DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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Reinhard Marx<br />
Für P. Edgar Nawroth OP zum 95. Geburtstag<br />
Lieber Pater Nawroth,<br />
wie gerne erinnere ich mich an unsere Begegnungen in der Kommende in Dortmund,<br />
dem Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn. Knapp zwei Jahre nach<br />
meiner Priesterweihe – ich war kaum 28 Jahre alt – schickte Erzbischof Degenhardt<br />
mich an dieses Institut und beauftragte mich, intensiv die Katholische<br />
Soziallehre zu studieren und auch eine Promotion zu beginnen. Ich muß<br />
zugeben, daß ich während meines Studiums kein besonderes Interesse für die<br />
Christliche Gesellschaftslehre entwickelt habe, wenn auch mein Sinn für das<br />
Politische immer sehr stark entwickelt war. Das lag sicher auch an meinem Elternhaus,<br />
insbesondere an meinem Vater, der auf einem Zementwerk als Schlossermeister<br />
arbeitete und gewerkschaftlich engagiert war. Insofern ergab es sich<br />
von selbst, daß er eher „links“ orientiert war und manche kirchliche Position<br />
kritisch beurteilte. Im Alter von zehn/elf Jahren hörte ich von ihm zum ersten<br />
Mal den Namen Oswald von Nell-Breuning. Er meinte, das sei einer der wenigen<br />
in der Kirche, der überhaupt etwas von der Arbeiterfrage verstanden habe.<br />
Aber als ich nach Dortmund kam, war doch vieles neu und die Soziallehre der<br />
Kirche, die mir in groben Zügen bekannt war, mußte nun in die aktuellen konkreten<br />
politischen Auseinandersetzungen hineingestellt werden. Die großen<br />
Prinzipien mußten sich bewähren. Ich fand mich also im politischgesellschaftlichen<br />
„Handgemenge“ wieder, das mir aber durchaus große Freude<br />
machte.<br />
Wie dankbar war und bin ich deshalb für die Menschen, die wie Sie, lieber Pater<br />
Nawroth, die gesamte Tradition der Katholischen Soziallehre im Blick hatten<br />
und sich nicht scheuten, immer wieder in die Tagesdiskussion einzusteigen. Ihre<br />
Vorträge und Diskussionsbeiträge waren geprägt durch ein klares Denken, eine<br />
scharfe Analyse im Horizont der Prinzipien der Soziallehre und ein nachvollziehbares<br />
sozialethisches Urteil. Ich habe Sie in der Diskussion mit Unternehmern<br />
und Gewerkschaftern erlebt: Sie machten immer auf alle Beteiligten einen<br />
großen überzeugenden Eindruck. Das gilt auch für Ihre Referate in unserem<br />
Arbeitskreis hoch angesehener Sozialwissenschaftler, der sich einmal im Jahr<br />
traf.<br />
Lieber Pater Nawroth, Sie stehen auch als Zeitzeuge einer großen und wichtigen<br />
Epoche der Katholischen Soziallehre in unserem Land vor mir. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg – und zum Teil auch schon während des Krieges – waren es Jesuiten<br />
und Dominikaner, die mitarbeiteten an Konzepten für ein zukunftsfähiges<br />
Deutschland. Vielen war klar: Nach einer solchen Katastrophe durfte es keinen<br />
Neuanfang ohne Umkehr geben. Es sollte ein Gemeinwesen aufgebaut werden,<br />
das die Freiheit des Menschen respektiert. Ein Staat sollte entstehen, der sich am