mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen

SCHEIN UND WIRKLICHKEIT IM THEATER
Peter Lüchinger
Schönen guten Abend,
ach es ist ja noch Tag. Was ist eigentlich für eine Zeit
draußen, was ist für eine Zeit drinnen? Draussen ist
es hell, hier drin ist es dunkel. Ein spannender Unterschied.
Ich bin Schauspieler bei der bremer shakespeare
company und wurde vor zwei Monaten gefragt, ob ich
einen Vortrag bei dieser Veranstaltung halten könnte,
„na klar mache ich“ und ich habe zugesagt. Aber ein
Schauspieler, wie ich, kann keine Vorträge schreiben, er
kann eigentlich nur Texte vortragen, sein Wissen weitergeben,
weiter erzählen. Dieses Wissen hat sehr viel mit
dem Autor Shakespeare zu tun. Die bremer shakespeare
company, der Name sagt es, beschäftigt sich, segnet
sich mit diesem Autor. Ich werde gleich eine Textstelle
vortragen, und danach könnten wir feststellen: Das war
der Vortrag, in diesem Text wird eigentlich schon alles
zum Thema Schein und Wirklichkeit gesagt, alles gesagt,
was das Theater zur Scheinwirklichkeit macht. Aber ich
soll einen Vortrag halten so werde ich anschliessend,
zwei, drei Thesen aufstellen. Ob das gesagte wahr ist,
das zu bewerten, überlasse ich Ihnen.
Prolog aus Heinrich V.
Oh wären wir erleuchtet wie mit Feuer
den hellsten Himmel voller Phantasie
zu wölben über diesem Bühnenkönigreich,
mit Prinzen als Figuren und Monarchen,
das brodelnde Spektakel anzuschaun!
Dann käm der kreigerische Heinz, ganz wie er war,
im Helm des Mars zurück, und ihm bei Fuß,
wie Doggen angeleint, jauln Hunger, Schwert und
Feuer,
auf Beute lauernd. Doch verzeiht, Ihr Edlen,
dem seichten, unentfachten Geist, der´s wagt,
auf dieses klägliche Gerüst zu bringen
solch grossen Gegenstand. Kann dieser Hühnerstall
die Weite Englands fassen? Dürfen wir
in dieses O aus Holz die Truppen zwängen,
die eine Welt erschüttern bei Azincourt?
Verzeiht: kann nicht die schiefe, kleine Zahl
auf einem Zettel für Millionen stehn?
So laßt uns, Ziffern dieser grossen Summe,
heut abend Eure Phantasie entfachen!
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