HUGENOTTEN - Reformiert online
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Kollektenreise nach England. Das damals für Offenbach eingesammelte Geld diente als Grundstock zum Bau einer Lateinschule. Dieser bemerkenswerte Pfarrer sorgte dafür, dass die Brüder Jean und der 14-jährige Anthoine Privat Geräte für ihr erlerntes Handwerk, der Strumpfwirkerei, bauen konnten und brachte sie wahrscheinlich bei einer Familie Vielles unter. Anthoine fand später in Friedrichsdorf seine Heimat und war einer meiner Vorfahren, Jean hingegen heiratete am 6.10.1709 die Witwe Jeanne Vielles/Borguet, deren Mann im April 1708 gestorben war, obwohl diese, 1663 geboren, 17 Jahre älter war und ihm mit 46 Jahren keine Kinder mehr schenken konnte. Es war wohl eine Heirat aus Dankbarkeit für die Aufnahme. Jeanne Borguet-Privat, die aus der Provinz Cevennes stammte, starb am 20.7.1728 in Offenbach im Alter von 65 Jahren. Zu ihrer Eheschließung blieb folgender Eintrag erhalten im Livre des marriages (Register der Eheschließungen): „Am Sonntag, den 6. Oktober 1709, nach Veröffentlichung des Aufgebots ohne Einspruch an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen und der übrigen ordnungsgemäßen Bestimmungen wurde während meiner Reise nach Holland öffentlich gesegnet durch Herrn Jordan, Pfarrer in Homburg, die Ehe von Jean Privat, Strumpfwarenweber und der Jeanne Borguet, Witwe des verstorbenen Herrn Jean Vielles, Strumpfwarenherstellermeister, sowie eines meiner Ältesten, alle dieser Kirche angehörig. Le Fevre, Pfarrer und Arzt“∗ Offenbach war seit 1685 Residenzstadt, hatte aber 1699 nur rund 600 Einwohner, in der Hauptsache Fischer und Bauern. Graf Johann Philipp zu Ysenburg und Büdingen verfügte die Einbürgerung von hugenottischen Flüchtlingen, so dass sich die Einwohnerzahl schnell um 120 erhöhte. Sie brachten gute handwerkliche Fähigkeiten mit, die dem alten, schon 977 urkundlich erwähnten Flecken eine deutliche Belebung und Wohlstand brachten. Die Hugenotten gründeten 1699 eine französisch-reformierte Gemeinde, die heute noch lebt und im vorletzten Jahr das 300-jährige Bestehen feierte. ∗ „Le Dimanche 6 e Jour du moi d´octobre 1709, après la publication des bans faitte sans opposition par trois dimanches consécutivs et les autres formalités ordinaires a esté publiquement beni pendant mon voyage de Hollande par M. Jordan Pasteur de Hombourg, le marriage de Jean Privat Fabriquant de bas au metier, et de Jeanne Borguet, veuve de feu se Jean Vielles, M re manufacteur de bas, et l´un de mes ancien, tous membres de cette église. Le Fevre, Pasteur et Docteur“ 20
Vermutlich war Jean Privat nicht bei den Gründervätern, denn er hielt wohl lange seinem Gönner, Pfarrer Bröske, die Treue in dessen Landeskirche. Dann aber taucht er in den Kirchenbüchern der Französisch-Reformierten auf als Ältester, bzw. Presbyter, und zwar von 1711-1717, 1725-1728, 1732-1738 und 1742 bis zu seinem Tod in 1760. Ganz sicher war er im Kirchenvorstand der Hugenottengemeinde bei den Planern, Finanzierern und Bauausführern der 1716/17 entstandenen kleinen Hugenotten- Abendmahlskelche der Französisch- Reformierten Gemeinde Offenbach. kirche in Offenbach, die heute samt dem Pfarr- und Gemeindehaus in der Herrnstraße 66 unter Denkmalschutz stehen. Jean Privat wird als Strumpffabrikant bezeichnet und dürfte im Laufe der Jahre zu Wohlstand gelangt sein. Leider fand ich keine Hinweise auf Kontakte zu seinen zehn Geschwistern. In zweiter Ehe heiratete er am 8.3.1736 die 1713 geborene Renée Pomarede, deren Eltern aus der Provinz Dauphiné stammten. Von ihr hatte er vier Söhne und vier Töchter. Bevor