Inseln ohne Wasser - Marina.ch
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umwelt<br />
TexT und FoTos : sTeFanie PFändler<br />
Malta ist ein eigenartiges Fleck<strong>ch</strong>en erde.<br />
irgendwo zwis<strong>ch</strong>en italien, Tunesien und<br />
libyen gelegen, war es nie ganz europäis<strong>ch</strong>,<br />
nie ganz arabis<strong>ch</strong>. die römer waren da<br />
und die Briten, napoleon und Mussolini –<br />
die Malteser sind es si<strong>ch</strong> gewohnt, unter<br />
fremder Herrs<strong>ch</strong>aft zu leben. erst 1964<br />
hat si<strong>ch</strong> das kleine Volk von seinen Kolonialherren<br />
emanzipiert und ist unabhängig<br />
geworden. Vierzig Jahre später trat es der<br />
europäis<strong>ch</strong>en union bei, nun gibt es den<br />
euro und Billigflüge, die Touristen kommen<br />
in s<strong>ch</strong>aren. nur eines gibt es kaum auf<br />
Malta: <strong>Wasser</strong>.<br />
<strong>Inseln</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Wasser</strong><br />
Malta ist ein kleiner Fleck im Mittelmeer, umgeben von ni<strong>ch</strong>ts als unendli<strong>ch</strong>em Blau.<br />
Und do<strong>ch</strong> kämpft das Land mit einem riesigen Problem: akutem <strong>Wasser</strong>mangel.<br />
die jährli<strong>ch</strong>e nieders<strong>ch</strong>lagsbilanz der inselgruppe<br />
liest si<strong>ch</strong> wie ein Trauerspiel: auf 550<br />
Millimeter pro Jahr kommt Malta gerademal<br />
– das ist ungefähr ein drittel der s<strong>ch</strong>weizer<br />
Werte. auf den drei maltesis<strong>ch</strong>en inseln gibt<br />
es keinen einzige Fluss oder see, die einzige<br />
natürli<strong>ch</strong>e süsswasserquelle ist das spärli<strong>ch</strong>e<br />
Grundwasser. und genau dieses verursa<strong>ch</strong>t<br />
den Maltesern das grösste Kopfzerbre<strong>ch</strong>en.<br />
Versalzenes Grundwasser<br />
Gerade weil es auf Malta so wenig <strong>Wasser</strong> gibt,<br />
war es für die einheimis<strong>ch</strong>en Bauern seit jeher<br />
unumgängli<strong>ch</strong>, selbständig Wege zu su<strong>ch</strong>en,<br />
um genügend <strong>Wasser</strong> für die Bewirts<strong>ch</strong>aftung<br />
ihrer Felder aufzutreiben. das resultat dieser<br />
selbsthilfe sind rund 8500 Bohrlö<strong>ch</strong>er, die<br />
privat in den Boden gedrillt wurden, <strong>ohne</strong> Bewilligung<br />
oder staatli<strong>ch</strong>e Kontrolle. Über diese<br />
versorgen si<strong>ch</strong> die Bauern bis heute gratis mit<br />
Grundwasser. obwohl die Bauern dank ihrer<br />
Bohrlö<strong>ch</strong>er genügend <strong>Wasser</strong> aus dem Boden<br />
pumpen können, um trotz extremer Trockenheit<br />
ihre Felder gedeihen zu lassen, ziehen sie<br />
si<strong>ch</strong> damit den «Boden» unter den eigenen<br />
Füssen weg: damit das Grundwasser langfristig<br />
als süsswasserquelle dienen kann, muss<br />
es eine ausgegli<strong>ch</strong>ene Bilanz aufweisen. das<br />
heisst: es muss glei<strong>ch</strong> viel fris<strong>ch</strong>es <strong>Wasser</strong><br />
na<strong>ch</strong>kommen, wie abges<strong>ch</strong>öpft wird. in Malta<br />
ist dies s<strong>ch</strong>on lange ni<strong>ch</strong>t mehr der Fall. die<br />
na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> <strong>Wasser</strong> steigt zu sammen mit<br />
Bevölkerungszahl, anspru<strong>ch</strong>svollerem lebensstil<br />
und intensiverer Bewirts<strong>ch</strong>aftung der<br />
Felder. regnen tut es allerdings ni<strong>ch</strong>t mehr,<br />
sondern – Klimawandel – eher weniger. Bere<strong>ch</strong>nungen<br />
der ernährungs und landwirts<strong>ch</strong>aftsorganisation<br />
(Fao) zeigen, dass die<br />
momentane nutzung des Grundwassers weit<br />
über dessen tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Kapazität hinausgeht.<br />
