Einige allgemeine Angaben zum Erschließungsbeitragsrecht - Marl
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<strong>Einige</strong> <strong>allgemeine</strong> <strong>Angaben</strong> <strong>zum</strong> <strong>Erschließungsbeitragsrecht</strong><br />
Für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen sind nach den Vorschriften des<br />
Baugesetzbuches (BauGB) Erschließungsbeiträge zu erheben. Diese „Erschließung“ (der<br />
sogenannte Erschließungsvorteil) macht die bauliche oder gewerbliche Nutzung eines<br />
Grundstücks erst möglich. Der Erschließungsbeitrag ist daher vom Gesetzgeber als<br />
einmalige Gegenleistung der Beitragspflichtigen für diesen gebotenen Vorteil vorgesehen<br />
und als Pflicht ausgestaltet, dies bedeutet, die Stadt darf auf die die Erhebung von<br />
Erschließungsbeiträgen nicht verzichten.<br />
§127 Erhebung des Erschließungsbeitrags<br />
(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für<br />
Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden<br />
Vorschriften.<br />
(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind<br />
1. die öffentlichen <strong>zum</strong> Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze;<br />
2. die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht<br />
befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z.B. Fußwege, Wohnwege);<br />
3. Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen,<br />
Wege und Plätze, die selbst nicht <strong>zum</strong> Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der<br />
Baugebiete notwendig sind;<br />
4. Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil<br />
der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach<br />
städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung<br />
notwendig sind;<br />
5. Anlagen <strong>zum</strong> Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im<br />
Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der<br />
Erschließungsanlagen sind.<br />
(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen<br />
selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).<br />
(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne<br />
dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung<br />
von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.<br />
Bei der Frage, ob es sich bei dem Straßenzug um eine oder mehrere Straßen handelt,<br />
kommt es nicht auf einen einheitlichen Straßennamen an. Hier kommt es auf den Eindruck<br />
an, den ein unbefangener Beobachter von der Straße hat. Auch kann eine<br />
Erschließungsanlage aus einem Hauptzug und mehreren Stichstraßen bestehen. Diese<br />
Stichstraßen dürfen in der Regel nicht länger als 100 m sein und nicht abknicken, so dass<br />
man das Ende nicht sehen kann. Denn dann würde es sich bei einer solchen Stichstraße<br />
unabhängig von ihre Länge um eine selbständige Erschließungsanlage handeln, die für sich<br />
allein abzurechnen wäre. Diese Entscheidung ist für die Verteilung der beitragsfähigen<br />
Aufwendungen von Bedeutung.<br />
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) ist für die Abgrenzung<br />
zwischen unselbständigen Zufahrten einerseits und selbständigen<br />
Erschließungsanlagen andererseits auf den Gesamteindruck abzustellen, den die jeweilige
Anlage nach den tatsächlichen Verhältnissen vermittelt. Dabei kommt ihrer Ausdehnung<br />
besondere Bedeutung zu. (so BVerwG im Urteil vom 23.03.1984 - C 65.82 -)<br />
In etlichen Entscheidungen hat das BVerwG dann zur Abgrenzung unselbständige Zufahrt/selbständige<br />
Erschließungsanlage wie folgt entschieden:<br />
„Eine öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen aller Art vorgesehene<br />
Sackgasse ist in der Regel als erschließungsrechtlich selbständig zu<br />
qualifizieren, wenn sie entweder länger als 100 m ist oder vor Erreichen dieser<br />
Länge (mehr oder weniger) rechtwinklich abknickt oder sich verzweigt ( im<br />
Anschluß u. a. an Urt. v. 25.1.1985 - 8 C 106.83 - ).“<br />