jedoch ihr erstes Kind, ein Mädchen, am 21.2.1737 zur Weit kam, machte Renées Mutter, die Witwe Melle Magdelaine Pomarede, geborene Giraud, der neuen Kirche eine Schenkung in Form zweier Abendmahlskelche (siehe Foto). Am Sockel der beiden Kelche findet sich folgende Eingravierung: Magdelaine Pomerede-Giraud, 1736 In der vom „ancien" Jean Privat verfassten französischsprachigen Schenkungsurkunde lautet es übersetzt: „Jean Privat Dienstag, 6. Dezember 1736 Die Konsistoriumsgesellschaft, Versammlung für den Besitz und die Angelegenheiten der Kirche, der Erneuerung im Namen Gottes werden diese beiden vergoldeten Silberkelche von Melle Magdelaine, Witwe Pomarede, geborene Giraud, nächsten Sonntag unserer Kirche übergeben, um daraus das Heilige Abendmahl zu geben. Man soll sie weder verpfänden, noch verkaufen, noch austauschen. 21
- Seite 1 und 2: HUGENOTTEN 65. Jahrgang Nr. 1 / 200
- Seite 3 und 4: „Paddenschlucker“ und „Bohnen
- Seite 5 und 6: Mit den neuen Erzeugnissen wurden o
- Seite 7 und 8: Verbrauchs im Lande abgedeckt wurde
- Seite 9 und 10: die Hugenottenwitwe Conte die Erlau
- Seite 11 und 12: An die Eigenart der Réfugiés, Fro
- Seite 13 und 14: Die Bierbrauer stellten im Nebenerw
- Seite 15 und 16: ungenießbaren Früchten der Apfelb
- Seite 17 und 18: wurden sie über dem offenen Feuer
- Seite 19: Jean Privat, Anführer der elf Flü
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Vermutlich war Jean Privat<br />
nicht bei den Gründervätern,<br />
denn er hielt wohl lange seinem<br />
Gönner, Pfarrer Bröske,<br />
die Treue in dessen Landeskirche.<br />
Dann aber taucht er in<br />
den Kirchenbüchern der<br />
Französisch-<strong>Reformiert</strong>en auf<br />
als Ältester, bzw. Presbyter,<br />
und zwar von 1711-1717,<br />
1725-1728, 1732-1738 und<br />
1742 bis zu seinem Tod in<br />
1760.<br />
Ganz sicher war er im Kirchenvorstand<br />
der Hugenottengemeinde<br />
bei den Planern,<br />
Finanzierern und Bauausführern<br />
der 1716/17 entstandenen<br />
kleinen Hugenotten-<br />
Abendmahlskelche der Französisch-<br />
<strong>Reformiert</strong>en Gemeinde Offenbach.<br />
kirche in Offenbach, die heute samt dem Pfarr- und Gemeindehaus in der<br />
Herrnstraße 66 unter Denkmalschutz stehen.<br />
Jean Privat wird als Strumpffabrikant bezeichnet und dürfte im Laufe der<br />
Jahre zu Wohlstand gelangt sein. Leider fand ich keine Hinweise auf Kontakte<br />
zu seinen zehn Geschwistern.<br />
In zweiter Ehe heiratete er am 8.3.1736 die 1713 geborene Renée Pomarede,<br />
deren Eltern aus der Provinz Dauphiné stammten. Von ihr hatte er<br />
vier Söhne und vier Töchter. Bevor jedoch ihr erstes Kind, ein Mädchen,<br />
am 21.2.1737 zur Weit kam, machte Renées Mutter, die Witwe Melle Magdelaine<br />
Pomarede, geborene Giraud, der neuen Kirche eine Schenkung in<br />
Form zweier Abendmahlskelche (siehe Foto). Am Sockel der beiden Kelche<br />
findet sich folgende Eingravierung: Magdelaine Pomerede-Giraud,<br />
1736<br />
In der vom „ancien" Jean Privat verfassten französischsprachigen Schenkungsurkunde<br />
lautet es übersetzt:<br />
„Jean Privat<br />
Dienstag, 6. Dezember 1736 Die Konsistoriumsgesellschaft, Versammlung<br />
für den Besitz und die Angelegenheiten der Kirche, der Erneuerung im<br />
Namen Gottes werden diese beiden vergoldeten Silberkelche von Melle<br />
Magdelaine, Witwe Pomarede, geborene Giraud, nächsten Sonntag unserer<br />
Kirche übergeben, um daraus das Heilige Abendmahl zu geben. Man<br />
soll sie weder verpfänden, noch verkaufen, noch austauschen.<br />
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