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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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soziale Gerechtigkeit im konkreten Einzelfall verlangt, läßt sich auch innerhalb<br />

sonst unterschiedlicher Soziallehren nicht definieren, falls man nicht den Extrempositionen<br />

des Individualismus (z.B. Robert Nozick) oder des egalitären Kollektivismus<br />

huldigt. Sutor resümiert aber mit Recht, daß bei den schwierigen bis unmöglichen<br />

Bestimmungen von Vor- und Nachteilen und Gerechtigkeit die Rawlssche<br />

Lehre im Zweifelsfall der Wahrung von Gleichheit den Vorrang einräumt, da<br />

das erste Prinzip dem zweiten, der Differenz, überlegen sein soll. Besteht aber auch<br />

in der katholischen Soziallehre nicht die Tendenz, im Zweifel die Subsidiarität und<br />

damit Freiheit und Ungleichheit der Solidarität und Gleichheit zu opfern? Alles<br />

dies dürfte kein substantieller Einwand gegen Rawls sein. Wo findet sich ein einleuchtenderes<br />

Kriterium für die in jeder freien Gesellschaft sich ergebende Ungleichheit,<br />

die ethisch gerechtfertigt werden muß, als die von Rawls?<br />

Man könnte auch dem kritisierten Utilitarismus Gerechtigkeit widerfahren lassen,<br />

da er trotz mangelnder Letztverbindlichkeit und -begründung für konkrete Entscheidungen<br />

durchaus Argumentationshilfen bietet, solange nicht eine Minderheit<br />

dem größeren Nutzen der Mehrheit geopfert wird. Daher urteilt der Münsteraner<br />

Sozialethiker Hermann-Josef Große Kracht: „In ihrer normativen Stoßrichtung<br />

zielt sie (Rawls' Theorie. Der Verf.) aber unübersehbar auf eine Stärkung des Sozialstaates<br />

und die Etablierung einer gesellschaftlichen Grundordnung, die den Zukurzgekommenen<br />

eine möglichst gute Mindestausstattung sichert. Insofern ist<br />

Rawls' Theorie der Gerechtigkeit unmittelbar anschlußfähig für eine christliche<br />

Gesellschaftsethik, die sich der biblischen ‚Option für die Armen’ verpflichtet<br />

weiß und von diesem starting point aus im Rahmen ausdifferenzierter Gegenwartsgesellschaften<br />

nach realisierbaren Reformperspektiven Ausschau hält.“ 31<br />

Interessant ist, daß der Hirtenbrief der katholischen Bischöfe in den USA „Wirtschaftliche<br />

Gerechtigkeit für alle“ von 1986 ohne ausdrückliche Benennung<br />

Grundgedanken von Rawls in den Text eingearbeitet hat. Der deutsche Kommentator<br />

des Hirtenschreibens, der Jesuit Friedhelm Hengsbach beschreibt das so: „Mir<br />

scheint, daß die Berührungspunkte zwischen dem wirtschaftsethischen Kernabschnitt<br />

des Hirtenbriefs und John Rawls, der versucht hat, eine bei den subjektiven<br />

Bedürfnissen und Interessen anknüpfende Ethik mit der an der Gerechtigkeit orientierten<br />

Vernunftethik zu kombinieren, nicht von der Hand zu weisen sind.“ 32<br />

Hengsbach zählt die Übereinstimmungen auf, vor allem den Gebrauch der Rawlsschen<br />

Verteilungskriterien und den Einsatz für eine Beteiligungsgerechtigkeit, wie<br />

sie diese unter anderem Namen auch Rawls verlangt.<br />

Noch deutlicher sieht der Erfurter Sozialethiker Michael Schramm die Möglichkeit<br />

und Notwendigkeit, die Verteilungsprinzipien von Rawls in die katholische Lehre<br />

einzubeziehen: „Als Paradigma einer sozialphilosophischen Rekonstruktion der<br />

biblischen Heuristik (d.h. die Option für die Armen. Der Verf.) kann das ‚Differenzprinzip’<br />

in der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls dienen.“ 33 Schramm<br />

beschreibt sehr genau die Anwendung des Differenzprinzips und bemißt danach<br />

die Vermögensverhältnisse in Deutschland, die zunächst damit in Einklang zu<br />

stehen scheinen. Aber man muß noch genauer hinsehen: „Welcher Anteil der empirisch<br />

zugelassenen Ungleichheiten hat tatsächlich Leistungsanreize freigesetzt,<br />

die zur Vergrößerung des wirtschaftlichen ‚Kuchens’ so beigetragen haben, daß<br />

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