Wenn weiterhin glei<strong>ch</strong> viel Grundwasser abges<strong>ch</strong>öpft<br />
wird wie heute (rund 60 hm 3 pro<br />
Jahr), wird es in wenigen Jahrzehnten komplett<br />
unbrau<strong>ch</strong>bar sein. Ganz vers<strong>ch</strong>iedene Faktoren<br />
spielen dabei eine rolle: einerseits wird<br />
s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>tweg zu viel <strong>Wasser</strong> abges<strong>ch</strong>öpft. Zudem<br />
vers<strong>ch</strong>mutzen industrielle abfälle, dünger<br />
und abwasser die unterirdis<strong>ch</strong>en Gewässer.<br />
und dann ist da no<strong>ch</strong> das Meer. Weil Malta<br />
aus kleinen inseln besteht, muss man si<strong>ch</strong> sein<br />
Grundwasser als gegen unten ausgedehnte<br />
Blasen vorstellen (siehe Grafik). in ufernähe<br />
dringt salzwasser in den Boden, das si<strong>ch</strong> mit<br />
der süsswasserblase vermis<strong>ch</strong>t. solange das<br />
Grundwasser nun in grossen Mengen vorhanden<br />
ist, kann es dem Meerwasser Paroli bieten.<br />
Je mehr davon allerdings abgesaugt wird, umso<br />
mehr raum bleibt dem eindringenden salzwasser.<br />
die Konsequenz: das wenige Grundwasser,<br />
das übrig bleibt, wird versalzen.<br />
Alternative Süsswasserquellen<br />
im Grunde ist allen klar: etwas muss si<strong>ch</strong><br />
ändern. denno<strong>ch</strong> bereitet die regulierung des<br />
Land der Kontraste: Malta<br />
ist eine kleine Insel inmitten<br />
des Mittelmeers und do<strong>ch</strong><br />
ist das Land so trocken wie<br />
kein anderes in Europa.<br />
Grundwassers grosse s<strong>ch</strong>wierigkeiten. Besonders<br />
die eu kritisiert Maltas zögerli<strong>ch</strong>es Vorgehen.<br />
lange wussten die Behörden ni<strong>ch</strong>t<br />
einmal, wie viel Grundwasser illegal abges<strong>ch</strong>öpft<br />
wird. seit dem euBeitritt müssen<br />
private Bohrlö<strong>ch</strong>er, au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>, deklariert<br />
werden, für das <strong>Wasser</strong> bezahlt wird<br />
allerdings no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t. Manuel sapiano,<br />
Hydrologe und Grundwasserexperte bei der<br />
44 marina.<strong>ch</strong> dezember 11 / januar 12 dezember 11 / januar 12 marina.<strong>ch</strong><br />
45
umwelt<br />
Entsalzungsanlage im Süden<br />
Maltas. Meerwasser zu<br />
entsalzen wird als Lösung für<br />
Maltas <strong>Wasser</strong>problem<br />
angesehen. Das Verfahren ist<br />
allerdings sehr energieintensiv<br />
und verursa<strong>ch</strong>t viele<br />
Emissionen.<br />
Malta resources authority (Mra), erklärt:<br />
«Malteser nehmen <strong>Wasser</strong> traditionell als<br />
öffentli<strong>ch</strong>es Gut wahr. in Malta ist es darum<br />
viel s<strong>ch</strong>wieriger als anderswo, Gebühren einzuführen.»<br />
Zudem, so argumentieren viele<br />
Politiker (die mit dem heiklen Thema keine<br />
Wähler verärgern wollen), werde die maltesis<strong>ch</strong>e<br />
landwirts<strong>ch</strong>aft s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>tweg konkurrenzunfähig<br />
gema<strong>ch</strong>t, wenn sie für die unumgängli<strong>ch</strong>e<br />
Bewässerung plötzli<strong>ch</strong> bezahlen müsse.<br />
die eu bleibt jedo<strong>ch</strong> hart und ma<strong>ch</strong>t weiterhin<br />
druck auf das kleine land. das Hauptargument:<br />
ihm bleiben s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t keine alternativen.<br />
Zwar wird intensiv an alternativen süsswasserquellen<br />
gearbeitet, aber diese bleiben<br />
sehr begrenzt. die nutzung von regen und<br />
sturmwasser ist aufgrund des minimalen<br />
nieders<strong>ch</strong>lags naturgemäss wenig effektiv,<br />
zudem würde man dem Grundwasser zusätzli<strong>ch</strong><br />
seine spärli<strong>ch</strong>e Zufuhr kappen, wenn man<br />
