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EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas

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sehr weich und salonglatt, Munch sehr flau und<br />

schlecht ... Munch wird in seinem Alter ganz naturalistisch<br />

und sehr roh und gefühllos in der Farbe. Es ist<br />

traurig, das zu sehen.“ 40 Kaum, daß er dieses vernichtende<br />

Urteil über Munch abgegeben hat, spricht er von<br />

sich selbst. Er sei nach dem Besuch der Ausstellung<br />

„sehr froh, sehr sicher und selbstbewußt wieder an<br />

[seine] eigene Arbeit gegangen“.<br />

Den Hintergrund für ein so maßloses Verhalten liefert<br />

er 1927: „Wenn Sie Munch erwähnen, wäre es gut,<br />

den Unterschied zwischen seinem und meinem<br />

Schaffen etwas schärfer zu präzisieren ... Munchs<br />

Bilder schildern doch Seelenzustände während meine<br />

menschliche Grundwahrheiten geben. Und das<br />

Wichtigste, die Mittel, sind doch ganz andere.“ 41<br />

Der Hieb war unübersehbar und er sollte treffen. Nur wenige<br />

Tage später bat Kirchner Schiefler um Rat. Es ging<br />

um die Festsetzung von Preisen für druckgraphische Blätter.<br />

Der Dresdner Galerist Ludwig Gutbier 42 hatte 50.–<br />

bis 80.– Mark vorgeschlagen und die Preisgestaltung begründet<br />

mit dem Hinweis: „Munch hätte auch keine höheren<br />

Preise!“ Kirchner reagierte heftig und schrieb: „Mir ist<br />

ziemlich Wurst, was Herr Munch verlangt .“ 43<br />

Es sind Kleinigkeiten, die Kirchners Zorn hervorrufen:<br />

1927 gab Gustav Schiefler in der Gesellschaft der<br />

Bücherfreunde Hamburg die Broschüre ‘Meine Graphik-<br />

Sammlung’ heraus. Edvard Munch wird in drei eigenen<br />

Kapiteln behandelt; Kirchner unter ‘Die Künstler der<br />

Brücke’ subsummiert. Das ist in seinen Augen eine<br />

Provokation, denn Schiefler wusste, daß Kirchner sich<br />

schon lange von der Künstlergruppe losgesagt hatte.<br />

Dann kommt Schiefler schließlich auf Seite 60 doch<br />

noch unter der Überschrift ‘Die Jahre nach 1914’ auf<br />

Kirchner zu sprechen: „Seit 1914 trat Ernst Ludwig<br />

Kirchner als ausgezeichneter Künstler innerhalb meines<br />

Blickkreises ...Gegen Ende 1916 bat er, ..., ich möchte<br />

ihm für eine Publikation ... eine Würdigung seiner<br />

Graphik schreiben und schickte mir zu diesen Zwecke<br />

eine dicke Mappe, die gleichsam die Quintessenz des<br />

von ihm Geschaffenen enthielt. Die Durchsicht dieses<br />

Querschnitts durch sein graphisches Werk festigte in<br />

mir die Gewißheit seiner überragenden Bedeutung, ...<br />

und so steht mein Besitz an Kirchnerscher Graphik<br />

neben der Munchs zahlenmäßig und an Bedeutung<br />

an erster Stelle.“ (S. 64)<br />

68<br />

Der letzte Hinweis mag Kirchner ein wenig versöhnt<br />

haben. Ein wenig!<br />

Dann aber kam 1928 die Gelegenheit, erneut den<br />

Primat einzufordern – und Kirchner wäre nicht Kirchner,<br />

wenn er sie ungenutzt verstreichen ließe: Schiefler hatte<br />

den 2. Band des Werkverzeichnisses von Munchs<br />

Druckgraphik herausgegeben. Am 29. Juli 1928 fragt<br />

er bei Kirchner an: „Ich bin neugierig zu hören, was<br />

Sie zu dem Munch-Bande sagen.“ 44<br />

Kirchner antwortet zwei Tage später: „Lieber Herr<br />

Direktor, herzlichen Dank für Ihre frdl. Zeilen und den<br />

Munchkatalog. Ich vermißte leider die Widmung, die<br />

Sie sonst in die Bücher schrieben, die ich von Ihnen<br />

habe. Die Ausstattung des Buches ist recht gut, und hat<br />

der Verlag von meinem 45 recht viel gelernt im guten<br />

Sinne, nur der Deckel sieht langweilig aus und paßt<br />

nicht recht. Die späten Lithos von Munch sind recht glatt<br />

und die Porträts photographisch. Aber wenn einer diesen<br />

gesellschaftlichen Weg in der Kunst machen will,<br />

muß er wohl so arbeiten, sonst wird er eben nicht<br />

angenommen. Der erste Band ist mir trotz der ärmeren<br />

Ausstattung lieber, weil er stärker ist künstlerisch. Die<br />

Form ist bei Munch im Alter zerflossen. Er hat eigentlich<br />

keine. Ihr Text ist glänzend geschrieben und sehr gut<br />

und richtig gewiß. Daß die neue deutsche Kunst ihm<br />

viel gegeben hat, kommt selbst in den Abbildungen<br />

heraus ... Er ist gewiß eine sympathische Erscheinung<br />

und leichter zu behandeln als unsereins.“ 46<br />

Augenscheinlich ist: Kirchner reagiert mit der gleichen<br />

‘Strategie’ wie 1923, als Gustav Schiefler ihm den Band<br />

über ‘Edvard Munchs Graphische Kunst’ zusandte. 47<br />

Zunächst versucht er ihn mit einer spitzen Bemerkung zu<br />

verunsichern. Dann ‘bucht’ er die gelungene Ausstattung<br />

des Werkverzeichnisses auf sein Konto: „ ... hat<br />

der Verlag von meinem viel gelernt im guten Sinne“.<br />

Munch stellt er als angepassten, in seinen Mitteln stark<br />

nachlassenden Künstler hin, dem „viel von der deutschen<br />

Kunst gegeben wurde“. Damit ist Kirchner bei<br />

dem Künstler angekommen, der ihm der wichtigste ist:<br />

Bei sich selbst. Und er dreht gewissermaßen den<br />

‘Spieß’ um: Nicht die deutsche Kunst habe viel von<br />

Munch erhalten, sondern Munch erhielt viel von der<br />

deutschen Kunst. Und deren wichtigster Repräsentant –<br />

das meint Kirchner letztlich – ist (natürlich) er selbst.

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