03.03.2013 Aufrufe

mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen

mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen

mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

oben auf der Bühne, aber auch mit den Zuschauern. Dafür<br />

muss man eine gewisse Phantasieleistung erzeugen und<br />

sich verführen lassen und sich ihr, der Phantasie „hingeben“.<br />

Und sich verführen lassen, das haben wir alle mal<br />

gelernt, respektive wir haben es nicht gelernt, sondern<br />

wir haben es alle ganz einfach gelebt, als etwas selbstverständliches.<br />

Als Kinder haben wir alle gespielt. Und<br />

irgendwann hat man uns das weggenommen, haben wir<br />

es uns selber weggenommen, das Spielen. Was machen<br />

wir, wenn wir spielen?<br />

Und da sind wir wieder bei der Frage? Warum gehen<br />

wir ins Theater? Beim Spielen können wir alles machen,<br />

was wir wollen. Wir können eine Rolle annehmen und<br />

jemand anderer sein. Ich kann sagen: „Ich bin König.“<br />

und setze mir eine Krone auf. Und wenn sie mir glauben,<br />

dass ich König bin, dann bin ich ein König. Doch wenn<br />

Sie sagen, sie glauben die Krone funktioniert nicht, du<br />

bist immer noch der gleiche wie ohne Krone, dann bin<br />

ich kein König. Bei Kindern funktioniert diese Transformation<br />

leicht. Sie fragen nicht nach der Wahrheit.<br />

Bei Shakespeare ist es ähnlich spannend. Shakespeare<br />

hat in seine Stücke viele Behauptungen, Unwahrheiten<br />

gesetzt. Zum Beispiel „Romeo und Julia“ – Spielort ist<br />

Verona in Italien. Shakespeare reiste nie nach Italien.<br />

Aber er hat ein Stück geschrieben über Italien. Heute<br />

verbindet man „Romeo und Julia“ immer mit Italien,<br />

aber keiner weiß, wie es damals ausgesehen hat. Auch<br />

Shakespeares Zuschauer konnte nicht wissen, wie Verona<br />

ausgesehen hat, wie man in Verona lebte. So verführt<br />

uns Shakespeare mit seiner „Lüge“ nach Italien. In England<br />

zu Shakespeares Zeit muss es ein großes Interesse<br />

geweckt haben, ein Stück über Italien zu sehen, ein Liebesdrama<br />

zu sehen, das in Italien stattfindet. Das heißt<br />

verkürzt: Die haben Reisekosten gespart. Weil sie nicht<br />

reisen konnten, haben sie es sich vorgestellt: Ach so<br />

könnte das ausgesehen haben in Italien. Die lieben vielleicht<br />

so in Italien. Aber im Erleben dieser italienischen<br />

Welt kommen sie natürlich auch mit ihrer eigenen Welt<br />

in Berührung. „Das ist vielleicht ein Liebesdrama, was<br />

eventuell auch in England, in meiner Welt so stattfinden<br />

könnte“. So wird der fremde Ort gleichzeitig zum Ort der<br />

Nähe, die geographische Distanz fällt weg, die Phantasie<br />

baut sich die Brücken.<br />

Zu Shakespeares Zeit, vor 400 Jahren, war England<br />

eine Weltmacht gewesen. Die ersten Schiffe aus fernen<br />

Ländern sind zurückgekehrt, mit Wilden, mit Schwarzen<br />

an Bord. Shakespeare verarbeitet diesen großen Wandel<br />

gleich in einem Stück: Der Sturm. Er hat auf der Bühne<br />

einen politischen Diskurs gestartet, über das Fremde,<br />

über die Unterdrückung, über die Rache,über die Gnade,<br />

etc. doch er lässt das Stück in einer fiktiven Welt spielen,<br />

auf einer Insel. Es gibt keine Anhaltspunkte über<br />

ihre wirkliche Existenz. Die Insel liegt sozusagen im Nirgendwo.<br />

Das heißt, Shakespeare hat die Leute wiederum<br />

entführt in ein fremdes Land, in eine unbekannte Welt,<br />

mittels ihrer Phantasie. Doch dieses Mal ist es nur „noch<br />

„ eine Insel, alles ist erfunden, der Zuschauer hat keine<br />

Anhaltspunkte, keine Vergleichsmöglichkeiten mehr.<br />

Shakespeare hat sein Drama auf dieser Insel aufspielen<br />

lassen. Er zieht die Zuschauer in diese Welt und am Ende<br />

entlässt er sie wieder aus dieser Welt in ihre eigene Welt.<br />

Zu seiner Zeit muss das sehr gut funktioniert haben. Nur<br />

THEATER<br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!