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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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muß ergänzen: die unmittelbare Gleichsetzung von Moral und Recht, dem Guten<br />

und der Gerechtigkeit. Die Autorin fährt aber an derselben Stelle fort: „Dies bedeutet<br />

aber nicht das Ende der Metaphysik und des Naturrechts insgesamt, denn ‚jene<br />

Fragen, auf die es Antwort zu geben beansprucht hat, sind noch geblieben’. Ohne<br />

Metaphysik im Sinne der Lehre von den transzendenten Dingen und Dimensionen<br />

der Wirklichkeit und insbesondere des Menschen ist keine Ethik möglich, die sich<br />

nicht der Beliebigkeit aussetzen, sondern an Grundwerten orientieren will. Das<br />

eigentliche, auch stets gleichbleibende und heute auch noch berechtigte Grundanliegen<br />

des Naturrechts und der Metaphysik bleibt die ‚objektive Begründung einer<br />

sozialen Ordnung’, ihrer notwendigen Werte und Rechtsgüter (Institutionen).“<br />

Wenn man noch ein Weiteres bedenkt, wird die Nähe zu Rawls noch deutlicher.<br />

„Natur“ ist nicht einfach die vorgefundene Faktizität, weder die biologische noch<br />

die kulturelle, sondern es sind Unbeliebigkeitsstrukturen im Menschsein, die erst<br />

mit der praktischen Vernunft ausgelegt, gedeutet und als bindend erfaßt werden<br />

müssen. Die Vernunft ist nicht ein reines Ableseinstrument eines naturgegebenen<br />

Normenbestandes. „Sittliche Normen sind keine Eigenschaften der Natur ‚an sich’,<br />

sondern Resultate empirischer Erkenntnis, rationaler Urteilsbildung und diskursiv<br />

erzielter Willensübereinkunft. Nicht Normen sind in die Natur eingelassen, sondern<br />

die ethische Vernunft des Menschen, die über jene Normen zu befinden hat,<br />

die menschliches Leben in der Anerkennung seiner naturalen Regulative gelingen<br />

lassen. Es ist undelegierbare Aufgabe der Vernunft, jene Hinsichten zu bestimmen,<br />

unter denen es rational ist, das Naturale als normativ auszuzeichnen.“ 21<br />

Dieses Naturale ist nach dem Münchener Sozialethiker Wilhelm Korff sowohl das<br />

naturhaft Unbeliebige als auch das geschichtlich-kulturell „Unbeliebige“ 22 des<br />

Menschen, der immer zugleich Aggressor, Fürsorger und Bedürftiger ist; Johannes<br />

Messner würde es die Wirkweise der menschlichen Natur oder die „existentiellen<br />

Zwecke“ nennen. Die durch die Betonung der normativen Vernunft, der Person<br />

und der Geschichtlichkeit veränderte Naturrechtsauffassung ist auch in dem Gespräch<br />

mit Jürgen Habermas von dem damaligen Kardinal Josef Ratzinger, jetzt<br />

Papst Benedikt XVI., vertreten worden: „Die Idee des Naturrechts setzte einen<br />

Begriff von Natur voraus, in dem Natur und Vernunft ineinander greifen, die Natur<br />

selbst vernünftig ist. Diese Sicht von Natur ist mit dem Sieg der Evolutionstheorie<br />

zu Bruche gegangen. Die Natur als solche sei nicht vernünftig, auch wenn es in ihr<br />

vernünftiges Verhalten gibt: Das ist die Diagnose, die uns von dort gestellt wird<br />

und die heute weithin unwidersprechlich scheint. (...) Als letztes Element des Naturrechts,<br />

das im Tiefsten Vernunftrecht sein wollte, jedenfalls in der Neuzeit, sind<br />

die Menschenrechte stehengeblieben. Sie sind nicht verständlich ohne die Voraussetzung,<br />

daß der Mensch als Mensch, einfach durch seine Zugehörigkeit zur Spezies<br />

Mensch, Subjekt von Rechten ist, daß sein Sein selbst Werte und Normen in<br />

sich trägt, die zu finden, nicht zu erfinden sind. Vielleicht müßte heute die Lehre<br />

von den Menschenrechten um eine Lehre von den Menschenpflichten und den<br />

Grenzen des Menschen ergänzt werden, und das könnte nun doch die Frage erneuern<br />

helfen, ob es nicht eine Vernunft der Natur und so ein Vernunftrecht für den<br />

Menschen und sein Stehen in der Welt geben könnte. Ein solches Gespräch müßte<br />

heute interkulturell ausgelegt und angeleitet werden.“ 23<br />

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