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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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Hans Joachim Türk<br />

Die politische Philosophie von John Rawls<br />

und die Katholische Soziallehre<br />

In einer Einführung von einem der besten Interpreten des Werkes von John Rawls<br />

(1921-2002) ist 1993 zu lesen: „Wohl kein philosophisches Werk hat in diesem<br />

Jahrhundert so schnell so große Aufmerksamkeit erregt und eine so intensive und<br />

weitgespannte Diskussion ausgelöst wie dieses schwergewichtige Buch des Havard-Professors<br />

für Philosophie. Ohne das kleinste Zugeständnis an den philosophischen<br />

Laien trägt es mit größter systematischer Konzentration auf sechshundert<br />

Seiten die argumentativ dichteste und elaborierteste Theorie der politischen und<br />

sozialökonomischen Gerechtigkeit vor, die in der Geschichte der praktischen Philosophie<br />

bis heute entwickelt worden ist.“ 1<br />

Wolfgang Kersting stellt das Werk „A Theory of Justice“ 2 von 1971 in die Tradition<br />

von Platon, Aristoteles, Hobbes, Locke, Rousseau und Kant. Rawls hat sein<br />

ursprüngliches Werk mehrmals in Aufsätzen 3 und in einer veränderten Neuausgabe<br />

4 revidiert, weil er auf unterschiedliche Einwände aus der in Amerika eingesetzten<br />

Diskussion eingehen und einige Schwächen seiner bisherigen Argumentation<br />

beseitigen wollte. Es fällt auf, daß im Unterschied zur Rezeption und Diskussion<br />

der Theorien von Rawls in den USA und bald schon auch in Europa, zumal in<br />

Deutschland, die katholische Soziallehre sich nicht ausgiebig damit befaßt hat.<br />

Einer der wenigen, die dem Thema sich in eigenen Arbeiten widmen, ist Franz-<br />

Josef Bormann (auf einige andere wird später eingegangen): „Es ist ein ebenso<br />

erstaunliches wie bezeichnendes Faktum, daß innerhalb der seit nunmehr über drei<br />

Jahrzehnten äußerst intensiv und interdisziplinär geführten Debatte um Rawls'<br />

Fairneßkonzept nur wenige Beiträge aufzufinden sind, die aus dem Bereich der<br />

katholischen Soziallehre stammen. Die Situation scheint sich erst in jüngster Zeit<br />

dadurch zu verändern, daß sich eine wachsende Zahl von Theologen verstärkt für<br />

Rawls' Spätwerk, insbesondere für seine Überlegungen zur ‚öffentlichen Vernunft’<br />

und die Rolle religiöser Argumentationsmuster im Kontext der politischen Willensbildung<br />

pluralistischer Gesellschaften zu interessieren beginnt.<br />

Diese eigentümliche Zurückhaltung gegenüber einem kritischen Dialog mit der<br />

zweifellos einflußreichsten Gerechtigkeitstheorie des 20. Jahrhunderts erscheint<br />

sogar noch überraschender, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Thema der<br />

sozialen Gerechtigkeit einen prominenten Platz innerhalb der katholischen Soziallehre<br />

einnimmt, seitdem dieser Begriff im Jahre 1931 erstmalig in den offiziellen<br />

lehramtlichen Sprachgebrauch aufgenommen worden ist (in der Enzyklika<br />

„Quadragesimo anno“. Der Verf.).“ 5 Neben Bormann hat sich auch neuerdings der<br />

Theologe und Sozialwissenschaftler Elmar Nass ausführlicher als andere katholischen<br />

Sozialethiker mit den Beziehungen zwischen Rawls' Theorien und der katholischen<br />

Soziallehre beschäftigt. 6 Beide genannten Autoren sehen eher die Distanz<br />

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