DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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zung durch Sozialarbeiter, Psychologen, Erziehungsexperten und Eheberatern.<br />
Gewiß ist die Ausweitung sozialer Dienstleistungen zunächst einmal durch die<br />
von den Menschen empfundenen Problemlagen und die dadurch entstehende<br />
Nachfrage bestimmt. Allerdings ist bei einem bestimmten Grad des Ausbaus von<br />
sozialen Diensten auch davon auszugehen, daß die vorhandenen Angebote wiederum<br />
ihre eigene Nachfrage erzeugen.<br />
432<br />
II. Charakteristika sozialer Dienstleistungen<br />
Soziale Dienstleistungen stellen eine Untergruppe personenbezogener Dienstleistungen<br />
dar. Von personenbezogenen Dienstleistungen sprechen wir, wenn Leistungen<br />
an einem konkreten Menschen vorgenommen werden. In diesem Sinne<br />
umfassen personenbezogene Dienstleistungen vergleichsweise einfache Handlungen<br />
wie ein Haarschnitt und so komplexe Phänomene wie die Versorgung<br />
eines Menschen, der einen Schlaganfall erlitten hat. Wird eine personenbezogene<br />
Leistung im Rahmen eines sozialstaatlichen Programms erbracht, was in der<br />
Regel bedeutet, daß damit eine beim Adressaten vorhandene Problemlage behoben<br />
oder zumindest abgemildert werden soll, handelt es sich im üblichen Verständnis<br />
um eine soziale Dienstleistung.<br />
Soziale Dienstleistungen sind wie personenbezogene Dienstleistungen generell<br />
vor allem durch drei Merkmale gekennzeichnet. Zunächst einmal gilt das unoactu-Prinzip.<br />
Das heißt, daß die Erbringung („Produktion“) der Leistung und<br />
deren Inanspruchnahme („Konsumtion“) zeitlich und gewöhnlich auch räumlich<br />
zusammenfallen. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen. Zu denken ist etwa an<br />
Beratungsleistungen per E-Mail – eine gewiß recht beschränkte Form angesichts<br />
der Problemlagen, um die es im Rahmen von Beratung im allgemeinen geht.<br />
Weiterhin ist die erfolgreiche Erbringung der Dienstleistung von der Fähigkeit<br />
und Bereitschaft des Adressaten zur Mitwirkung abhängig. Wer an einer<br />
schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet, muß die Anweisungen<br />
des Pflegepersonals befolgen, und wer beraten werden möchte, muß auch für<br />
ihn unangenehme Fragen zu seiner Situation beantworten. In der Sprache der<br />
Dienstleistungsökonomie ist in diesem Zusammenhang von der Integration des<br />
externen Faktors die Rede oder davon, daß der „Konsument“ einer Leistung bis<br />
zu einem gewissen Grad immer auch „Koproduzent“ sein muß. Hier können, wie<br />
noch zu zeigen sein wird, Probleme entstehen, wenn Adressaten der deutschen<br />
Sprache nicht mächtig sind oder wenn sie aus einem Kulturkreis kommen, in<br />
dem andere Vorstellungen vom Verhältnis zwischen öffentlich und privat oder<br />
von der gesellschaftlichen Stellung der Geschlechter herrschen.<br />
Schließlich gehört es zur Eigenart der meisten Dienstleistungen, daß ihre Qualität,<br />
anders als bei materiellen Gütern, nicht im vorhinein beurteilt werden kann. 5<br />
Ob die physischen, psychischen oder sozialen Probleme und Defizite des Adressaten<br />
tatsächlich verringert oder seine Perspektiven sogar nachhaltig verbessert<br />
wurden, läßt sich erst feststellen, nachdem die Leistung erbracht worden ist.<br />
Oftmals ist es auch nicht einmal dann möglich, und es bleibt dem Adressaten<br />
und seinen Angehörigen nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, daß nach