HUGENOTTEN - Reformiert online

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03.03.2013 Aufrufe

12 Annonce in der Zeitschrift „Die Französische Kolonie“ das sie „Champagner [sic!] du Nord” (Champagner des Nordens) nannten. 39 Dieses neue Bier löste Skepsis bei den Berliner Brauern aus. So vermuteten sie, dass das Bier „... mit Ochsen-Galle bitter, und mit Sodt aus dem Schornstein schwartzbraun gemacht würde, ...” 40 Den nachhaltigsten Einfluss auf die Berliner Brauereitradition hatte die Familie Landré. Das Geschäft florierte und wurde stetig vergrößert. Die Landréstraße in Berlin- Kaulsdorf erinnert noch heute an die erfolgreiche Brauerfamilie. Eine besondere Spezialität der Réfugiés war die „Berliner Weiße”. Sie ist heute ein traditionelles Berliner Weizenbier. Bei der Herstellung werden Gersten- oder Weizenmalz nicht nur mit Hefe, sondern auch mit Milchsäurebakterien vergoren. Die „Weiße” wird mit und ohne Hefe ausgeschenkt. Üblich ist es, Waldmeister- oder Himbeersirup unterzumischen. 41 Eine weitere Besonderheit ist die „Champagnerweiße”, ein gut ausgegorenes Weißbier ohne Heferückstände. Die Champagnerflaschen, in denen das Bier früher gezogen wurde, gaben ihm seinen Namen. 42 39 Vgl. Gerhard FISCHER: Die Hugenotten in Berlin, 1988, S. 38. 40 SCHULZ-BESSE S. 28; Zitat aus: Marperger, Paul Jacob: Vollständiges Küch- und Keller- Dictionarium, 1716. 41 Vgl. Ivo LANDRÉ: Die Weißbierbrauereien der Familie Landré in Berlin, in: Hugenotten, 62. Jg., Nr. 3, 1998, S. 89. 42 Vgl. WILKE, 1988, S. 414.

Die Bierbrauer stellten im Nebenerwerb oft Schnaps oder Fusel her. In Brandenburg-Preußen wurde er vorwiegend aus Getreide gebrannt. Die Réfugiés kannten bereits Liköre, Lebenswasser und Branntwein. Es entstanden eigenständige Brennereien. Im Nachhinein kam oft ein Getreidehandel hinzu. Claude und George werden in verschiedenen Quellen als erfolgreichste französische Brenner genannt. 43 Sie belieferten Apotheker, Destillateure und Aquavitmacher. 44 Diese mischten dem reinen Kornsprit verschiedene Ingredienzen wie Anis, Wacholder oder Kümmel bei, so dass die Vielfalt der Schnäpse rasch wuchs. Der Branntweinkonsum überstieg bald den des Bieres. 45 Auch Import und Imitation von hochprozentigen Alkoholen, wie Rum und Arrak, stiegen an. Außerdem trugen die Réfugiés bedeutend zur Verbreitung der französischen Weine in Brandenburg-Preußen bei. Bis dahin wurde in Brandenburg-Preußen wenig Wein getrunken und wenn, dann waren es Rheinweine oder die Weine aus Potsdam und Werder, die den Franzosen nicht schmeckten. So nutzten sie ihre Beziehungen in die Heimat und bauten den Weinhandel aus. Nach und nach verdrängten die französischen Importe die teureren deutschen, ungarischen und spanischen Weine. Von Frankreich gelangte der Wein über den Seeweg nach Stettin und von dort aus nach Berlin und in andere Gegenden Brandenburg-Preußens. So konnten die auf dem Landwege anfallenden Zölle umgangen werden. Der französische Apotheker Antoine Palmié gilt als der Erste, der nebenher einen Weinhandel betrieb. Das Geschäft lief gut, so dass sein Neffe die Apotheke später aufgeben konnte. 46 Neben den verschiedenen alkoholischen Getränken fanden Kaffee, Tee, Schokolade und Limonade durch die Réfugiés Verbreitung in Brandenburg- Preußen. Kaffee war als Importware sehr teuer. „Das Jahresgehalt eines Pastors betrug damals 200-300 Pfund Kaffee.” 47 Dennoch gehörte Kaffee zum Alltag, allerdings nicht in den heutigen Mengen. Die Kaffeetassen für den allmorgendlichen Schluck waren sehr klein. Manoury zitiert in seinen Ausführungen einen Brief des Arztes Formey. Dieser schreibt zu den Zeremonien rund um den Kaffee: „Indes ist der Genuß des Bieres doch weniger allgemein als der des Kaffees. Vom vornehmen Manne bis zum Bettler trinkt alles wenigstens einmal am Tage Kaffee. Die Kinder werden von früher Jugend so daran gewöhnt, daß sich in der Folge auch der ärmste Mann 43 Vgl. Hugo RACHEL: Das Berliner Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, Berlin 1931, S. 70 und vgl. ERMAN & RECLAM, 1786, Bd. VI, S. 72-75. 44 Aquavit: aqua – Wasser; vita – Leben. 45 Vgl. MANOURY, 1966, Jg. 19, Nr. 2, S. 5/6. 46 Vgl. ERMAN & RECLAM, 1786, Bd. VI, S. 98-111. 47 MANOURY, 1966, Jg. 19, Nr. 7, S. 35. 13

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Annonce in der Zeitschrift<br />

„Die Französische Kolonie“<br />

das sie „Champagner [sic!]<br />

du Nord” (Champagner<br />

des Nordens) nannten. 39<br />

Dieses neue Bier löste<br />

Skepsis bei den Berliner<br />

Brauern aus. So vermuteten<br />

sie, dass das Bier „...<br />

mit Ochsen-Galle bitter,<br />

und mit Sodt aus dem<br />

Schornstein schwartzbraun<br />

gemacht würde,<br />

...” 40<br />

Den nachhaltigsten Einfluss<br />

auf die Berliner<br />

Brauereitradition hatte die<br />

Familie Landré. Das Geschäft<br />

florierte und wurde<br />

stetig vergrößert. Die<br />

Landréstraße in Berlin-<br />

Kaulsdorf erinnert noch<br />

heute an die erfolgreiche<br />

Brauerfamilie.<br />

Eine besondere Spezialität<br />

der Réfugiés war die „Berliner<br />

Weiße”. Sie ist heute<br />

ein traditionelles Berliner<br />

Weizenbier. Bei der Herstellung<br />

werden Gersten-<br />

oder Weizenmalz nicht nur<br />

mit Hefe, sondern auch<br />

mit Milchsäurebakterien vergoren. Die „Weiße” wird mit und ohne Hefe<br />

ausgeschenkt. Üblich ist es, Waldmeister- oder Himbeersirup unterzumischen.<br />

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Eine weitere Besonderheit ist die „Champagnerweiße”, ein gut ausgegorenes<br />

Weißbier ohne Heferückstände. Die Champagnerflaschen, in denen<br />

das Bier früher gezogen wurde, gaben ihm seinen Namen. 42<br />

39 Vgl. Gerhard FISCHER: Die Hugenotten in Berlin, 1988, S. 38.<br />

40 SCHULZ-BESSE S. 28; Zitat aus: Marperger, Paul Jacob: Vollständiges Küch- und Keller-<br />

Dictionarium, 1716.<br />

41 Vgl. Ivo LANDRÉ: Die Weißbierbrauereien der Familie Landré in Berlin, in: Hugenotten,<br />

62. Jg., Nr. 3, 1998, S. 89.<br />

42 Vgl. WILKE, 1988, S. 414.

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