Die Objektive Hermeneutik als wissenschaftliches ... - Mannigfaltig
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SUSANNE BRANDES & OLAF JANTZ: <strong>Die</strong> objektive <strong>Hermeneutik</strong> <strong>als</strong> <strong>wissenschaftliches</strong>, pädagogisches und politisches Instrumentarium. In: MEDIUM e.V.<br />
/ Jantz, Olaf (Hrsg.): Seminarunterlagen politische Bildung - Hintergründe für die wissenschaftlich-politische Arbeit in der Erwachsenenbildung. Band 1:<br />
Kritische Theorie gesellschaftlicher Strukturen, Geschlechteransatz, Antirassismus und Pädagogik. Göttingen November 1997<br />
Aufgrund der systematischen, sich sukzessiv und integrativ vollziehenden<br />
Strukturinterpretation aller Gesamtverständnisse (Gx in Abb.2), werden diejenigen Strukturen<br />
herausgearbeitet, die sich <strong>als</strong> konsistent erweisen oder aber solche, die <strong>als</strong> zentral<br />
anzunehmende Fragen offen lassen. Mit diesen Erkenntnissen über das Gesamtverständnis<br />
(Ges) werden nun (streng im POPPERschen Sinn) sämtliche Textstellen (Tx) erneut betrachtet,<br />
um Hypothesen, die nicht wiedererkannt werden, sofort zu f<strong>als</strong>ifizieren, um Fragen<br />
differenzierter nachzugehen und um schließlich zu gefestigteren Strukturhypothesen zu<br />
gelangen.<br />
Erst wenn (nach mehrmaligem Durchlaufen) keine (wesentlichen) Fragen offen bleiben und<br />
sich zentrale Hypothesen über die Fallstruktur manifestieren, kann zum folgenden Schritt der<br />
Strukturgeneralisierung übergegangen werden, wo, wie betont, mit der gleichen Logik<br />
verfahren wird.<br />
Sollten sich systematische Fehler beim ‘Vergessen’ (von Gn nach Tn+1) einschleichen, so<br />
besteht die Möglichkeit, dieses Prinzip zu verwirklichen, indem jede Textstelle von einer<br />
jeweils unabhängigen Gruppe analysiert wird (was unter ökonomischen Gesichtspunkten<br />
jedoch eher selten eingesetzt werden kann).<br />
<strong>Die</strong> sieben Ebenen der Fallanalyse<br />
(I) Bestimmung der Fallstrukturebene:<br />
Zunächst wird eingegrenzt, was <strong>als</strong> Fall angesehen werden soll. Es sind alle denkbaren<br />
Eingrenzungen möglich: eine Person, eine Gruppe, mehrere Gruppen, ein gesellschaftliches<br />
Aggregat oder auch nur ein Subjekt in einer bestimmten Hinsicht. Am Beispiel verdeutlicht:<br />
Wenn ein Beobachtungsprotokoll (oder möglichst mehrere Niederschriften von möglichst<br />
vielen BeobachterInnen) von mehreren Interaktionsketten einer Familie (Vater, Mutter,<br />
Tochter und Sohn) vorliegt, könnten sich die InterpreteurInnen um die Rekonstruktion der<br />
Handlungsstrukturen des Vaters bemühen (Fall = Vater), um eine der weiteren Personen oder<br />
aber auch um das Interaktionssystem Familie <strong>als</strong> Ganzes.<br />
Darüber hinaus wird die zu betrachtende Struktur festgelegt. Auch hier sind alle denkbaren<br />
Eingrenzungen möglich: Rollenverhalten, subjektspezifische Muster, Reaktionspotentiale auf<br />
bestimmte Ereignisse, Handlungskompetenzen, reale Handlungsoptionen in bestimmten<br />
Institutionen u.v.a.. Veranschaulicht: Handelt es sich um den Fall der ‘Familie’, dann kann<br />
betrachtet werden, wie sich die Interaktionsstruktur innerhalb des Familienalltags bzgl. der<br />
patriarchalen Verhältnisse äußert, oder aber können sich die InterpreteurInnen darauf<br />
konzentrieren, welche Handlungsmöglichkeiten für die beobachtete Familie bzgl. der Schule,<br />
die der Sohn besucht, bestehen.<br />
Es ist <strong>als</strong>o möglich, daß ein einziges Protokoll eine derart reichhaltige strukturelle Emergenz<br />
offenbart, daß es sich lohnt, diese auf verschiedene Fallstrukturebenen hin zu untersuchen.<br />
(II) Sequentielle Grobanalyse:<br />
Ist die Fallstrukturebene festgelegt, dann sollte sämtliches Wissen darüber ‘vergessen<br />
werden’, um sich möglichst unvoreingenommen den objektiven Daten aller anderen<br />
emergierten Strukturen (des Textes) zuwenden zu können. Hieraus soll nun -per<br />
gedankenexperimenteller Exploration- erschlossen werden, wie sich jemand in diesem<br />
Kontext verhalten könnte.<br />
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