DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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gründungen. 44 Es „wird hier doch, wenn auch auf Umwegen und ohne weitere<br />
metaphysische Folgen, der Begriff einer verbindlichen menschlichen Natur wieder<br />
eingeführt.“ 45<br />
450<br />
Kritik an Rawls und Unterschiede zur katholischen Soziallehre<br />
Auch die politische Bestimmung des Gerechten hat eine Schnittmenge mit dem<br />
moralisch Guten. Was angeblich nur durch den Vertrag vernünftig denkender<br />
Personen als das Gerechte bestimmt wird, ist das, wie schon oben gezeigt wurde,<br />
in der Natur des Menschen begründete Gute. Wie schon gezeigt wurde, muß auch<br />
Rawls letztlich, wenn auch nicht von ihm zugegeben, eine Verankerung im moralisch<br />
Guten voraussetzen. Hier haben sowohl die Intuitionisten als auch die Kommunitaristen<br />
und die Naturrechtsanhänger recht, die sich auf eine moralische<br />
Grundlage beziehen, die nicht erst durch Vertragsabschluß errichtet wird. Die<br />
genauen Grenzen auszumachen, die zwischen dieser nicht hintergehbaren moralischen<br />
Grundlage und dem erst durch Erfahrungen, Überlegungen, Umstände und<br />
Vereinbarungen jeweils genau zu findenden Gerechten liegen, bleibt hier wie auch<br />
in vielen Konzepten der katholischen Lehre noch offen. Allerdings nimmt die<br />
katholische Soziallehre viel mehr die konkreten Gerechtigkeitsfragen in der Gesellschaft<br />
in den Blick als Rawls, dessen Interesse vor allem einer konsistenten<br />
Theorie gilt, wie Bormann richtig bemerkt. 46<br />
Hier ist noch eine wesentliche Kritik an Rawls von außerhalb der kirchlichen Lehren<br />
zu erwähnen. Rawls immunisiert sich gegen die Kontingenz der Individuen; er<br />
verlangt „eine die Individuen enteignende Gerechtigkeit, die die kontingenten<br />
Gegebenheiten individueller Lebensführung egalitaristisch vermißt und kompensatorischen<br />
Ausgleichsprogrammen nach Maßgabe des Differenzprinzips unterwirft.“<br />
47 Der Sozialphilosoph Kersting wirft allen Egalitaristen vor, Gefangene<br />
eines analytisch-szientistischen Paradigmas zu sein: „Die Idee ist illusionär, einen<br />
selbstverantwortlichen abstrakten Persönlichkeitskern aus der Hülle seiner natürlichen<br />
und sozialen Vorgegebenheiten herauszuschälen.“ 48<br />
Die Kritik an der zu abstrakten, ungeschichtlichen und zu theoretischen Denkweise<br />
bei Rawls trifft aber nicht nur ihn, sondern auch eine herrschende Richtung innerhalb<br />
der katholischen Soziallehre, die sich nur hinter den bekannten Prinzipien der<br />
Solidarität, der Subsidiarität, der Personalität und des Gemeinwohls verschanzt, so<br />
daß hier eher eine Schnittmenge in der Kritik beider Positionen gegeben ist als ein<br />
Gegensatz. Allerdings ist die katholische Sozialethik im allgemeinen näher an den<br />
konkreten und praktischen Gerechtigkeitsfragen als die Anhänger Rawls'. Kersting<br />
kritisiert auch den Vorrang des Gleichheitsprinzips, das letztlich zur Egalität, zum<br />
„Egalitarismus“ und damit zur Zerstörung der individuellen Person führt. „Mit dem<br />
verhängnisvollen Argument von der moralischen Willkürlichkeit von Begabung,<br />
Charakter und Sozialisationsschicksal, der sich darauf stützenden Zurückweisung<br />
aller Verdienstlichkeit und dem überaus bedenklichen, totalitaristischen Assoziationen<br />
heraufbeschwörenden vom common asset, von der Allgemeinheit als dem<br />
idealen Gesamtbesitzer aller natürlichen und durch Erziehung erworbenen Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten der Individuen, hat Rawls selbst die Büchse der egalitaristi-