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EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas

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Nervenzusammenbruch und wurde Anfang November<br />

endgültig aus dem Militär entlassen. In seinen Selbst -<br />

porträts der folgenden Jahre ist seine Verzweiflung und<br />

sein fragiles Nervenkostüm ablesbar. Nach Klinikauf -<br />

enthalten in Königstein im Taunus im Sanatorium von<br />

Dr. Oscar Kohnstamm und in der Folge in verschiedenen<br />

Sanatorien in Berlin und Königsstein wird seine Medi -<br />

kamentenabhängigkeit vom Schlafmittel Veronal und<br />

Morphium festgestellt, die sich in der Folge verschärfen<br />

sollte. 1917 suchte er auch in Davos Heilung und übersiedelte<br />

im folgenden Jahr in die Schweiz auf die Stafelalp<br />

oberhalb von Frauenkirch. 1921 gelang es dem<br />

Künstler, seine Sucht vorläufig zu überwinden und es<br />

begann eine gesundheitlich stabilere Phase in seinem<br />

Leben, wobei er unter anderem unter den kalten Wintern<br />

in Davos litt und zunehmend depressiver wurde. 51<br />

Zuerst auf der Stafelalp, dann im Haus ‘In den Lärchen’<br />

und schließlich auf dem Wildboden setzte Kirchner sein<br />

umfangreiches Werk fort. Er malte Bauern bei der Arbeit<br />

und visionäre Landschaften, die den überwältigenden<br />

Eindruck der Alpenlandschaft erfassen.<br />

Neben malerischen, zeichnerischen und graphischen<br />

Werken fertigte er wieder Möbel und freie plastische<br />

Arbeiten.<br />

Im Jahr 1910 schuf Munch sein Gemälde Der Mörder<br />

(S.35 oben), das, vergleichbar mit Kirchners Gemälde<br />

Der Wanderer von 1922 (S.35 unten), kurz nach<br />

dessen Genesung entstand.<br />

In Der Mörder schreitet die Dreiviertelfigur in<br />

dunklem Violett und Kobaltblau mit Hut bekleidet auf<br />

den Betrachter zu, wobei die Bewegung durch das<br />

transparente vorgelagerte rechte Bein und die Flüchtigkeit<br />

der dargestellten Figur angedeutet ist. Der in die<br />

Tiefe führende, mit breiter roter Linie eingefasste Weg<br />

ist seitlich von Felsformationen, die an jene bei Kragerø<br />

erinnern, und in Stirnhöhe des Mörders von der<br />

Hintergrundlandschaft begrenzt.<br />

Der Hell-Dunkel-Kontrast der seitlichen Felsformationen<br />

zeigt die menschliche Spaltung in positiv und negativ,<br />

gut und böse an. Das transparente, grüne Gesicht ist<br />

durch breite gelbweiße Pinselstriche ergänzt und bleibt<br />

ohne Mund und Nase gleich einer Maske anonym.<br />

Die vorwärtsschreitende Figur, die verstümmelten Finger<br />

34<br />

der angespannten Hände, die sich deutlich vom hellen<br />

Untergrund abheben und die rechts neben der Figur<br />

herunterrinnende violette und rötliche Farbe steigern die<br />

Dramatik der Szene.<br />

Ob die Tat bereits begangen wurde und sich der Täter<br />

auf der Flucht befindet, wie in der Literatur behauptet<br />

wird, 52 oder der Mann sich auf dem unausweichlichen<br />

Weg zu seinem Opfer, zum Mörder werdend, ist,<br />

bleibt offen.<br />

Die Transparenz wird jedoch zum Ausdruck der sowohl<br />

physischen als auch psychischen Bewegung als spannungsvolle<br />

Durchlässigkeit zwischen Vergangenheit und<br />

Zukunft, Geschehenem und Erwartetem.<br />

Kirchner bezieht sich in dem fast gleichformatigen<br />

Gemälde Der Wanderer sowohl in der mittigen Plazierung<br />

des nach vorn schreitenden Mannes als auch dem<br />

Weg, der von Berghängen, vergleichbar den Fels -<br />

formationen Munchs, und einer Hintergrundlandschaft<br />

begrenzt wird.<br />

Beide Künstler setzen ihren Hauptakteur in ihre sie<br />

selbst umgebende Landschaft. Doch während Munch<br />

einen Mörder bedrohlich auf den Betrachter zuschreiten<br />

lässt, entwirft Kirchner einen Wanderer, der sich geschwächt<br />

auf einen Gehstock stützt. Der genesene,<br />

jedoch geschwächte Künstler blickt geradezu argwöhnisch<br />

aus dem Bild und ist in Bedeutungsperspektive<br />

weitaus größer, gleich einem Riesen, in die Landschaft<br />

eingefügt. Das Bild ist weitgehend in grün-blauer<br />

Farbigkeit gehalten, nur eine gelbliche Kapelle und<br />

vereinzelte violette Konturen stechen hervor. Gleich<br />

einem Gegenbild setzt Kirchner Munchs berühmtem<br />

Der Mörder, sowohl im Kolorit als auch motivisch,<br />

einen kränklichen Wanderer mit klar erkennbaren<br />

Gesichtszügen des Missmutes entgegen. Der flüchtende<br />

Täter oder im Begriff des Mordes gegebene Mann<br />

Munchs wird in Kirchners Werk zu einem Spiegelbild<br />

eines Skeptikers mit ungewisser Zukunft.<br />

Sein Misstrauen, das Kirchner seinen Freunden und<br />

Geschäftspartnern entgegen brachte, findet sich in<br />

den Erinnerungen des Kunsthändlers Günther Franke<br />

beschrieben: „Man spürt fast die pathologische Anlage<br />

zur Kritik, mit der er auch seine nächsten Freunde und<br />

Mäzene verletzt.“ 53

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