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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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schen Pandora geöffnet. (...) Daher enteignet er die Individuen, verwandelt die<br />

ihnen innewohnenden Talente und Begabungen in Gemeineigentum, in gesellschaftliche<br />

Produktivkräfte, deren wirtschaftlicher Ertrag nach Maßgabe der Gerechtigkeitsregeln<br />

zu verteilen ist.“ 49<br />

Von der entgegengesetzten Seite aus erhebt der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich<br />

aus St. Gallen seine Einwände. Nach ihm hält Rawls seinen politischen Liberalismus<br />

gegenüber dem ökonomischen Neoliberalismus nicht durch. „Das wird überall<br />

deutlich, wo er sich mit der Rolle von Märkten und der ‚Wettbewerbswirtschaft’<br />

im Rahmen der wohlgeordneten Gesellschaft befaßt. Seine diesbezügliche Sicht ist<br />

überraschend harmonistisch und erinnert (...) manchmal geradezu an Adam Smiths<br />

Vertrauen in die invisible hand.“ 50 Weil die Verteilung der Grundgüter dem Markt<br />

überlassen bleibt, höhlt das Differenzprinzip das Gleichheitsprinzip aus; daran<br />

ändert auch das „naturrechtliche Restmoment“ von Rawls nichts mehr.<br />

Bei so gegensätzlichen Einschätzungen bringt es der katholischen Soziallehre<br />

keine Vorteile, auf Gedeih und Verderb sich an Rawls anzuschließen. Auch gegen<br />

die überlieferte und auch modernisierte katholische Soziallehre werden ebenfalls<br />

ähnlich gegensätzlich Einwendungen erhoben. Das Problem für beide Theorien<br />

scheint tiefer zu liegen: Außer einigen wesentlichen Grundorientierungen und<br />

Optionen läßt sich nicht aus einer Theorie der Gerechtigkeit ableiten, was unter<br />

konkreten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen soziale Gerechtigkeit<br />

ist. „Der Realität dynamischer Entwicklungen entsprechend kann es keinen<br />

befriedigenden Gesamtzustand sozialer Gerechtigkeit geben. Ein Anstoß zur Frage<br />

nach sozialer Gerechtigkeit ist regelmäßig ein bestehender oder befürchteter sozialer<br />

Status quo, der eine gerechtere Lösung wünschenswert erscheinen läßt.“ 51 Ungerechtigkeiten<br />

lassen sich oft unschwer erkennen und auch abstellen, aber eine<br />

höhere Gerechtigkeit entzieht sich einer genauen Bestimmung. Zu konkreten und<br />

praktischen Maßnahmen kommt man ohne sozialökonomische Kenntnisse nicht<br />

aus, die wiederum selten zu unbedingt gültigen Erkenntnissen führen. An ihnen<br />

führen weder Rawls noch die katholische Lehre vorbei.<br />

Anmerkungen<br />

1) Wolfgang Kersting, John Rawls zur Einführung, Hamburg 1993, S. 7.<br />

2) John Rawls, A Theory of Justice, Cambridge (Massachusetts) 1971, deutsch: Eine Theorie<br />

der Gerechtigkeit, hg. v. Hermann Vetter, Frankfurt am Main 1975, neu hg. v. Otfried<br />

Höffe, Berlin 1998.<br />

3) Die in den USA an verschiedenen Orten veröffentlichten Aufsätze sind in deutsch gesammelt:<br />

John Rawls, Die Idee des politischen Liberalismus, Aufsätze 1978-1989, hg. v.<br />

Wilfried Hinsch, Frankfurt am Main 1994.<br />

4) John Rawls, Justice as Fairness. A Restatement, Cambridge (Massachusetts) 2001,<br />

deutsch: ders., Gerechtigkeit als Fairneß. Ein Neuentwurf, hg. v. Erin Kelly, Frankfurt am<br />

Main 2003.<br />

5) Franz-Josef Bormann, Was von der Fairneß übrig blieb. Zur Bedeutung von John Rawls'<br />

Theorie der Gerechtigkeit für die katholische Soziallehre, in: Theologie und Philosophie, 78.<br />

Jg. (2003), S. 384-405, hier 401. Bei den neueren Theologen, die Bormann erwähnt, handelt<br />

es sich vorwiegend um einige Amerikaner, die aber hier außer Betracht bleiben, da wir uns<br />

hier auf den deutschsprachigen Raum beschränken.<br />

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