mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen
mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen
mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Frage:<br />
Du hast ja mehrfach betont, dass du uns auf der Bühne<br />
immer wieder gern anlügst. Mir erscheint das ein bisschen<br />
wie Kokettieren. Ich finde gerade das Spannende,<br />
dass ich mich im Theater nie angelogen fühle. Ich gehe<br />
gern ins Theater und fühle mich nie belogen, sondern<br />
für mich ist Theater eine Einladung. Wo ich tagtäglich<br />
belogen werde und das auch so wahrnehme, das ist tatsächlich<br />
im Fernsehen. Die Bilder lügen mich wesentlich<br />
eher an als das Theater. Das Theater ist für mich eine<br />
Einladung.<br />
Antwort Peter Lüchinger:<br />
Heute sind wir viel auf das Lügen gekommen. Ich wollte<br />
eigentlich auf etwas Anderes hinaus. Wir haben da oben<br />
die Bühne. Die Bühne ist doch auch die politische Bühne.<br />
Wenn man zum Beispiel diesen ganzen Wahlkampf sieht,<br />
dann denkt man: Das sind ja zwei wahnsinnig schlechte<br />
Schauspieler. Da liegt das Problem. Den Gedanken<br />
müsste man weiter diskutieren. Die Bilder, die wir über<br />
das Fernsehen kriegen, sind ja auch keine realen Bilder.<br />
Das, was ich hier erzähle, ist nichts Neues. Eigentlich<br />
steht da nur ein Politiker. Das ist sein Beruf. Nur wie<br />
man diesen Beruf ausführt, dass sollte er üben. Wenn er<br />
schon Millionen von Menschen führen will und soll, dann<br />
sollte er doch bitte auch dafür Geld investieren, dass er<br />
eine gute Ausbildung erhält. Der Politiker soll mich auch<br />
unterhalten. Wir haben ja das Gefühl: Wir wählen einen<br />
Politiker und mit dem Politiker wählen wir auch noch<br />
eine Person. Also wählen wir auch den Menschen Schröder.<br />
Dem ist aber nicht so. Der Gewählte ist der Herr<br />
Bundeskanzler, der den Namen Schröder trägt. Wenn<br />
wir gute Schauspieler sind, können wir den sehr schnell<br />
nachspielen. Der hat eine Funktion und eine festgelegte<br />
Verantwortung auszufüllen. Das ist es, was ihn ausmacht.<br />
Aber das, was wir sehen und hören und wahrnehmen<br />
ist nicht das, was einen Politiker ausmacht. Wenn<br />
man Schröder sieht, kommt nichts Neues dazu, außer<br />
dass bei ihnen noch der Reflex hinzukommt: Oh Gott, oh<br />
Gott schon wieder! Er lebt nicht. Der Politiker hat ein<br />
ganz großes Problem. Er kann oder darf keine Unmittelbarkeit<br />
herstellen. Joschka konnte das früher teilweise,<br />
spontan reagieren, spontan reden. Im Theater erlügen<br />
wir die Spontaneität. Wenn wir auf die Bühne gehen,<br />
tun wir so, als ob wir das Stück noch nicht kennten. Aber<br />
wir wissen ja schon das Ende. Aber wir gaukeln Ihnen<br />
vor: Ich habe keine Ahnung, was im fünften Akt passiert.<br />
Das nenne ich die kokettierte Lüge. Das Schöne<br />
ist: Sie machen Sie auch mit. Das ist ganz wichtig. Das<br />
funktioniert in der Politik aber nicht. Spontane Gefühle<br />
darf man nicht zeigen, weil ja alles aufgezeichnet wird.<br />
Und dann wäre es im Bild und Ton festgehalten: Da hat<br />
er einen falschen Satz gesagt. Da kann eine ganze Welt<br />
zugrunde gehen. Diese Angst ist was völlig absurdes,<br />
sie engt ein, macht alles tödlich klein. Ich finde es toll,<br />
wenn Leute ins Theater gehen. Denn ich finde zu lügen<br />
etwas Tolles. Also nur auf der Bühne lügen! Im Leben<br />
sollten Sie ganz ehrlich sein!<br />
Frage:<br />
Eine Frage direkt hinterher: Gehört nicht das schlechte<br />
Spiel von Bush und Kerry zu dieser Art von Bühnenin-<br />
THEATER<br />
49