mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen
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ICH BIN MEINE EIGENE WELT<br />
Technisches Equipment und verschmelzendes Erleben im Cyberspace<br />
74<br />
die virtuellen Repräsentationen eines Mannes und einer<br />
Frau miteinander – Ausdruck der Sehnsucht nach der<br />
ultimativen körperlichen Vereinigung? Es ist spannend,<br />
dass dieser scheinbar vollständige Vereinigungsakt erst<br />
durch Weglassen bzw. virtuelles Verlassen der realen<br />
Körper möglich wird (vgl. auch Laszig 1998). Doch noch<br />
eine andere „Verschmelzung“ ist zu beobachten. Gezeigt<br />
wird die unbegrenzte Macht im Cyberspace: Als eigener<br />
Schöpfer kann er die Welt dort frei und autonom<br />
gestalten. Und so liegt darin gleichzeitig der Nährboden<br />
für Dominanz, Gewalt und Missbrauch. Die Vereinigung<br />
mit dem Anderen wird abgelöst von dem Wunsch nach<br />
Beherrschung und Unterwerfung des Anderen.<br />
Doch kehren wir von derartigen Allmachtsphantasien<br />
nun wieder zurück zur Frage, ob und auf welche Weise die<br />
Freizeitgestaltung technisch optimiert werden könnte.<br />
... ERINNERTE REALITÄT<br />
Die künstliche Stimulation der Sinnesorgane oder des<br />
Gehirns führt zu einem Erleben der vermittelten Inhalte<br />
im Augenblick der Induktion. Gleichzeitig bleibt jedoch<br />
das Bewusstsein, dass die Erfahrungen sekundär vermittelt<br />
sind. Aber wenn wir unsere Wünsche und Sehnsüchte<br />
wirklich ausleben wollen – möchten wir da gleichzeitig<br />
noch wissen, dass wir uns selbst betrogen und die Erlebnisse<br />
oder Erinnerungen fremder Menschen nur kopiert<br />
haben? Wenn man das ernst meint, muss das Ziel sein,<br />
die Doppelperspektive, die eine Erinnerung als falsche<br />
und gekaufte Erlebnisse abqualifizieren könnte, herauszunehmen.<br />
Was wäre also, wenn man nicht nur an fremden Wahrnehmungen<br />
und Erinnerungen teilhaben könnte, sondern<br />
diese direkt so übertragen könnte, dass sie Teil<br />
der eigenen Erinnerungen werden? Basierend auf einer<br />
Kurzgeschichte von Philip K. Dick zeigt der Film TOTAL<br />
RECALL, wie das ablaufen könnte:<br />
Douglas Quaid interessiert sich für den Kauf<br />
einer Erinnerung an einen Marsaufenthalt. Er<br />
besucht Recall Inc. und ein Firmenvertreter<br />
informiert ihn über Preise und Konditionen:<br />
„First of all, Doug, let me tell you: when you go Recall,<br />
you get nothing but first-class memories. (...)“ – „But<br />
how real does it seem?“ – „As real as any memory in your<br />
head!“ – „Come on, don’t bullshit me...“ – „I’m telling<br />
you, Doug, your brain will not know the difference! And<br />
that’s guaranteed – or your money back!“ – Quaid bucht<br />
daraufhin zwei Wochen Mars. Und er entscheidet sich<br />
noch für ein Zusatzmodul, welches die Erinnerung mit<br />
einer Identität als Agent in geheimer Mission versieht.<br />
Dem ganzen liegt offenkundig ein unglaublich mechanistisches<br />
Menschenbild zugrunde. Schon bei BRAIN-<br />
STORM erscheint es möglich, das Gehirn vollständig von<br />
den natürlichen Außenreizen abzuschotten, so dass eine<br />
Übertragung der gespeicherten Sequenzen ohne störende<br />
Interferenzen durch die Sensorik des Körpers möglich<br />
ist. TOTAL RECALL geht noch einen Schritt weiter. Erinnerungen<br />
auf Bestellung werden quasi als vorgefertigte<br />
Module in das Gedächtnis übertragen. Die Phase der<br />
Verarbeitung realer oder medial vermittelter Sinnesreize<br />
entfällt. Da das menschliche Gedächtnis jedoch nicht