EDVARD MUNCH ERNST LUDWIG KIRCHNER - Galerie Thomas
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Edvard Munch in seinem Freiluft-Atelier in Ekely, ca. 1927<br />
in der Høstudstillingen (Herbstausstellung) in Kristiania<br />
der Öffentlichkeit präsentierte, folgte ein Sturm der Entrüstung.<br />
Die Studie wird als „roh ausgeführt“ 19 oder als<br />
ein „halbfertiger Entwurf“ 20 beschrieben, das Fragmentarische<br />
auf der Ebene des Flüchtigen bezeichnet.<br />
Das kranke Kind (Studie) wird zum Brennpunkt von<br />
Munchs früher experimenteller Auseinandersetzung mit<br />
der Materialität des Mediums der Malerei, seinen Experimenten<br />
mit Materialisierung und Dematerialisierung<br />
in den 1880er Jahren. Seine intensive Arbeit mit dem<br />
Farbkörper als autonomes Bildmittel ist prozesshaft und<br />
kalkuliert die Dialektik von Zerstörung und Schöpfung,<br />
wobei die Pinselstriche, Spachtelzüge, Mischfarben<br />
und Kratzer als Spuren dieses Arbeitsprozesses haptisch<br />
und reliefartig belassen sind. Dabei bestimmte insbesondere<br />
das Fragmentarische die zeitgenössische Kritik<br />
an Munchs Werken der 1880er und Anfang der 1890er<br />
Jahre als ein den Kunstwerken innewohnender Fragment-<br />
Charakter, der als vielfach diskutierter Aspekt der<br />
Moderne als Ausdruck von Flüchtigkeit und<br />
Bruchstückhaftigkeit verstanden werden kann.<br />
Munchs Umgang mit dem Bilduntergrund und Material<br />
ist höchst unkonventionell.<br />
25<br />
Mit Werden und Vergehen, Zerstörung und Schöpfung<br />
setzt sich der Künstler auseinander in der Auflösung und<br />
Verschmelzung von Figuren mit dem Hintergrund, ihrer<br />
eigenwilligen Überschneidung des Bildrandes, dem<br />
Kratzen in die Farboberfläche bis hin zu seiner ‘Rosskur’,<br />
dem Aussetzen vieler Werke im Freien bei Regen und<br />
Schnee. Dabei experimentierte Munch im Sinne des<br />
Fragmentarischen ununterbrochen mit Material und<br />
Motiv. Munchs Interesse an der Unmittelbarkeit und Experimentalität<br />
seines Farbauftrags und sein unkonventioneller<br />
Umgang mit Motiv und Material öffnen bereits zur<br />
Jahrhundertwende einen Ausblick ins 20. Jahrhundert.<br />
Experiment und Zufall sind integraler Teil von Munchs<br />
künstlerischem Konzept. Sein Umgang mit dem Material<br />
und die Betonung des Prozessualen seiner Arbeiten im<br />
Sinne des tatsächlichen Verschwindens von Materie<br />
weist ihn über seine Generation hinaus als Vorreiter aus.<br />
Mit der sogenannten ‘Rosskur’ integriert Munch nicht<br />
nur den Zufall, sondern auch den natürlichen Zerfall<br />
als Werkkomponente in seinen Schaffensprozess. In<br />
seinem Spätwerk erklärt er das Prozesshafte und das<br />
Temporäre als tatsächlich physisches Verschwinden von<br />
Materie zum allgemeinen Ausdruck von Vergänglichkeit<br />
seiner materialbasierten Modernität.