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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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Eine Grenze besonderer Art stellen die kulturell unterschiedlichen Antworten auf<br />

die Frage dar: „Wer spricht?“ Ist es diejenige Person, die primär von einem<br />

Problem betroffen ist, oder ist es jemand anderes, der im Namen dieser Person<br />

spricht? Handelt es sich um ein Kind oder einen dementiv veränderten Menschen,<br />

dann ist es auch in unserer westlichen Kultur selbstverständlich, daß die<br />

Eltern, der Ehepartner oder die erwachsenen Kinder die notwendigen Informationen<br />

geben. Oftmals werden Fachkräfte im Umgang mit Menschen aus anderen<br />

Kulturkreisen aber mit der Tatsache konfrontiert, daß der Ehemann für seine<br />

Frau oder der Vater für eines seiner erwachsenen Kinder spricht – und dies auch<br />

dann, wenn die Ehefrau und die erwachsenen Kinder durchaus über ausreichende<br />

Sprachkenntnisse verfügen. Besteht ein Dienstleister dann darauf, Informationen<br />

„aus erster Hand“ zu erhalten, kann Mißbilligung auf seiten dessen die Folge<br />

sein, dem traditionell das Recht zusteht, im Namen des anderen zu sprechen.<br />

Dies kann bis hin zum Abbruch einer helfenden Beziehung führen.<br />

V. Möglichkeiten „kultursensibler“ sozialer Dienstleistungen<br />

Angesichts der Schwierigkeiten, die daraus resultieren, daß kulturelle Besonderheiten<br />

gerade bei personenbezogenen Leistungen eine so große Rolle spielen,<br />

läge der Gedanke nahe, spezielle Programme für einzelne ethnische Gruppen zu<br />

entwickeln. Dies wäre, realistisch betrachtet, indessen nur in den – in der Regel<br />

städtischen – Regionen umsetzbar, in denen die Angehörigen einer bestimmten<br />

ethnischen Gruppe besonders zahlreich sind, etwa für Türken in Berlin oder<br />

Köln. Und selbst hier wäre es wohl nicht möglich, die ganze Bandbreite an<br />

Dienstleistungen anzubieten, die der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung<br />

stehen. Der wichtigste Grund, der gegen soziale Dienste spricht, die auf ethnische<br />

Gruppen spezialisiert sind, ist allerdings nicht logistischer Art. Es geht um<br />

Grundsätzliches. Es ist nämlich davon auszugehen, daß so konzipierte Dienste in<br />

den Städten, die sich ja gerade als „Orte der Integration“ verstehen 20 , soziale<br />

Segregation verstärken. Natürlich zeigen die Erfahrungen in multiethnischen<br />

Gesellschaften wie den USA, Kanada oder Australien, daß es immer ein gewisses<br />

Maß an ethnischer Segregation gibt. Schließlich wird diese von bestimmten<br />

Gruppen sogar angestrebt, um die kulturelle Identität zu bewahren.<br />

Was Deutschland anbelangt, so nimmt hier die kulturelle Vielfalt zweifellos zu,<br />

doch gibt es immer noch so etwas wie eine dominante Kultur. Sich von dieser<br />

Kultur dadurch auszuschließen, daß man sich in einer Parallelgesellschaft einrichtet,<br />

würde aber unter Umständen auch die Erreichung der Ziele verhindern,<br />

deretwegen die Zuwanderer in unser Land gekommen sind. Zum anderen würde<br />

dadurch die Gefahr von Spannungen und Konflikten wachsen, und dies nicht nur<br />

zwischen Zuwanderern und Einheimischen, sondern auch, was bislang noch<br />

kaum bedacht wurde, zwischen kulturell unterschiedlich geprägten Gruppen von<br />

Zuwanderern. Aus diesem Grunde sollte der Sozialstaat, der die Rahmenbedingungen<br />

für die Tätigkeit sozialer Dienste setzt, soziale Segregation nicht dadurch<br />

fördern, daß er spezifische soziale Dienstleistungen für ethnische Gruppen vorsieht.<br />

Zumindest sollten solche Dienstleistungen nicht die Regel sein. Anders<br />

sieht es aus bei Einrichtungen der Altenhilfe. Hier können kulturspezifisch aus-<br />

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