HUGENOTTEN - Reformiert online
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„Paddenschlucker“ und „Bohnenfresser“<br />
Berliner Hugenotten und die Nahrungsmittel<br />
von Charlotte Guiard<br />
Ende des 17. Jahrhunderts fanden etwa 20.000 Hugenotten Zuflucht in<br />
Brandenburg-Preußen, davon etwa 5.000 in Berlin. Ihr großer Einfluss auf<br />
den Berliner Alltag wurde durch zwei Besonderheiten unterstützt: Die<br />
Gruppe der Flüchtlinge machte zeitweise 25 % der Berliner Bevölkerung<br />
aus und sie war durch die Flucht ganzer Gemeinden sehr vielschichtig. Der<br />
Kontakt zwischen Berlinern und Fremden war notwendigerweise intensiv<br />
und es entstanden Bräuche und Traditionen, die noch heute zu entdecken<br />
sind.<br />
1. Nahrungsmittelproduktion<br />
1.1 Landwirtschaft und Gartenbau<br />
Die brachliegenden, fruchtbaren Flächen um Berlin boten den Réfugiés viel<br />
Raum zum Anbau neuer Kulturen und zur Anlage von Gärten. Die Hugenotten<br />
ließen Saatgut, Setzlinge und junge Bäume aus ihrer Heimat kommen<br />
und veredelten einheimische Pflanzen. Sie bauten Treibhäuser und<br />
legten Früh- und Mistbeete an. 1 Dadurch gab es das ganze Jahr über die<br />
erstaunlichsten Früchte, sogar Orangen und Zitronen.<br />
Die Blumenpracht in den hugenottischen Gärten überraschte die Deutschen.<br />
„Manche besaßen das Geheimnis, das jetzt verloren ist, einfache<br />
Blumen zu doppeln, zu federn und sie verschieden zu färben.” 2 Durch<br />
Kreuzen, Pfropfen und Veredeln züchteten die französischen Gärtner die<br />
herrlichsten Pflanzen. 3<br />
Die Gärten wurden nicht nur Ziel sonntäglicher Spaziergänge, sondern<br />
dienten mit ihren Früchten gleichzeitig der guten Küche. Zunächst versorgten<br />
sie die Réfugiés, deren Hauptspeisen Gemüsesuppen und Salate<br />
waren, mit den ihnen vertrauten Nahrungsmitteln. Den Berlinern fiel schnell<br />
auf, dass die Réfugiés mehr und andere Gemüse aßen als sie selbst und<br />
sie belegten die französischen Glaubensflüchtlinge mit dem Spottnamen<br />
1 Vgl. Edouard MURET: Geschichte der französischen Kolonie in Brandenburg-Preußen<br />
und Potsdam, Berlin 1885, S. 50.<br />
2 Karl MANOURY: Die Hugenotten und das Wirtschaftsleben in Berlin-Brandenburg, in: Die<br />
Hugenottenkirche, 1967, Jg. 20, Nr. 3, S. 10.<br />
3 Vgl. Helmut ERBE: Die Hugenotten in Deutschland, Essen 1937, S. 85.<br />
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