BVerwG, Urteil vom 23.6.1995 - 8 C 30.93 -<br />
„Eine öffentliche, mit Kraftfahrzeugen aller Art befahrbare, bis zu 100 m lange<br />
und gerade verlaufende Sackgasse ist in der Regel mit der Folge als<br />
unselbständig zu qualifizieren, daß sie rechtlich Bestandteil der Verkehrsanlage<br />
ist, von der sie abzweigt (im Anschluß an Urteil vom 23.6.1995).“<br />
BVerwG, Urteil vom 23.06.1995 - 8 C 33/94 -<br />
Im Regelfall handelt es sich bei den beitragsfähigen Erschließungsanlagen um die im Absatz<br />
2 Nr. 1 genannten „öffentlichen <strong>zum</strong> Anbau bestimmten Straßen“, so dass im folgenden nur<br />
hierauf eingegangen werden soll. Zunächst sind rechtliche Voraussetzungen zu erfüllen,<br />
damit die Beitragspflicht entstehen kann:<br />
1. Die rechtmäßige Herstellung einer Erschließungsanlage setzt nach § 127 Abs. 2 BauGB<br />
einen Bebauungsplan voraus. Wenn ein Bebauungsplan nicht besteht, dürfen die Erschließungsanlagen<br />
nur hergestellt werden, wenn sie den Grundsätzen der<br />
Bauleitplanung im Sinne des § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB entsprechen.<br />
2. Weiterhin muss es sich um eine öffentliche Straße handeln, d .h. es bedarf einer förmlichen<br />
Widmung nach § 6 des Straßen- und Wegegesetzes Nordrhein-Westfalen.<br />
3. Die Stadt muss Eigentümerin der Verkehrsflächen sein.<br />
Beitragsfähig sind folgende Kosten:<br />
1. Grunderwerb einschließlich der Nebenkosten wie Kosten für die Vermessung, notarielle<br />
Beurkundung sowie Eintragung und Löschung im Grundbuch sowie der Wert der von der<br />
Stadt bereit gestellten Flächen <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Bereitstellung,<br />
2. Freilegung, damit werden die Arbeiten bezeichnet, die das Baugelände freimachen, also<br />
z.B. Bewuchs entfernen, Bäume fällen, Zäune beseitigen usw.,<br />
3. Straßenbeleuchtung,<br />
4. Straßenentwässerung (ohne die Kosten für die Grundstücksentwässerung),<br />
5. Planungskosten, sofern die Planung nicht von der Stadt selbst durchgeführt wurde,<br />
6. Aufwand für die technische Herstellung von Fahrbahn, Geh- und Radwegen, Parkflächen,<br />
Bordsteinen, Straßengrün,<br />
7. Fremdfinanzierungskosten.<br />
Gemäß § 129 Absatz 1 des Baugesetzbuches (BauGB) dürfen Erschließungsbeiträge nur insoweit<br />
erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind „um die Bauflächen
und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu<br />
nutzen“. Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang eine Erschließungsanlage im Sinne<br />
des § 129 Absatz 1 BauGB erforderlich ist, haben die Gemeinden einen weiten Ermessensspielraum<br />
(so das BVerwG im Urteil vom 21.10.1970 - IV C 51.69 -). Durch das Merkmal der<br />
Erforderlichkeit wird „lediglich eine äußerste Grenze markiert“, die erst dann überschritten ist,<br />
wenn Art und Umfang des Ausbaus „sachlich schlechthin unvertretbar ist“ (BVerwG, Urteil<br />
vom 14.12.1979 - 4 C 28.76 -).<br />
Gemäß § 129 Absatz 1 Satz 3 BauGB tragen die Gemeinden mindestens 10 vom Hundert<br />
des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes und zwar unabhängig von der jeweiligen<br />
Verkehrsfunktion einer Straße. Gemäß § 131 Absatz 1 BauGB ist der verbleibende<br />
umlagefähige Erschließungsaufwand auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke<br />
zu verteilen. Durch eine Anlage erschlossen in diesem Sinne sind alle Grundstücke, bei<br />
denen die Möglichkeit besteht, rechtlich und tatsächlich eine Zufahrt zu der abzurechnenden<br />
Anlage nehmen zu können und zwar unabhängig davon, ob diese Grundstücke auch<br />
zusätzlich von einer anderen Anlage erschlossen werden.<br />
Hierbei sind Unterschiede nach Art und Maß der Nutzung zu berücksichtigen. So ist ein<br />
Grundstück höher zu belasten, wenn durch die Art der Nutzung (Gewerbe oder<br />
Industrie) eine höhere Inanspruchnahme der Straße als bei einer Wohnnutzung zu erwarten<br />
ist. Gleiches gilt bei unterschiedlicher Bebauung mit Vollgeschossen, da auch hier mit steigender<br />