das <strong>Wasser</strong> abfängt, bevor es den Boden<br />
errei<strong>ch</strong>t. eine zweite Mögli<strong>ch</strong>keit ist die<br />
Wiederverwendung von abwasser. es ist die<br />
einzige süsswasserquelle, die das ganze Jahr<br />
über glei<strong>ch</strong>mässig verfügbar wäre, und so<br />
setzen viele experten auf den ausbau entspre<strong>ch</strong>ender<br />
anlagen. das <strong>Wasser</strong> hat allerdings<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr dieselbe Qualität und eignet<br />
si<strong>ch</strong> daher ni<strong>ch</strong>t für jeden Gebrau<strong>ch</strong>. Zudem<br />
benötigt die Behandlung des abwassers eine<br />
teure infrastruktur. der Favorit vieler maltesis<strong>ch</strong>er<br />
Politiker ist die entsalzung von Meeres<br />
Salzwasser dringt in Ufernähe<br />
ins Grundwasser ein (S<strong>ch</strong>ema).<br />
Quelle: Fort Has State University<br />
wasser, da dieses uneinges<strong>ch</strong>ränkt vorhanden<br />
ist und si<strong>ch</strong> das Problem somit rein te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong><br />
beheben liesse. na<strong>ch</strong> dem Grundwasser<br />
sind entsalzungsanlagen bereits heute Maltas<br />
zweitwi<strong>ch</strong>tigste süsswasserquelle. Glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
sind sie der Grund dafür, dass die<br />
maltesis<strong>ch</strong>e Bevölkerung den <strong>Wasser</strong>mangel<br />
bis heute ni<strong>ch</strong>t akut wahrnimmt: als in den<br />
a<strong>ch</strong>tzigerjahren das <strong>Wasser</strong> erstmals ernsthaft<br />
knapp wurde, lieferte die entsalzung eine<br />
kurzfristige lösung – und s<strong>ch</strong>ob das Problem<br />
somit weiter hinaus. die sa<strong>ch</strong>e hat allerdings<br />
einen Haken: das Prozedere ist extrem<br />
energieintensiv. Malta, dessen energiegewinnung<br />
vollständig auf fossilen Brennstoffen<br />
basiert (bis dato liegt der anteil erneuerbarer<br />
46 marina.<strong>ch</strong> dezember 11 / januar 12<br />
energien bei null), müsste somit einen enormen<br />
anstieg von Treibhausgasemissionen in<br />
Kauf nehmen. dazu kommt, dass entsalzung<br />
verhältnismässig teuer ist – diese Kosten<br />
müssten trotz politis<strong>ch</strong>em Widerwillen auf<br />
die Konsumenten abgewälzt werden.<br />
egal wie sehr si<strong>ch</strong> Maltas Politiker um die<br />
Frage winden mögen, am ende führen alle<br />
Überlegungen zu ein und demselben unangenehmen<br />
s<strong>ch</strong>luss: das land muss seinen<br />
<strong>Wasser</strong>konsum überdenken und anfangen,<br />
<strong>Wasser</strong> als das wahrzunehmen, was es ist:<br />
eine begrenzte ressource. Vermutli<strong>ch</strong> sind<br />
<strong>Wasser</strong>tarife dazu ein unumgängli<strong>ch</strong>es Mittel,<br />
denn letztli<strong>ch</strong> ist klar: die Malteser müssen<br />
<strong>Wasser</strong> sparen. und das <strong>Wasser</strong>, das sie<br />
dezember 11 / januar 12 marina.<strong>ch</strong><br />
Widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />
Verhältnis: Die Malteser<br />
sind si<strong>ch</strong> <strong>Wasser</strong>knappheit<br />
gewohnt. Und do<strong>ch</strong> will<br />
keiner dafür bezahlen.<br />
benutzen, sinnvoll und na<strong>ch</strong>haltig regulieren.<br />
Manuel sapiano, der die maltesis<strong>ch</strong>e realität<br />
vor augen hat und weiss, wie s<strong>ch</strong>wierig es sein<br />
wird, die nötigen Massnahmen umzusetzen,<br />
fordert vor allem ein grundsätzli<strong>ch</strong>es umdenken<br />
bei seinen landsleuten. «Wir versu<strong>ch</strong>en<br />
vor allem eines zu kommunizieren», erklärt er:<br />
«dass wir unser <strong>Wasser</strong>problem ni<strong>ch</strong>t mit<br />
einem Knopfdruck lösen können.»<br />
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