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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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die Vision einer technischen Gesellschaft, die nach der „mathematischen Elementarmethode“<br />

gebaut sein sollte (Orthband, Geschichte, 294f.). Auch der Kant’sche<br />

„kategorische Imperativ“ folgt diesem Prinzip. Mit der Idee gesetzmäßig, d. h.<br />

identisch denkender Menschen, die sich letztlich wie Elementarteile gleichschalten,<br />

erlangte der deutsche Aufklärer größte Bedeutung für die moderne Technikgesellschaft.<br />

Als eine Art Nebenprodukt ermöglicht Gersonides' System noch einen weiteren<br />

Schluß, der für unser Thema von großer Bedeutung ist. Er betont die logische<br />

Unmöglichkeit, daß die Dinge ewig sind und zugleich von Gott bewirkt werden.<br />

Um das Unmögliche zu ermöglichen, muß dieser Gott die Dinge ständig neu schaffen,<br />

die im Wechsel von Werden und Vergehen ihren substantiellen Bestand verlieren<br />

(Guttmann, 240).<br />

Der Allah des Islam ist ein solcher Gott. Er schöpft nicht nur permanent, sondern<br />

identifiziert sich auch mit der Zeit (EI II, 95). Er bestätigt damit selbst, nicht ewig<br />

zu sein, denn die Zeit gibt es nur in der Welt, im Bewußtsein der Menschen. Damit<br />

stimmt die Vorstellung vom Koran überein. Das Bild von den „Tafeln im Himmel“<br />

ist in bezug auf die Ewigkeit ebenso defekt, wie Allah in bezug auf die Wahrheit<br />

erscheint. Immerhin rühmt sich der Gott des Islam selbst als „bester Ränkeschmied“<br />

(77/39), der Gläubige und Ungläubige täuscht, wann und wo er will,<br />

womit er einmal mehr das Menschlich-Allzumenschliche im koranischen Erscheinungsbild<br />

bestätigt.<br />

Von Maimonides, dem größten jüdischen Philosophen, ist bekannt, daß für ihn die<br />

Einheit Gottes den Ausschluß des Gegensatzes bedingt. Gott ist existent, weil er<br />

nicht nichtexistent ist, d. h. seine Eigenschaften sind er selbst. Ein Gott, der den<br />

Gegensatz ausdrücklich einschließt, ist ewig und nicht ewig, wahr und nicht wahr,<br />

eins und nicht eins – ist also kontingent, d. h. eine Möglichkeit. Dies wiederum<br />

stimmt zwingend mit dem Umkehrschluß aus dem Gottesbeweis überein, der auf<br />

dem bloß möglichen Sein der Dinge beruht (Guttmann, 259). Der logische Kreis<br />

schließt sich über die Zeit: Ein Gott, der wie Allah mit der Zeit identisch ist, nimmt<br />

die Subjektivität des menschlichen Bewußtseins an und stellt die Verbindung zur<br />

göttlich legitimierten, weltlichen Machtausübung her.<br />

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Islam-System in Gersonides' Technikmodell<br />

als fundamentaler Beispielsfall dar. Auch hier greift zwar das allgemeine Göttliche<br />

nicht in das spezielle Weltliche ein, läßt aber keinen freien Willen und keine<br />

Entwicklung zu, weil es ewig, wahr und eins, aber zugleich auch das Gegenteil ist.<br />

Da zudem das „Siegel“ Muhammad jede weitere Auslegung, geschweige denn<br />

Prophetie verhindert, ist auch die Verbindung zwischen allgemeinem und speziellem<br />

Wissen, zwischen Gott und Welt, damit auch die Gewissenskontrolle von<br />

Drohung und Gewalt sowie nicht zuletzt der Geist selbst und mit ihm Ironie und<br />

Humor abgeschnitten.<br />

Allah kann also das Gegenteil von sich selbst sein. Indem sich zwischen der Ferne<br />

unnahbarer Bewegungslosigkeit und, wie es unter Bezug auf den Koran oft heißt,<br />

der nächsten Nähe der „Halsschlagader“ aufspannt, schillert er zwischen den Polen<br />

einer kosmisch-gnostischen und irdisch-offenbarten Gottheit. Zwingend logisch<br />

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