Geschosszahl eine höhere Nutzung der Straße erfolgt. In der<br />
Erschließungsbeitragssatzung wird dem Rechnung getragen, indem die Grundstücksgröße<br />
mit unterschiedlichen Nutzungsfaktoren multipliziert wir und zwar<br />
o bei eingeschossiger Bebaubarkeit mit 1,0<br />
o bei zweigeschossiger Bebaubarkeit mit 1,3<br />
o bei dreigeschossiger Bebaubarkeit mit 1,5<br />
o bei vier- und fünfgeschossiger Bebaubarkeit mit 1,7<br />
o bei sechs- und mehrgeschossiger Bebaubarkeit mit 2,0.<br />
Bei einer gewerblichen Nutzung ist der Nutzungsfaktor um weitere 0,5 und bei industrieller<br />
Nutzung um 1,0 zu erhöhen.<br />
Diese Kombination des in einer Beitragssatzung zwingend erforderlichen Verteilungsmaßstabes<br />
aus Grundstücksgröße und Zahl der Vollgeschosse (sog. Vollgeschossmaßstab) ist von<br />
der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. Urteile des OVG Münster vom 21.08.1979 -<br />
II A 188/78 - und vom 28.11.1979 - II A 1840/77 -). Ein solcher Maßstab zeichnet sich durch<br />
Praktikabilität und Durchschaubarkeit aus, er ist zulässig und empfehlenswert.<br />
In beplanten Gebieten ist grundsätzlich das gesamte vom Bebauungsplan erfasste<br />
Grundstück als erschlossen anzusehen. Für Grundstücke, die nicht innerhalb eines<br />
Bebauungsplangebietes liegen darf die Gemeinde jedoch eine satzungsmäßige<br />
Tiefenbegrenzung festlegen, im Bereich der Stadt <strong>Marl</strong> sind dies 40 m. Eine solche<br />
Regelung ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität geboten, da sonst in jedem<br />
Einzelfall zu prüfen wäre, bis zu welcher Tiefe ein übergroßes Grundstück tatsächlich baulich<br />
nutzbar und damit erschlossen ist. Flächen, die über die Tiefenbegrenzung hinaus<br />
tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden, müssen bei der Aufwandsverteilung<br />
allerdings berücksichtigt werden.<br />
Für überwiegend zu Wohnzwecken dienende Grundstücke, die von mehr als einer<br />
vollständig in der Baulast der Stadt stehenden Straße erschlossen werden, ist die<br />
Grundstücksfläche bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes für jede<br />
Erschließungsanlage allerdings nur mit zwei Dritteln anzusetzen. Eine solche Vergünstigung<br />
für mehrfach erschlossene Grundstücke ist von der Rechtsprechung anerkannt und zulässig.
Nach § 134 Abs. 1 BauGB ist der Eigentümer beitragspflichtig. Wenn ein Erbbaurecht<br />
bestellt ist, tritt der Erbbauberechtigte an die Stelle des Eigentümers.<br />
Wohnungsteileigentümer bzw. -teilerbbauberechtigte sind entsprechend ihres jeweiligen<br />
Anteils beitragspflichtig. Mehrere Beitragspflichtige haften als Gesamtschuldner.<br />
Der Erschließungsbeitrag wird nach § 135 Absatz 1 BauGB einen Monat nach der Bekanntgabe<br />
des Beitragsbescheides fällig. Nach § 135 Absatz 2 BauGB kann die Gemeinde zur<br />
Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall allerdings zulassen, dass der Erschließungsbeitrag<br />
in Raten gezahlt werden kann. Die ebenfalls angesprochene Verrentung spielt in der<br />
Praxis keine Rolle, denn in einem solchen Fall dürfte die Beitragsforderung an sich so<br />
gefährdet sein, dass eine Zahlungserleichterung nicht (mehr) in Frage kommt.<br />
In der Zahlungspflicht selbst kann aber keine unbillige Härte in diesem Sinne gesehen werden,<br />
denn diese hat der Gesetzgeber ja ausdrücklich gewollt. Eine unbillige Härte im Sinne<br />
des Gesetzes kann daher lediglich in dem Fälligkeitstermin von einem Monat liegen, etwa<br />
dann, wenn ein Zahlungspflichtiger die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung hat und sie<br />
auch nicht in <strong>zum</strong>utbarer Weise beschaffen kann (nach den Kommentaren zur Abgabenordnung<br />
ist auch die Aufnahme von Bankkrediten <strong>zum</strong>utbar).<br />
Auf einen entsprechend begründeten Antrag hin kann daher zugelassen werden, dass der<br />
Beitrag in Raten bei einer Verzinsung des jeweiligen Restbetrages (abgerundet auf volle 50<br />
Euro) mit 0,5 % pro Monat entrichtet werden kann.