EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas
EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas
EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kirchner: unversöhnt – ‘BRÜCKE’ versöhnt<br />
„Was habe ich mit Munch zu schaffen“, so Kirchners<br />
heftige Abwehr. Sie haben sich nur einmal gesehen.<br />
Kein Brief, kein Gruß fand den Weg nach Oslo – und<br />
doch war ihm der ferne Norweger ein Stachel im<br />
Fleische, ein Konkurrent, den er niederkämpfen musste.<br />
Unversöhnt mit Munch starb Kirchner 1938. Es findet<br />
sich keine Zeile, mit der Kirchner seine ablehnende<br />
Haltung gegenüber dem Mann, der einsam wie er<br />
selbst durchs Leben schritt, geändert hätte.<br />
Menschlich anders verhielten sich später zwei ‘aktive<br />
Brücke-Mitglieder’ der Dresdner und Berliner Jahre.<br />
Max Pechstein schrieb in seinen ‘Erinnerungen’: „Dem<br />
braven, in ausgetretenen Bahnen wandelnder Spießer<br />
waren wir willkommene Objekte zum Belachen und<br />
Verspotten. Aber das beirrte uns nicht. Stolz fühlten wir<br />
uns als Träger einer Mission, dem Holländer van Gogh,<br />
dem Norweger Edvard Munch in der Kunst verwandt.“ 61<br />
Und Erich Heckel sandte am 12. Dezember 1938<br />
dem unnahbaren, einsamen Mann auf Gut Ekely einen<br />
Gruß: „Heute an Ihrem 75. Geburtstag gedenke ich<br />
Ihrer mit meinen herzlichen Wünschen für Sie und Ihr<br />
Werk, das in seiner Intensität und Menschlichkeit mir<br />
immer bewundernswert und bedeutungsvoll sein wird.<br />
In Verehrung Ihr Erich Heckel.“ Das ist nobel. Heckel<br />
war ein anderer Charakter als Kirchner. Bei ihm enden<br />
Streit und Verletzung.<br />
Was Erich Heckel schrieb, mag das richtige Wort sein<br />
zum Thema: Edvard Munch und die Maler der Brücke.<br />
Ein Wort, zu dem Ernst Ludwig Kirchner nicht fand.<br />
Nachtrag<br />
Eine große menschliche Gemeinsamkeit – das klang<br />
an – verbindet Ernst Ludwig Kirchner und Edvard<br />
Munch. Beide führen mit ihrem Leben den Nachweis:<br />
Die Kunst kann einen so intensiven Anspruch ausüben,<br />
dass daneben jede andere Bindung zurücktreten muss.<br />
Munch hielt diese Ausschließlichkeit in einer Skizzenbuchnotiz<br />
fest: „... ich ging allein, alleine ... wie ich<br />
im Grunde immer gewesen bin.“ 62<br />
1913/14 schrieb er: „... meine Kunst [hat] mich mein<br />
ganzes Leben hindurch völlig in Anspruch genommen<br />
... meine Kunst fordert meine ganze Kraft.“ 63 Und<br />
71<br />
am 14. April 1933 fasste er zusammen: „Mein Leben,<br />
das ich in den zurückliegenden vierzig Jahren der Kunst<br />
geweiht habe, verlief wie ein Ritt auf einem wilden<br />
Pferd. Bei dem wilden Ritt hat der Reiter viele Früchte<br />
aus den Kronen der Bäume gepflückt – und er hatte<br />
den Blick auf ungewöhnliche, außerordentliche Landschaften.<br />
Nun sehe ich zurück, sehe, was ich durch<br />
den wilden Ritt niedergerissen habe. 64 Schließlich<br />
schrieb er am 10. Januar 1934, zehn Jahre vor seinem<br />
Tode: „Ich lebe gänzlich wie ein Eremit.“ 65<br />
Gleiches gilt für Ernst Ludwig Kirchner. Auch er vertraute<br />
seinem Skizzenbuch an: „Die Kunst ist meine einzige<br />
Geliebte. Ich blieb ihr treu. Deshalb hat auch sie mich<br />
nie verlassen.“ 66 1919 äußert er sich im Katalog einer<br />
Ausstellung: „Meine Arbeit kommt aus der Sehnsucht<br />
nach Einsamkeit. Ich war immer allein, je mehr ich<br />
unter Menschen kam, fühlte ich meine Einsamkeit, ausgestoßen,<br />
trotzdem mich niemand ausstieß ... Das<br />
reine Wollen macht einsam ... Das ist der Grund der<br />
Einsamkeit, daß ich immer weiter mußte. Ich fühlte alle<br />
Leiden, alle Freuden. Die Welt ist so reich, wie wenig<br />
konnte ich aus ihr schaffen, wie wenig helfen. Ich<br />
durfte nie angehören, ich bin heimatlos. Nichts<br />
blieb mir am Ende, als allein die Einsamkeit und<br />
die Sehnsucht nach weiter.“ 67<br />
Munch zog sich in die Einsamkeit seines Gutes Ekely<br />
zurück, blieb unauffindbar in seinen dreiundvierzig<br />
Ateliers rund um den nördlichen Oslofjord; Kirchner<br />
suchte die Abgeschiedenheit des Landwassertales in<br />
den Bergen nahe Davos, ganz fixiert auf sich und<br />
seine künstlerische Arbeit.<br />
Beiden ist eigen, daß sie die Einsamkeit suchten,<br />
an ihr litten, sie ertrugen und so jene Kräfte fanden,<br />
die ihr Werk bestimmen.<br />
Für Ruth Kainen und Sarah Epstein