DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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islamischer Abraham, der die Religion von ihren jüdisch-christlichen „Verfälschungen“<br />
auf ihre Urform zurückführt und die „beste aller Gemeinschaften“<br />
(3/111) in die Weltgeschichte führt.<br />
Ausgehend von einer Protestgemeinde, die strukturelle Ähnlichkeit mit modernen<br />
Cargo-Kulten und Erlösungs-Sekten hat (Mooren), entsteht eine Vollreligion mit<br />
Absolutheitsanspruch, deren antagonistischer Gründungsmythos jedoch zum unauslöschlichen<br />
Engramm wird. Von nun an wird jede historische Entwicklung,<br />
jede geistige Begegnung vom Programm dieses Engramms geregelt: Der Islam ist<br />
nicht nur die einzige monotheistische Religion; er ist die einzige legitime Religion<br />
überhaupt.<br />
Zur Realisierung und Absicherung bauten seine Gelehrten umfassende Systeme<br />
des Glaubens und des Staatsrechts aus, die heute immer lauter den anderen Religionen<br />
– besonders den Juden und Christen – etwas klarmachen, was im schnellebigen,<br />
konsenstrunkenen Pluralismus schwer zu verstehen ist: den revindikativen<br />
Anspruch des Islam, d. h. sein Recht auf Herausgabe der illegitimen Geltungsansprüche<br />
anderer Religionen sowie das sich daraus ergebende Recht auf politreligiöse<br />
Alleinvertretung im Weltmaßstab. Letzterer besteht daher nicht in Menschenrechten<br />
westlicher Art, sondern in eben diesem Islamrecht auf das ungeteilte Religionsmonopol.<br />
Islam ist demnach nicht nur eine Religion, sondern die Religion,<br />
die im Rahmen der Globalisierung nun zu einem epochalen Wachstumsschub<br />
kommt.<br />
In ihrer Bedeutung für diesen Ablauf geht über das ubiquitäre Geld die so diffuse<br />
wie wichtige Rolle der „Beigesellung“ noch weit hinaus. Sie wertet nicht nur die<br />
Trinität als polytheistische Verirrung ab, sondern wendet sich gegen das Ich des<br />
Einzelnen als irreguläre Instanz. Indem diese auf heuchlerische Anerkennung<br />
durch andere Menschen schielt oder aber jene Individualität anstrebt, die jeder<br />
denkende Gläubige spirituell sucht, entsteht im zweiten Fall gerade jener vom<br />
Islam abgelehnte, selbständige Menschentyp, den das Verhältnis zum christlichen<br />
Gott vom Sklavengehorsam emanzipiert.<br />
„Das durch die Momente des Willens und der Absichten hervorgerufene Ich ist ein<br />
uferloses Meer“ zitiert der Orientalist Ignaz Goldziher einen angesehenen Gottesgelehrten<br />
des 9. Jahrhunderts (Vorlesungen, 42) und verdeutlicht die entscheidende<br />
Rolle des Zeitgottes Allah, der es nicht dulden kann, wenn der Mensch seine Momentschöpfung<br />
aktiv stört: „Begegnet mir mit euren Absichten, nicht mit euren<br />
Taten!“ Also soll schon die vorgreifende Gedankenkontrolle verhindern, daß es zu<br />
eigenständigen Initiativen kommt, zumal auch nach koranischer Lesart Allah die<br />
Quelle des Guten, der selbständige Mensch indessen die des Bösen ist (4/80).<br />
Der als Reformer mißverstandene Religionsphilosoph Iqbal (gest. 1938) drehte in<br />
seinem Werk „The Reconstruction of Religious Thought in Islam“ den Spieß um<br />
und erhöhte das abgelehnte Einzel-Ich zu einer kollektiven Selbstoffenbarung, in<br />
der ein „Großes Ich bin“ zwischen dem Allwillen Allahs und dem Einzelwillen des<br />
Menschen schillert (Gopal, Gabriel, 113). Vor dem Druck der islamischen Realität<br />
blieb diese Vorstellung ein Konstrukt, eine Leerformel ohne bleibende Nachwirkung,<br />
die im Grunde nur über Iqbals Sympathien für Hitler und Mussolini ver-<br />
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