DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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ständlich wird. Daß die deutsche Orientalistin Annemarie Schimmel ihn für den<br />
größten Philosophen der islamischen Moderne hielt, wird seinerseits über ihre<br />
Studie verständlich, die sie Iqbals semi-satanistischen Vorstellungen gewidmet hat.<br />
Was uns Iqbals Überlegungen allerdings deutlich machen können, ist die direkte<br />
Nähe des islamischen Gottes zur Selbstoffenbarung des Menschen und damit auch<br />
die eingebaute, von der Realität vielfach bestätigte Möglichkeit, daß sich menschliche<br />
Macht auf seine Regeln, insbesondere auf dem Gegensatz zum Anderen,<br />
beruft. Nicht nur Iqbal selbst empfand Sympathie für den radikalen Geltungsanspruch<br />
des orthodoxen Islam, sondern mit ihm auch eine Fülle prominenter Politiker<br />
und Intellektueller – im Westen wie im Islam.<br />
Dabei handelt es sich allerdings, wie wir deutlich gemacht haben, nicht um eine<br />
Nähe der christlichen Art, die eine Verbindung zwischen Mensch und Gott herstellt,<br />
sondern um eine eher profane Nähe, die durch die semantische Kennzeichnung<br />
Allahs als sehr menschlich und launenhaft agierende Gottheit zustande<br />
kommt. Insofern Allah die Zeit als Bewußtseinsmedium beansprucht, öffnet er<br />
fortlaufend eine Fülle von momentan bedingten Machtansprüchen, die ihn zwar als<br />
monotheistischen Gott, jedoch weniger der spirituellen, sondern eher der politischdespotischen<br />
Art erscheinen lassen.<br />
An Beweisen, daß dieser Gott seine Anhänger schon oft auf Augenhöhe mit der<br />
Weltpolitik brachte, hat es selten gefehlt. Im Gefolge der kurzlebigen Córdoba-<br />
Kultur wären zum Beispiel der Palastbetrieb Friedrichs II. und seine aufwendigen<br />
Aktivitäten in Forschung und Wissenschaft – u.a. mit dem Pisaner Mathematiker<br />
Leonardo Fibonacci (gest. um 1240) – ohne die Beiträge arabischer Wissenschaftler<br />
kaum denkbar. Wenngleich sie halfen, das Wirken Gottes immer meßbarer zu<br />
machen, ließ Allah eben deswegen, um selbst unmeßbar zu bleiben, ihre Ergebnisse<br />
nur in sehr begrenztem Umfang zu. Hier schließen wir einen kleinen Exkurs an,<br />
der von allergrößter Bedeutung für Allah und unser Verständnis seiner Eigenschaften<br />
ist.<br />
Die Juden in Apulien unterhielten Kontakte zu Palästina und wurden zum späteren<br />
Bindeglied zum ashkenasischen Judentum in Osteuropa (Battenberg, Zeitalter der<br />
Juden 1, 43). In Sizilien sorgten sie für einen regen Wissenstransfer, in dessen<br />
Mittelpunkt die Übersetzerschule von Salerno stand. Einer der wichtigsten Beiträge<br />
kam von dem jüdischen Arzt Faradj Ben Salim (gest. 1282), der das Hauptwerk<br />
des arabisch schreibenden, persischen Mediziners Al-Razi (gest. 926) ins Lateinische<br />
übersetzte. Finanziert wurde diese Arbeit vom Herzog von Anjou, jener Atlantikregion<br />
nördlich von Aquitanien, aus der einst je ein König für Jerusalem und<br />
Neapel hervorging (Hitti, 612f; Finkelstein, The Jews II, 1362).<br />
Anjou stand unter wechselnder, englischer und französischer Herrschaft, ebenso<br />
wie Aquitanien, das oft als Sammelbecken für jüdische Flüchtlinge aus Spanien<br />
diente. Nach dem Einfall der Almohaden ließen sie sich in besonders großer Zahl<br />
in der Provence nieder. Mit Levi Ben Gerson (gest. 1344), den man auch Gersonides<br />
nennt, wirkte dort einer der größten Juden des ausgehenden Mittelalters. Er<br />
verband Philosophie und Astronomie – mit großem Einfluß auf die Wissenschaft<br />
in Europa, unter anderen Kopernikus und Kepler.<br />
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