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EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas

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Lebenslange Abwehr<br />

Eines fällt sogleich auf: „sympathisch ... feine Persönlichkeit“:<br />

Das sind Aussagen zur Person des großen<br />

Norwegers, nicht aber zu seiner Kunst. Die Brücke-<br />

Mitglieder haben den Menschen Edvard Munch, nicht<br />

aber den ‘Schaffenden’ geschätzt. Sie wehrten sich<br />

dagegen, mit ihm verglichen, nahe oder gar zu<br />

nahe an ihn herangerückt zu werden.<br />

Kirchner wies die Feststellung, die ‘Brücke’ sei von<br />

Munch beeinflusst, zurück – lebenslang: „Man hat uns<br />

als Abkömmlinge von Munch hingestellt. Eine historische<br />

Fälschung ...“ Er ist nicht „der Vater von uns allen“. 6<br />

Vor allem für sich selbst lehnte Kirchner das „Märchen<br />

der Munchabstammung“ entschieden ab. „Was habe<br />

ich mit Munch zu schaffen? Wir sind doch Gegensätze.<br />

Ich habe doch nie ein Geheimnis daraus gemacht,<br />

... daß ich von Dürer und Rembrandt viel lernte<br />

... Aber von Munch habe ich nie etwas gehalten, von<br />

dem kann man wirklich nichts lernen, dazu ist er viel<br />

zu schwach in der Form und im Stile.“ 7<br />

Seine Abwehrhaltung steigerte sich mit fortschreitender<br />

Zeit und wurde schließlich maßlos, verletzend: „... es<br />

hat mich immer gewurmt, wenn man meine Arbeit, die<br />

rein und naiv aus meinem Leben und Empfinden entstand,<br />

als so eine Art Anhängsel und Ableger von<br />

Munch einschätzte. Wenn man Dürer und Rembrandt<br />

genannt hätte, aber einen schwächlichen Hippokonder<br />

wie Munch, ...“ 8<br />

Das war 1924. Als die <strong>Galerie</strong> Ferdinand Möller fünf<br />

Jahre später – vom 1. April bis 1. Mai 1929 – eine<br />

Ausstellung mit 70 Graphiken von Edvard Munch<br />

zeigte, klang im Katalog an, Munch habe „den Künstlern<br />

der ‘Brücke’ für die Befreiung der druckgraphischen<br />

Kunst aus den Zwängen konventioneller<br />

Überlieferung die ersten Impulse gegeben“. Kirchner<br />

schrieb dem Galeristen, griff ihn unverblümt und direkt<br />

an: „Warum Sie diesen süßen Norveger M. ausstellen,<br />

wenn Sie wirklich sich für deutsche Kunst einsetzen und<br />

so nur den Unsinn von seiner angeblichen Vaterschaft<br />

bestätigen helfen, ist mir nicht klar ...“ 9<br />

Diese schroffe Sprache kennzeichnete nicht nur den in<br />

Briefen und Veröffentlichungen ausgetragenen Diskurs.<br />

Sie hatte längst jenen inneren, einsamen Raum erreicht,<br />

62<br />

der im Skizzenbuch vorliegt. „Munch schwach und<br />

schlecht ... es fehlt Leben und Sinnlichkeit“ 10 , notiert<br />

Kirchner dort.<br />

Wie ein Resümee klingt, was er schließlich dem Kunsthändler<br />

Curt Valentin 1937 in zwei Briefen mitteilt:<br />

„Ich habe nie etwas mit Munch zu tun gehabt und<br />

bin sowohl im technischen Aufbau wie im Inhalt und<br />

seelischem Empfinden das totale Gegenteil von ihm.“<br />

„Meine Arbeit, mein ganzer Weg, mein Charakter ist<br />

der strikte Gegensatz zu Munch. Der ist ein Ende, ich<br />

ein Anfang ... Meine Bilder besonders die frühen<br />

strömen Lebensfreude und Lust aus, keine Melancholie<br />

und dekadentes wie die Munchs.“ 11<br />

Kirchners Einspruch berührt ein grundsätzliches Problem.<br />

Bis heute wird oft schnell und leichtfertig ver -<br />

glichen, her- und abgeleitet. Zumeist diktiert eine<br />

oberflächlich assoziative Sichtweise den Irrtum. An -<br />

klingende Gemeinsamkeiten, auf eigenen Wegen gefunden,<br />

werden zu Abhängigkeiten erklärt. Kirchner<br />

konnte damit umgehen: „... schreibt über meine Cassirer<br />

Ausstellung wieder so ein Idiot, meine Anfänge ständen<br />

im Zeichen Munchs, immer noch derselbe Blödsinn und<br />

Ungerechtigkeit ... Ach es ist zu Verzweifeln, daß<br />

dieser Blödsinn nie ausgerottet wird ...“ 12<br />

Er fragt: „Warum müssen denn nun durchaus alle<br />

kräftigen Sachen von außen beeinflußt sein.“ 13 Er sieht<br />

sich als Vorreiter, schildert sein Werk als eigenständig,<br />

unabhängig: „Gauguin und Munch sind wirklich nicht<br />

meine Väter, es tut mir leid.“ 14<br />

Eine solche Reaktion – auch in ihrer Heftigkeit – ist<br />

nachvollziehbar. Kein Künstler hört es gern, wenn über<br />

ihn gesagt wird, er male, zeichne, skizziere wie ein<br />

anderer, wobei der Vorwurf mitschwingt, er nähre sich<br />

an fremdem Tische. An dieser Stelle war Kirchner überaus<br />

empfindlich. Lebenslang behauptete er seine Unabhängigkeit<br />

und bestritt jeden Funken von Epigonalität. 15<br />

Dafür ein Beispiel: 1923 erschien ein Buch von Gustav<br />

Schiefler zur ‘graphischen Kunst Edvard Munchs’ 16 . Der<br />

Hamburger Landgerichtsdirektor hatte es ihm im Juli zu -<br />

geschickt: „Eben habe ich das ... Munch-Buch ... eingepackt<br />

und lasse es als Drucksache an Sie abgehen, ...“ 17<br />

Kirchner bestätigt den Empfang am 6. August 1923 – eher

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