DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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ein Denkmal setzte. Wenngleich es sich hier um eine ungewöhnliche Leistung mit<br />
weltgeschichtlichen Folgen handelt, so läßt sich kaum übersehen, daß der Islam<br />
und Allah in einer Art Schnellversion zustande kamen, in der dem Gott der Muslime<br />
schlichtweg nicht die theologische Reife seiner jüdisch-christlichen Konkurrenten<br />
zuwachsen konnte. Hinzu kam, daß die Araber der Spätantike mit einer allzu<br />
abstrakten Gottheit wenig anfangen konnten, zumal wenn sie nicht die für die<br />
Region und die Zeit üblichen Verhaltensmuster unterstützte. Es erschien daher ein<br />
Gottesbild logisch, das sich im Koran für die Menschen leicht faßbar präsentierte,<br />
von den Juden, Christen und sonstigen Ungläubigen distanzierte und die kleptokratischen<br />
Traditionen der Gesellschaft – Gewalt und Raub – unterstützte.<br />
Muhammad exerzierte ein Erfolgsrezept vor, das von Anbeginn die politische<br />
Priorität des Islam vor der religiösen festlegte. Indem er sich den alten Kult in<br />
Mekka und dessen Einnahmequellen aneignete, zum Kampf und Tribut für Allah<br />
aufrief und persönliche Widersacher durch Auftragsmörder beseitigen ließ, setzte<br />
er Zeichen, die ihr vitales Charisma bis heute erhalten haben.<br />
Bei dieser Art Charisma geht es um jene Heilswirkung, welche die Anhänger einer<br />
Droh- und Gewaltlehre auf sich zu ziehen glauben, wenn sie sich in besonderer<br />
Weise für ihre Ziele einsetzen. Die spontane, wenngleich teilweise inszenierte<br />
Reaktion der Muslime auf die Karikaturen von 2006, das „Verständnis“ westlicher<br />
Intellektueller für muslimische Gewaltreaktionen auf westliche „Provokationen“<br />
sind Beispiele für die charismatische Konkurrenz, deren kombinierte Kraft derzeit<br />
die Installation des Islam in Europa vorantreibt. In diesem Ablauf spielt Allah eine<br />
wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle. Wie im jüdisch-christlichen Bereich der<br />
„göttliche Ratschluß“ soll auch die im Koran äußerst vermenschlichte Gestalt<br />
Allahs das Fassungsvermögen des menschlichen Verstandes übersteigen. Als geeignetes<br />
Muster für diese Herrschaftsstruktur hatte Muhammad den jüdischen<br />
Jahwe erkannt, dessen z. T. sehr sachliche und pragmatische Distanz zu den Menschen<br />
auf die Bedingungen seiner Zeit bestens zu passen schien.<br />
Allerdings wurde dabei ein entscheidender Unterschied wirksam. Während die<br />
Juden die persönlichen Eigenschaften ihres Gottes sublimierten, und ein persönliches<br />
Verhältnis auf transzendenter Basis entwickelten, präsentierte Muhammad<br />
den neuen Allah als eine Gottheit mit sehr persönlichen Eigenschaften, die ihn zu<br />
ebenso konkreten Maßnahmen befähigten. So hat Allah die Macht, zu erschaffen<br />
und zu zerstören, zu belohnen und zu strafen. Wie ein Mensch spricht, befiehlt und<br />
flucht er, versklavt, terrorisiert und tötet er. Da er allmächtig und allweise ist, läßt<br />
er auch das Gegenteil zu – Liebe, Versöhnung, Vergebung – obschon in weit geringerem<br />
Ausmaß. Trotz dieser erratischen Züge gilt Allah den Muslimen als der<br />
Allerbarmer, als der Gott des Guten, weil sich seine bedrohlichen Eigenschaften<br />
auf das Andere und Abweichende, vor allem den Unglauben und die ungehorsamen<br />
Frauen, projizieren lassen.<br />
Thomas Mooren hat den interessanten Vorgang dargestellt, wie sich das göttliche<br />
Eine zu einem nomadischen Monotheismus entwickelt, der sich selbst zu einem<br />
stetigen Antagonismus verurteilt. Indem er sich vom jüdischen Volksgott auf den<br />
islamischen Einheitsgott ausweitet und dabei auch Abraham vereinnahmt, ohne<br />
dessen Epochenschritt zur Seßhaftigkeit zu übernehmen, erscheint Muhammad als<br />
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