Die Objektive Hermeneutik als wissenschaftliches ... - Mannigfaltig
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SUSANNE BRANDES & OLAF JANTZ: <strong>Die</strong> objektive <strong>Hermeneutik</strong> <strong>als</strong> <strong>wissenschaftliches</strong>, pädagogisches und politisches Instrumentarium. In: MEDIUM e.V.<br />
/ Jantz, Olaf (Hrsg.): Seminarunterlagen politische Bildung - Hintergründe für die wissenschaftlich-politische Arbeit in der Erwachsenenbildung. Band 1:<br />
Kritische Theorie gesellschaftlicher Strukturen, Geschlechteransatz, Antirassismus und Pädagogik. Göttingen November 1997<br />
Einleitung:<br />
„M. Küchler äußerte sich vor einigen Jahren optimistisch zum Entwicklungspotential der OH <strong>als</strong> einer<br />
Methodologie, ‘die sich vielleicht später einmal tatsächlich <strong>als</strong> Neubeginn einer qualitativ orientierten<br />
Sozialforschung erweist.’ Obwohl die OH in den letzten Jahren eine deutlich zunehmende Anzahl von<br />
Vertretern und Interessenten gefunden hat, können wir diesen Enthusiasmus doch nicht ganz teilen. Immerhin<br />
hat die noch nicht abgeschlossene Diskussion wichtige Denkanstöße zur Präzisierung dieses methodischen<br />
Ansatzes erbracht, so daß seine weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.“(SPÖHRING 1989, S.253)<br />
Wir halten den Theoriekomplex der <strong>Objektive</strong>n <strong>Hermeneutik</strong> über die methodologische<br />
Bedeutung in der Sozialforschung hinaus für ein durchaus eigenständiges und relevantes<br />
Paradigma in den Erziehungswissenschaften. Ihr strukturaler und inhaltlicher Bezug zur<br />
Sozialisationsforschung ermöglicht einen gewinnbringenden Einsatz sogar in der<br />
angewandten Pädagogik (nach geringfügigen Transferleistungen ).<br />
Wir werden im Folgenden die Methode und die o.g. Relevanz darstellen. Aufgrund der<br />
weitreichenden Bezüge und der inhaltlichen Komplexität der OH erscheint uns eine sich rein<br />
linear vollziehende Darstellung nicht angemessen zu sein. Denn bei einer solchen Form<br />
würde u.A.n. eine inhaltliche Reduktion (auch zentraler Punkte) vorprogrammiert sein, die<br />
wir versuchen möglichst gering zu halten. 1 Vielmehr ver-<br />
suchen wir unser Verständnis eher kreisend (hermeneutisch) zu vertiefen und arbeiten in<br />
dieser Absicht mit gezielten Redundanzen, um jeweils weiterführende Aspekte des<br />
Verständnisses aufbauend einzuführen. Einige Begriffe und Zusammenhänge tauchen deshalb<br />
mehrfach auf.<br />
Im ersten Teil widmen wir uns den rein theoretischen Hintergründen, um dann im zweiten die<br />
methodischen Folgerungen daraus (so weit dies für uns möglich ist) zu explizieren. Dabei<br />
wollen wir sowohl die Tiefe und Genialität des theoretischen Komplexes, <strong>als</strong> auch die leichter<br />
zu verstehende, beispielhafte Anwendung zur Geltung kommen lassen. Unter 3. werden wir<br />
uns ausführlich einer kritischen Würdigung zuwenden. Während der eingehenden Rezeption<br />
dieses Paradigmas sind uns einige grundsätzliche Aspekte deutlich geworden, die u.A.n. nicht<br />
nur in Bezug auf eine objektiv-hermeneutische Forschung eine Bedeutung haben. In diesem<br />
Teil soll expliziert sein, welche generelle Sichterweiterung diese Methode offenbart.<br />
Wir haben den Eindruck, sehr davon profitiert zu haben.<br />
<strong>Die</strong> Struktur gesellschaftlicher Interaktion<br />
In dem Begriff der 'objektiven <strong>Hermeneutik</strong>' offenbart sich ein Theoriekomplex, der ein<br />
eigenständiges Modell sozialer Wirklichkeit und eine spezifische Methodologie mit spezieller<br />
Methodik der Rekonstruktion dessen, was <strong>als</strong> Sozialität konstituierend angesehen wird:<br />
Neben der Natur und der Kultur existieren -so die VertreterInnen der objektiven<br />
<strong>Hermeneutik</strong>- regelgebende objektive Strukturen, die sich ähnlich wie diejenigen der Sprache<br />
(siehe CHOMSKY's generative Grammatik) ständig reproduzieren. Manchmal jedoch sei eine<br />
Transformation zu beobachten, die Veränderungen dieser sozialen Strukturen bewirke.<br />
Gerade „auch die Transformationsprozesse der Strukturen sind von übergeordneten<br />
Strukturen gelenkt.“(REICHERTZ 1991, S. 225)<br />
1 Für eine klare, lineare Darstellung (bei der jedoch sehr viele Fragen offen bleiben) zumindest des methodischen Teils<br />
könnten wir ansonsten die u.A.n. gut gelungene Zusammenfassung von SPÖHRING (S.230ff) einfach abschreiben. Für uns<br />
stellt diese Hausarbeit hingegen eine Vertiefung gerade dieser Einführung dar.<br />
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