DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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versaler moralischer Prinzipien und ein Gefühl persönlicher Verpflichtung ihnen<br />
gegenüber“ als Gründe dafür angegeben werden, das Rechte zu tun. 19 Vor diesem<br />
Hintergrund bedarf die Kritik des Sozialphilosophen Jürgen Habermas an<br />
Lawrence Kohlberg der Erwähnung. Habermas als Protagonist der Diskursethik<br />
– bei der moralisches Handeln durch den Konsens der Betroffenen in einem<br />
herrschaftsfreien Diskurs begründet wird – wendet gegenüber dieser obersten<br />
Stufe der moralischen Urteilskraft ein, daß moralische Normen monologisch<br />
anhand des Gewissens geprüft würden, und fordert auch deshalb hier den Diskurs.<br />
20 Problematisch an dieser Kritik ist die Gegenüberstellung von Gewissen<br />
und Diskurs. Zwar ist es richtig, daß der Mensch der Gewissensbildung bedarf,<br />
und dafür ist der Diskurs unerläßlich, aber gleichzeitig ist es zur moralischen<br />
Urteilsbildung notwendig, daß er sich am Gewissen als Stimme Gottes orientiert,<br />
wie dies die pastorale Konstitution „Gaudium et spes“ ausdrückt. 21 Ein tragfähiges<br />
moralisches Urteil kann eben nicht dadurch gefällt werden, daß wir uns an<br />
unseren Lust- und Unlustgefühlen und damit am eigenen Nutzen bzw. an den<br />
eigenen Interessen orientieren. Ebenso können die Erwartungen anderer bzw. der<br />
Zeitgeist kein Maßstab sein. Gerade die Zeit des Nationalsozialismus hat in aller<br />
Deutlichkeit gezeigt, daß Gewissensurteile im oben genannten Sinne unerläßlich<br />
sind. Die Diskursethik krankt ja gerade daran, daß sich unterschiedliche Interessen<br />
gegenüberstehen, ohne daß nach einer allgemeinen Sittenordnung im Sinne<br />
des Naturrechts gefragt wird. 22 Angesichts dieser Überlegungen zur Bedeutung<br />
des Gewisses stellt sich aber die Frage nach dem spezifisch christlichen Ethos.<br />
Kann der christliche Glaube uns also Erkenntnisse und Hilfestellungen bieten,<br />
die über das hinausgehen, was die humanistisch geprägte Philosophie und Sozialwissenschaft<br />
bereits leisten?<br />
Der Beitrag des spezifisch christlichen Ethos<br />
Mit der hier gestellten Frage ist ein hoch sensibles Thema angesprochen, denn<br />
gerade in der heutigen, durch den Relativismus geprägten Zeit werden religiöse<br />
Geltungsansprüche schnell mit einem Fundamentalismusvorwurf belegt, so daß<br />
eine rationale Argumentation kaum noch möglich erscheint. Darüber hinaus<br />
besteht, wenn auch heute nur noch selten, die Gefahr, daß Christen mit allzu<br />
menschlichem Stolz über Nicht-Christen sprechen. 23 Es geht im folgenden vielmehr<br />
darum, aufzuzeigen, worin das moralische Potential des Christentums besteht,<br />
das es im Sinne von Habermas zu nutzen gilt.<br />
Wenn wir in dieser Weise nach dem spezifisch christlichen Ethos fragen, dann<br />
fragen wir umgekehrt auch danach, weshalb ein rein menschliches Ethos scheitert<br />
bzw. scheitern muß. Im Kern ist hier auf die Konkupiszenz – also das sündige<br />
Begehren – und damit auf die Erbsündenlehre hinzuweisen. Das Bemühen des<br />
Menschen um moralisches Handeln bricht an jener Stelle zusammen, wo es zutiefst<br />
an die Wurzeln des menschlichen Lebens rühren sollte, in unserer Hinwendung<br />
zu Gott, wie der Sozialethiker Arthur F. Utz schon frühzeitig verdeutlichte.<br />
Denn die Beziehung Mensch-Gott hat einen vom Menschen her unheilbaren<br />
Bruch erlitten. 24 Daß dies auch weniger bzw. unreligiöse Menschen ahnen, veranschaulichen<br />
Befragungsergebnisse des Verfassers bei Studierenden. Die Be-<br />
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