Die Objektive Hermeneutik als wissenschaftliches ... - Mannigfaltig
Die Objektive Hermeneutik als wissenschaftliches ... - Mannigfaltig
Die Objektive Hermeneutik als wissenschaftliches ... - Mannigfaltig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SUSANNE BRANDES & OLAF JANTZ: <strong>Die</strong> objektive <strong>Hermeneutik</strong> <strong>als</strong> <strong>wissenschaftliches</strong>, pädagogisches und politisches Instrumentarium. In: MEDIUM e.V.<br />
/ Jantz, Olaf (Hrsg.): Seminarunterlagen politische Bildung - Hintergründe für die wissenschaftlich-politische Arbeit in der Erwachsenenbildung. Band 1:<br />
Kritische Theorie gesellschaftlicher Strukturen, Geschlechteransatz, Antirassismus und Pädagogik. Göttingen November 1997<br />
die subjektive Stellungnahme (mit tiefergehenden Erkenntnissen vielleicht nicht nur<br />
biographischer Art) ermöglicht werden. Wobei wir von einer pädagogischen oder gar<br />
psychologischen Intervention in diesem Rahmen absehen würden. SPÖHRING (S.251) betont in<br />
diesem Zusammenhang, daß auch „die Validität der Interpretationen [...] unter der<br />
abgeschnittenen Rückkoppelung zu den interpretierten Interakteur[Innen]en“ leidet.<br />
Zwar teilen wir nicht die Ansicht, daß es sich bei der OH um einen „speziellen<br />
Antihumanismus“(SPÖHRING, S.250) oder gar um die „Austreibung des Subjekts“(Terhart<br />
1983, S.165) handele, doch halten wir die Nutzung dieser Methode für die reflektive<br />
Begleitung einer langfristig (!) bestehenden pädagogischen Arbeit mit z.B. einer Gruppe für<br />
äußerst gewinnbringend:<br />
Dort enstehende (authentische) Interaktionstexte könnten unabhängig interpretiert und dann<br />
in die gruppendynamischen Prozesse miteingebracht werden, um daraus die ständig<br />
auftauchenden Handlungsstrukturen aufzudecken. Mit der Zielsetzung der Förderung eines<br />
herrschaftsfreien Diskurses und des gewaltfreien Umgehens könnten mit dieser angewandten<br />
Methode Emanzipationsprozesse ermöglicht bzw. untermauert werden.<br />
In dem reinen Forschungsprozeß sind die subjektiven Bewertungen der ‘Erforschten’ jedoch<br />
nur von begrenztem Wert, da es hier ja gerade um die objektiv latenten Strukturen geht und<br />
deren Vermittelbarkeit in der begrenzten Zeit (sowie angesicht der begrenzten Mittel)<br />
illusorisch erscheint. Zumal die Aufdeckung solcher Strukturen Prozesse in Gang setzen<br />
könnte, die (professionell) aufgefangen werden müssen, was in diesem Rahmen jedoch nicht<br />
möglich ist.<br />
Eine weitere Frage, die u.A.n. im Raum stehen bleibt, ist, wie das „Problem der Reaktivität<br />
des Erhebungsarrangements in den Familienstudien“(SPÖHRING, S.251, Hervorhebung der<br />
Verf.), aber auch in Interviews zu berücksichtigen ist. Von Seiten der OH wird betont, daß<br />
das zu beobachtende Interaktionssystem nach einer gewissen Eingewöhnungsphase die<br />
Fremdkörper (BeobachterInnen, InterviewerInnen etc.) ignoriert, wenn die ForscherInnen<br />
geschult sind (im besten Falle: wissenschafts- und alltagsspezifisch erfahren), die freie<br />
Selbstexploration zu fördern. Doch wie kann überprüft werden, ob diese nicht dennoch quasi<br />
<strong>als</strong> Katalysator für bestimmte Effekte (z.B. Filterwirkung des sozial Erwünschten) fungieren?<br />
M2) <strong>Die</strong> Frage der realistischen Durchführbarkeit<br />
<strong>Die</strong> Methode der OH ist sicherlich „ungeeignet zur Verarbeitung großer<br />
Datenmengen“(SPÖHRING, S.252), was sie per Anspruch der exemplarischen Rekonstruktion<br />
auch nicht will (vgl. OEVERMANN 1983, S.259 und S.273 f).<br />
Darüber hinaus muß betont werden, daß die Methode -so wie sie hier dargestellt wurde- nicht<br />
durchgeführt werden kann. Seitenlange Abhandlungen über ein „Mhm, mhm“ sind nur in<br />
Einzelfällen sinnvoll und nur selten bezahlbar. Deshalb konstatieren wir, daß einige Schritte<br />
und Ebenen zusammengefaßt oder sogar ausgelassen werden können, ohne daß dabei der<br />
eigentlichen Methode etwas an Erklärungskraft genommen wird. 16 Möglicherweise können<br />
die Effektivität steigernde, ‘neue’ Schritte ausprobiert und dann ggfs. hinzugefügt werden.<br />
Trotz allem bleibt die Methode extensiv und somit nur dann sinnvoll, wenn<br />
wesentliche und relativ dauerhafte Strukturen hinterfragt werden sollen.<br />
Dabei ist zu bemerken, daß das Konzept der ‘objektiven, latenten Sinnstrukturen’ gerade<br />
durch deren Rekonstruktion von den objektiv sinnvollen Handlungsoptionen her durch eine<br />
gewisse Statik und Starrheit gezeichnet ist und dadurch soziale Wandlungsprozesse nur sehr<br />
aufwendig oder möglicherweise gar nicht erfaßt werden<br />
können.<br />
16 Das wird auch von OAKK quasi zwischen den Zeilen eingeräumt, vgl. 2..<br />
30