Rat fragen 187

konnte... nein, von der Sorte hatte er keine. Diesbezüglich war er eher ein Sonderling. Russen schlossen oft tiefe und enge Freundschaften und weihten ihre Freunde nicht selten in die bestgehüteten und dunkelsten Geheimnisse ein, geradeso, als wollten sie es darauf ankommen lassen, dass ihr engster Vertrauter ein KGB-Spitzel war. Als legten sie es darauf an, in einen Gulag deportiert zu werden. Aber sein Beruf verwehrte ihm das. Er würde es nie wagen, über die Dinge zu sprechen, die er bei der Arbeit tat, nicht einmal mit seinen Kollegen. Nein, die Probleme, die er mit dieser Reihe von 666-Nachrichten hatte, würde er allein lösen müssen. Selbst seine Irina durfte nichts davon wissen. Sie würde womöglich mit ihren Freundinnen im GUM darüber sprechen, und das wäre sein Todesurteil. Zaitzew ließ den Atem entweichen und blickte sich um... Da war er wieder, dieser amerikanische Botschaftsangehörige. Er las Sovietskiy Sport und kümmerte sich nicht um das, was um ihn herum vorging. Er trug einen Regenmantel – der vorhergesagte Regen war allerdings ausgeblieben –, aber keinen Hut. Der Mantel war offen, weder zugeknöpft noch gegürtet. Er befand sich keine zwei Meter von ihm entfernt... Aus einem spontanen Impuls heraus wechselte Zaitzew von einer Seite des Waggons auf die andere, indem er, wi e um einen verkrampften Muskel zu lockern, die Hände an der Griffstange tauschte. Durch dieses Manöver kam er direkt neben dem Amerikaner zu stehen. Und aus einem weiteren Impuls heraus schob Zaitzew seine Hand in die Tasche des Regenmantels. Sie enthielt nichts, keine Schlüssel, kein Kleingeld, nur Stoff. Aber er wusste jetzt, dass er in die Manteltasche des Amerikaners fassen konnte, ohne dass es jemand merkte. Er zog sich wieder zurück und sah sich im U-Bahnwagen um, ob jemand etwas mitbekommen hatte oder auch nur in seine Richtung schaute. Aber... nein, fast hundertprozentig nicht. Sein Manöver war unbemerkt geblieben, selbst von dem Amerikaner. Foley gestattete nicht einmal seinen Augen, sich von dem Eishockeyartikel abzuwenden, den er gerade las. Wäre er in New York oder einer anderen westlichen Stadt gewesen, hätte er gedacht, dass gerade jemand versuchte, ihn zu bestehlen. Davon ging er hier 188

konnte... nein, von der Sorte hatte er keine. Diesbezüglich war er<br />

eher ein Sonderling. Russen schlossen oft tiefe und enge Freundschaften<br />

und weihten ihre Freunde nicht selten in die bestgehüteten<br />

und dunkelsten Geheimnisse ein, geradeso, als wollten sie es darauf<br />

ankommen lassen, dass ihr engster Vertrauter ein KGB-Spitzel war.<br />

Als legten sie es darauf an, in einen Gulag deportiert zu werden.<br />

Aber sein Beruf verwehrte ihm das. Er würde es nie wagen, über die<br />

Dinge zu sprechen, die er bei der Arbeit tat, nicht einmal mit seinen<br />

Kollegen.<br />

Nein, die Probleme, die er mit dieser Reihe von 666-Nachrichten<br />

hatte, würde er allein lösen müssen. Selbst seine Irina durfte nichts<br />

davon wissen. Sie würde womöglich mit ihren Freundinnen im<br />

GUM darüber sprechen, und das wäre sein Todesurteil. Zaitzew<br />

ließ den Atem entweichen und blickte sich um...<br />

Da war er wieder, dieser amerikanische Botschaftsangehörige. Er<br />

las Sovietskiy Sport und kümmerte sich nicht um das, was um ihn<br />

herum vorging. Er trug einen Regenmantel – der vorhergesagte<br />

Regen war allerdings ausgeblieben –, aber keinen Hut. Der Mantel<br />

war offen, weder zugeknöpft noch gegürtet. Er befand sich keine<br />

zwei Meter von ihm entfernt...<br />

Aus einem spontanen Impuls heraus wechselte Zaitzew von einer<br />

Seite des Waggons auf die andere, indem er, wi e um einen verkrampften<br />

Muskel zu lockern, die Hände an der Griffstange<br />

tauschte. Durch dieses Manöver kam er direkt neben dem Amerikaner<br />

zu stehen. Und aus einem weiteren Impuls heraus schob Zaitzew<br />

seine Hand in die Tasche des Regenmantels. Sie enthielt nichts,<br />

keine Schlüssel, kein Kleingeld, nur Stoff. Aber er wusste jetzt,<br />

dass er in die Manteltasche des Amerikaners fassen konnte, ohne<br />

dass es jemand merkte. Er zog sich wieder zurück und sah sich im<br />

U-Bahnwagen um, ob jemand etwas mitbekommen hatte oder auch<br />

nur in seine Richtung schaute. Aber... nein, fast hundertprozentig<br />

nicht. Sein Manöver war unbemerkt geblieben, selbst von dem<br />

Amerikaner.<br />

Foley gestattete nicht einmal seinen Augen, sich von dem Eishockeyartikel<br />

abzuwenden, den er gerade las. Wäre er in New York<br />

oder einer anderen westlichen Stadt gewesen, hätte er gedacht, dass<br />

gerade jemand versuchte, ihn zu bestehlen. Davon ging er hier<br />

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